Mittwoch, 20. Dezember 2006

Psychologie der Geschlechter.

Eleanor E. Maccoby:
Psychologie der Geschlechter.Sexuelle Identität in den verschiedenen Lebensphasen.Stuttgart: Klett-Cotta, 2000(Originalausgabe: The Two Sexes. Growing Up Apart, Coming Together. Cambridge, MA/London: The Belknap Press of Harvard University Press 1999)444 S., ISBN 3-608-94183-5 DM 88,00, SFr 77,00



Rezension: Ein richtiger Junge spielt nicht mit Mädchen! Die zwei Kulturen der Kindheit
Von Monika Sieverding

Die neue These: Geschlechtertrennung in der Kindheit als Ursache für psychologische Geschlechtsunterschiede
In der psychologischen Geschlechterforschung ist inzwischen nicht mehr so sehr die Frage von Interesse, ob es Geschlechtsunterschiede gibt, sondern die Frage, worauf diese zurückzuführen sind. Die soziale Rollen-Theorie von Alice Eagly (1987) beispielsweise sieht die unterschiedliche Verteilung von Männern und Frauen auf familiäre und gesellschaftliche Rollen in der Gesellschaft als eine wesentliche Ursache. Theorien der evolutionären Psychologie verweisen auf Prinzipien der Evolution; so gilt beispielsweise die höhere männliche Aggression und Dominanz als Ergebnis von Selektionsprozessen im Kampf um weibliche Sexualpartner. Ein weiterer, vor allem in der Entwicklungspsychologie verbreiteter Erklärungsansatz sieht die getrennten Kulturen von Mädchen und Jungen als wesentliche Ursache für das Erlernen geschlechtsabhängiger Regeln der sozialen Interaktion, die bis ins Erwachsenenalter wirksam sind. Um eine Beschreibung dieser separaten Kulturen, in denen Jungen und Mädchen aufwachsen, geht es nun schwerpunktmäßig in dem neuen Buch von Eleanor Maccoby.
Das Buch beschäftigt sich mit der Art und Weise, wie Menschen an verschiedenen Punkten des Lebenszyklus und in unterschiedlichen Kontexten mit Angehörigen ihres eigenen Geschlechts und mit Angehörigen des anderen Geschlechts interagieren (S. 7). Ihren Ansatz sieht Maccoby als eine notwendige Erweiterung des klassischen Sozialisierungsmodells, welches postuliert, dass vorhandene Geschlechterdifferenzen im wesentlichen auf eine unterschiedliche Sozialisation von Jungen und Mädchen durch Erwachsene zurückzuführen seien. Sie hält das Sozialisierungsmodell für zu eng gefasst und verlangt, die Aufmerksamkeit weniger auf das Individuum als auf die Dyade oder auf die soziale Gruppe zu konzentrieren. Ihre These ist, "daß ein Großteil der beobachteten stabilen Verhaltensunterschiede zwischen Männern und Frauen vom Gruppenkontext abhängig ist" (S. 22). Eine weitere These ist, dass eine weitgehende Geschlechtertrennung in der Kindheit die Ursache für Geschlechtsunterschiede im psychischen Erleben und Verhalten Erwachsener ist. In ihrem Buch erklärt sie die Geschlechterdifferenzierung im Entwicklungskontext: Im ersten Teil schildert sie die "Zwei Welten der Kindheit", im zweiten Teil stellt sie verschiedene Erklärungsansätze vor, im dritten Teil des Buches werden "Annäherungen im Erwachsenenalter" dargestellt.

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