Mittwoch, 6. Dezember 2006

Kinder, Kinder und kein Ende

Jenseits allen Gesülzes und aller Sentimentalität ist der Mensch, sei es Mann oder Frau, ein ziemlich rational handelndes Wesen. Und schließlich und endlich ist das ja auch das Postulat, auf dem die ganze Volkswirtschaftslehre aufgebaut ist: der Mensch als Homo ökonomicus.
Nun klingt Ökonomie sofort nach Geld, und Geld und so ein hohes Gut wie Kinder, da haben viele ein Problem oder aber, wie die Politik eine schnelle, teure und untaugliche Lösung.
In Wahrheit geht es bei Ökonomie um Entscheidung und Wert. Entscheidung, wie ich meine knappen Resourcen an Zeit und Kraft und Ansprüchen gegen andere (das ist Geld z. B.) einsetze, um meinen Nutzen zu maximieren. Und Nutzen ist das, was meine Bedürfnisse befriedigt, nach Essen, Trinken, Kleidung, Wohnen, aber auch nach Glück, Zufriedenheit, Selbstachtung oder Sicherheit. Und Wert bedeutet, zu welchem Verzicht bin ich bereit, um das Gut oder die Dienstleistung zu erlangen, deren Wert ich abschätze. Das Leben ist ein Geben und Nehmen und wir müssen darauf achten, dass unser Lebenskonto nicht leergebucht wird, darum müssen wir im Interesse des Überlebens immer auf eine ausgeglichene Bilanz achten, was ein gesunder Mensch immer tut. Denn wenn unsere Lebensbilanz nicht ausgeglichen ist, wenn unsere Umwelt unser Kraftkonto leerbuchen, dann werden wir krank oder wir sterben gar.
In diesem Modell, das ich hier skizziere, sind auch Kinder ein Gut wie andere Güter, deren Erwerb Ressourcen verzehrt und die eine ökonomische Entscheidung erfordern, die wieder etwas mit Wert zu tun haben.
Was ist es mir wert mit Kindern zu leben. Auf was bin ich bereit zu verzichten, um mit Kindern zu leben. Wie groß ist der zu erwartende Verzicht, und wie groß ist der zu erwartende Nutzen.
Nun ich sagte zu Beginn, dass der Homo ökonomikus rational vorgeht, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Aber die Bedürfnisse sind oft nicht rational. Sie sind Teil unserer Natur, unseres Wesens.
Dass Menschen gerne Musik hören, ist nicht rational, nicht logisch. Es ist Teil ihres Wesens. Dass Menschen, die gerne Musik hören, einen Teil ihrer Ressourcen darauf verwenden, in den Genuss guter Musik zu kommen, ist wieder rational.
Nun, so ist es mit dem Kinderwunsch. Auch er ist nicht rational, wenn man einfacher Arbeitnehmer ist. Aber es gibt Menschen, denen ist das Leben mit Kindern etwas wert. Sie sind bereit Verzicht zu üben, damit sie mit Kindern zusammenleben können.
Wenn nun zu wenig Kinder geboren werden, dann ist für viele Menschen der Nutzen, der mit Kindern verbunden ist, zu klein im Verhältnis zum Verzicht, den Kinder mit sich bringen.
Wollen wir die Situation ändern, müssen wir den Nutzen erhöhen oder die Kosten (den Verzicht) reduzieren.
Den Nutzen können wir erhöhen, wenn das Haben von Kindern Prestige mit sich bringt, für den Mann und die Frau, die beide an Reputation gewinnen, wenn Menschen mit vielen Kindern besondere Achtung genießen. Den Nutzen könne wir erhöhen, wenn wir die Kinderaufzucht als eine besonders erfüllende Lebensaufgabe verstehen. Den Nutzen können wir erhöhen, wenn das Haben von Kindern mit handfesten Vorteilen verknüpft ist, richtig tollen Incentives, Urlaub auf den Malediven o. Ä.
Die Möglichkeiten der Kostensenkung sind hinlänglich bekannt. Was oft vergessen wird, sind kalkulatorische Risiken. Zu diesen gehört das Scheidungsrecht. Ein Investment beinhaltet immer drei Aspekte: Zinsertrag, Liquidität, Risiko (Bonität). Und eine schlechte Bonität muss verzinst werden. Wenn Kinder durch ein schlechtes Scheidungsrecht zum Armutsrisiko werden, dann hat das natürlich Folgen für die Entscheidung für oder gegen Kinder. Wer würde ein Auto kaufen, wenn die Gefahr besteht, dass es ihm jederzeit genommen werden kann, die Kosten aber dann weiterlaufen, obwohl ein anderer jetzt damit fährt. Ein solches Auto ist ein Ladenhüter. Man kann also auch Kosten senken, ohne dass es die Allgemeinheit Geld kostet.
Nun bin ich gar nicht auf das Verhältnis von Mann und Frau eingegangen, wobei dieses bei der Kinderfrage zentral ist. Wenn die beiden schon nicht zum Kontrakt kommen, ist es mit Kindern sowieso Essig.
Nur ein paar Anmerkungen. Wenn Mann und Frau gleichwertige und damit auch gleich bezahlte Tätigkeiten ausüben und wir annehmen, dass es für das Kind die beste Situation ist, in den ersten drei Lebensjahren eine feste Bezugsperson zu haben, dann bedeutet die Entscheidung für Kinder für das Paar den Verlust eines ganzen Einkommens, wie immer sie sich die Arbeit aufteilen, ohne all die anderen Nachteile, die ein Kind nun auch mit sich bringt. Selbst wenn dieses Paar sehr kinderlieb ist, kann es gut sein, dass der Kinderhunger mit einem Kind gestillt ist. Denn auch der Grenznutzen von Kindern nimmt von Kind zu Kind ab. Grenznutzen ist der Nutzengewinn, den ein weiteres Kind mit sich bringt, wenn man schon eines oder zwei, etc. hat.
Ist das Einkommen einer der beiden Partner vernachlässigbar oder durch verstärktes berufliches Engagement des anderen kompensierbar, sieht der andere Partner gar die Kinderaufzucht als Lebensaufgabe, dann hat man das Phänomen wie bei Hundeliebhabern, die nicht nur einen Mops haben, sondern viele. Sie machen ihr Hobby zum Beruf und ziehen aus diesem ihre Selbstachtung, ihre Befriedigung.

Nach vielen Worten, für die ich mich bei meinen Lesern entschuldige, komme ich zum Schluss und zu meinem Fazit.
Es ist banal und nach meinen Ausführungen auch nachvollziehbar.

In Deutschland werden so wenig Kinder geboren, weil im Schnitt, die Menschen so wenig Kinder wollen.
Und sie wollen so wenig Kinder, weil der mit Kinder verbundene Verzicht zu groß im Vergleich zum Nutzen ist, den Kinder für die Entscheidungsträger in dieser Frage generieren.

Vor der Ära der Verhütung hatten viele Menschen auch keine Lust auf Kinder, aber sie hatten Lust auf Sex. So war Sex der Wurm an der Angel.
Wenn nun der intrinsische, also aus dem Wesen des Menschen kommende Kinderwunsch das Selektionskriterium wird, können wir uns vorstellen, wie stark dieser Wunsch in einigen Generationen sein wird. Dann sieht man auf den Werbeplakaten keine nackten Frauen mehr, sondern nackte Babys.


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