© ZEIT Wissen 01/2007
Frauen sind auch nur Männer
Frauen können nicht einparken, Männer nicht zuhören. Aus solchen Thesen werden Bestseller gemacht. Die Autoren berufen sich auf die Wissenschaft. Zu Unrecht.
»Typisch Frau« steckt nicht in den Genen. Weibliche Eigenschaften sind meist erlernt.
Foto: Thomas Rusch
Vorab eine Warnung: Weiterlesen könnte Sie unglücklich machen. Jedenfalls dann, wenn Sie bisher Leuten wie Barbara und Allan Pease oder Eva Herman geglaubt haben. Das Ehepaar Pease schreibt Bücher wie Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken und behauptet: Frauen und Männer sind komplett unterschiedlich. Männer lernen schlecht Sprachen. Frauen können nicht räumlich denken. Männer arbeiten gern hart. Frauen gehen lieber Schuhe kaufen. Und so weiter.
Ein wirklich lesenswerter Artikel. Die Plattitüde, dass die Wahrheit irgendwie immer in der Mitte liegt, in der Mitte zwischen Sex und Gender, zwischen Genen und Kultur, zwischen Erbanlagen und Umwelt, wird durch diesen Artikel nochmals untermauert.
Man kann diesen Artikel als Aufforderung an Frauen verstehen, ihre Grenzen auszuloten, da doch die Biologie a priori keine Grenzen setzt.
Was ich vermisse ist, die Auseinandersetzung mit der Frage, warum man den Männern und der Männlichkeit so viel Dunkles zuschreibt, wenn doch auch hier die Unterschiede zu den Frauen und der Weiblichkeit weitgehend durch Anpassung und Lernen erzeugt werden.
Folgende Passage, kann ich uneingeschränkt bejahen:
Dass Umwelteinflüsse ebenso wie die Veranlagung ihren Teil zu den unterschiedlichen Verhaltensmustern und Fähigkeiten der Geschlechter beitragen, bestreiten nur noch wenige Wissenschaftler. Streit gibt es aber immer noch darüber, wie groß der jeweilige Anteil von Umwelt und Veranlagung tatsächlich ist.
Das ist der zentrale Punkt, wir wissen nicht, wie hoch der Anteil ist. Nur durch Ausprobieren können wir uns der Wirklichkeit nähern.
Und folgender Absatz ist ebenfalls unbestritten:
Doch eine Berliner Untersuchung zeigte: Dieser Unterschied besteht gar nicht zwischen Männern und Frauen, sondern zwischen guten und schlechten Navigierern. Die angeblich so fest sitzenden Geschlechterunterschiede rühren offenbar einzig daher, dass im Schnitt mehr Männer gut und mehr Frauen schlecht in Orientierung sind.
Immer ist es so, dass die Ausprägung von Merkmalen sich nur statistisch zwischen der männlichen und der weiblichen Population unterscheiden. Die Verteilungskurven überlappen sich.
Die folgende Textstelle lässt die Frage, warum Jungs zur Zeit in der Schule im Vergleich zu den Mädchen so schlechte Leistungen bringen in einem ganz anderen Licht erscheinen.
In entlegenen nordschwedischen Regionen sind Mädchen deutlich besser in Mathematik und Physik als ihre Mitschüler. Doch nicht Gene oder Hormone sind dafür verantwortlich, sondern soziale Gründe: Männer finden in der Region Arbeit als Fischer, Jäger oder Förster. Die Frauen dagegen wollen in die großen Städte Südschwedens ziehen – wo sie in High-Tech-Berufen mit anderen Bewerbern konkurrieren müssen. Das spornt sie an.
Unbewusste Vorurteile wie »Männer sind begabter« oder »Eine echte Frau kann nicht gut in Mathe sein« können die Motivation beträchtlich senken, zeigte der Sozialpsychologe Paul Davies von der University of California in Los Angeles. Weibliche Mathe-Cracks lösen schwierige Matheaufgaben schlechter, wenn man ihnen vorher sagt, ihre Leistungen würden mit denen von Männern verglichen. Ihre Leistung bricht auch ein, wenn sie vorher Werbespots sehen, in denen Frauen etwa eine Backmischung anpreisen – also in stereotypen Rollen auftauchen. Sogar die Berufswünsche der mathematisch begabten College-Studentinnen änderten sich nach solchen Filmen. Sie wollten dann eher Linguistik oder Journalismus studieren. Frauen in einer Vergleichsgruppe, die einen nichtstereotypen Werbespot gesehen hatten, tendierten dagegen ebenso häufig wie Männer zu Fächern, die viel Mathematik voraussetzen. Stereotype threat, Bedrohung durch Stereotype, nennt Davies diesen Effekt.
Und die Antwort auf die oben aufgeworfene Frage, nach den Schulproblemen der Buben, gibt die Autorin, hier allerdings auf Frauen gemünzt, selber:
»Die wissenschaftlichen Daten liefern keinen überzeugenden Beweis dafür, dass Frauen weniger begabt für Mathematik oder Naturwissenschaften wären«, sagt Barres. »Im Gegenteil: Die Daten beweisen, dass Frauen in solchen Fächern diskriminiert werden.«
Wenn wir die Hypothese verwerfen, dass Männer auf Grund ihrer archaischen Biologie nicht mehr in die moderne Zeit passen, dann bleibt als Antwort auf die Ursache für Probleme der Männer wie hohe Suizidrate, hohe Rate an Obdachlosen und Suchtkranken, hohe Rate an Schulabbrechern, hohe Rate an Strafgefangenen nur noch eine Antwort: Die Daten beweisen, dass Männer in unserer Gesellschaft diskriminiert werden.
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