Samstag, 11. Januar 2014

Gene und Meme

„Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“ - Anna-Karenina-Prinzip

 Es geht um Faktoren, die für ein Gelingen, das Erreichen eines Ziels unabdingbar sind. Fehlt nur einer, wird die Ziellerreichung unwahrscheinlich oder gar unmöglich.

Ein Mem bezeichnet einen einzelnen Bewusstseinsinhalt (zum Beispiel einen Gedanken), der durch Kommunikation weitergegeben und damit vervielfältigt werden kann. Dies trägt zur soziokulturellen Evolution bei. Dieser Vorgang ist analog zur Theorie des Lamarckismus, der zufolge erworbene Eigenschaften an die Nachkommen weitergegeben werden können. Im Unterschied hierzu werden durch Gene körperliche Eigenschaften von Individuen durch Fortpflanzung bzw. Vererbung weitergegeben; dies trägt zur biologischen Evolution bei. -Mem -

Eine bedeutende Vertreterin dieser Idee der Meme ist Susan Blackmore: Susan Blackmore

The meme is an evolutionary replicator, defined as information copied from person to person by imitation. I suggest that taking memes into account may provide a better understanding of human evolution in the following way. Memes appeared in human evolution when our ancestors became capable of imitation. From this time on two replicators, memes and genes, coevolved. Successful memes changed the selective environment, favouring genes for the ability to copy them. I have called this process memetic drive. Meme-gene coevolution produced a big brain that is especially good at copying certain kinds of memes. This is an example of the more general process in which a replicator and its replication machinery evolve together. The human brain has been designed not just for the benefit of human genes, but for the replication of memes. It is a selective imitation device.
Das Konzept erlebte einen Hype, ist jedoch auch sehr umstritten.

„Die Anhänger der Memetik versprechen sich von ihrem Ansatz eine selektionstheoretische Erklärung der Weitergabe und Ausbreitung von Ideen. Die Memetik ist jedoch zum einen konzeptionell so unklar, dass sie an Sinnlosigkeit grenzt, zum anderen ignoriert sie praktisch die gesamte psychologische und sozialwissenschaftliche Forschung zur menschlichen Kommunikation (…). Idealistische Fantasien werden nicht dadurch akzeptabler, dass sie in evolutionsbiologischem Gewande daherkommen.“

Vielleicht hilft uns hier Ockhams Rasiermesser weiter:

Das ockhamsche Prinzip fordert, dass man in Erklärungen nicht mehr Hypothesen und Variablen einführt, als benötigt werden, um den zu erklärenden Sachverhalt ausreichend herzuleiten. - Ockhams_Rasiermesser -
Und hier treffen wir wieder auf das Anna-Karenina-Prinzip, wir suchen die kulturellen Faktoren, welche durch genetische Lücken entstanden sind, jedoch zwingend gefüllt werden müssen, damit Überleben überhaupt möglich ist. Das sind dann in jedem Fall Meme.

  1. Nahrungssuche: Dazu gehört auch das Wissen, welche Tiere/Pflanzen essbar sind. Welche Flüssigkeiten getrunken werden dürfen. Welche Tiere/Pflanzen auf keinen Fall bei der Ernährung fehlen dürfen (Vitamine, Spurenelemente)
  2. Nahrungszubereitung: Dazu gehört das Wissen, welche Nahrungsmittel wie zubereitet werden müssen. Wie sie haltbar gemacht werden können. Wie lange sie haltbar bleiben.
  3. Kleidung: Wie sie hergestellt wird. Für welchen Zweck sie geeignet ist.
  4. Behausung: Wie zu bauen. Wie zu erhalten.
  5. Hygiene: Wie Krankheiten vermieden werden können.
  6. Körperpflege: Wie Gesundheit und Attraktivität erhalten werden können.
  7. Paarfindung und Paarbindung
  8. Kinderaufzucht
  9. Schutz: Wie schütze ich mich und meine Gruppe vor Fress- und anderen Feinden.
  10. Kooperation: Wie gelingt das Zusammenleben mit Menschen meiner Sippe/anderen Sippen.
  11. Kommunikation: Von non-verbal bis verbal.
  12. Transzendenz: Wie gehe ich mit der Neigung meines ZNS um, inneres Empfinden nach Außen zu projezieren.
Meme sind daran zu erkennen, dass sie allen funktionierenden Gemeinschaften gemeinsam sind, während das Fehlen, allen scheiternden Gemeinschaften gemeinsam ist. Die Summe der Meme einer Kultur ist das, was diese Kultur mindestens liefern muss, damit die Träger dieser Kultur langfristig überleben. Meme sind Apps, Programme, die auf das Betriebssystem des Menschen durch Lernen aufgespielt werden müssen, weil das Betriebsystem selbst, keine ausreichende Problemlösung mehr anbietet (die Instinkte fehlen).

Meme sind das, was die glücklichen Familien haben.

Höflichkeit ist ein Mem. Höflichkeit meint  Kulturtechniken, um Aggression zu vermeiden oder zu vermindern. Die Empfindung Wut ist genetisch fixiert, die Auslöser sind in gewissem Rahmen modifizierbar, wie auch die Beschwichtigungsgesten. Will man nicht extreme Aggression in Gruppen, muss dieses Feld memetisch bearbeitet sein.

Man könnte Meme mit den Treibern der Betriebsysteme vergleichen. Sie binden genetische Disposition kulturell ein.

Mutter und Vater sind Meme. Das Kind hat genetisch eine Erwartung, eine Schnittstelle. Die Eltern müssen beim Menschen kulturell lernen, diese Schnittstelle zu bedienen. Diese Kenntnis ist ein Mem.

Männer und Frauen haben genetisch eine Erwartung an das jeweilige Gegengeschlecht. Es zeigt sich in den Märchen, an den erfolgreichen Filmen. Diese Filme zeigen die Erwartung, die Hoffnung. die Sehnsucht. Was uns erregt, zeigt die Sehnsucht. Da unsere Instinkt nicht stark genug sind, kulturelle Zwänge zurückzuweisen, welche uns dazu drängen, diese Erwartung zu enttäuschen, müssen z.B. Männer Game lernen, die Kunst, Frauen das zu bieten, was diese tatsächlich wollen, was die genetisch fixierte Erwartung tatsächlich erfüllt. Game, das ist ein Mem. Der Faktor, die Kulturtechnik, welche die Beziehung glücklich und dauerhaft macht.

Meme erkennen wir auch in der Religion, in deren Bildern. Es ist kein Zufall, das Jesus der Sohn und nicht Mirjam, die Tochter, am Kreuz hängt. Auch ist kein Zufall, dass die Gottesmutter im Katholizismus mit dem Kind auf dem Arm abgebildet und stets ihre Keuschheit betont wird. Weibliche Gottheiten sind meist weder keusch noch kinderlieb. Die Mutter, die um des Begehrens willen ihre Kinder tötet ist kein Unfall der Geschichte und kein Ausnahmetatbestand. Die weibliche Sexualität hat viele, tiefe, dunkle Seiten. Meme sind auch Kulturtechniken, die dunkle Seite des Menschen zu zähmen.

Wie verhindere ich den Bürgerkrieg, das ist ein Mem, das jede größere Gemeinschaft besitzten muss. Denn Frieden ist keine Selbstverständlichkeit, nicht innerhalb des Clans und nicht über Clangrenzen hinaus. Der Clan, das sind die Menschen denen wir uns verbunden fühlen.

Der Membegriff kann helfen, unverzichtbare Elemente einer Kultur zu identifizieren und ihre Entwicklung über die Zeit zu verfolgen.

Der Erfolg eines Mems, zeigt sich wie bei den Genen, an seiner Verbreitung.

Hier noch ein Bezug zur IT: Gene, Meme und Programme

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