Freitag, 4. November 2011

Mal was grundsätzliches .... zum Feminismus

Dieser Artikel von Stefan Sasse erscheint mir so wertvoll, dass ich ihn in Gänze in meinen Blog übernehme, damit er für alle Zeiten erhalten bleibt.

Gleichzeitig will ich aber auch auf den Blog des Autors verweisen, der zu vielen Themen Kluges zu sagen hat:

Oeffinger Freidenker

Montag, 8. November 2010

Mal was grundsätzliches...zum Feminismus

Von Stefan Sasse

Den Oeffinger Freidenker gibt es nun seit über vier Jahren. Viele Themen wurden bereits mehrfach in unterschiedlichen Beiträgen behandelt, so dass es dem Autor oftmals unnötig erscheint, bestimmte Anspielungen oder Einstellungen näher zu erläutern. Seit 2006 hat sich die Leserschaft jedoch stark vergrößert, und für die, die neu dazugekommen sind, mag nicht immer alles sofort klar sein, was der Oeffinger Freidenker schreibt. Die neue Serie "Mal was grundsätzliches…" soll diese Lücke schließen, in dem noch einmal eine Zusammenfassung zu bestimmten Themen gegeben wird. Diese Folge befasst sich mit dem Feminismus.

Die Zeit der großen feministischen Diskussionen ist lange vorüber. Paragraph 218, Gleichberechtigung im BGB, Einführung des Zerrüttungsparagraphen ins Scheidungsrecht - alles Siege der Feminismusbewegung, seit zwei Generationen vertraut. Heute wirkt Alice Schwarzer wie ein Fossil, nicht mehr wie Vorkämpferin einer radikal neuen Bewegung, und im Islamhass scheint sie derzeit ein probates Mittel zu sehen, den Mangel an Aufmerksamkeit wettzumachen, der ihre eigene Feminismusversion glücklicherweise kennzeichnet. Bevor wir richtig ins Thema einsteigen, beginnen wir mit einer kurzen Bestandsaufnahme.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Gesellschaft so patriarchalisch, wie sie es seit der Vor-Bismarck-Zeit nicht mehr gewesen war, obgleich diese „Ordnung“ bereits damals etwas Künstliches hatte. Frauen waren durch diverse Gesetze tatsächlich und, vor allem, durch die herrschenden Konventionen im täglichen Leben benachteiligt. Unter anderem war es ihnen nicht erlaubt, ohne Zustimmung des Mannes ein Konto zu führen. Dies alles änderte sich ab den 1960er Jahren, als selbst eine Adenauer-CDU sich nicht mehr mit allem Mief, den sie an sich hatte, gegen den Zeitgeist stellen konnte. Der Druck von FDP wie SPD (vor allem aber letzterer, die bereits im alten Kaiserreich die Idee der Gleichberechtigung der Frau vertreten hatte – von Männern, wohlgemerkt, was oft unterschlagen wird) tat sein Übriges, spätestens seit der sozialliberalen Koalition. Die gesetzlichen Schranken fielen, und das Gesellschaftsklima wurde in den frühen 1970er Jahren so offen wie seither nie wieder. In genau diese Zeit fällt das Wachsen der feministischen Bewegung die, wie immer mit einiger Verspätung, aus den USA importiert wurde.

Hierzulande wurde sie unangefochten von Alice Schwarzer dominiert, die sich von ihren radikalen Vorbildern in den USA wie Valerie Solanas (Attentäterin Andy Warhols und Verfasserin des Traktrats „Zur Vernichtung der Männer“) inspirieren ließ und die feministischen Forderungen mit der Stern-Aktion „Wir haben abgetrieben“ in die Schlagzeilen brachte, die sich zwar im Nachhinein als gefälscht herausstellte, da viele der Frauen inklusive Schwarzers selbst gar nicht abgetrieben hatten, aber mit dem Abtreibungsparagraphen ein publikumswirksames Schlachtfeld schufen. Die CDU konnte am Ende noch durchsetzen, dass ein verpflichtendes Beratungsgespräch mit dem Versuch, die Frau von der Entscheidung abzubringen, vor eine Abtreibung gesetzt wurde, aber die Initiative blieb ein großer Erfolg der Frauenbewegung. Die letzten Schranken fielen unter ihren wuchtigen Schlägen und dem nur noch schwächlichen Widerstand der letzten Reaktionäre. Der Zeitgeist hatte gesiegt.

Nur ist der Zeitgeist ein windiges Ding, denn er weht schnell weiter. Die Feministinnen wurden bald von ihm selbst überholt. Ihre radikale Rhetorik, die in die 1970er Jahre gepasst hatte, in denen Mao, Marx und Che gelesen und diskutiert wurden, entfernte sich immer mehr von der Wirklichkeit, und die Kritik wurde immer ritueller. Schwarzer und die EMMA wurden Teil des Systems, das sie früher bekämpft hatten, was sich beispielsweise in der Verleihung des Bundestverdienstkreuzes 1997 und, noch viel frappanter, in der Teilnahme an einer BILD-Werbekampagne 2006 zeigt, für die Schwarzer aus den eigenen Reihen viel Kritik einstecken musste, die sie rüde wegbürstete. Auch die Erstürmung der EMMA-Zentrale in den 1990er Jahren durch Frauen (!) als Reaktion auf deren aggressive, männerfeindliche Berichterstattung zeigte, dass Schwarzers Bewegung ihren Zenit überschritten hatte. Versuche, die Lücke auszufüllen, gab es seither genug, doch waren diese nicht erfolgreich. Thea Dorn und andere, die einen „neuen Feminismus“ vertreten wollen wirken wie neoliberale Epigonen und konnten nie Breitenwirkung erzielen, auch, weil sie die Schwarzer-Rezepte letztlich nur ein wenig an die neoliberale Ideologie anpassten.

Genau da aber liegt der Hase im Pfeffer, wie wir noch sehen werden. Bevor ich wirklich starten will, müssen wir noch einen kurzen Simone-de-Beauvoir-Crashkurs hinter uns bringen, denn sie ist die eigentliche Erfinderin des Gender Mainstreaming, das derzeit im akademischen Leben vor allem, aber auch im politischen Bereich großen Einfluss hat. Sehr stark heruntergebrochen hatte de Beauvoir die Idee, dass es zwei Geschlechter gibt: ein biologisches (sex) und ein soziales (gender). Das erstere ist offensichtlich durch die Geburt festgelegt, das zweitere allerdings werde einzig durch die Erziehung implementiert. Es wäre also, so der Schluss, möglich, einen Jungen als Mädchen und ein Mädchen als Jungen aufzuziehen, vorausgesetzt natürlich, so etwas wie eine Jungen-Erziehung gebe es überhaupt. Das biologische Geschlecht habe demnach nichts mit dem Sozialen zu tun; ein Mann könne durchaus eine soziale Frau sein und umgekehrt.

Ich habe anfangs das Postulat aufgestellt, dass de Beauvoirs Ideen meiner Meinung nach die falsche Fragestellung enthalten. Um diese Theorie zu beweisen, wurden sehr krude und bisweilen grausame Versuche angestellt, von denen der der kanadischen Zwillinge nur der bekannteste ist. Dieser handelt davon, dass einem von zwei männlichen Zwillingen bei der Geburt der Penis so verletzt wurde, dass man ihn amputieren musste. Ein Pionier des Gender Mainstreaming überredete die der Idee aufgeschlossenen Eltern, den Jungen vollständig als Mädchen zu erziehen. Dieser Versuch scheiterte noch vor der Pubertät grotesk, als der Junge trotz aller Mädchenerziehung mit Pink und Tanzen aggressiv männliche Merkmale zu tragen und zur Schau zur stellen begann. Auch Wiederholungen des Versuchs endeten ähnlich und oftmals tragisch. Das allein widerlegt die These natürlich nicht, schließlich wächst das Kind ja in einer Umwelt auf, die nicht „gegendermainstreamt“ ist. Ich denke aber dass die Fragestellung, ob die Theorie richtig ist oder nicht – dass also das soziale Geschlecht nur konstruiert sei – letztlich nicht weiter führt. Viel wichtiger ist die Fragestellung: Wollen wir, dass das so ist? Und hier scheint die Antwort recht eindeutig nein zu sein. Trotz großer medialer Unterstützung und großzügiger Förderung (Professurstellen für Gender Mainstreaming und zahllose Frauenbeauftragte sprechen eine deutliche Sprache) hat sich die Idee bislang nicht durchgesetzt, wird als fremd und unnatürlich empfunden und ist eher rückläufig, als dass sie neue Anhänger gewinnen würde. Nur die Wenigsten scheinen überhaupt von Weiblichkeit oder Männlichkeit Abstand nehmen zu wollen. Wohlgemerkt: damit sind nicht Aufgabenverteilungen gemeint. Dem Gender Mainstreaming geht es nicht, wie früher der Emanzipationsbewegung, um die rechtliche Gleichstellung der Frau, sondern um die Aufhebung aller außer den biologischen Geschlechtsunterschieden. Ich gehe davon aus, dass dies den Wünschen einer deutlichen Bevölkerungsmehrheit (deutlich über 90%) diametral widerspricht.

Das ist auch den Apologeten des Gender Mainstreaming bewusst. Sie erklären deshalb, ein „Umdenken“ müsse stattfinden und, vor allem, aktiv gefördert werden. Zu diesem Zweck sei es beispielsweise notwendig, durch eine gezielte Frauenförderungspolitik die Menschen daran zu gewöhnen, dass Frauen sich in Führungspositionen befinden. Ich bin der Meinung, dass dies in höchstem Maße verwerflich ist. Und damit sind wir endgültig bei der Frauenpolitik.

Es kann kein Zweifel bestehen, dass die rechtliche Gleichberechtigung längst erreicht ist. Dies wird auch von der Frauenbewegung nicht angezweifelt, nicht einmal von ideologischen verbohrten Altlasten wie Alice Schwarzer. Stattdessen erklärt die Frauenbewegung, dass die „faktische Gleichberechtigung“ nicht erreicht sei. Dazu gehört die Legende von einer gläsernen Decke, die es Frauen nicht erlaube, in Führungspositionen aufzusteigen, weil dort ja nur Männer sitzen, die unter sich bleiben wollen und Frauen deswegen nicht hochkommen lassen wollen. Im gleichen Zusammenhang steht die Behauptung, dass Frauen bei gleicher Tätigkeit um ein Drittel schlechter bezahlt werden.

Das letzte Argument ist besonders lächerlich. Wenn das tatsächlich so wäre würden doch in einer Marktwirtschaft unter starkem Konkurrenzdruck, wie wir sie haben, nur noch Frauen eingestellt, weil sie das Gleiche leisten und ein Drittel weniger kosten. Das passiert aber nicht, nicht einmal in Betrieben, die von Frauen geleitet werden, was auch das Gegenargument widerlegt, dass wieder eine böse weltweite Männerverschwörung am Werk ist. Tatsächlich haben Studien herausgefunden, dass Männer Frauen eher in Führungspositionen aufrücken lassen als Frauen andere Frauen. Das aber nur am Rande. Es ist tatsächlich so, dass sich ganz einfach weniger Frauen für Führungsaufgaben bewerben als Männer. Dies wird auch von der Frauenbewegung gesehen und mit dem Verweis auf die faktisch nicht erreichte Gleichberechtigung, gewissermaßen eine Denkblockade, die sich selbst als minderwertig und deswegen nicht geeignet ansieht, abgebügelt. Frauen bewerben sich gewissermaßen aus einem inneren Minderwertigkeitskomplex nicht.

Auch diese Argumentation halte ich für nicht schlüssig. Ich bin bisher keiner Frau begegnet, die von sich sagt, dass sie als Frau sich nicht für geeignet hält und dabei den Eindruck erweckt hat, eigentlich einen solchen Job zu wollen. Hier stoßen wir auf das Kernproblem, das ich ausgemacht zu haben glaube. Die bisher aufgezeigte Argumentationslinie widerlegt sich teilweise selbst, das mag dem einen oder anderen Leser aufgefallen sein. Die jeweiligen Gegenargumente der Frauenbewegung ergeben kein schlüssiges Ganzes, sondern stehen miteinander im Widerspruch. Fakt aber ist, dass es deutlich weniger Frauen in Führungspositionen gibt. Wirklich deutlich weniger. Eine Frau auf zehn oder zwanzig Männer ist keine Seltenheit. Nur, woran liegt das? Dass mich die Erklärungen der Frauenbewegung nicht überzeugen, die, nebenbei bemerkt, auch ein deutliches Interesse an der Durchsetzung ihrer Argumente trotz faktischer Unhaltbarkeit hat, weil damit diverse sehr gut dotierte, staatliche und damit sichere Stellen einhergehen, die ihre Wortführerinnen einnehmen können, sollte klar geworden sein. Doch was ist der Grund? In ihrem Buch „Das dämliche Geschlecht“ argumentiert Barbara Bierach, dass Frauen an ihrer Lage komplett selbst schuld wären. Nur 3,4% Frauen in Vorstandsetagen liegt ihrer Meinung nach daran, dass sich Frauen dumm verhalten und fauler sind als Männer. Sie nützten die Chancen nicht, die ihnen längst gegeben sind. Sie unterstützt außerdem ebenfalls die Behauptung, dass Frauen andere Frauen am Aufstieg hindern würden.

Doch auch diese „selbst schuld“-Argumentation ist nicht überzeugend. Ich halte das Problem für tiefer liegend. Um das zu erklären, möchte ich noch einmal kurz ausholen und einen Ausflug in die Geschichte unternehmen.
Oft hört man aus Kreisen der Frauenbewegung, dass die Männer über 2000 Jahre die Frauen unterdrückt hätten. Praktisch immer ist der Unterton dabei „und jetzt sind wir mal dran“. Dieser Unterton durchzieht die gesamte Frauenpolitik, was auch der Grund ist, warum ich es ablehne, die Begriffe Gleichstellung oder Gleichberechtigung zu benutzen, denn diese Politik zielt offenkundig auf eine Bevorteilung von Frauen, was sie auch offen zugibt. Das aber hat, selbst wenn die 2000 Jahre Unterdrückung Realität wären, keine Legitimation. Man kann ein Unrecht nicht dadurch beseitigen, dass man Neues schafft. Das geht niemals und ist weder ethisch noch moralisch vertretbar. Dazu kommt, dass das Argument mit den 2000 Jahren nicht wahr ist.

Denn einen überwältigenden Teil der Menschheitsgeschichte waren die Menschen einfach nur arm. Den mittelalterlichen Bauern, den Industriearbeiter des 19. Jahrhunderts interessiert die Frauenbewegung nicht. In einer so prekären Lage müssen alle zusammenarbeiten, nach ihren besten Kräften. Die körperlich schwächeren, von den zahlreichen Geburten noch zusätzlich geschwächten Frauen übernahmen dabei oftmals die Hausarbeit, der Mann die schwere Feldbarbeit. Entscheidungen fielen ihm ebenfalls zu, aber wer die Realität eines Haushalts kennt weiß, wie wenig weit her es mit solchen Entscheidungen oftmals ist. Obwohl Männer auch heute noch dank eines höheren Erwerbsanteils deutlich mehr verdienen als Frauen und oftmals Allein- oder Hauptverdiener sind, gibt es siebenmal (!) so viel Verkaufsfläche für Frauen wie für Männer, und geben Frauen auch entsprechend mehr aus. Anzunehmen, dass dies früher anders war, wäre grenzenlos naiv. Keine Bevölkerungsgruppe lebt 2000 Jahre lang in unerträglicher Unterdrückung. Es ist schlicht die Überheblichkeit der ersten Frauenbewegung, die das für sich reklamierte.

Diese entstand im 19. Jahrhundert und war von Anfang an eine reine Oberschichtenveranstaltung. Die Frauen, die für das Recht stritten, Universitäten und höher Schulen besuchen oder Eintritt ins Schwimmbad zu erhalten waren alle gutsituiert und finanziell mehr oder minder unabhängig. Viele von ihnen hatten die damals üblichen Dienstmädchen in ihren Diensten, was niemand von ihnen als Problem auffasste – eben weil die Frauenbewegung eine reine Oberschichtenveranstaltung war. Es brauchte die Entstehung einer bürgerlichen Mittelschicht, um auf solche Ideen erst zu kommen, denn wer um sein Überleben kämpft, diskutiert darüber nicht. Man kann die Entstehung der Frauenbewegung also durchaus als Beleg großen gesellschaftlichen Fortschritts in jener Zeit sehen, wie auch die Entstehung der Feministenbewegung in Deutschland nicht zufällig in die 1970er Jahre fällt, als erstmals breite Bevölkerungsschichten am Wohlstand teilhatten. Eine Oberschichtenveranstaltung ist der Feminismus trotzdem immer gewesen – und auch geblieben.

Und genau das ist in meinen Augen der Grund für die Krise, in der die Bewegung derzeit steckt, der Grund für die „faktisch“ nicht erreichte Gleichberechtigung, die nach den Buchstaben des Gesetzes längst besteht und angesichts der gewaltigen Förderanstrengungen eigentlich längst erreicht sein müsste. Autorinnen wie Thea Dorn oder eben die zitierte Barbara Bierach propagieren ein Idealbild, das einer objektiven Idealität vollkommen entbehrt. Sie konzentrieren das ganze Lebensglück auf das Erreichen einer „Karriere“, ein Ziel, das dabei zum reinen Selbstzweck vorkommt. Ich erinnere mich noch an unsere Abi-Zeitung, als sich bei „Zukunftsplänen“ bei deutlich über der Hälfte der Frauen die Trias „Studieren, Karriere, Familie“ fand – ein Zeugnis des durchschlagenden Erfolgs der Frauenbewegung in dieser Bevölkerungsschicht, könnte man meinen. Und wie bereits anfangs festgestellt ist es der Erfolg, der den Blick für die Probleme versperrt.

Denn die Karriere ist zum einen für breite Bevölkerungsschichten überhaupt keine Perspektive. Kassierinnen bei Aldi, Bandarbeiter bei Opel, Reinigungskräfte bei Was-weiß-wem, Arbeitslose – für sie alle ist die Karriere, die die Frauenbewegung propagiert (die im Übrigen praktisch ausnahmslos aus Akademikerinnen besteht) überhaupt nichts, was mit ihrem Lebensbild in Einklang zu bringen wäre. Für die Männer übrigens auch nicht. Die Unterstellung, dass jeder nach einer Karriere in der freien Wirtschaft als alleiniges Rezept zum Glück streben und dieses auch erreichen könnte ist irrig und vergiftet die gesame Bewegung. Es ist das hässliche Kind der Beziehung, die die Frauenbewegung mit dem Neoliberalismus eingegangen ist und die in Barbara Bierach pars pro toto ihren Niederschlag findet. Viele Menschen – nicht nur Frauen, sondern auch Männer – trachten überhaupt nicht nach einer Karriere. Sie wollen andere Wege zum Glück gehen. Die Bemühungen der Frauenbewegung sind ihnen dabei fremd, entsprechen nicht ihrer Lebenswirklichkeit. Der Schleier über dieser Lebenslüge der Frauenbewegung wurde 2006 kurz weggerissen, als Eva Herman mit ihrem „Eva-Prinzip“ an die Öffentlichkeit ging. Bevor sie den Kardinalsfehler des Nazi-Vergleichs beging und damit vollständig aus der Debatte verdrängt wurde, erhielt sie gewaltige Zustimmung gerade von den Frauen und wurde von der Frauenbewegung in einer Aggressivität angegangen, die zuletzt Esther Vilar erfahren musste. Herman hatte einen wunden Punkt getroffen, indem sie sich gegen das Ziel einer Karriere aussprach. Die Aggressivität der Diskussion stand in keinem Verhältnis zu den Thesen, denn Herman erklärte ihre Variante nicht einmal für die alleinseligmachende, wie dies die Frauenbewegung tut, sondern forderte Wahlfreiheit – was die Frauenbewegung aber nicht zugestehen wollte.

Damit sind wir am Ende angelangt: Die Frauenbewegung, so der Schluss, vertritt eine Ideologie, die an der Lebensrealität der meisten Menschen vollkommen vorbeigeht. Ich widerspreche der Feststellung der Frauenbewegung, dass alte Klischees und Denkmuster noch nicht überwunden sind, überhaupt nicht. Die Frage ist aber, was man dagegen tun kann. Die Frau, die heute Abitur macht, studiert und danach in die Wirtschaft geht muss nicht mehr gefördert werden. Wenn sie nicht in der Lage ist, ihren Weg zum Glück zu finden, dann ist sie, wie von Barbara Bierach schon festgestellt, tatsächlich selbst schuld. Unterhalb dieser Schwelle, die ich als Oberschichtenveranstaltung bezeichnet habe, stellt sich diese Frage gar nicht. Weder Mann noch Frau brauchen hier eine spezielle Geschlechterförderung auf dem Weg an die Spitze. Hier ist die soziale Fragestellung eine völlig andere, da die materiellen Grundlagen überhaupt nicht gegeben sind. Diese müssen erst geschaffen werden; vorher wird hier kein von oben oktroyiertes Umdenken stattfinden. Alle Quotenregeln dieser Welt werden dabei nichts helfen, weder den Frauen noch sonstwem. Quotenregeln widersprechen sich selbst. Allein ihre Existenz zeigt, dass die Gesellschaft offensichtlich eine andere ist. Wer meiner Argumentation so weit gefolgt ist weiß außerdem dass sie ebenfalls am Kern vorbeigeht. Diese Erkenntnis hat die Frauenbewegung jedoch nicht, dafür ist ihr Bündnis mit den neoliberalen Ideen zu eng, ist sie sich ihrer eigenen sozialen Zusammensetzung viel zu wenig bewusst. Stattdessen wiederholt sie sich in immer gleichen Phrasen und alteingesessenen, der Wirklichkeit entrückten Mustern.

Die Ideologie der Frauenbewegung hat längst totalitäre Züge angenommen. Sie lässt keine Kritik mehr zu und ist blind für die Wirklichkeit, die von dem Bild abweicht, das sie selbst gezeichnet hat. Nur so ist Schwarzers beständige aggressive Rhetorik gegen Männer zu erklären, nur so Thea Dorns und Barbara Bierachs Karrierefixiertheit, nur so die heftigen Reaktionen auf Eva Hermans Versuch, das Meingungskartell der Frauenbewegung zu brechen. Sie befinden sich auf einem starren, fixen Pfad, den sie nicht mehr zu verlassen in der Lage sind. Dabei vertreten sie die Mehrheit der Frauen überhaupt nicht. Das haben sie noch nie, aber früher hatten sie eine gesellschaftsverändernde Idee, die wirkungsmächtig zum Durchbruch kam. Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist, sagt Hugo. Die Frauenbewegung ist der Beweis, dass nichts so tot und leer ist wie eine Idee, die von der Zeit überholt wurde. Sie reiht sich ein mit dem Patriarchat der Adenauer-Zeit und vereint sich so mit ihrem alten Erzfeind. Sobald eine neue Generation von Frauenrechtlerinnen neue Ziele formuliert und den Zeigeist damit trifft, wir ihre derzeitge Riege dorthin verschwinden, wo auch die Marx’schen Lesezirkel der 1970er und die Ideen Carl Schmitts gelandet sind: auf dem Müllhaufen der Geschichte.

Dienstag, 11. Oktober 2011

Zu wenig gute Männer

Saturday, February 19, 2011

Too Few Good Men

Kay Hymowitz speaks for many women when she asks: “Where have the good men gone?”

Hymowitz has written a book entitled: Manning Up: How the Rise of Women Has Turned Men into Boys. It has not yet been published-- thereby I have an excellent excuse for not having read it-- but Hymowitz has offered a tantalizing sampling in today’s Wall Street Journal. Link here.

As it happens, her question is not an imponderable riddle. The answer is simple: women are having difficulty finding good men because they themselves are the good men they are looking for.

Hymowitz says that the culture has effected: “a radical reversal of the sexual hierarchy. Among pre-adults, women are the first sex. They graduate from college in greater numbers (among Americans ages 25 to 34, 34% of women now have a bachelor's degree but just 27% of men), and they have higher GPAs. As most professors tell it, they also have more confidence and drive. These strengths carry women through their 20s, when they are more likely than men to be in grad school and making strides in the workplace. In a number of cities, they are even out-earning their brothers and boyfriends.”

While I would agree that American culture has succeeded in producing a gender role reversal, I am less sure that we should be calling it a hierarchy reversal.

Nonetheless, women are brought up to be hard-working, self-sufficient, career-driven, and fully capable of protecting and providing for themselves.

Boys are most often taught that their striving toward manhood is pathological or misogynistic, thus something that they must repress and overcome.

While I disagree with Hymowitz when she starts talking about life scripts and developmental models, I agree that our culture has degraded and discredited the ethic of manly behavior.

As she puts it: “It's been an almost universal rule of civilization that girls became women simply by reaching physical maturity, but boys had to pass a test. They needed to demonstrate courage, physical prowess or mastery of the necessary skills. The goal was to prove their competence as protectors and providers. Today, however, with women moving ahead in our advanced economy, husbands and fathers are now optional, and the qualities of character men once needed to play their roles—fortitude, stoicism, courage, fidelity—are obsolete, even a little embarrassing.”

As she implies, manliness is an ethic; it involves living your life according to certain values. To my mind this makes it radically different from a lift script.

When feminists declared war on men and on masculine values, they did not intend to produce a generation of post-adolescent males who can barely hold down jobs, who have no interest in getting married and settling down, and who are lying around the house drinking beer, playing video games, and stuffing themselves with chips and dip.

But when you change cultural policy, you are responsible for the outcome, regardless of whether it was what you intended. Feminists may not have intended to unman men; but, as the old saying goes: they broke it; now they own it. At the very least they should own up to it.

In a way, it is only too obvious. If women abandon the traditional feminine values connected with making a home and caring for children, well then, someone has to hold down the fort.

If you cannot afford a housekeeper and a nanny, then the only person who is left to do it is a man.

Ah, yes, but you will object here: these modern men are anything but homebodies; they are overgrown adolescents who refuse to take any responsibility for anything. They are hanging around the house making a mess; they are not doing what women used to do at home.

How can I reconcile this seeming contradiction?

Easily: these post-adolescent males are not really about to become effeminate homebodies; they are hyper males, almost a caricature of a negative masculine stereotype.

Their immaturity is nothing more than a social protest movement. They are trying to tell us that we, as a culture, discourage them from developing their true masculinity in the world, and that they have found a default position.

As they make their way through the educational system, boys are most often taught that manliness is misogynistic, abusive, and oppressive. They are taught that great men, the heroes of the past, committed unspeakable horrors and should not be emulated.

If men are so intrinsically corrupt and venal, then they must be disempowered, removed from the world where they cause so much trouble by making war and by running the financial system into the ground. Where can these evil creatures do the least trouble: at home.

Now, let’s try a quiz. Do you believe that men should protect and provide for women? Is that an essential part of the masculine ethic?

Or better: Do you think that Lara Logan should have been given special protection when she was covering the events in Tahrir Square? Given that several male journalists had already been beaten badly by the crowd, should she, as the mother of young children, have hesitated before placing herself in a potentially dangerous situation, one that would was more dangerous because she is a woman?

Do you believe that women have a specific vulnerability that requires them to be more cautious about where they go and what they do? And do you believe that this vulnerability requires men to protect and provide for them?

With a few notable exceptions, most people who have commented in public have said that Lara Logan had every right as a journalist to be in Tahrir Square last week, and that if you do not think so you are a reactionary deviant.

I am not just talking about the feminists who always scream about how anyone who wants to acknowledge feminine vulnerability or the responsibilities of motherhood is a stone cold misogynist.

Last week this same sentiment was expressed by Sean Hannity-- yes, that Sean Hannity, of all people-- who defended the feminist position that Lara Logan should have been on Tahrir Square on his television show… to the point where he declared that any other position was hopelessly misogynistic and unworthy of discussion.

I bet you did not know that Hannity had become a radical feminist.

Unfortunately, the public debate has descended so far into name-calling that it is difficult to take sides.

Here is the way the question is most often framed. Those who believe that because a woman has a gender-specific vulnerability she should be more cautious about where she goes and what she does, are publicly excoriated for meaning to say that if a woman is sexually assaulted then it is her fault or that she was asking for it.

Anyone who thinks this way should grow a brain.

It really takes a minimum of intelligence to understand that if a woman is sexually assaulted it is never her fault or her responsibility.

From there it does not follow that a woman should take unnecessary risks, even when a man might more easily assume said risks. A woman should avoid walking through dark alleys at night or taking the subway at 3:00 a.m. Every young woman has heard from her parents that she should never allow herself to be in a situation where her intentions could be misunderstood.

With the exception of feminists and Sean Hannity, most people understand that it is reasonable and ethical for a mother of young children to take less personal risk than would a man in the same situation.

For those who believe in Darwin, women are more valuable and less easily replaced than men. Thus, human societies have tried wherever possible to keep women out of harm’s way, to protect and defend them.

Where are all the men, the ones who might protect women? They are home, drinking beers, playing video games, and having a jolly good time. Their message to young women: you are on your own.

Freitag, 8. Juli 2011

Die Opferverliebtheit des Feminismus

Prof. Dr. Gerhard Amendt

Die Opferverliebtheit des Feminismus
oder: die Sehnsucht nach traditioneller Männlichkeit
Die Zukunft der Männer jenseits der Selbstinstrumentalisierung für Frauen



Im Anschluss an die 68er-Bewegung und die Ausbreitung radikaler Varianten des Feminismus hat sich ein wenig schmeichelhaftes Bild von zeitgenössischer Männlichkeit ausgebreitet. Männer abzuwerten ist zur misandrischen Alltagsroutine in Presse, Wissenschaft und Pädagogik geworden. Viele suchen die Ursachen für diesen schlechten Ruf in Politikvarianten des Verdammungsfeminismus (Amendt 2004), obwohl es diesen als soziale Bewegung seit geraumer Zeit so lebendig gar nicht mehr gibt. Allenfalls äußern sich noch einige persönliche Exemplare, die nicht müde werden, Männer abzuwerten, und dabei mehr von ihrer persönlichen Abneigung gegenüber Männern mitteilen als von der Art, wie Männer wirklich sind und wie sie sich in Beziehungen verhalten.

Andere Feministinnen wiederum suchen die Gründe in dem, was sie selbst veröffentlicht haben. So haben schon im Sommer 2001 Ikonen der modernen Frauenbewegung, der misandrischen Männerbeschimpfung müde, ihre eigenen Positionen zum Geschlechterdiskurs neu formuliert. Es waren Revisionen, die sie vollzogen. So sagt die Friedenspreisträgerin Doris Lessing, dass sie »zunehmend schockiert über die gedankenlose Abwertung von Männern ist, denn die dümmsten, ungebildetsten und scheußlichsten Frauen können die herzlichsten, freundlichsten und intelligentesten Männer niedermachen, ohne das irgendjemand was dagegen tut«. Die Abwertung des Männlichen sei »so sehr Teil unserer Kultur geworden […], dass sie kaum noch wahrgenommen wird«. Und letztlich erklärt sie die »Emanzenkultur für denkfaul und heimtückisch« (Lessing 2001).

Am weitesten ging die Revision der französischen Philosophin Julia Kristeva. In der Internetausgabe der New York Times vom 14. Juli 2001 sprach sie sich gegen das Konzept von Multikulturalität aus, nach dem die Identität des Einzelnen von der Zugehörigkeit zu einer Gruppe ausgehe. So hatte der Multikulturalismus erklärt, dass Gesellschaften durch Gruppenidentitäten von Männern und Frauen, Schwarzen und Weißen, Homosexuellen und Heterosexuellen, Türken und Deutschen etc. bestimmt würden. Kristeva machte rückwirkend geltend, dass solche Zuordnungen allenfalls mit archaischen Stammeszugehörigkeiten zu vergleichen seien, dass das aber gerade kein Indiz für Demokratie und Menschenrechte sei. Obwohl sie diese Position lange selber gefördert hatte, meinte sie, dass »die Gruppenidentität, die von einigen Feministinnen, Schwulen und ethnischen Führern als Steigbügel für ihre nachdrückliche Rechtfertigung genutzt werde, unzeitgemäß und totalitär sei. Die Freiheit des Individuums« – eben unbesehen, ob schwarz oder weiß, männlich oder weiblich etc. – »gehe dem Communitarismus voraus und die politische Betonung von sexuellen, ethnischen und religiösen Identitäten zersetze die Demokratie« (Kristeva 2001). Folglich ist auch Politik, die Identität aus dem Gegensatz von Mann und Frau herleitet, letztlich demokratiefeindlich und totalitär, wie das der Feminismus in staatlichen Bürokratien hinlänglich demonstriert.

Durchaus in diesem Sinne ist die gängige Diskriminierung von Männern das Ergebnis multikultureller Gruppenidentifizierung. So zählt eben nicht mehr der einzelne Mann in seiner Individualität, sondern nur seine Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht (Hormonausstattung, Penis, DNS, Hirnstruktur etc.). Aus dieser Zugehörigkeit zu einer Gruppe wurden zahlreiche Vorurteile über Männer abgeleitet. Ein typisches ist: »Der Mann auf der Straße ist ein potentieller Misshandler […] von Frauen« (Kavemann/Lohstöter 1984, S. 10). Es ist die Gruppenzugehörigkeit, die ihn dazu macht, nicht, was er tut oder unterlässt. »Die individuellen Besonderheiten des prügelnden Ehemannes treten hinter seiner Zugehörigkeit zum herrschenden Geschlecht zurück« (Honig 1986, S. 45). Er wird nicht als »Herr Müller« oder »Herr Meier« beurteilt, weil ihm Eigenschaften als Angehöriger einer Gruppe zugeschrieben werden. Diese seien naturhaft und trotz Kultur für Veränderungen nicht erreichbar. Daraus leiteten Autorinnen männliche Herrschaftsphantasmagorien und implizite Ohnmachtzustände über Vagina oder weibliche Hormonausstattung, DNS etc. ab.

Anders formuliert: Wenn ein Roma Zigaretten stiehlt, sind alle Roma Diebe, und wenn ein Jude Bankier ist, dann sind alle Juden Bankiers. »Das heißt für die Frau, die Männer ihres sozialen Umfelds mit anderen Augen zu sehen, immer misstrauisch und wachsam zu sein« (Kavemann/Lohstöter 1984, 10).

Der Aufruf, die Geschlechterbeziehungen nach Vorurteilen wahrzunehmen, gleicht im Prinzip der Dynamik, mit der zur Feindschaft gegenüber Fremden oder zum Antisemitismus aufgerufen wird. Mit der Mobilisierung der Gruppensozialpsychologie werden Vorurteil sowie rassistische oder geschlechtsspezifische Diskriminierung gefördert.

Bei Honig (1986) können wir, wie bei der Mehrheit der Männer, eine typische Verleugnung mütterlicher Gewalttätigkeit beobachten. Sie zeigt sich daran, dass Honig von Männern/Eltern(!) als potenziellen Schlägern/Vergewaltigern und brutalen Repräsentanten des Patriarchats/der elterlichen Gewalt spricht. Er wagt es nicht, die Mutter als Tätliche beim Namen zu nennen. Verschroben äußert er deshalb, dass es nicht nur eine patriarchale, sondern auch eine elterliche Gewalt gibt. Worin der Unterschied besteht, erklärt er nicht.

Damit wird verständlich, warum feministische Gruppen, Feministinnen in Regierungsbürokratien und vor allem Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern aus ihrer Gruppenzugehörigkeit Feindseligkeit gegenüber Männern zum tragenden Element ihres Arbeitsalltages machen und Hass und Verachtung als angemessene Antwort auf den Gruppenfeind erleben. Dabei verläuft Psychodynamik nach dem bekannten Modell: wir, die guten Frauen innerhalb der Gruppe, und draußen die bösen Männer der Feindesgruppe.

In den Anfängen der 68er- und Frauenbewegung hatte dieser Gegensatz von Freund und Feind etwas spielerisch Vorwurfsvolles und vor allem den Anschein des Vorübergehenden. Immerhin verflüssigten sich althergebrachte Rollenverständnisse, und solche Neubestimmungen gehen zeitweise recht ruppig über die Bühne. Allerdings verwandelte sich das Spielerische über die Jahre nicht in eine versöhnende Verständigung über neue Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Mit dem Aufkommen diverser Feminismusvarianten geschah das Gegenteil. Das Spielerische verfestigte sich immer mehr zur heute herrschenden Ideologie von Frauen als den guten Opfern und Männern als den bösen Tätern.

Warum Frauen in den verschiedenen Schichten der Gesellschaft sich weitgehend unwidersprochen als Opfer der Geschichte haben abstempeln lassen, ist weitgehend unerforscht. Auf jeden Fall ist es weder in Parteien, Verbänden, Kirchen noch in Institutionen wie der Wissenschaft zu einer Zurückweisung des Opferstatus für Frauen gekommen. Ganz augenscheinlich hat das Denken in Gruppenidentitäten Frauen ihrer Individualität beraubt. So hat eine zwanghafte Suche nach allen möglichen Facetten weiblicher Opferexistenz eingesetzt, die den weiblichen Opferstatus als universell ausweisen sollte. Diese Suche ist bis heute nicht beendet. Damit hatte sich die Aufbruchstimmung der neuen Frauenbewegung, die auf Selbstermächtigung (empowerment) und Befreiung von männlicher Versorgung setzte, unter der Hand in eine depressiv gestimmte Weiblichkeit verwandelt. Diese zielte nicht mehr ab auf Befreiung, sondern trat diesen Anspruch an Feministinnen und letztlich einen von diesen zurechtgestutzten, Frauen fördernden Staat ab. Allenfalls in der heutigen Generation der jungen Frauen lässt sich ein sprachloses und teils verbietendes Staunen beobachten, wenn sie in der Literatur, an Schulen oder Universitäten als »Opfer des Patriarchats« klassifiziert werden.

Auf dieses Szenarium vermeintlich nur von Männern zu verantwortender Verhältnisse mussten Männer eine Antwort finden. Sie standen nicht nur als »Misshandler, Vergewaltiger und Patriarchen« da, sondern sie wurden schlechterdings für alles, was sich in der modernen bis hin zur archaischen Gesellschaft an Konflikten ereignete, verantwortlich gemacht. Dazu zählen die Kälte der instrumentellen Vernunft, Pornografie als Gewaltaufruf, zerstörte Umwelt, Krieg, ebenso Diskriminierung von Frauen, Verlust der Religiosität, Gewalt in Partnerschaften und gegen Kinder, und all das, was durch die vermeintliche Universalität des weiblichen Opferstatus und durch die Unendlichkeit der überlieferten Geschichte wirksam war, noch immer wirksam ist und fürderhin sein wird (Rave 1991; Günther 1997).

Aber bedeutsam war und ist bis heute nicht nur die Reaktion der Männer auf ihre eigene Abwertung, sondern ebenso, ob sie ihre Söhne gegen Vorurteile und Verdammnis schützten. Die geradezu grenzenlose Duldsamkeit von Frauen, sich widerspruchslos als Opfer, Benachteiligte, Vergewaltigte, Perspektivlose, Diskriminierte oder Gedemütigte öffentlich stilisieren zu lassen, übersah eines: Je kleiner Frauen sich machten oder von Feministinnen machen ließen, umso geradezu wahnhaft allmächtiger geriet das Bild über die Männer (Farrell 1995). Die Verdammnis der Männer idealisiert sie zugleich als Allmächtige.

Deshalb konnte aus dem Blick geraten, dass allenfalls eine Minderheit von ihnen an den Schaltstellen der Macht steht und den Größenfantasien feministischer Mannsbilder entspricht. Hier deutet sich etwas Rückwärtsgewandtes, d.h. psychisch Regressives, unter Feministinnen an. Nämlich die heimliche Erwartung, dass Männer doch weiterhin stark sein mögen, dass sie aber ihre Stärke nur zum Wohl und nach den Wünschen der Frauen einsetzen. Damit diese nicht enttäuscht werden, und vor allem, damit sie für die Erfüllung ihrer Wünsche nicht selber einstehen oder gar kämpfen müssen. Der Wunsch, dass Männer die allmächtigen Besorger sein mögen, ist als Subtext in allen feministischen Schriften enthalten. Letztlich sind das aber dann die alten Arrangements zwischen Männern und Frauen, an denen klammheimlich festgehalten wird. An anderer Stelle werde ich auf eine politische Manifestation dieser Wunscherfüllung zurückkommen, die umgangssprachlich nichts anderes meint als: Männer bessert euch, dann dürft ihr auch die alten bleiben.

Jean Elshtain Bethke hat schon 1990 zu erklären versucht, warum sogenannte patriarchalische Macht im Mittelpunkt feministischer Ideologie steht: »Mythen der männlichen Macht werden oft dann gerne behauptet, wenn Männer gerade nicht in den selbstsicheren Weisen dominieren, wie der Mythos es verheißt« (ebd., S. 134–135). Demnach wäre das zornige Aufbegehren gegen die Männlichkeit eher Ausdruck von Enttäuschung über deren verlorene Stärke und entspräche dem geheimen Wunsch, dass die alte männliche Stärke doch wiederkehren möchte. Das könnte auch als Angst der Frauen vor den neu gewonnenen Freiheiten interpretiert werden (Bernard 1981). Einer Angst zum Beispiel vor den Freiheiten, wie sie dank der hormonellen Verhütung schlagartig den Frauen verfügbar wurden.



1 Stark sei der neue Mann und auch verlässlich

Wie haben nun Männer auf die rasant um sich greifende Abwertung reagiert, die zugleich auch eine ihrer Väter, Großväter und Urgroßväter war? So wenig, wie alle Reaktionen benannt werden können, so ist doch eine unübersehbar: Die meisten Männer haben durchaus hörbar zu all dem geschwiegen. Zumindest bei oberflächlichem Hinsehen könnte der Eindruck entstehen, als hätten die alltäglichen Abwertungen unter ihnen keine Resonanz ausgelöst und als würde sie all das unberührt lassen. Das mag damit zusammenhängen, dass die Zeitungen, die sie lasen, über solche Themen wie das Erleben ihrer Männlichkeit als Be- und Versorger als naturhafte Festlegung ohne Bewegungsfreiheit, nicht berichteten. Oder dass sie darin nur das ihnen bekannte Nörgeln ihrer Ehefrauen erkannten, welches sie zu mehr Einsatz und höherem Einkommen motivieren sollte.

Aber alle Reaktionen waren individuell geprägt und entsprachen nicht den Klageliedern über » die Männer« als einem einheitlich verfassten Geschlecht, wie es die feministische Theorie in ihren Täterfantasien entwickelte. Doch jenseits des vordergründigen Schweigens, der verweigerten Antworten und der sichtbaren Arroganz gegenüber »endlosen Nörgeleien« gab es unter Männern etwas sehr viel Tieferliegendes, das bislang übersehen wurde und das das Schweigen der Männer bis zum heutigen Tage eigentümlich beredt macht.

Wie immer die feministischen Entwertungen der Männer ausfielen, es waren stets Klagerufe, die gegen sie und sogar männliche Kinder und Jugendliche gerichtet waren (Amendt 2001). Letztlich reimten sich alle darauf, dass Männer als Geldverdiener, als Liebhaber, als Väter oder Gestalter der Gesellschaft versagt hätten. Das bezog sich nicht nur auf die Gegenwart, sondern war im großen Rundumschlag der unbestimmten Kampfkategorie vom »zeitlosen Patriarchat der letzten Tausende von Jahren« eine Verurteilung aller erdenklichen Männlichkeitsweisen. Eben nicht nur im europäischen, sondern im globalen Maßstab jenseits aller nationalen, ethnischen, kulturellen, rassischen, ökonomischen und sozialen Unterscheidungen. Danach konnte kein Mann für sich selber, auch nicht rückwirkend für Väter und Großväter, Folgendes beanspruchen: Ich bin ein Mann oder mein Vater war ein Mann, der stolz darauf sein kann, unter Einsatz seiner Kräfte – früher nicht einmal selten unter Einsatz seines Lebens – für Frau und Kinder verantwortungsvoll gearbeitet, gesorgt und in der Gemeinschaft sich betätigt zu haben. Und genauso wesentlich war es für das Selbstwertgefühl eines Mannes, dass seine Ehefrau dies anerkannte und dadurch die Arbeitsteilung bestätigte, die ihm die Bewährung außer Haus vorbehalten hatte. Erst über diese Anerkennung haben Männer ihre Arbeit als sinnstiftend erlebt. Arbeit allein leistet das nicht. Aus der Familie haben sie die emotionale Gewissheit bezogen, dass ihre Arbeit sinnvoll ist und geschätzt wird. Selbst wenn es über die monotone Arbeit nicht viel zu berichten gab (Amendt 2006). Der Genderfeminismus hat diese Übereinkunft zwischen Männern und Frauen für die Gegenwart und Vergangenheit als Selbsttäuschung klassifiziert. Wie weit ihm das gelungen ist, sei einmal dahingestellt. In dieser oder jener Weise haben Männer die weltbewegende Abwertung allerdings stillschweigend, zumindest ohne hörbare Gegenrede hingenommen (Nathanson/Young 2001, 2006).

Da von dieser Entwertung kein Lebensbereich und keine historische Periode ausgenommen war, strengten sich die Genossen der 68er-Bewegung an, es den Frauen »besser zu besorgen«, als die Väter es den Müttern besorgt haben sollen. Die 68er-Genossinnen hingegen sahen, neben der vaginalen Selbstbesichtigung mittels Spekulum in der Frauengruppe, kaum eine Chance, ihre Sexualität selbst so zu verändern, dass sie befriedigender ausfallen würde. Sie wurden nur zaghaft aktiv, entdeckten aber weitaus entschlossener die Mängel der männlichen Genossen beim Sex. Teile des Feminismus versuchten diese Debatte dadurch zu beenden, dass sie Frauen empfahlen, zur Homosexualität zu wechseln, um repressiver Männersexualität ein für allemal zu entrinnen. Daraus wurde allerdings nichts. Aber dieser Vorschlag erklärt, warum viele Feministinnen, vor allem die in Frauenhäuser arbeitenden, eine Männer hassende Ideologie entwickelten. Nicht selten ging es darum, die eigene Homosexualität zum politischen Konzept zu erheben.

Deshalb hatten schon in den 90er Jahren Wissenschaftlerinnen diesem Feminismus entgegengehalten, dass hinter den überbordenden Schuldzuweisungen an Männer sich wohl Zweifel an den eigenen Fähigkeiten der Frauen zur Selbstermächtigung verstecken könnten. Anstatt sie zum Schmieden ihres Glücks zu ermutigen, würde abermals in tradierter Manier letztlich auf Beglückung durch Männerhand gesetzt. Da die Opferverliebtheit (Amendt 2004) mit so viel Hingabe, wenn nicht zwanghafter Besessenheit gepflegt wurde, wäre eher von einem politisch motivierten weiblichen Masochismus (im Gegensatz zum psychischen in der Vergangenheit) unter Feministinnen zu sprechen. Die Vertreterinnen dieses Komplotts waren politisch sadistisch und fügten Frauen Schaden zu, weil dies eigene Lust- und Herrschaftsfantasien beflügelte.



2 Zwischen Abwertung der Männlichkeit und deren gleichzeitiger Verherrlichung

Die wenigen Männer, die auf die Abwertung des Männlichen reagierten, waren von zwei Motiven beherrscht. Zum einen wollten sie die tiefe Beschämung und die Ungewissheit darüber, was gute Männlichkeit denn überhaupt sein könne, nicht wortlos hinnehmen. Und zum anderen konnten sie sich, ganz im Zeichen einer von der Nähe zur Mutter geprägten Kindheit, nicht davon befreien, sich auch im erwachsenen Leben weiterhin für Frauen verantwortlich zu fühlen (Amendt 1999; Nitschke 1980, S. 129ff.). An diesem verinnerlichten Motiv änderte sich auch dadurch nichts, dass die Mutter zwischenzeitlich durch andere Frauen ersetzt worden war. Dies ist eine grundlegende Erfahrung, die viele Jungen während ihrer Kindheit machen. So wird die Mutter zu einem dominanten Teil ihres inneren Selbstbildes, der ihnen auch als Erwachsenen noch als Kompass den Umgang mit Frauen vorgibt. Unterstützt wurde dies vom Vater, der dafür das lebendige Vorbild bot, wenn er es zuließ, dass die Mutter unbegrenzt auf den Sohn zugreifen konnte. Und wenn er fehlte, wie bei vielen Männern der 68er-Generation, die noch zu Zeiten des Nationalsozialismus oder im Anschluss daran geboren wurden, dann erschloss sich das Wesen der Männlichkeit für diese Söhne vorwiegend aus den Erwartungen, die die Mütter an ihre Söhne als den Statthaltern des Männlichen und als Ersatz für den Vater in der Familie hatten (Amendt 1999). 20 Prozent der Männer waren Halbwaisen, ihre Mütter also Witwen, die auf sich gestellt waren.

Vor diesem emotionalen Hintergrund waren die ersten Reaktionen ausgesprochen mutig. Auch wenn sie dem tradierten Arrangement der Geschlechter nichts Neues hinzufügten, sondern nur dessen Psychodynamik veränderten. Je mehr aber die Frauenbewegung zur puren Schuldzuweisung regredierte, umso sprachloser reagierten Männer auf den Mehltau, der sich über die Beziehungen der Geschlechter legte. Je bärbeißiger der Feminismus, umso schweigsamer die Männer! Das gar nicht seltene Schweigen von Männern in Partnerschaftskonflikten entfaltete sich angesichts der kollektiven Beschämungen und Schuldzuweisungen zu einer ähnlichen, jedoch kollektiv wirksamen Sprachlosigkeit.

Es war der Schriftsteller Volker Pilgrim, der aus den beschämt schweigenden Männern der 68er-Bewegung herausfiel. Er stellte sich den »patriarchatspolitischen« Schuldzuweisungen mutig entgegen, um nicht an den Schamgefühlen zu ersticken, die die feministischen Unwerterklärungen auslösten. Er tat das in dem Buch Muttersöhne, das 1986 erschien und das vor allem unter Frauen großes Interesse fand.

Was unterschied Volker Pilgrim von der Mehrheit der schweigenden Männer? Zuerst einmal nahm er die Vorwürfe des Feminismus über die missratene Geschichte des Abendlandes als ein Produkt zerstörerischer Männlichkeit ernst (vgl. Mitscherlich 1985, 1987). Zu diesem Zweck nahm er sich so ungleiche Figuren wie Teddy D. Roosevelt, Hitler und Stalin vor – in einer nicht angemessenen Verkürzung von Geschichte auf Einzelpersönlichkeiten. An missratenen Männern wollte er Fehlentwicklungen festmachen. Er gab ihnen den Namen »Muttersöhne«.

Zwischen der Eigenart ein Muttersöhnchen zu sein und der zerstörerischen Männlichkeit sah er einen Zusammenhang, der bislang allenfalls in Psychotherapien, aber nicht in politischen Diskursen thematisiert worden war. Wenn Männer destruktiv sind, dann hat das auch mit ihrer unaufgelösten Bindung an die Mutter zu tun. Das ist der psychische Kern von Muttersöhnen. Sie können keine selbstbewusste Männlichkeit entwickeln, weil ihr inneres Leben, sozusagen ihre Seele, von einer dominanten Mutter beherrscht wird. Sie sind weder Herren im eigenen Haus noch selbstbestimmt in dem, was sie als erwachsene Männer mit anderen Frauen tun. Das Zerstörerische, das von ihnen ausgeht, beruht folglich auch auf ihrer Kindheitsgeschichte, die sie nicht abschließen können, weil die Mutter in ihnen weiterhin den Ton angibt und ihrem autonomen Handeln nur begrenzten Raum gewährt. Die Rolle der Männer außerhalb der Familie und im Verhältnis zu anderen Frauen beruht somit zu einem Teil auf verinnerlichten Erwartungen der Mutter der frühen Kindheit (Greenson 1986; Schmauch 1995; Stoller 1974).

Damit steht Volker Pilgrim in einer Tradition, die im Alltagsbewusstsein der Menschen, den Sozialwissenschaften und der Psychoanalyse verankert ist. Demnach machen Männer und Frauen ihre Geschichte gemeinsam, ihre gute wie ihre schlechte und die widersprüchliche ebenso. Nicht nur das Glück entspringt dem gemeinsamen Handeln, sondern auch das Unglück und die alltäglichen Konflikte.

Mit dem Klischee von den guten Frauen und den bösen Männern versuchte der Feminismus diese Alltagsweisheit auszulöschen. Aber Pilgrim wollte sich diesen Versuchen nicht beugen, und die Frauen, die sein Buch lasen, haben fasziniert auf diesen Zusammenhang geblickt. Denn gerade die Nähe zu ihren Söhnen, anders als zu den Töchtern, war Frauen als eine tief befriedigende Erfahrung nur zu geläufig. Aber viele Frauen sind sich bewusst, dass aus dieser Nähe auch Probleme entstehen können.

Mit eigener Forschung unter Mitwirkung von 2.000 Frauen habe ich diese schillernden Seiten erforscht. Viele Frauen fühlten sich dadurch entlastet, dass es ein wissenschaftliches Interesse für diese Brisanz gab (Amendt 1994). Denn die Idealisierung von Mütterlichkeit im Gefolge des Nationalsozialismus und in dessen Fortsetzung durch den feministischen Mainstream hatte sie bislang daran gehindert, kritische Gefühle zum Sohnesverhältnis zu äußern (Amendt 1999). Der Feminismus hat mit seinem polarisierten Bild von den bösen Männern und den guten Frauen diese unter eine rassistisch begründete Idealisierung gezwungen, die mit dem Bild von der reinen arischen Frau des Nationalsozialismus weitgehend deckungsgleich ist. Die historische Kontinuität im Denken von Weiblichkeit und Mütterlichkeit wurde bislang von der Wahrnehmung ausgeschlossen. Auf solche Parallelen hat Götz Aly 2008 in seinem Buch Unser Kampf hingewiesen, wobei er erstaunlicherweise keine geschichtliche Beziehung zu den Müttern im Nationalsozialismus und der Politik der Töchter in der 68er-Bewegung herstellte. Das ist umso erstaunlicher, als er gerade diese »Überlieferung der 68er« aufzeigen wollte. Pilgrim war zumindest gegen die Mütter aufgestanden, die ihre Söhne zu Muttersöhnen machen. Er sagte, dass Mütter selbst hervorbringen, was sie jetzt bedauerten oder worunter sie litten. Dies hat jedoch nur sehr indirekt das Verhalten der Mutter- und Großmuttergeneration während des Nationalsozialismus eingeschlossen.

Mit liebender Hand hätten sie ihre eigenen Unterdrücker oder die ihrer Töchter herangezogen. Da die familiäre Erziehung damals noch mehr als heute in den Händen der Frauen lag, war diese Überlegung von Pilgrim für Frauen nachvollziehbar. Denn was für Hitler, eine seiner Beispielfiguren, galt, musste für das Heer der unbekannten Muttersöhne genauso gelten – wenn auch politisch weniger folgenreich. Immerhin war in den 80er Jahren die Bereitschaft zum aufklärerischen Diskurs noch so weit verbreitet, dass besprochen werden konnte, wie Frauen ihre Söhne für die eigenen Bedürfnisse instrumentalisieren. Unter der feministischen Opferideologie setzte dann allerdings ein mächtiger Verdrängungsschub ein, der bis heute noch wirksam ist (Amendt 2008).

Die feministische Verleugnung setzte dabei an, dass Frauen keine Fehler gemacht und keine Verantwortung für den Nationalsozialismus und die Shoah haben können, weil sie von der Geschichte ausgeschlossen gewesen seien. Dass Geschichte aber auch in der Familie gemacht wird, durfte nicht thematisiert werden. Das gilt ebenso für die Töchter. Wer in der Gefolgschaft von Volker Pilgrim auf die familiäre Geschichtsmächtigkeit der Frauen bestand, die in die Gesellschaft und die Generationen hineinwirkte, der musste sich anhören: »Ach ja, wenn etwas schiefgeht, sind die Mütter an allem Schuld!« Dieses Bonmot hatte es in sich. Es unterstellte den Insistierenden etwa, dass Frauen allmächtig seien, was vielen Männern den Atem verschlug und sie das Feld räumen ließ. Die anderen schreckten zurück, weil sie als getreue Söhne gelernt hatten, dass man eine Frau nicht mit der Verantwortung für ihr Handeln konfrontieren darf. Das Bonmot wurde zum Signum dafür, dass Mütter der Kritik schutzlos ausgesetzt werden sollen. Das war riskant in einem Land, in dem nicht nur das Titanic-Prinzip »Frauen und Kinder zuerst« noch immer gilt, sondern wo schlummernde Reinheitsvorstellung von Weiblichkeit mit religiösen Elementen der Marienhaftigkeit und rassistischen Wertschätzungen aus der Zeit des Nationalsozialismus sich gegenseitig potenzieren.




3 Muttersöhne – das Werk missbräulicher Frauen

Wenn gesellschaftliche Veränderungen einsetzen, geht Gewohntes über Bord. Das war auch typisch für den Ausgangspunkt der 68er-Bewegung (Aly 2008), zumal damit verdrängte Fragen an beide Eltern, Vater wie Mutter, nach deren Verantwortung für die Verhältnisse während des Nationalsozialismus und im Hinblick auf die Shoah aufgeworfen wurden. Wie Männer auf die Beschämung reagierten, als ihnen vom Feminismus die Totalverantwortung für gesellschaftliche Konflikte aufgebürdet wurde, habe ich angedeutet (Mitscherlich 1985, 1987). Diese Bürde hat sich als Schuld niedergeschlagen. Vergleichbare Schuldgefühle wurden unter Frauen ausgelöst, als Pilgrim ihnen vorhielt, dass die Muttersöhne, von denen sie sich als »wohlmeinende und besserwisserische Patriarchen« drangsaliert fühlten, doch von ihnen selber hervorgebracht worden seien. Anders als Männer reagierten sie nicht so sehr mit Arroganz und Wegsehen, sondern mit der Vorhaltung, dass Männer sich nur ihrer eigenen Verantwortung entziehen wollten. Beide Geschlechter haben Schuldgefühle, aber sie wählten damals offenbar spezifische Wege des Umgangs damit.

Nachdem Pilgrim nun aber am ideologischen Pfeiler »weiblicher Ohnmacht« tiefe Kratzspuren hinterlassen hatte, zog er die Notbremse. Er wollte Müttern zwar Schuld, aber keine Verantwortung zuweisen. Deshalb wollte er die Vermutung zerstreuen, dass »die Frau als Mutter […] ›schuld‹ an der verhängnisvollen Entwicklung des Sohnes zur Gewaltneigung [sei].« Damit hat er die Frauen »kastriert«. Sie dürfen machen, was sie wollen, aber Verantwortung müssen sie keine übernehmen. Und so sprach er lieber von » unwissentlicher Verursachung, besser von der Wirkung, die die unterdrückte Frau in der Funktion der Mutter auf den Sohn hat, am besten von der Verstrickung, in die das Patriarchat die Mütter und Söhne zwingt, allein zu dem Zweck, um neue Gewaltspezialisten zu erhalten, die diese Gesellschaft für ihren Fortbestand braucht« (Pilgrim 1986, S. 260).

Pilgrims Logik endet in einem verantwortungsethischen Puzzle, einer geschlechterpolitischen Achterbahnfahrt. Denn es geht um den Kern der Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Nach Pilgrim tragen entweder Männer Verantwortung oder anonyme gesellschaftliche Verhältnisse, nicht jedoch Frauen.

»Jeder Sohn wächst unter einer unterdrückten Mutter auf. Die Abschaffung der Gewalt des Sohnes wird gänzlich erst gelingen mit dem Ende der Unterdrückung der Frau« (Pilgrim 1986, S. 7). Die Freisprechung der Mutter folgt sodann auf dem Fuße: »Die Wirkung des universalen Verbrechens an den Frauen war riesenhaft. Die Frau verkam zu einem ängstlichen, sich selbst entfremdeten, hilflosen Männergebrauchsartikel. Die Wahrnehmung als Mensch sollte ihr nur noch in der sterilen Funktion(!) als Mutter möglich sein. Was Frauen schon früher hatten erleiden müssen – das Eingesperrtsein in körperlichen und burgmäuerliche Keuschheitsgürtel –, das drohte jetzt allen Frauen. Und also wurden die Riemen(!) zwischen Mutter und Sohn enger geschnallt. […] Der Verhängniskreislauf war geschlossen: Frauenunterdrückung, Sohnesbindung, Muttersohnausbildung, Lebenszerstörung« (Pilgrim 1986, S. 209). »Was Frauen auch tun, wie sie auch wirken, bei den Söhnen bildet sich das Muttersohn-Syndrom nur heraus, wenn sie zusammen mit unterdrückten Müttern aufwachsen. Seelische Größe, geistige Bedeutung, menschliche Stärke nützen den Frauen nichts, wenn sie im gesellschaftlichen Minus leben« (Pilgrim 1986, S. 316).

Indem Pilgrim über sich selber spricht, skizziert er doch das am weitesten verbreitete Selbstmissverständnis von Männern. Und zugleich wird damit die korrespondierende Erwartungshaltung von Frauen an Männer ausgedrückt, was sich zum jeweils vorherrschenden Arrangement der Geschlechter bündelt.

Offensichtlich ist das für Männer mit einem erheblichen Maß an Selbstverleugnung eigener Wünsche verbunden. Sie halten für eigene Interessen, was mehr oder weniger die Erwartungen von Frauen sind. Das reicht aber nicht, um eine erlebnisreiche Sexualität zu praktizieren, die die 68er-Bewegung anstrebte. Den Frauen ist das keineswegs entgangen. Sie haben dieser besonderen Variante des dienenden Mannes die Bezeichnung »Softi« verliehen. Einer, der glaubt, es Recht machen zu können, aber nicht merkt, dass Frauen doch auch das an Männern mögen, was sie gerade an ihnen kritisieren. Noch später hießen sie »Frauenversteher«. In der Genderliteratur zählen dazu Autoren wie Michael Kimmel, Klaus Theweleit, Michael Meuser, Harry Stoltenberg, Robert Cornell und andere. Diese Botmäßigkeit ohne erregende Dissonanz war nicht das, was Sexualität mit Leidenschaft erfüllen konnte. Der Softi wurde deshalb höhnisch verworfen. Aber hier zeigt sich, dass ein Wandel im männlichen Versorgen stattgefunden hatte. Es ging nicht mehr nur ums tägliche Brot, sondern mehr noch um Übernahme von Verantwortung für die sexuelle Zufriedenheit der Frau.



4 Die Angst der Frauen vor der Passivität der Männer

Heutzutage ist eines der großen Probleme vieler Männer, ihre eigenen Interessen und Wünsche zu bestimmen; eben jenseits der während der Kindheit bereits zugewiesenen Verantwortungen, die sie als Erwachsene in der Sorge für Frau und Kind weitgehend den einzigen Lebenssinn suchen lässt. Aus der Sicht der Männer können sich die Beziehungen zwischen den Geschlechtern nur verändern, wenn sie in Zukunft sich von der verinnerlichten Selbstinstrumentalisierung für Frauen losmachen können. Dies käme dem Ende einer weitgehend funktional bestimmten männlichen Identität gleich. Das geht aber nur gemeinsam mit Frauen in persönlichen Beziehungen. Der gemeinsame Aspekt, eben das, was Beziehungen in guten wie in schlechten Zeiten ausmacht, müsste wieder in den Mittelpunkt rücken. Das ist aber nur möglich, wenn die Gesellschaft sich aus den Fängen feministischer Ideologie befreit, wonach Männer Täter und Frauen Opfer sind. Diese Ideologie ist in Wirklichkeit die feministische Variante dessen, was früher traditionell als typisch weibliche Passivität und typisch männliche Aktivität ausgegeben wurde (Comas-Diaz 2007). Mit einem maßgeblichen Unterschied: Früher war die Passivität der Frauen nicht unerheblich von einer für Männer wie Frauen rigiden Arbeitsteilung erzwungen. Heute hingegen, in einer Zeit großer gesellschaftlicher Flexibilität und individuell gestaltbarer Lebensperspektiven, ist diese Passivität selbst zu verantworten. Und eigentümlicherweise propagieren die radikalsten Feminismusvarianten diese Passivität. Obwohl gänzlich im Gegensatz zur Frauenbewegung, die seit den späten 60er Jahren die Selbstermächtigung und das »self-empowerment« von Frauen ganz groß auf ihre Fahnen geschrieben hatte.

Selbstverständlich werden die Beziehungen von Männern und Frauen immer von Herrschaftsinteressen geprägt sein. Denn es gibt »engendered power« (Bethke 1990), eben geschlechtsspezifische Machtformen, über die Männer und Frauen verfügen. Denn Geschlechterbeziehungen sind generell machtverspielte Beziehungen, die nur in Ausnahmen als rein instrumentelle Gewaltzustände erscheinen. Diese weisen sowohl bei Männern als auch bei Frauen auf schwere Pathologien oder Charakterstörungen hin (Amendt 2009).

Am Beispiel von namhaften Muttersöhnen hat Volker Pilgrim zu zeigen versucht, wie weibliche Passivität sich auf die Ausgestaltung der Männlichkeit und somit auf die gesamte Gesellschaft auswirkt. Wer aber diese weibliche Macht verleugnet oder durch reales oder fantasiertes Leid staatliche Hilfsmaßnahmen im Sinne einer Flut Frauen fördernder und bevorzugender Gesetze auszulösen vermag, der ist weder schwach noch ohnmächtig. Er zeigt, welche Macht der Weiblichkeit zusätzlich zur erziehenden Macht über die Kinder in der Gesellschaft zufällt. Es trifft also durchaus zu: »Es mag ein großes Stück Aktivität notwendig sein, um ein passives Ziel durchzusetzen« (Freud 1990, S. 123). Und was im extremen Fall von aktiver Passivität als Terror des Leidens erscheint – eben als Sehnsucht danach, sich als Frau wie ein Opfer zu fühlen –, irritiert viele Männer. Es macht viele sprachlos, wenn nicht orientierungslos.

Zwar ist der Feminismus als soziale Bewegung versiegt und lebt nur noch im Dunstkreis bürokratischer Förderprogramme fort. Er bildet jedoch weiterhin die treibende Kraft, die Frauen als Opfer in einem Zustand politisch anerkannter Passivität halten möchte. Vor diesem Hintergrund ist der Ruf nach Veränderung der Männer eine hochambivalente Herausforderung. Sie sollen sich ändern, aber zugleich werden sie ganz traditionell wieder in die Pflicht genommen, die alte rettende Rolle zu spielen.



Anmerkungen

1 Zur Kritik an Margarete Mitscherlich, wonach das antisemitische Vorurteil männlich sei, vgl. Brainin/Ligeti/Teichert 1993.
2 Es mag sich hier bestätigen, was Mary Douglas (1981, S. 172) ausführte: »Im Hexenglauben kommt die Überzeugung zum Ausdruck, dass die Menschheit in zwei Hälften zerfällt: in die Guten und Reinen und die von Grund aus Niederträchtigen und Bösen, die eigentlich überhaupt nicht als Menschen zu betrachten sind.«
3 Eine hervorragende Darstellung dieser Tendenzen findet sich in der Günther 1997.
4 Hier geht es um introjizierte psychische Vorstellungen und nicht um die Teilhabe von Frauen am Arbeitsprozess als Zeichen von deren außerfamiliären Unabhängigkeit.
5 Da seit 1919 in Deutschland Frauen das allgemeine aktive Wahlrecht haben, mussten Männer die rollenspezifische Obsorge für die Frau im gesellschaftspolitischen Bereich nicht mehr fortsetzen. Hier hatten Frauen nicht mehr und nicht weniger wahlpolitischen Einfluss wie jeder Mann.
6 Das galt übrigens gerade auch für die befreite Sexualität.
7 Es sei hier lediglich darauf hingewiesen, dass es in der Frauenbewegung eine mächtige Strömung gab, die den Kampf um den weiblichen Opferstatus als Kampf um die weibliche Unschuld der »deutschen Frau« an Nationalsozialismus und Shoah betrieb.



Literatur

Aly, Götz (2008): Unser Kampf. Frankfurt (S. Fischer Verlag).
Amendt, Gerhard (1994): Wie Mütter ihre Söhne sehen. Frankfurt (Fischer Taschenbuch Verlag).
Amendt, Gerhard (1996): Die Wiederkehr der Geschichte in Liebesbriefen. In: Ulshöfer, Helmut (Hg.): Liebesbriefe an Adolf Hitler – Briefe in den Tod. Unveröffentlichte Dokumente aus der Reichskanzlei. 2. Aufl. Frankfurt (Verlag für Akademische Schriften).
Amendt, Gerhard (1999): Vatersehnsucht. Annäherung in elf Essays. Bremen: Institut für Geschlechter und Generationenforschung.
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Amendt, Gerhard (2004): Über die These von der Verdammnis durch die Frauen. Das Parlament 46. URL: http://www.das-parlament.de/2004/46/Thema/005.htm.
Amendt, Gerhard (2006): Scheidungsväter. Frankfurt.
Amendt, Gerhard (2008a): I Did Not Divorce My Kids. Chicago (Campus Verlag/Chicago University Press).
Amendt, Gerhard (2008b): Geschichtsverleugnung, Väterfeindlichkeit und Antisemitismus im ideologischen Feminismus. Jüdisches Echo 57, 110–117.
Amendt, Gerhard (im Druck): Gewalt in Familien. Grundlagen und Interventionen.
Bernard, Jessie (1981): The Good-Provider Role. Its Rise and Fall. American Psychologist 36(1), 1–12.
Bethke, Jean Elshtain (1990): Power Trips & Other Journeys. Essays in History, Politics, and Social Theory. Madison, Wisconsin (University of Wisconsin Press). Ebenso (1983): Antigone’s Daughters! Reflections on Female Identity and the State. In: Diamond, Irene (Hg.): Families, Politics and Public Policy. New York, London, S. 304.
Brainin, Elisabeth; Ligeti, Vera; Teichert, Samy (1993): Vom Gedanken zur Tat. Zur Psychoanalyse des Antisemitismus. Frankfurt.
Comas-Diaz, Lillian (2007): Carolyn Sherif Award Address: SPIRITA: Reclaiming Womanist Sacredness into Feminism. Psychology of Women Quarterly 32(1), 13–21.
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Nitschke, Bernd (1980):Männerängste – Männerwünsche. München.
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Gerhard Amendt »Die Opferverliebtheit des Feminismus oder: Die Sehnsucht nach traditioneller Männlichkeit. Die Zukunft der Männer jenseits der Selbstinstrumentalisierung für Frauen«. In: Paul-Hermann Gruner, Eckhard Kuhla (Hg.): Befreiungsbewegung für Männer. Auf dem Weg zur Geschlechterdemokratie. Essays und Analysen. Gießen: Psychosozial-Verlag 2009, S. 41–55.

Dienstag, 5. Juli 2011

Die Macht der Frauen

Berliner Zeitung Politik

Geschlechterverhältnisse

Die Macht der Frauen

Frauen dürfen heute alles zeigen, was sie haben. Sie wissen, dass sie die Männer damit erregen. Foto: Getty Images
Frauen dürfen heute alles zeigen, was sie haben. Sie wissen, dass sie die Männer damit erregen.

von Regine Sylvester

Berlin - Unter meinem Fenster rollen geschmückte Kremser mit singenden Männern. So ein Tag, so wunderschön wie heute. Halbnackte Rudel taumeln am Abend durch die Stadt, knallen leere Flaschen auf Bürgersteige, trinken immer weiter, kotzen sich das Gesöff aus dem Leib, schnarchen auf Bänken und Verkehrsinseln.

Feiertag, Vatertag, Herrentag.

Männer - nur einige, keineswegs alle, und eher jüngere als ältere - zeigen die alberne, die rüpelhafte Seite ihres Selbstverständnisses. Diese Gruppen können auch gefährlich werden. Am kleinen Müggelsee gab es dieses Jahr eine Keilerei. In Warnemünde starb ein Familienvater wegen nichts aus dem Nichts: Zwei konkurrierende Wandergruppen hatten sich gestritten, welche den schöneren Karren zog: einen Einkaufswagen oder einen Bollerwagen. Unter Männern kann eine seltsame Gewalt gären, die sie plötzlich aufeinander richten. Bei Kneipenschlägereien, Kriegen zwischen Fußballfans oder Rockern haben Frauen nichts zu suchen.

Die taz griff den Fall Strauss-Kahn auf und schrieb in dem Zusammenhang, dass sich das männliche sexuelle Privileg in unzähligen Formen wie Junggesellenabschieden, Vatertagen oder Bordellbesuchen ausdrückt. Das ist nicht korrekt. Was ist das männliche sexuelle Privileg bei Junggesellenabschieden oder Vatertagen? Dass Freundinnen heutzutage auch exzessive Junggesellinnenabschiede feiern, dass sich Frauen Callboys mieten und für sexuelle Dienste bezahlen, darf das unerwähnt bleiben? Außerdem werde ich misstrauisch, wenn sich etwas in "unzähligen Formen" ausdrücken soll. Unzählig ist ungenau und oft die reine Ablenkung. Man sollte damit rechnen, dass sehr Verschiedenes zusammengebraut wird, um ein Fass vollzumachen.

In diesem Fall geht es um ein verallgemeinertes, nachteiliges Männerbild.

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In den letzten Monaten gerieten bekannte, manchmal auch mächtige Männer in den Verdacht, Frauen sexuell missbraucht zu haben. Israels Präsident Moshe Katzav wurde deshalb zu sieben Jahren Haft verurteilt. Der Meteorologe Jörg Kachelmann bekam nach vier Monaten Untersuchungshaft einen Freispruch aus Mangel an Beweisen, den Alice Schwarzer als "Freispruch dritter Klasse" interpretierte, die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin legten Revision ein. Dem Franzosen Dominique Strauss-Kahn, zuvor Chef des Internationalen Währungsfonds, wurde in dieser Woche in New York die Anklage verlesen: Er soll ein Zimmermädchen zum oralen Sex gezwungen haben, ihm drohen in den USA 25 bis 74 Jahre Gefängnis.

In dem Zusammenhang rückten diverse Medien auch andere Männer in einen sexuellen Kontext, Männer, die wahrscheinlich, ein umtriebiges Leben führen, aber keine Straftat begangen haben: König Carl XVI. Gustaf von Schweden soll im Bordell gewesen sein. Er leugnet. Arnold Schwarzenegger betrog seine Frau und verheimlichte einen außerehelichen Sohn. Er bereut und will seine Frau zurück. Dem italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi schmeichelt sein Image als Sexprotz. Er erzählte Journalisten den folgenden Witz: "Unter jungen Frauen wurde eine Umfrage gemacht. Die Frage lautete: Würdet ihr mit Berlusconi schlafen? 70 Prozent haben geantwortet: Warum nicht? Die anderen 30 Prozent haben gesagt: Nicht schon wieder!"

Nach diesen Fällen entstand, verständlich, eine aufgeregte Debatte über die sexuelle Macht der Männer. Wer viel gesehen und gelesen hat, empfängt die Signale einer fatalen Warnung: Männer können zu Monstern werden, besonders mächtige Männer sind besonders gefährlich für Frauen. Bei der Arbeit sind Frauen den sexuellen Übergriffen männlicher Kollegen ausgesetzt. Man muss die Frauen schützen.

Sie sind "wehrlos".

Das Wort fällt auch in einem Kommentar der Chefredakteurin der taz. Die Journalistin wird noch schärfer: Im Fall Strauss-Kahn kritisiert sie die Wortwahl der Öffentlichkeit: "Und die vergewaltigte Frau? Sie wird zum Zimmermädchen degradiert - zu einer Person also, die durch diese Bezeichnung zu einem Kind gemacht wird, das nicht im Vollbesitz ihrer Urteilskraft ist."

Diese Frau, die sich an einem unbekannten Ort aufhält und vor der Öffentlichkeit geschützt wird, arbeitete im Hotel als Zimmermädchen. Nun soll man "Zimmermädchen" nicht mehr sagen dürfen, weil man dabei an ein unmündiges Kind denkt und nicht an einen anständigen Beruf. Das Wort "Missbrauchsopfer" akzeptiert die Kollegin aber auch nicht: "Der Annahme, dass ich etwas missbrauchen kann, liegt immer zugrunde, dass ich etwas gebrauchen kann. Frauen werden dadurch einmal mehr zu Objekten die je nach Gusto benutzt werden dürfen."

Das ist nun wirklich Unsinn.

Die Chefredakteurin von Bunte schrieb im Mai ein Editorial über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: "Männer sollten Sensibilität dafür entwickeln, dass Frauen an manchen Tagen Zweideutigkeiten lässig hinnehmen und am nächsten Tag schockiert sind."

Was mich bei solchen Texten aufregt, ist das reduzierte Frauenbild.

Im Zusammenhang mit der Sexualität der Männer wird die moderne Frau zum Weibchen erklärt - schwach, bedrängt, ängstlich abwehrend und einer mentalen Tagesform ausgeliefert, in der es "Zweideutigkeiten" mal lässig hinnimmt, mal einen Schock bekommt.

Alice Schwarzer schrieb vor einem Jahr in Emma: "Im Namen der Liebe neigen Frauen zur Selbstaufgabe, Gratisarbeit und Relativierung ihrer eigenen Existenz. Darauf baut die ganze männlich-weibliche Arbeitsteilung auf."

Wie passt dieser tägliche Opfergang zu den feministischen Bilanzen, in denen Frauen zu den Siegerinnen der Geschichte werden - stark, klug unabhängig, selbstbestimmt, mutig? Das alles kann durch die Sexualität der Männer untergraben werden? Mit dieser Angst leben meine Freundinnen nicht, ich auch nicht und meine Tochter schon gar nicht.

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Ich komme aus dem Osten.

1993 schrieb ich eine Kolumne in der Wochenpost. Mir war im Westen eine diffuse Unsicherheit im Umgang zwischen Frauen und Männern aufgefallen: "Könnte es sein, dass der feministische Aufbruch auch Verluste brachte? Zerfall der Geschlechterrollen ohne erkennbare lebenslustige Alternative? Verunsicherte Männer trauen sich nicht, einer Frau in den Mantel zu helfen. Anerkennende Pfiffe auf der Straße gelten als Sexismus. Ich denke da anders: So lange einer pfeift, ist alles in Ordnung. Will wirklich keine angesprochen werden? Man kann doch Nein sagen. Ich frage mich, wie die Frauen im Westen überhaupt Männer kennenlernen."

Nach diesem Text, an dem ich auch heute kein Wort ändern möchte, erhielt ich viele Briefe, die empörten kamen alle aus dem Westen. Eine Frau fragte, ob ich auch das Taschenbillard von Männern begrüße, mit dem sie Passantinnen einschüchtern. Taschenbillard? Ach so.

Eine andere Leserin schrieb, ich sei verantwortlich für zukünftige Vergewaltigungen, weil ich sexuelle Belästigungen herunterspiele und die Männer zu Schlimmerem ermutige. Das waren unerwartete Kriegserklärungen. Danach habe ich wütend beschlossen, den Erfahrungen meines erwachsenen Frauenlebens zu vertrauen. Dazu gehörte eine einfache Feststellung: Frauen sind nicht die besseren Menschen.

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Frauen haben andere Mittel und können große Verführerinnen sein. Die Macht, die sie damit über Männer gewinnen, ist Geschichte geworden, Kunst, Literatur, Theater. Die ägyptische Königin Kleopatra wollte ihr Land vor den römischen Eroberern retten. Sie verführte zuerst Julius Caesar und nach dessen Ermordung Marcus Antonius. Für längere Zeit konnte sie Ägyptens Machtstellung erhalten. Helenas Schönheit führte verblendete Männer in den Trojanischen Krieg. Mätressen verdrehten Kaisern und Königen den Kopf. Huren, Diven, Abenteurerinnen setzen verlockende Körper ein, um ihre Ziele zu erreichen. Junge reizvolle Mädchen suchen sich Sugar-Daddys, damit jemand die Kosten eines anspruchsvollen Lebenswandels übernimmt.

Die Kunst der Verführung, heute weitgehend heruntergekommen zur sexuellen Anmache, drängelt sich auf der Rampe der Aufmerksamkeit. Man kann gar nicht wegsehen, Hintern und Brüste auf der Titelseite, auf dem Plakat. Tussis mit gürtelbreiten Röcken steigen vor dir die S-Bahn-Treppe hoch. Frauen dürfen heute alles zeigen, was sie haben. Sie wissen, dass sie die Männer damit erregen, aber die dürfen sich nicht aufgefordert fühlen.

Wann ist der Mann ein Mann?

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2004 erschien die erste sozialwissenschaftliche Studie über Gewalt gegen Männer. Sie wurde in der Berliner Zeitung ausgewertet: "Gewalt gegen Männer, sofern sie von Frauen ausgeht, gilt immer noch als Tabu. Männer wollen nicht wahrhaben, dass sie Opfer von Gewalt geworden sind. Sie bagatellisieren, halten sich aus Scham bedeckt. Jeder vierte Mann hat in seiner Partnerschaft mindestens einmal Gewalt erfahren - physische oder psychische." 2010 zeigte eine Studie der evangelischen Kirche, dass beide Geschlechter fast gleich häufig Täter sind, etwa 30 Prozent der Frauen und 34 Prozent der Männer üben Gewalt aus. Wenn Männer gewalttätig werden, sind sie es meist gegen Fremde. Gewalt von Frauen richtet sich gegen den eigenen Partner.

Diese Zahlen könnte ich vergessen, diese Erlebnisse nicht: Als mein Cousin seine Frau nach langer, unglücklicher Ehe verlassen wollte, versteckte sie eine Rasierklinge in seiner Nagelbürste. Ein anderer Mann aus meiner Familie heiratete eine Frau, die immer ausrastete, wenn er sich anerkennend über eine andere Frau äußerte, auch wenn es nur eine Schauspielerin im Fernsehen war. Einmal schlug sie ihm einen Telefonhörer auf den Kopf, bis Blut kam. Er wusste nicht, wie er sich hätte wehren können ohne zurückzuschlagen, und das konnte er nicht.

Ich habe noch öfter und aus anderen Gründen Männer bedauert. Es gab einen verzweifelten Freund in Stuttgart, den seine Frau betrogen hatte. Sie zog aus und ließ sich scheiden. Durch eine Gesetzesänderung von 1977 war das Scheidungsrecht vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip übergegangen. Danach konnte eine Frau ihren Mann betrügen, ihn verlassen und die Hälfte vom Zugewinn und Versorgungsanspruch erhalten. Dazu, wenn sie nicht arbeitete, drei Siebtel vom Nettoeinkommen des Verlassenen als Unterhalt. Die Frau aus Stuttgart war nun mit dem anderen Mann zusammen, zog aber nicht in eine gemeinsame Wohnung, nur damit der Ex-Ehemann, der Dumme, weiterzahlen musste.

Ein geschiedener Mann war verpflichtet, mit seinen Zahlungen seiner geschiedenen Frau die Aufrechterhaltung des ehelichen Standards zu ermöglichen. Wenn sie vorher zwei Mal im Jahr Skiurlaub gemacht hatte, sollte sie das auch weiter machen können.

Das ist inzwischen geändert, aber jahrelang bedeutete Heirat und Scheidung die weit und breit in der Bundesrepublik einzige sichere, lebenslange, luxuriöse Versorgung einer Frau, sofern sie sich vorher einen vermögenden Mann geangelt hatte. Der konnte nun frei sein und arm werden.

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Ich stelle mir vor, ich wäre ein Mann, und zwar einer von den netten.

Ich bin bindungsfähig, geduldig und fürsorglich. Ich bin dieser Typ mit Schultern zum Anlehnen. Ich halte Versprechen, kann zuhören und finde Worte für meine Gefühle. Ich bin ein wilder und zärtlicher Liebhaber. Ich habe Freunde.

Wo kommt so ein Mann vor, wenn über Männer geschrieben wird? Mal ganz abgesehen von diesen Frauenbüchern, die sich vor Lachen nicht halten können, wenn sie männliche Details wie einen Schwanz aus der Nähe betrachtet haben wollen. Es gibt zu viele hämische, dumme, verbissene Bücher.

Und es gibt Sibylle Berg und ihren weisen Roman "Der Mann schläft". Eine Frau liebt einen Mann, weil der Mann diese Frau liebt. "Er war nicht auffallend schön oder reich, kein guter Redner oder charmant auf eine Art, die ihm Bewunderung einbrachte. Außer dass er mir das Gefühl gab, ich sei liebenswert, tat er sich in keinem Bereich mit Glanzleistungen hervor."

Der Mann und die Frau - beide haben keine Namen und sind schon älter - sind freundlich zueinander. Dann verschwindet der Mann. Man liest das Buch mit Demut. Sibylle Berg kann zaubern.

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Natürlich - furchtbare Vorstellung - könnte mir ein körperlich überlegener Mann etwas Schlimmes antun. Noch jahrelang trug ich als junges Mädchen eine Trillerpfeife an einer Kette um den Hals. Sie sollte mir mehr Sicherheit geben, nachdem ich vor einem polizeilich gesuchten Vergewaltiger wegrennen konnte. Ich schaffte es gerade so ins Haus, der Mann versuchte, die Tür einzutreten. Beim Prozess sah ich ihn das erste Mal bei Licht, er war groß und stark. Vergewaltigung war lange Zeit meine entsetzlichste Vorstellung von einem Unglück, das mich treffen könnte.

Im letzten Maiheft des Spiegel gab die Schriftstellerin Catherine Millet ein Interview -"Sex ist ein Modus des Lebens" -, das kühn und kühl gegen den Strom schwimmt. Eine Vergewaltigung, sagt sie, könne den Körper einer Frau nicht unheilbar beschädigen, Sperma ließe sich abwaschen. Ein Mann könne sich des Körpers einer Frau bemächtigen, aber nicht ihrer Persönlichkeit, weil die sich nicht auf den Körper reduzieren lasse. Millet wagt einen verstörenden Vergleich: "Für mich ist eine Vergewalti-gung weniger schlimm, als ein Auge zu verlieren, voilà."

Könnte so sein, denke ich.

In einem Alter, das sich bestimmte Sätze fürs ganze Leben merkt, habe ich den Film "Spiel mir das Lied vom Tod" gesehen, den berühmten Italo-Western. Claudia Cardi-nale spielt eine junge schöne Witwe zwischen unberechenbaren Männern. Einer droht, sie zu vergewaltigen. Sie reagiert mit einer kurzen Ansprache: Sie könne sich nicht gegen ihn wehren. Aber danach würde sie in einen großen Eimer viel heißes Wasser gießen und sich waschen. Und alles wäre wie vorher.

Mir ist das nie passiert, aber ich hoffe, dass ich mit so einer Situation ähnlich stark umgehen könnte.

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Wenn mir jemand uneingeladen auf die Pelle rückt, helfen Ironie und Gelächter.

1994 hatte mein damaliger Chefredakteur ein Interview mit Alexander Schalck-Golodkowski verabredet: Der Devisenbeschaffer der DDR war im Dezember 1989 in den Westen geflüchtet und sollte jetzt vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags über seine frühere Tätigkeit aussagen.

Der Chef hatte mich zum Interview mitgenommen, weil ich mich in Ostangelegenheiten besser auskannte als er. Während des Gesprächs gab es eine Pause. Mein Chef ging zum Fenster und sah hinaus. Ich lehnte an der Wand. Ohne Scham und Überleitung fing Schalck-Golodkowski an, mich zu betatschen. Mein Chef blickte kurz herüber und wendete sich wieder dem Fenster zu. Ich schob die fremden Hände beiseite, sagte dem fleischigen Mann, er wäre nicht mein Typ und gab ihm einen kräftigen Schubs. Wir führten das Gespräch ohne Aufregung zu Ende.

Vielleicht hat sich der Chefredakteur nicht eingemischt, weil er Angst um das Interview hatte, das unserer Zeitung Aufmerksamkeit bringen sollte. Aber ich glaube, er wusste, dass ich mir nichts gefallen lassen werde. Ich war sogar dankbar, dass er mir das allein zutraute und nicht eingriff, was die Sache wichtiger und peinlicher gemacht hätte. Ich wollte kein Opfer sein.

Auf der Rückfahrt haben wir nur in Andeutungen über die Sache gesprochen und sie fortan beschwiegen.

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"Beinschuss, Bauchschuss, Kopfschuss!", drohte ein früherer Bild-Chef seinen vermeintlich unfähigen Mitarbeitern an. Legendär war auch die Mitarbeitererniedrigungskreativität eines Stern-Chefredakteurs. "Finden Sie Ihre Texte eigentlich gut?", fragte er einen seiner Journalisten, der eben den Bericht von einer großen Reise abgegeben hatte. Der nickte vorsichtig. "Da sind Sie aber der Einzige", dröhnte der Chef.

Mir fällt noch eine Begegnung bei den Internationalen Filmfestspielen von Karlovy Vary ein, Jahre vor der Wende: Ich wurde dem tschechoslowakischen Filmminister vorgestellt, setzte mich zu ihm und anderen Gästen an den Tisch. Er sprach etwas Deutsch, und ich fragte, ob er gute Filme gesehen habe. Er antwortete: "Ich bin nicht hier, um Filme zu sehen. Ich bin hier, um zu saufen." Er sprach laut und genierte sich nicht.

Der Mächtige geht oft zu weit. Kränkt Leute. Benimmt sich schlecht. Lässt sich huldigen. Findet sich gut. Ist keinen Widerstand gewohnt.

Wissenschaftliche Studien ergaben - nach Focus -, dass sexuelle Gewalttäter meistens aus den unteren sozialen Schichten kommen, wenig Bildung haben und ein unstetes Leben führen. Sie kompensieren mit der Demütigung einer Frau ihre eigene Ohnmacht. Bei mächtigen Männern passiert das selten. Sie brauchen es nicht.

Nach Henry Kissinger ist Macht das stärkste Aphrodisiakum. Das gilt aber nur für Männer: Eine Regierungschefin oder die Aufsichtsratsvorsitzende eines Dax-Konzerns ist es nicht gewohnt, dass hysterische junge Männer ihr Telefonnummern zustecken oder stundenlang im Vorgarten der Familienvilla lauern, um sich der Dame anzubieten.

Mächtige Positionen, Prominenz, Reichtum locken Frauen an. Regisseure, Chefärzte, bekannte Schauspieler, Verlagsleiter, Bestsellerautoren sind eine begehrte Beute und erhalten Angebote. Es folgen sexuelle Attacken. Das spricht nicht für uns Frauen, es ist aber so wegen einer steinzeitlichen Veranlagung: Frauen suchen nach einem guten Ernährer. Und den finden sie dann, sofortiger Überlebensreflex, attraktiv.

Ich kannte eine hübsche junge Frau, die bei der Ostberliner Akademie der Künste arbeitete. Ein Bürojob, aber mit direktem Zugang zu Akademiemitgliedern. Über die vielversprechendsten Künstler führte sie eine Liste und näherte sich ihnen Mann für Mann mit einem einzigen Ziel: "Perlen und Pelze!" Keiner ist verlässlich darauf eingegangen. Zu Mauerzeiten hat sie sich in den Westen geheiratet.

Sehr speziell sind die Groupies. Junge Mädchen gehen zu einem Konzert und verlieren den Verstand. Sie geben ihre Arbeit oder Ausbildung auf, um Musikern zur Verfügung zu stehen. Sie werden abgewiesen und fahren trotzdem nicht nach Hause. Wenn sie gut aussehen und dranbleiben, gehören sie vielleicht irgendwann zum Tross. Die Allerschönsten oder Interessantesten werden zu Ikonen, die von dem Ruhm leben, einmal ein sexuelles Anhängsel gewesen zu sein.

Groupies leben zur selben Zeit auf unserem Planeten wie Feministinnen. Die Welt ist arbeitsteilig.

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Busfahrer oder Agrartechniker kennen keinen weiblichen Massenansturm. Der kleine Mann von nebenan hat es leicht, treu zu bleiben, weil sich die Versuchung in Grenzen hält. Ähnliches galt für die ältere Frau, die während einer Berlinale im Kino neben mir saß. Vorne hatte ein Moderator die Zuschauerinnen scherzhaft gefragt, ob sie einen Mann wie George Clooney etwa gut fänden. Nach einem aufspringenden Händewald verließ er perplex und düpiert die Bühne. Ich hatte mich auch gemeldet. Die Frau neben mir, leichter Damenbart, stieß mich an und sagte: "Clooney finden Sie gut? Bei mir hätte der keine Chance."

Für beide Geschlechter gilt: Es ist leicht, Angebote abzulehnen, die man nicht erhalten hat. Nicht so einfach ist es dagegen, viele Angebote immer abzulehnen.

Ich wage Verallgemeinerungen, aber sie sind gespeist aus Erfahrung: Männer sind schlicht gestrickte, gutmütige Vorwärtsstrategen. Sie können mühelos mit einer Frau ins Bett gehen, ohne sich verlieben zu wollen. Sie sind Streuner, kehren aber in die bekannte Hütte zurück. Intelligente Männer betrügen großartige Frauen mit einer passablen Schnitte: Das läuft bei ihnen auf einem anderen Kanal.

Eine Frau, die Männer eine Weile mit grundsätzlicher Sympathie betrachtet hat, erwartet nichts Unmögliches und wird nicht so leicht enttäuscht werden.

Man könnte sich arrangieren.

Was denn sonst?

Berliner Zeitung, 11.06.2011

Donnerstag, 21. April 2011

The sorrowful rise of neuter man

Gelding, By Lily
The sorrowful rise of neuter man. by Fred Reed



Ever wonder why masculine men are dying out--the old strong, silent type who rolled cheroots one-handed while roping dogies with the other--and being replaced by delicate androgynous Ken-dolls who look like Tinkerbell with a flat chest? Or why women look increasingly . . . not masculine so much as sexless?
Tell you what I think.
(I'll bet that surprises you.)
Used to be, men and women were different, and they knew it. They weren't in competition. So a guy could be Marlboro Man, or sort of anyhow, and grunt, and stand tall in the saddle, and say, "Hoo-ahhhh!" and ride Harleys. And if anybody messed with his kids or women, he'd take a tire iron to'em, or a thirty-thirty, depending--or at least imagine that he might. He had sense enough, anyway, to know that it was a good idea.
Back then, a woman could like a big hairy-chested hunk, because she wasn't competing with him. In fact, the hairier and chesteder he was, the better, because she was vying with her girlfriends to see who could get the manlier man. And a lot of women liked the idea of 240 pounds of muscle in a Stetson that meant to take care of them.
She meanwhile could afford to be cute, feminine, and curved, and dress like a woman, and maybe wield a gorgeous smile that she used to play him like a banjo--which he probably knew, and figured that was OK too, because that's how things worked, and anyway guys are guys. She didn't have to out-hairy him. She wasn't trying to be a guy.
East was east, and west was west, and the twain would meet at the drop of a hat.

Then everything changed. Women decided they wanted to compete with men. OK. I can understand it. If I were a woman with an IQ of 160, I'd probably want to be a biochemist instead of child-herd and doily-polisher. The idea seemed reasonable to most women, and to most men. A kajillion gals poured into the workplace.
Thing was--and nobody had really thought this out--they didn't expect to compete on their merits as individuals, get as far as they got, and figure that was the hand God dealt them. They wanted to duke it out head-to-head, self-consciously and avowedly, as a class, with men. It wasn't Sally wrestling with the law boards. It was Us agin Them.
Which was a Whole Nuther Thing. No society or species had ever tried it.
Problems arose. Fact is, men are hard to compete with. Physically, they are taller, heavier, much stronger, more durable and more enduring. Except for nymphet gymnastics, there may be no sport in which women hold the record. Intellectually men have a large advantage mathematically and a slight one verbally at the high end, that becomes rapidly greater as one moves to the right of the mean; This is the Glass Ceiling. Men are more aggressive, exploratory, adventurous, and versatile. Sorry, but there it is.
Women moved up some, and some moved up a lot, but they didn't catch up numerically with men. It was because they couldn't, and that's a pretty good reason. And when you got down to it, women just didn't care enough. They had other things on their minds, like families and rugrats.
They didn't quite understand this. Nobody did. All women wanted, they said early on, was to be judged by the same standards as men. It was a bad idea. If I judge Cup Cake as a woman, I note that she is sleek, smart, funny, graceful, sweet as sorghum on a Moon Pie, and dances like a dream raised in Arkansas. I'm smitten.
If I judge her as I judge men, she's an emotionally unstable dwarf. How much respect am I supposed to have for a 5'3" guy who bench presses a twenty-ounce Pepsi?
Antagonism inevitably ensued. Men said that the ladies didn't want to be women, and couldn't be men. Why, they asked each other, did a first-rate woman want to be a second-rate man? The women said men were bigoted. Men said they were just observant. Women, who had always regarded men as commitment objects and pre-med objects, became enraged that men regarded them as sex objects. Men were puzzled. They didn't know what else to regard as sex objects.
I was confused myself. I remember a woman screaming at me, "Women don't want to be objects!" Trying to be conciliatory, I said, "OK, you can be subjects." That didn't suit her either.
They don't know what they want. And that's the problem.
They got angry and developed chips on their shoulder pads. War ensued, in which women raged and men didn't know what the hell was going on. When natural ability failed, women discovered, politics would serve. And so we got affirmative action, which means, "pretending."
Depending on the venue, the women needed very little or lots of pretending. The military was worst. It pretended either that women could climb obstacles, or that wars didn't involve obstacles. Soon soldiers discovered that most women couldn't throw a grenade beyond its bursting radius. This will make you unpopular on battlefields. Besides, a woman throwing a grenade looked like a sea lion waving its flipper. So the Army built a little wall for them to drop grenades over.
It was ridiculous. It is ridiculous. Affirmative action always is. Nobody is fooled. Still, it spread like peanut butter on a hot day. For those women who didn't like men anyway, it was sweet revenge. Except--it wasn't quite. The men knew, and the women knew they knew. On the other hand, the checks cashed.
Intuitively women knew they had to push for unisex. To compete with men, women had to act like men, who are competitive, and get men to behave like women, who aren't. They bought ugly sexless suits, did boring things with their hair, and practiced being disagreeable, often succeeding wildly. Meanwhile the media, fronting for them, went in for pretty male models who waxed their chests and weren't threatening. The compassionate man emerged like a grub from a log.
The women won. Marlboro Man, or anybody too clearly of one sex or the other, is out of style. Both the New-Age woman, and her docile man-surrogate, would be intimidated, and ol' Marlboro would have trouble knowing which was the girl. God it's boring.

Es gibt wenig Möglichkeiten eine Sache richtig zu machen, aber viele Möglichkeiten, eine Sache falsch zu machen. Wie der Autor darlegt: beurteilt man eine Frau wie einen Mann, dann ist Sie ein emotional instabiler, schwächlicher Zwerg. Es gibt auf dieser Welt keine Kultur, bei der die Frauen groß, kräftig und behaart, die Männer jedoch kleiner, zarter und häuslicher sind. - Warum wohl? - WEIL ES NICHT FUNKTIONIERT!
Das grandiose Scheitern des Sozialismus hält die Menschen nicht davon ab, immer und immer wieder, dieser Chimäre nachzulaufen, mit den bekannten Folgen.
Wenn sich der männliche und der weibliche Phänotyp so unterscheiden, wie sie es denn tun, so gibt es dafür Gründe. Wir sind die Kinder der Überlebenden, die Kinder derer, die den evolutionären Prozess überlebt haben. Die Merkmale, welche wir tragen, sind tausendfach getestet und geprüft. Kann es sein, dass es uns nicht gegeben ist, den neuen Menschen zu züchten, sondern dass nur das Leben selbst, die Kreaturen formt, welche dann überleben.
Die Frau der Zukunft wird in jedem Falle kleiner, dicker und unintellektueller sein.
Man muss nur nachprüfen, welcher Typ Frau drei und mehr Kinder bekommt.
Survival of the fittest heißt, überleben dessen, der überlebt und Nachkommen hat, die auch überleben.