Sonntag, 29. April 2007

FAZ Freitag 27. April 2007, Nr. 98 / Seite 15


135 000 Mädchen erkunden die Berufswelt
Personalverantwortliche warnen vor einer Benachteiligung der Jungen


hap. FRANKFURT, 26. April. Am Donnerstag haben nach ersten Schätzungen rund 135 000 Mädchen in Unternehmen, Hochschulen und Forschungszentren hinein geschnuppert. Am Girls' Day öffneten rund 8000 Betriebe ihre Türen für Schülerinnen der Klassen 5 bis 10, damit diese einen Einblick in die Praxis verschiedener Bereiche der Arbeitswelt - vor allem in die technischer und naturwissenschaftlicher Berufe - gewinnen und Kontakte herstellen konnten.


„Die junge Frauengeneration in Deutschland verfügt über eine besonders gute Schulbildung. Dennoch entscheiden sich Mädchen noch immer überproportional häufig für typisch weibliche Berufsfelder oder Studienfächer. Damit schöpfen sie ihre Berufsmöglichkeiten nicht voll aus; den Betrieben aber fehlt gerade in technischen und techniknahen Bereichen zunehmend qualifizierter Nachwuchs", begründen die den „Mädchen-Zukunftstag" fördernden Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) und für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) die Notwendigkeit der Veranstaltung.


„Das große Interesse zeigt, dass sich der Girls' Day zu einem unverzichtbaren Baustein im Berufsfindungsprozess von Mädchen entwickelt hat", stellt Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt fest.


Einen Boys' Day aber gibt es in dieser Form, obgleich die Schulen natürlich per Praktika auch Jungs in Betriebe schicken, nicht. Das treibt einige Personalverantwortliche in Unternehmen um, die eine solche Aktion grundsätzlich gut finden, aber eine Benachteiligung der Jungen wittern.

Auch diesen steht offiziell der Girls' Day offen, sie nutzen ihn in der Regel aber nicht, weil sie sich sagen: „Ich bin doch kein Mädchen" , wie ein Personalchef berichtet. Dabei brauchten im Zweifel eher Jungen in der Altersklasse von 16 bis 19 Jahren Starthilfe in das Berufsleben. „Bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz sind Mädchen in der Regel klarer strukturiert, treten ordentlicher auf, sind sprachlich besser. Das liegt nicht daran, dass Jungs dümmer wären. Aber sie präsentieren sich schlechter, gehen relativ unbedarft in Bewerbungsgespräche, haben eher Fußball als eine Lehre im Kopf", sagt der Personalverantwortliche eines mittelständischen Betriebes in Frankfurt. Er habe den Eindruck, die stets wiederholte Botschaft, Mädchen würden benachteiligt, strahle inzwischen bis in die Schulen ab und kehre sich dort ins Gegenteil. Mädchen würden von der Schule bis zur ersten Anstellung langsam, aber sicher bevorzugt. „Für anspruchsvolle kaufmännische Berufe haben die Mädchen inzwischen sogar klar bessere Start Voraussetzungen. Die Jungen geraten ins Hintertreffen."

Dieses Gefühl teilt auch Ulf Mindermann, Leiter der Personalentwicklung des Oldenburger Energiedienstleisters RWE, der sich am Girls' Day beteiligt hat. „Ich würde in der Heranführung an das Berufsleben nicht zwischen Jungen und Mädchen differenzieren", sagt Mindermann. Seine Erfahrungen aus Branchen wie Bank, Dienstleistung, Logistik und Energie zeigten, dass Differenzierungen zwischen Jungen und Mädchen nicht mehr gerechtfertigt seien.

Das sehen die Berliner Verantwortlichen offenbar (noch) anders, und gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstößt der Girls' Day ihrer Meinung nach auch nicht: „In Umsetzung entsprechender Vorgaben der EU-Gleichbeh andlungsrichtlinien bestimmt Paragraph 5 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dass eine unterschiedliche Behandlung von bestimmten Personen und Personengruppen zulässig ist, wenn durch die Maßnahme bestehende Nachteile tatsächlicher oder struktureller Art für die besonders geschützten Personen ausgeglichen werden sollen. Danach sind Fördermaßnahmen für Mädchen und Frauen in den Bereichen zulässig, in denen sie tatsächlich oder strukturell benachteiligt sind. Mädchen sind in Teilbereichen der Berufsausbildung strukturell benachteiligt. Maßnahmen wie der Girls' Day sind verhältnismäßig und geeignet, diesen strukturellen Benachteiligungen entgegenzuwirken", teilt die Antidiskriminierungsstelle des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit.


Donnerstag, 26. April 2007

Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten

Ein Grund dafür, dass im Durchschnitt Männer mehr verdienen als Frauen beruht darauf, dass Männer die anstrengenderen und gefährlicheren Arbeiten ausführen. Ob das mit diesen Tätigkeiten verbundene Risiko angemessen entlohnt wird bezweifle ich sehr, d.h. Männer sind dreifach diskriminiert:


  1. Sie riskieren Gesundheit und Leben um Geld zu verdienen.
  2. Die Bezahlung ist dem Risiko nicht angemessen, man denke an Waldarbeiter.
  3. Das Geld wird überwiegend von den Frauen der Arbeiter ausgegeben.

Zu Punkt 3 folgendes Zitat:

Es geht nicht um Burger-King-Reklame im Frauenkorsett oder um Frauenprodukte wie Tampons, Lippenstifte, Haarspray. Es geht um Wesentliches: Von der Gesamtkaufkraft einer Bevölkerung werden Kaufentscheidungen zu 79,2% von Frauen bestimmt.

Das lassen Sie sich mal auf der Zunge zergehen.

Diese Zahl gilt übrigens nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Und es geht um eine erstaunliche Vielzahl Unternehmen, die diese Kaufkraft weder in ihrem Marketing, noch in ihrer Unternehmenspolitik berücksichtigen. Nach mühsamen Recherchen äußere ich dies zweifelsfrei.
Wir Frauen sind wirtschaftlich mächtig und merken es gar nicht. Halten uns auf mit bitterem Kampf um Durchsetzung gleicher Chancen, Gehälter und mehr Haushaltsbeteiligung unserer Partner. Männer brauchen Zahlen, Daten, Fakten, um als Entscheider wirkungsvollere Maßnahmen zu ergreifen, ihre Produkte und Leistungen an die Frau zu bringen.

Qui habet aures audiendi audiat

Auszüge aus:


Arbeitsunfälle

Die Anzahl der gemeldeten Arbeitsunfälle sinkt bereits seit mehreren Jahren. Über den Zeitraum von 1992 bis 2003 verringerten sich die Arbeitsunfälle um ca. 45 % (vgl. Abbildung 3). Aufgrund der relativ konstanten Vollarbeiterzahlen überträgt sich dieser Rückgang auch auf die Arbeitsunfallquoten (vgl. Abbildung 4). Der Rückgang bei den Arbeitsunfällen spiegelt sich in den Statistiken der drei Spitzenverbände jedoch auf einem unterschiedlichen Niveau wider.

So zeigen sich gerade bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften deutliche Rückläufe. Werden die gewerblichen Berufsgenossenschaften nach Wirtschaftszweigen diferenziert, so zeigt sich, dass in Wirtschaftzweigen mit hohem Ausgangsniveau (Bau, Holz, Steine und Erden, Metall, Bergbau) aber auch in der Papier- und Druckindustrie, der chemischen Industrie sowie im Gesundheitswesen der Rückgang deutlicher ist (jeweils um mehr als 40 %, vgl. Abbildung 5).
Schwere Unfälle nahmen ebenfalls ab, was sich auch in den Daten zu den Arbeitsunfallrenten widerspiegelt. Waren 1992 noch ca. 46.000 Arbeitsunfälle so schwer, dass sie eine Rente zur Folge hatten, so waren es 2003 nur noch rund 27.000 (vgl. Abbildung 3). 1992 entfelen auf 1.000 Vollarbeiter 1,2 Arbeitsunfallrenten. Diese Quote stieg bis zum Jahr 1994 auf 1,3 leicht an und fällt seitdem stetig ab. Im Jahr 2003 waren es nur noch 0,7 Arbeitsunfallrenten je 1.000 Vollarbeiter (vgl. Abbildung 4).
Besonders häufg kam es im Bergbau (1992: 5,0 und 2003: 3,0 Arbeitsunfallrenten je 1.000 Vollarbeiter), in der Landwirtschaft (1992: 4,4 und 2003: 2,6) und in der Bauwirtschaft (1992: 2,4 und 2003: 2,0) zu Arbeitsunfällen, die eine Rente zur Folge hatten. Betrachtet man das Verhältnis arbeitsunfallbedingte Rente zu Arbeitsunfall, so zeigt sich bis 1996 ein Anstieg (1992: ca. 2,2, 1996: 2,8 Renten je 100 Unfälle). Dieser ging bis zum Jahr 2000 auf den Wert 2,0 zurück. Bis 2003 ist mit 2,3 Arbeitsunfallrenten auf 100 Arbeitsunfälle wieder ein Anstieg zu verzeichnen. Der erneute Anstieg lässt sich durch einen stärkeren Rückgang der Zahl der Arbeitsunfälle erklären. So gingen die Arbeitsunfälle im Zeitraum 2000 bis 2003 um 24 % zurück, die Arbeitsunfallrenten hingegen nur um 13 %.
Während 1993 noch 1.867 Beschäftigte (0,05 je 1.000 Vollarbeiter) aufgrund eines Arbeitsunfalls starben, waren es 2003 nur noch 1.029 (0,03 je 1.000 Vollarbeiter). Die höchsten Raten (Tödliche Arbeitsunfälle je 1.000 Vollarbeiter) liegen 2003 in den Wirtschaftzweigen Verkehr, Landwirtschaft, Steine und Erden und Bau.
Ursachen und Unfallhergänge der Arbeitsunfälle sind stark von der Branchenzugehörigkeit abhängig. Es gibt jedoch auch Unfallschwerpunkte, die branchenübergreifend beobachtet werden; dies betrift z. B. Stolper-, Rutsch- und Sturzunfälle. Eine branchendiferenzierte Betrachtung kann im Rahmen dieses Themenheftes nicht dargestellt
werden. Bei den einzelnen Unfallversicherungsträgern werden 6,6 % aller Unfallmeldungen elektronisch gespeichert und stehen für detaillierte Hochrechnungen zur Verfügung. Damit können folgende Merkmale analysiert werden:
Geschlecht und Alter des Verletzten,
der Unfallort (Arbeitsbereich),
die Unfallzeit (Monat, Tag, Stunde),
der unfallauslösende Gegenstand (z. B. Werkzeug oder Treppen usw.) und dessen Bewegung (z. B. in Ruhe, funktionsgerechte oder nicht funktionsgerechte Bewegung),
der Beruf, die zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Tätigkeit (z. B. Gehen, Laufen oder Heben und Tragen) und der Bewegungszustand (Umknicken, Stolpern, Hineintreten) des Verletzten sowie
die Art der Verletzung und der verletzte Körperteil.
Eine umfassende Darstellung auf Basis dieser Daten fndet sich z. B. in den jährlichen Ver-öfentlichungen der gewerblichen Berufsgenossenschaften [3].
Hochgerechnete Zahlen der gewerblichen Berufsgenossenschaften zeigten für das Jahr 2003, dass 79 % der Arbeitsunfälle, 83 % der Arbeitsunfallrenten und 92 % der tödlichen Arbeitsunfälle auf Männer entfielen.
Werden nur die Arbeitsunfälle bei betrieblicher Tätigkeit (d. h. kein Straßenverkehrsunfall und kein Arbeitsunfall auf Dienstwegen) betrachtet, so zeigen die Hochrechnungen der gewerblichen Berufsgenossenschaften [3], dass im Jahr 2003 ca. 80 % dieser Arbeitsunfälle auf Männer und 20 % auf Frauen entfelen. Im Jahr 1992 betrug der Frauenanteil noch 16,8 %. Dieser Anteil ging zunächst leicht zurück und stieg in den Jahren 1997 bis 2003 von 16,3 % auf 20 % an. Die Abnahme der Arbeitsunfälle betrug zwischen 1997 und 2003 bei den Männern 33 % und bei den Frauen 13 %. Hinsichtlich der Arbeitsunfallrenten (nur Arbeitsunfälle bei betrieblicher Tätigkeit) der gewerblichen Berufsgenossenschaften zeigt sich ein ähnliches Bild. Seit 1998 steigt hier der Anteil der Frauen leicht an. 1992 betrug der Anteil 15,8 %, ging bis 1998 auf 14,2 % zurück und liegt im Jahr 2003 bei 16,2 %. Auch hier gehen die Unfälle der Männer deutlicher zurück als bei den Frauen. Die Abnahme von 1998 nach 2003 beträgt bei den Männern 26 % und bei den Frauen 13%.
Der Anteil der Frauen an den bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften gemeldeten tödlichen Arbeitsunfällen bei betrieblicher Tätigkeit betrug im Jahr 2003 6,7 % (32 Arbeitsunfälle) und war damit etwas höher als 1992 (5,3 %). Aufgrund der geringen Fallzahlen sollten die Schwankungen hier nur mit Vorsicht interpretiert werden. Diese Angaben können nur bedingt über die Risiken der beiden Geschlechter Auskunft geben, da sie die unterschiedliche Verteilung der Geschlechter auf Branchen mit hohen bzw. niedrigen Unfallrisiken nicht beachten und sie sich zudem von Branche zu Branche unterscheiden. In der Landwirtschaft beispielsweise betrug 2003 der Anteil der Frauen an den Arbeitsunfallrenten 28,6 % und an den tödlichen Arbeitsunfällen 10,1 %. Aufgrund der verfügbaren Informationen kann jedoch von einem deutlich höheren Risiko der männlichen Beschäftigten ausgegangen werden. So arbeiten Männer gerade in Branchen mit hohen Arbeitsunfallrisiken deutlich häufger als Frauen (z. B. Bauwirtschaft, Forstwirtschaft).
Jüngere Beschäftigte sind, wohl aufgrund ihrer geringeren Erfahrungen, häufger von Arbeitsunfällen betrofen als ältere Beschäftigte, die weniger, jedoch oft schwerwiegendere Unfälle haben. Beispielhaft ist dies in Abbildung 6 für das Jahr 2003 für die gewerblichen Berufsgenossenschaften dargestellt (die Altersverteilung im zugrunde liegenden Kollektiv wurde mittels Angaben zur Verteilung der Erwerbstätigen in Deutschland geschätzt [1]).
Wegeunfälle
Bei den Wegeunfällen zeigt sich ebenfalls ein leicht abnehmender Trend. So nahmen die Wegeunfälle im betrachteten Zeitraum 1992 bis 2003 um ca. 23 % ab (vgl. Abbildung 7). Die Wegeunfallquoten, die stark von den Entfernungen zwischen Wohn-und Arbeitsort abhängen, schwanken im Vergleich zu den Arbeitsunfallquoten deutlich weniger (vgl.
Abbildung 8). Relativ hohe Wegeunfallquoten werden von den Unfallversicherungsträgern des öfentlichen Dienstes gemeldet (ca. 8 Fälle auf 1.000 Versicherungsverhältnisse). Selbst wenn die gewerblichen Berufsgenossenschaften diferen-zierter betrachtet werden, werden solche hohen Werte nicht erreicht. Bei den Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften kommt auf 1.000 Versicherungsverhältnisse ca. 1 Wegeunfall.
Auch wenn Wegeunfälle nicht so häufg wie Arbeitsunfälle vorkommen, haben sie, aufgrund ihrer oft schweren Folgen, einen hohen Stellenwert. So wurden 1992 262.196 Wegeunfälle gemeldet und 10.515 Wegeunfallrenten zuerkannt. Bis zum Jahr 2003 reduzierte sich die Anzahl der Meldungen auf 202.745 und die Anzahl der Renten auf 7.888. Annähernd entfielen 1992 (2003) somit 4,0 (3,9) Renten auf 100 Wegeunfälle. Das Verhältnis von bewilligten Renten zu Meldungen im Jahr dient als Indikator für die Schwere des Unfalls und liegt deutlich höher als bei den Arbeitsunfällen. Auch anhand der Anzahl der tödlichen Wegeunfälle wird die Schwere der Wegeunfälle erkennbar. So starben 956 Personen im Jahr 1994 und 695 Personen im Jahr 2003 in Folge eines Wegeunfalls. Bezogen auf die gemeldeten Wegeunfälle entfallen somit 0,38 (1994) bzw. 0,34 (2003) tödliche Wegeunfälle auf 100 Wegeunfälle. Im Vergleich dazu lag der Anteil tödlicher Arbeitsunfälle mit 0,09% in den Jahren 1994 und 2003 erheblich niedriger.
Geschlechtsspezifsche Unterschiede werden in Abbildung 9 aufgezeigt, dabei ist ebenfalls ein Vergleich zwischen Arbeits- und Wegeunfällen möglich. Abbildung 10 verdeutlicht das Ereignis Wegeunfall in Abhängigkeit vom Alter für das Jahr 2003.
Hierbei ergibt sich ein etwas anderes Bild als bei den Arbeitsunfällen (siehe Abb. 6). Besonders häufg sind die tödlichen Wegeunfälle bei den Beschäftigten Anfang zwanzig und denen im Alter von Mitte vierzig (vgl. Abbildung 10).

Berufskrankheiten
Defnitionen und rechtliche Einordnung
Nach §9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten defniert als Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in die so genannte Berufskrankheitenliste aufgenommen hat. In die Liste der Berufskrankheiten (BK) dürfen nur Erkrankungen aufgenommen werden, die durch besondere Einwirkungen entstehen. Dies setzt den Nachweis voraus, dass bestimmte Personengruppen, durch ihre versicherte Tätigkeit, diesen Einwirkungen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. In Einzelfällen können nicht in der BK-Liste geführte Krankheiten aufgrund von §9 Abs. 2 SGB VII anerkannt werden, wenn neue, gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über einen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit vorliegen.
Die Anerkennung einer Berufskrankheit setzt voraus, dass zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung sowie zwischen der Einwirkung und der Erkrankung ein rechtlich wesentlicher ursächlicher Zusammenhang besteht. Die Erfüllung besonderer versicherungsrechtlicher Voraussetzungen ist bei bestimmten Erkrankungen eine weitere Voraussetzung für die Anerkennung als Berufskrankheit.
Zur Anzeige einer Berufskrankheit kann es durch Ärzte (Anzeigepficht nach §202 SGB VII), Unternehmer (Meldepficht nach §4 BKV), Versicherte, Krankenkassen und andere Stellen kommen. Danach prüft der Unfallversicherungsträger von Amts wegen, ob eine Berufskrankheit vorliegt. Die rechtlichen Grundlagen bilden hierfür der §19 SGB IV in Verbindung mit §20 SGB X und §17 SGB I.
Die Entwicklung der Berufskrankheiten kann nur durch absolute Häufgkeiten dargestellt werden, da nur bedingt Informationen über die Struktur der Versicherten und deren Belastungen vorliegen.

Eine Berechnung von Quoten wie z. B. bei den Arbeits- und Wegeunfällen ist nicht möglich. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Erkrankungen wegen meist langer Latenzzeiten (Zeitdauer von Beginn der gefährdenden Tätigkeit bis zum Auftreten der Erkrankung) oftmals die Gefährdungen vergangener Jahrzehnte widerspiegeln.

Dienstag, 24. April 2007

Macht heiraten glücklich?

Macht heiraten glücklich oder heiraten Glückliche?

Marrige and the Limits of Contract

FEATURES:
Marriage and the Limits of Contract

By Jennifer Roback Morse

A libertarian case



Marriage is a naturally occurring, pre-political institution that emerges spontaneously from society. Western society is drifting toward a redefinition of marriage as a bundle of legally defined benefits bestowed by the state. As a libertarian, I find this trend regrettable. The organic view of marriage is more consistent with the libertarian vision of a society of free and responsible individuals, governed by a constitutionally limited state. The drive toward a legalistic view of marriage is part of the relentless march toward politicizing every aspect of society.

Although gay marriage is the current hot-button topic, it is a parenthetical issue. The more basic question is the meaning of love, marriage, sexuality, and family in a free society. I define marriage as a society’s normative institution for both sexual activity and the rearing of children. The modern alternative idea is that society does not need such an institution: No particular arrangement should be legally or culturally privileged as the ideal context for sex or childbearing.
The current drive for creating gay unions that are the legal equivalent of marriage is part of this ongoing process of dethroning marriage from its pride of place. Only a few self-styled conservative advocates of gay marriage, such as Andrew Sullivan and Jonathan Rauch, seem to understand and respect the social function of marriage. Marriage as an institution necessarily excludes some kinds of behavior and endorses other kinds of behavior. This is why the conservative case for gay marriage is so remarkable: It flies in the face of the cultural stampede toward social acceptance of any and all sexual and childbearing arrangements, the very stampede that has fueled so much of the movement for gay marriage.
This article is not primarily about gay marriage. It isn’t even about why some forms of straight marriage are superior to others. Rather, the purpose of this article is to explain why a society, especially a free society, needs the social institution of marriage in the first place. I want to argue that society can and must discriminate among various arrangements for childbearing and sexual activity.
The contrary idea has a libertarian justification in the background: Marriage is a contract among mutually consenting adults. For instance, libertarian law professor Richard Epstein penned an article last year called “Live and Let Live” in the Wall Street Journal (July 13, 2004). In it, he treated marriage as a combination of a free association of consenting individuals and an institution licensed by the state.
But the influence of the libertarian rationale goes far beyond the membership of the Libertarian Party or the donor list of the Cato Institute. The editors of the Nation, for instance, support gay marriage but do not usually defend the sanctity of contracts. This apparent paradox evaporates when we realize that the dissolution of marriage breaks the family into successively smaller units that are less able to sustain themselves without state assistance.
Marriage deserves the same respect and attention from libertarians that they routinely give the market. Although I believe life-long monogamy can be defended against alternatives such as polygamy, it is beyond the scope of a single article to do so. My central argument is that a society will be able to govern itself with a smaller, less intrusive government if that society supports organic marriage rather than the legalistic understanding of marriage.

A natural institution

Libertarians have every reason to respect marriage as a social institution. Marriage is an organic institution that emerges spontaneously from society. People of the opposite sex are naturally attracted to one another, couple with each other, co-create children, and raise those children. The little society of the family replenishes and sustains itself. Humanity’s natural sociability expresses itself most vibrantly within the family. A minimum-government libertarian can view this self-sustaining system with unadulterated awe.
Government does not create marriage any more than government creates jobs. Just as people have a natural “propensity to truck, barter and exchange one thing for another,” in Adam Smith’s famous words from the second chapter of The Wealth of Nations, we likewise have a natural propensity to couple, procreate, and rear children. People instinctively create marriage, both as couples and as a culture, without any support from the government whatsoever.
The sexual urge is an engine of human sociability. Our desire for sexual satisfaction draws us out of our natural self-centeredness and into connection with other people. Just as the desire to make money induces business owners to try to please their customers, so too, the desire to copulate induces men to try to please women, and women to try to attract men. The attachment of mothers to their babies and women to their sex partners tends to keep this little society together. The man’s possessiveness of his sexual turf and of his offspring offsets his natural tendency toward promiscuity. These desires and attachments emerge naturally from the very biology of sexual complementarity with no assistance from the state.
But this is not the only sense in which the institution of marriage arises spontaneously. In every known society, communities around the couple develop customs and norms that define the parameters of socially acceptable sexual, spousal and parental behavior. This culture around marriage may have some governmental elements. But that cultural machinery is more informal than legal by far and is based more on kinship than on law. We do things this way because our parents did things this way. Our friends and neighbors look at us funny if we go too far outside the norm.
The new idea about marriage claims that no structure should be privileged over any other. The supposedly libertarian subtext of this idea is that people should be as free as possible to make their personal choices. But the very nonlibertarian consequence of this new idea is that it creates a culture that obliterates the informal methods of enforcement. Parents can’t raise their eyebrows and expect children to conform to the socially accepted norms of behavior, because there are no socially accepted norms of behavior. Raised eyebrows and dirty looks no longer operate as sanctions on behavior slightly or even grossly outside the norm. The modern culture of sexual and parental tolerance ruthlessly enforces a code of silence, banishing anything remotely critical of personal choice. A parent, or even a peer, who tries to tell a young person that he or she is about to do something incredibly stupid runs into the brick wall of the non-judgmental social norm.

State impartiality in a free society

The spontaneous emergence of marriage does not imply that any laws the state happens to pass will work out just fine. And it certainly does not follow that any cultural institutions surrounding sexual behavior, permanence of relationships, and the rearing of children will work out just fine. The state may still need to protect, encourage or support permanence in procreational couplings just as the state may need to protect the sanctity of contracts.
No libertarian would claim that the presumption of economic laissez-faire means that the government can ignore people who violate the norms of property rights, contracts, and fair exchange. Apart from the occasional anarcho-capitalist, all libertarians agree that enforcing these rules is one of the most basic functions of government. With these standards for economic behavior in place, individuals can create wealth and pursue their own interests with little or no additional assistance from the state. Likewise, formal and informal standards and sanctions create the context in which couples can create marriage with minimal assistance from the state.
Nor would a libertarian claim that people should be indifferent about whether they are living in a centrally planned economy or a market-ordered economy. No one disputes the free speech rights of socialists to distribute the Daily Worker. It does not follow that impartiality requires the economy to reflect socialism and capitalism equally. It simply can’t be done. An economy built on the ideas in The Communist Manifesto will necessarily look quite different from an economy built on the ideas in The Wealth of Nations. The debate between socialism and capitalism is not a debate over how to accommodate different opinions, but over how the economy actually works. Everything from the law of contracts to antitrust law to commercial law will be a reflection of some basic understanding of how the economy works in fact. Somebody in this debate is correct, and somebody is mistaken. We can figure out which view is more nearly correct by comparing the prosperity of societies that have implemented capitalist principles with the prosperity of those that have implemented socialist principles.
There are analogous truths about human sexuality. I claim the sexual urge is a natural engine of sociability, which solidifies the relationship between spouses and brings children into being. Others claim that human sexuality is a private recreational good, with neither moral nor social significance. I claim that the hormone oxytocin floods a woman’s body during sex and tends to attach her to her sex partner, quite apart from her wishes or our cultural norms. Others claim that women and men alike can engage in uncommitted sex with no ill effects. I claim that children have the best life chances when they are raised by married, biological parents. Others believe children are so adaptable that having unmarried parents presents no significant problems. Some libertarians seem to believe that marriage is a special case of free association of individuals. I say the details of this particular form of free association are so distinctive as to make marriage a unique social institution that deserves to be defended on its own terms and not as a special case of something else.
One side in this dispute is mistaken. There is enormous room for debate, but there ultimately is no room for compromise. The legal institutions, social expectations and cultural norms will all reflect some view or other about the meaning of human sexuality. We will be happier if we try to discover the truth and accommodate ourselves to it, rather than try to recreate the world according to our wishes.

Which freedom?

Distinguishing between competing understandings of “natural freedom” will clear up one source of confusion in this debate. Jean-Jacques Rousseau presents a view of natural freedom quite different from the modern economic libertarian understanding. In Part I of A Discourse on Inequality Rousseau describes sexual pairing in the state of nature:
As males and females united fortuitously according to encounters, opportunities and desires, they required no speech to express the things they had to say to each other, and they separated with the same ease. The mother nursed her children at first to satisfy her own needs, then when habit had made them dear to her, she fed them to satisfy their needs; as soon as they had the strength to find their own food, they did not hesitate to leave their mother herself; and as there was virtually no way of finding one another again once they had lost sight of each other, they were soon at the stage of not even recognizing one another.
Rousseau could be describing the modern hook-up culture, down to and including the reluctance of hook-up partners to even talk to each other. He seems to define “natural” as acting on impulse and “freedom” as being unencumbered by law, social convention or even attachment to other people.
Libertarians cannot accept these definitions. Being free does not demand that everyone act impulsively rather than deliberately. Libertarian freedom is the modest demand to be left alone by the coercive apparatus of the government. Economic liberty, and libertarian freedom more broadly, is certainly consistent with living with a great many informal social and cultural constraints.
Rousseau specifically depicted a state of nature that is not only pre-political, but nonsocial. Whether he intended this as a description of some long-lost, pre-social time, or as a goal to which the good society should aspire, his version of the state of nature is surely unnatural in this sense: A widespread nonsystem of impersonal sexual couplings has never occurred in any known society. In no known society have the ruling authorities, whether governmental or informal, been completely indifferent to the forms sexual couplings take, or the context in which sexual activity takes place. Nor has any belief system, whether religious or philosophical, ever claimed that sexual activity is intrinsically meaningless, having only the meaning individuals privately assign to it.
Until now.
We now live in an intellectual, social, and legal environment in which the laissez-faire idea has been mechanically applied to sexual conduct and married life. But Rousseau-style state-of-nature couplings are inconsistent with a libertarian society of minimal government. In real, actually occurring societies, noncommittal sexual activity results in mothers and children who require massive expenditures and interventions by a powerful government.
Let me construct a hypothetical family to illustrate what I mean. In contrast to Rousseau’s mythical state of nature, my hypothetical family occurs all too frequently in real-life modern Western democracies.


A man and woman have a child. The mother and father have no permanent relationship to each other and no desire to form one. When the relationship ceases to function to their satisfaction, it dissolves. The mother sues the father for child support.
The couple argues through the court system over how much he should pay. The woman wants him to pay more than he wants to pay. The court ultimately orders him to pay a particular amount. He insists on continuing visitation rights with his child. She resists. They argue in court and finally settle on a periodic visitation schedule to which he is entitled.
The agreement works smoothly at first. Then the parents quarrel. At visitation time, the mother is not home. He calls and leaves a nasty message on the answering machine. They quarrel some more. She says his behavior is not appropriate. He smokes too much and overindulges the child in sweets. She says the child, who is now a toddler, is impossible to deal with after visits. He quits paying child support. The court garnishes his wages to force him to pay. He goes to court to try to get his visitation agreement honored. The court appoints a mediator to help the couple work out a solution. The mother announces that she plans to move out of state. He goes to court and gets a temporary order to restrain her from moving. She invents a charge of child abuse and gets a restraining order forbidding him from seeing the child.
Say what you like about this sort of case. You may think this is the best mere mortals can do. You may think this contentiousness is the necessary price people pay for their adult independence. You may blame the mother or the father or both. Or perhaps you think this is a nightmare for both adults as well as for children. But on one point we can all agree: This is not a libertarian society.
Some libertarians might focus on the specific activities of the family court, regarding them as grotesque infringements of both parties’ privacy. Agents of the government actively inquire into, pass judgments upon and intervene in the most intimate details of this couple’s life. Or we might view the entire existence of the court system as an outrageous subsidy to this couple, paid by the rest of society. When the woman asks for the state’s help in collecting child support, the state provides this service at no charge to her. When she makes a charge of child abuse, the state keeps the man away from her and her child. If the charge is proven to be unfounded or frivolous, the state does not require her to pay compensation for its expenses or the man for his losses.
This is not the posture of a night watchman state.
The state solicitude for the mother and her child is a direct result of father absence. Without a father’s assistance, this woman and her child are more likely to become dependents of the state. The state believes, quite reasonably, that it is more cost-effective to help the mother extract assistance from the father than to provide taxpayer-funded financial assistance. Aggressive programs for tracking down “dead-beat dads” become a substitute for providing direct payments through the welfare system as conventionally understood.
A radical individualist might argue that the state should allow this couple to sink or swim on its own. If the man abandons her, tough luck for her and her child. If she kicks the man out, for good reason or no reason, tough luck for him. The social order simply cannot afford to indulge people who can’t get along with their closest and most intimate family members. If the state would get out of the family business or charge people the full cost for the use of its services, fewer people would get into these contentious situations. People would be more careful in forming their intimate childbearing unions.
But our current ideological environment makes this position impossible, however much it might appeal to the radical individualist. The political pressures for the state to intervene on behalf of the unmarried mother are simply overwhelming. The welfare state is so entrenched that singling out unmarried mothers at this late date is not plausible. Given that reality, it is not realistic to expect the state to cease and desist from all the activities of the family court, no matter how intrusive or highly subsidized they may be.
Nor does the sense of financial entitlement exhaust the entitlement mentality. Unlimited sexual activity is now considered an entitlement. Marriage is no longer the only socially acceptable outlet for sexual activity or for the rearing of children. It is now considered an unacceptable infringement on the modern person’s liberty to insist that the necessary context of sexual activity is marriage with rights and responsibilities, both implicit and explicit. It is equally unacceptable to argue that having children outside of marriage is irresponsible. Women are entitled to have as many children as they choose in any context they choose. In this sense, children have become a kind of consumer good. Choosing to have a child is a necessary and sufficient condition for being entitled to have one. Given this social and cultural environment, it is completely unrealistic to think that we can muster the political will to deprive unmarried parents of the use of the courts to prosecute their claims against one another.
Contrast this scenario with intact married couples. Not deliriously happy married couples with stars in their eyes at all times. Just ordinary, everyday, run-of-the mill married couples.
No one from the state forces them to pool their incomes, if they both work. If they have the traditional gender-based division of household labor, no one forces the husband to hand over his paycheck to his wife to run the household. No one makes the wife allow him to take the kids out for the afternoon. No one has to come and supervise their negotiations over how to discipline the children. When he’s too tough, she might chew him out privately or kick him under the table. When she lets them off the hook too easily, he might have some private signal for her to leave so he can do what needs to be done.
The typical married couple has regular disagreements over money, child-rearing, the allocation of household chores, how to spend leisure time and a hundred other things. Every once in a while, even a stable married couple will have a knock-down, drag-out, (usually) private quarrel. But they resolve their disagreements, large and small, perhaps a dozen a day, completely on their own with neither supervision nor subsidy from any court.

What’s natural

A skeptic might respond to my example of the dysfunctional noncouple by saying that their actions arise naturally from the society. Their spontaneous actions are entitled to the same libertarian endorsement as those of a married couple.
A sophisticated analogy with the market must go beyond a ritual incantation of “leave us alone.” Adam Smith recognized in the tenth chapter of The Wealth of Nations that “people of the same trade seldom meet together, even for merriment and diversion, but the conversation ends in a conspiracy against the public, or in some contrivance to raise prices.” Smith understood that the “natural” tendency to cheat the public must be checked by legal and social norms. The law must prohibit some economic behavior. Equally important, the culture as a whole must socialize people into accepting self-imposed limits on their self-interested behavior. The need for laws and socialization did not lead Adam Smith to conclude that the market is a mere social construct that can be carelessly discarded.
Likewise, the observation that men and women alike sometimes fail to live up to the ideal of lifelong married love does not prove that marriage is unnatural. We must ask ourselves the question about the family that Adam Smith taught us to ask about business: How can we direct natural human motivations into socially constructive channels? The answer is to create a cultural and legal order that supports and sustains lifelong married love as the normative institution in which to beget, bear, and rear children. Random sexual encounters, dissolved at will, are not socially responsible when children are involved.
When Adam Smith’s modern follower Friedrich Hayek championed the concept of spontaneous order, he helped people see that explicitly planned orders do not exhaust the types of social orders that emerge from purposeful human behavior. The opposite of a centrally planned economy is not completely unplanned chaos, but rather a spontaneous order that emerges from thousands of private plans interacting with each according to a set of reasonably transparent legal rules and social norms.
Likewise, the opposite of government controlling every detail of every single family’s life is not a world in which everyone acts according to emotional impulses. The opposite is an order made up of thousands of people controlling themselves for the greater good of the little society of their family and the wider society at large.

Social costs of private conflicts

Whether a couple loses the ability to negotiate, or whether they never had it in the first place, the dissolution of their union has significant spillover effects. The instability in their relationship is likely to be detrimental to their children. The children of unmarried or divorced parents are more likely than other children to have emotional, behavioral and health problems. As these children become old enough to go to school, they absorb more educational resources than other children because the school has to deal with lowered school achievement, poor school attendance, and discipline problems. As these children mature, they are more likely to get into trouble with the law, commit crimes, abuse drugs, and end up in jail.
These costs are more than purely private costs to the mother and father. The costs of health care, schooling, and mental health care are not entirely private in this society, no matter how much libertarians might wish they were. In modern America, a child who cannot behave in school is a cost to the local school district as well as to all the other children in the classroom. A seriously depressed person or a drug-addicted person is likely to make demands on the public health sector. If the child ends up in the criminal justice system, as the children of unmarried parents are significantly more likely to do, he or she will be a significant cost to the state.
The demand that the government be neutral among family forms is unreasonable. The reality is that married-couple families and childless people are providing subsidies to those parents who dissolve their marriages or who never form marriages. Libertarians recognize that a free market needs a culture of law-abidingness, promise-keeping, and respect for contracts. Similarly, a free society needs a culture that supports and sustains marriage as the normative institution for the begetting, bearing, and rearing of children. A culture full of people who violate their contracts at every possible opportunity cannot be held together by legal institutions, as the experience of post-communist Russia plainly shows. Likewise, a society full of people who treat sex as a purely recreational activity, a child as a consumer good and marriage as a glorified roommate relationship will not be able to resist the pressures for a vast social assistance state. The state will irresistibly be drawn into parental quarrels and into providing a variety of services for the well-being of the children.

The naked individual

The alternative to my view that marriage is a naturally occurring pre-political institution is that marriage is strictly a creation of the state. The Supreme Court of Massachusetts notoriously asserted this position. If this is true, then the state can recreate marriage in any form it chooses. Implicit in this view is the decidedly non-libertarian view that the state is the ultimate source of social order.
Listen to this self-described progressive bring the implicit connection between the expansive state and the deconstruction of marriage out of the shadows. Writing in the Nation in March 2004, New York University Queer Studies professor Lisa Duggan addressed the marriage promotion portion of welfare reform:
Women and children . . . (according to the welfare reform model) should depend on men for basic economic support, while women care for dependents — children, elderly parents, disabled family members, etc. Under such a model, married-couple households might “relieve” the state of the expense of helping to support single-parent households, and of the cost of a wide range of social services, from childcare and disability services to home nursing. Marriage thus becomes a privatization scheme: Individual married-couple households give women and children access to higher men’s wages, and also “privately” provide many services once offered through social welfare agencies. More specifically, the unpaid labor of married women fills the gap created by government service cuts.
This statement brings the statist worldview front and center. Under this vision, the most basic relationships are not between husband and wife, parent and child, but between citizens and state. The family is not the natural unit of society. The most basic unit of society is not even the libertarian individual, embedded within a complex web of family, business and social relationships. Rather, the natural unit of society is the naked individual, the isolated individual, standing alone before the state, beholden to the state, dependent upon the state.
The libertarian approach to caring for the dependent is usually described in terse form as “let families and private charity take care of it, and get the government out of the way.” This position is sometimes ridiculed as unrealistic or attacked as harsh. But the libertarian position, once fully fleshed out, is both humane and realistic.
The libertarian preference for nongovernmental provision of care for dependents is based upon the realization that people take better care of those they know and love than of complete strangers. It is no secret that people take better care of their own stuff than of other people’s. Economists conclude that private property will produce better results than collectivization schemes. But a libertarian preference for stable married-couple families is built upon more than a simple analogy with private property. The ordinary rhythm of the family creates a cycle of dependence and independence that any sensible social order ought to harness rather than resist.
We are all born as helpless infants, in need of constant care. But we are not born alone. If we are lucky enough to be born into a family that includes an adult married couple, they sustain us through our years of dependence. They do not get paid for the work they do: They do it because they love us. Their love for us keeps them motivated to carry on even when we are undeserving, ungrateful, snot-nosed brats. Their love for each other keeps them working together as a team with whatever division of labor works for them.
As we become old enough to be independent, we become attracted to other people. Our bodies practically scream at us to reproduce and do for our children what our parents did for us. In the meantime, our parents are growing older. When we are at the peak of our strength, stamina, and earning power, we make provision to help those who helped us in our youth.
But for this minimal government approach to work, there has to be a family in the first place. The family must sustain itself over the course of the life cycle of its members. If too many members spin off into complete isolation, if too many members are unwilling to cooperate with others, the family will not be able to support itself. A woman trying to raise children without their father is unlikely to contribute much to the care of her parents. In fact, unmarried parents are more likely to need help from their parents than to provide it.
In contrast to the libertarian approach, “progressives” view government provision of social services as the first resort, not the last. Describing marriage as a “privatization scheme” implies that the most desirable way to care for the dependent is for the state to provide care. An appreciation of voluntary cooperation between men and women, young and old, weak and strong, so natural to libertarians and economists, is completely absent from this statist worldview.
This is why it is no accident that the advocates of sexual laissez-faire are the most vociferous opponents of economic laissez-faire. Advocates of gay marriage are fond of pointing out that civil marriage confers more than 1,049 automatic federal and additional state protections, benefits and responsibilities, according to the federal government’s General Accounting Office. If these governmentally bestowed benefits and responsibilities are indeed the core of marriage, then this package should be equally available to all citizens. It follows that these benefits of marriage should be available to any grouping of individuals, of any size or combination of genders, of any degree of permanence.
But why should libertarians, of all people, accept the opening premise at face value? Marriage is the socially preferred institution for sexual activity and childrearing in every known human society. The modern claim that there need not be and should not be any social or legal preference among sexual or childrearing contexts is, by definition, the abolition of marriage as an institution. This will be a disaster for the cause of limited government. Disputes that could be settled by custom will have to be settled in court. Support that could be provided by a stable family must be provided by taxpayers. Standards of good conduct that could be enforced informally must be enforced by law.
Libertarians do not believe that what the government chooses to bestow or withhold is the essence of any social institution. When we hear students from Third World countries naively ask, “If the government doesn’t create jobs, how we will ever have any jobs?” we know how to respond. Just because the government employs people and gives away tax money does not mean it “created” those jobs. Likewise, the fact that the government gives away bundles of goodies to married couples does not prove that the government created marriage.

A free society needs marriage

The advocates of the deconstruction of marriage into a series of temporary couplings with unspecified numbers and genders of people have used the language of choice and individual rights to advance their cause. This rhetoric has a powerful hold over the American mind. It is doubtful that the deconstruction of the family could have proceeded as far as it has without the use of this language of personal freedom.
But this rhetoric is deceptive. It is simply not possible to have a minimum government in a society with no social or legal norms about family structure, sexual behavior, and childrearing. The state will have to provide support for people with loose or nonexistent ties to their families. The state will have to sanction truly destructive behavior, as always. But destructive behavior will be more common because the culture of impartiality destroys the informal system of enforcing social norms.
It is high time libertarians object when their rhetoric is hijacked by the advocates of big government. Fairness and freedom do not demand sexual and parental license. Minimum-government libertarianism needs a robust set of social institutions. If marriage isn’t a necessary social institution, then nothing is. And if there are no necessary social institutions, then the individual truly will be left to face the state alone. A free society needs marriage.

Jennifer Roback Morse is a research fellow at the Hoover Institution, and the author of Smart Sex: Finding Lifelong Love in a Hook-up World, and Love and Economics: Why the Laissez-Faire Family Doesn’t Work, both from Spence Publishing.

Dienstag, 10. April 2007

Ein Meinungsbeitrag aus einem Fremdblog

Sonntag, 4. März 2007

Was Kinder brauchen

Nie hätte ich gedacht, dass ausgerechnet für mich mal „Kinderbedürfnisse“ zu einem Reizwort wird, auf das ich fast zwanghaft reagiere. Denn ich kokettiere sehr gerne mit der provozierenden Aussage „Ich mag keine Kinder.“
Denn im Grunde mag ich „Kinder“ wirklich nicht. Habe sie auch noch nie gemocht – zumindest nicht so, wie dieses „Mögen“ heute gesellschaftlich verstanden wird.
Mir scheinen nicht nur die klassischen Mutterhormone zu fehlen, so reagiere ich also bspw. nie mit Entzücken auf Babys oder Kleinkinder. Dieses „Ach, ist das niedlich“ Gefühl geht mir völlig ab. Mich drängt auch nichts danach, fremde Babys oder Kleinkinder dringlich anfassen, halten oder gar streicheln zu müssen. Außerdem spiele ich nicht gerne Kleinkindspiele, da langweile ich mich viel zu schnell bei.
Ich ziehe grundsätzlich den Umgang mit „denkenden Menschen“ vor, d.h. also ab dem Zeitpunkt, wo aus quäkenden Windelpaketen handelnde Persönlichkeiten werden, mag ich sie, auch wenn sie jünger als 18 sind.
Das heißt aber deshalb nicht, dass ich was gegen Babys oder Kleinkinder hätte oder ihre Bedürfnisse nicht respektieren könnte, ich bilde mir sogar ein, ihre Bedürfnisse sehr gut erkennen zu können.
Schließlich hatte ich selber mal drei Kleinkinder und zumindest bisher sieht es nicht so aus, als hätte ich sie durch meine „verquere“ Behandlung maßgeblich traumatisiert oder in ihrer Entwicklung behindert.

Fortsetzung : http://anje.blogger.de/stories/716195/

Der Mythos des „Kindheits-Determinismus“

Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass unser späteres Leben durch unsere Kindheitserfahrungen vorbestimmt wird, sagt Helene Guldberg.



Wussten Sie schon, dass es keine „schwierigen Babys“, sondern nur „schwierige Eltern“ gibt, die entweder ihre Kinder vernachlässigen oder sie zu sehr bevormunden? Dann wissen Sie sicher auch, dass die Folgen schlechter Erziehung dramatisch sein und Kinder für ihr Leben schädigen können, sowie dass ihr emotionales und nervliches Wohl nachhaltig gestört werden kann.

So zumindest argumentiert die Psychoanalytikerin Sue Gerhardt in ihrem Buch Why Love Matters: How Affection Shapes a Baby's Brain. Sie warnt vor fehlender elterlicher Sensibilität während der frühkindlichen Phase, da dies die kindliche Entwicklung störe. Die Fähigkeit des Kindes, im Erwachsenenalter mit Stress umzugehen, werde beeinträchtigt. Auch erhöhe sich seine Anfälligkeit für psychische Probleme wie Depression, Sucht und Anorexie. Ihre Untersuchungen brachten Gerhardt zu dem Ergebnis, dass Wissenslücken oder die Überforderung von Eltern beim Umgang mit Säuglingen lebenslange Behinderungen bei Kindern hervorrufen könnten, die sich später auch negativ auf andere Mitmenschen auswirken würden. Kindererziehung sei, so die Botschaft, eine so sensible Angelegenheit, dass ein kleiner Fehler (wie zum Beispiel ein Baby einmal zu lange schreien zu lassen) drastische Spätfolgen nach sich ziehen könnte.
Die Vorstellung, dass unsere frühkindlichen Erfahrungen von überragender Bedeutung sind und uns bis an unser Lebensende prägen, wird als „Kindheits-Determinismus“ bezeichnet und erfährt derzeit in Europa sowie den USA große Beachtung. Die damalige amerikanische „First Lady“ und heutige Senatorin von New York, Hillary Clinton, erklärte auf einer Konferenz im Weißen Haus, Kindheitserfahrungen seien verantwortlich für die Entwicklung von „Fähigkeiten, die den gesamten Rest des Lebens bestimmen“. Erfahrungen in den ersten drei Jahren „könnten entscheiden, ob Kinder sich zu friedfertigen oder gewalttätigen Bürgern, sorgfältigen oder undisziplinierten Arbeitern, aufmerksamen oder distanzierten Eltern entwickeln“. (1)
Die heutige First Lady, Laura Bush, sieht dies genauso. Bei einer Veranstaltung über die kognitive Entwicklung in der frühen Kindheit im Jahr 2001 bemerkte sie: „Wenn Sie Kinder haben, dann werden Sie, wie Präsident Bush und ich, nicht überrascht sein, zu hören, dass die Wissenschaft heute bestätigt, was Eltern schon seit Generationen wissen: Was ein Kind vom ersten Tag bis zur ersten Klasse erlebt, hat einen unmittelbaren und profunden Einfluss auf seine Zukunft, und auf unsere Zukunft.“ (2)
In Großbritannien konnte man kürzlich auf den Titelseiten der Zeitungen lesen, dass Krippen Kinder unter zwei Jahren zu Rowdys machten. (3) Es wurden „neue Beweise“ dafür vorgelegt, dass Kinderkrippen ein asoziales und aggressives Verhalten bei Kindern förderten. (4)
Diese Behauptungen stützen sich auf die These des britischen Psychologen John Bowlby der in den 50er- und 60er-Jahren von „kritischen Phasen“ in der emotionalen und sozialen Entwicklung von Kindern sprach. (5) Bowlby sagte, es gebe einen wichtigen Unterschied zwischen „verletzlichen“ und „widerstandsfähigen“ Kindern, der auf die Qualität ihrer frühen Bindung, vor allem zur Mutter, zurückzuführen sei. Eine feste Bindung zu einer Bezugsperson sorge dafür, dass Kinder Sicherheit im sozialen Umgang erlangten und auch im späteren Leben besser mit Stress umgehen könnten. Kinder hingegen, die in den ersten Jahren keine Geborgenheit fänden, könnten auch im späteren Leben nur schwer stabile Beziehungen aufbauen.
Oliver James, klinischer Psychologe und Autor des Buches They F*** You Up: How to Survive Family Life sieht Menschen in ähnlicher Weise als Opfer ihrer Kindheitserlebnisse. Er behauptet, alles – von Suchtproblemen über Persönlichkeitsstörungen, Gewalt und Kriminalität bis hin zu Neurosen und Hyperaktivität – könne auf die Art und Weise zurückgeführt werden, wie Kinder im Alter zwischen einem halben und drei Jahren aufgezogen werden.

Beweise aus der Hirnforschung
In dem Buch Why Love Matters präsentiert Gerhardt eine Fülle von Ergebnissen der Hirnforschung, die alle überzeugend zu belegen scheinen, dass die Entwicklung des Gehirns davon abhängt, welche Aufmerksamkeit wir als Babys erhalten. Wenn wir nicht von Menschen umsorgt würden, die uns lieben und die sich auf unsere einzigartige Persönlichkeit einstellen, werde die Entwicklung des „sozialen Gehirns“ nicht angeregt. Aber was wissen wir über die Beziehung zwischen frühen Kindheitserlebnissen und der Gehirnentwicklung?
Es stimmt, dass das Gehirn in den ersten Lebensjahren eine riesige Anzahl von Bahnen zwischen den Neuronen aufbaut. Danach folgt eine längere Periode des Verknüpfens oder des Abbaus nicht benötigter Synapsen.
Im Jahr 1999 berief das nationale Zentrum für frühkindliche Entwicklung und Lernen in den USA (US National Center for Early Development and Learning NCEDL) eine Konferenz ein mit dem Titel „Kritisches Nachdenken über kritische Entwicklungsphasen“ (Critical Thinking about Critical Periods). Anwesend waren anerkannte Experten aus dem Fachgebiet der Neurowissenschaft und der Entwicklungspsychologie, die über die Frage der Existenz so genannter „kritischer Entwicklungsphasen“ bei Kleinkindern diskutierten. In einem Buch mit dem gleichen Titel, das nach der Konferenz veröffentlicht wurde, erklärt Donald B. Bailey, Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität North Carolina: „Eltern, Erzieher, und Politiker … sprechen gerne und häufig von speziellen Entwicklungsfenstern.“ (6) Hervorzuheben sei jedoch vor allem, „dass wir zu viele Hinweise auf die erstaunliche Fähigkeit von Menschen haben, sich zu verändern und aus ihren Erfahrungen zu lernen – und zwar in fast jedem Alter – um zu der einseitigen Vorstellung zu gelangen, die Jahre der frühen Kindheit seien wichtiger als alle anderen“. (7)
Im Laufe der Konferenz wurde auch klar, dass wir zwar eine gute Vorstellung über die neurologische Entwicklung haben, aber nur ein sehr begrenztes Verständnis darüber, wie synaptische Verbindungen durch Kindheitserfahrungen beeinflusst oder verändert werden. Es gibt keinen einschlägigen Beweis dafür, dass die Art der Säuglingspflege die Synaptogenesis (die Schaffung neuer Synapsen) oder die Verknüpfung von Synapsen beeinflusst. Dieser Prozess der Entstehung und Verknüpfung von Synapsen findet unabhängig von den spezifischen Erfahrungen des Kleinkindes statt.
Es gibt Hinweise für kritische Entwicklungsphasen für bestimmte Fähigkeiten, wie zum Beispiel das Hören und Sehen oder die Spracherwerbsfähigkeit. Dies bedeutet jedoch nichts anderes, als dass ein absolutes Fehlen von Stimuli während dieser Periode unwiderrufliche Schäden hervorrufen würde. John Bruer, Präsident der James S. McDonnell-Stiftung und Autor des Buches Der Mythos der ersten drei Jahre, sagte in der amerikanischen Serie Frontline: „Wir müssen verstehen, dass die Erfahrungen, die wir während dieser kritischen Periode benötigen, ständig um uns herum sind. Es gibt nichts, was wir unseren Kindern zusätzlich, durch besondere Anstrengung, noch präsentieren müssten.“ (8)
Im gleichen Sinne äußerte sich der amerikanische Neurowissenschaftler Steve Petersen von der Washington University. Er glaubt, nur eine sehr schlechte Umwelt könne die normale neurologische Entwicklung eines Kindes behindern. Sein spöttischer Rat an Eltern lautet daher: „Erziehen Sie Ihr Kind nicht in einer Abstellkammer, lassen Sie es nicht verhungern und schlagen Sie ihm nicht mit einer Bratpfanne auf den Kopf.“ (9)

Die Bindungstheorie
Ein Großteil der empirischen Forschungsarbeiten zur sozialen Bindung von Kleinkindern und deren emotionaler Stabilität basiert auf den Werken der Psychologin Mary Ainsworth und ihrer Kollegen. Sie entwickelte ein Experiment, mit dem die Bindungssicherheit von Kindern getestet werden sollte (der „Fremde-Situation-Test“). Im Zuge dieses Experiments wurden Kinder in eine leichte Stresssituation versetzt. Damit sollten ihre Gefühle für die sie umsorgende Person getestet werden. Ainsworth behauptet, Kinder könnten in drei Kategorien (Bindungsmuster) aufgeteilt werden: In sichere, unsicher-vermeidende und unsicher-ambivalente beziehungsweise widerstrebende Bindungsmuster. Der Unterschied, so die Forscher, könne auf die Feinfühligkeit im Pflegeverhalten der Bezugsperson während der ersten Jahre zurückgeführt werden. Die Bindungskategorien wurden dabei als relativ stabil und aussagekräftig in Bezug auf die zukünftige emotionale Entwicklung des Kindes dargestellt. (10)
Bei genauerer Betrachtung ist die empirische Forschung hierzu jedoch weit weniger eindeutig, als es zunächst erscheinen mag. Einige Studien haben in der Tat gezeigt, dass Bindungsmuster bei kleinen Kindern (im Alter von 12 bis 18 Monaten) relativ stabil sind. Andere Studien haben gezeigt, dass etwas mehr als 50 Prozent der untersuchten Kinder vor ihrem zweiten Geburtstag der gleichen Bindungskategorie zuzuordnen waren wie im Alter von 12 Monaten. (11) Bei längerfristiger Betrachtung zeigt sich jedoch deutlich, dass es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Bindungstypen und einer späteren Entwicklung gibt. Rudolph Schaffer, Professor für Psychologie an der Universität Strathclyde, sagte hierzu: „Vorhersagen über einen Zeitraum von mehreren Jahren sind immer riskant – vor allem wegen der nicht zu kontrollierenden Beeinflussung der Testpersonen durch externe Ereignisse.“ (12) Nach einer eingehenden Untersuchung der Literatur zur Bindungstheorie ist Schaffer zu der Schlussfolgerung gelangt, dass „sich Kinder mit Sicherheit durch die unterschiedliche Qualität ihrer sozialen Bindung unterscheiden. Die Frage nach dem, was diesen Unterschieden vorausgegangen ist und wie sie sich konkret auswirken, ist jedoch weit weniger eindeutig zu beantworten, als es uns viele Anhänger der Bindungstheorie glauben ließen.“
Tatsächlich kann unsere Entwicklung nicht aus unserer frühkindlichen Bindung abgeleitet werden – nicht zuletzt deshalb, weil es sehr schwer ist, verschiedene Variabeln bei der Langzeitstudie des menschlichen Verhaltens zu isolieren. Die Quantifizierung der Auswirkungen von frühkindlichen Erfahrungen auf unser späteres Leben als Erwachsene ist fast unmöglich. Kindheitserfahrungen tragen zu unserer Persönlichkeitsentwicklung und damit zu unserer späteren Lebenseinstellung und unserem Verhalten bei. Unser Charakter beginnt schon sehr früh sich herauszukristallisieren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir durch frühe Kindheitseinflüsse unwiderruflich und für immer geprägt werden.
Die Theorie des Kindheits-Determinismus verbindet die schlechtesten Vorstellungen, die im Rahmen der alten „Nature versus Nurture“ Kontroverse (bei der es um die Frage geht, was den Menschen am meisten beeinflusst, die Natur beziehungsweise die Gene oder die Kultur und Umwelt) aufkamen. Auf der Seite der „Natur“ befanden sich die biologischen Deterministen, die glaubten, unser Verhalten und unsere Physiologie erklärten sich vollständig aus der evolutionären Geschichte. Die andere Seite („Nurture“) dagegen betrachtete die Menschheit als Opfer ihrer Kindheitserfahrungen. Der Kindheits-Determinismus sieht sowohl die Natur als auch die Erziehung als die uns prägenden Einflussfaktoren und lässt wenig Spielraum für den freien Willen des Einzelnen. Gerhardt behauptet, dass das Bindungsverhältnis zwischen Mutter und Kind „in der sich früh entwickelnden rechten Gehirnhälfte des Babys einen unauslöschlichen Abdruck hinterlässt und damit alle späteren Phasen des Lebens beeinflusst“. (13)
Die These der „kritischen Phasen“ wird häufig mit Beispielen von Kindern begründet, denen keinerlei Zuneigung in ihrer frühen Kindheit zuteil wurde. Studien mit Kindern aus rumänischen Waisenhäusern, die nach der Vollendung ihres ersten Geburtstages adoptiert wurden, ergaben, dass deren Chance, sich psychisch zu erholen, weit geringer war als die von Kindern, die in einem jüngeren Alter adoptiert wurden. (14) Trotz der zu kritisierenden Mängel solcher Studien (wie etwa die einseitige Ausrichtung bei der Auswahl der Fälle oder die Schwierigkeit, bestimmte Variabeln zu isolieren) ist es durchaus möglich, dass sich eine extreme emotionale Deprivation in den ersten zwei Lebensjahren verheerend und irreversibel auf das Wohl des Kindes auswirkt. Es ist jedoch sehr selten, dass Kinder in solch horrenden Bedingungen aufwachsen, wie sie in einigen rumänischen Waisenhäusern herrschten. Es liegt ein himmelweiter Unterschied zwischen einer Situation, in der einem Kind jegliche menschliche Zuwendung verwehrt wird, und einer, in der Eltern nicht in jedem Moment den Erwartungen eifriger Bindungstheoretiker gerecht werden. Bindungstheoretiker wünschen sich Eltern, die zu jeder Zeit liebevoll, expressiv, ermunternd und fürsorglich sind. Der Fehler, der hier gemacht wird, ist, dass das gelegentlich ungeschickte oder abweisende Verhalten von Eltern mit systematischer Misshandlung und Vernachlässigung gleichgesetzt wird. Emotionales Engagement beim Umgang mit kleinen Kindern ist wichtig, aber der Umstand, dass ein Kind keinerlei Zuwendung erhält, ist so extrem und selten, dass sich aus ihm keine Rückschlüsse für Situationen ziehen lassen, in denen es eine soziale Bindung zwischen einem Erwachsenen und einem Kind gibt.
Der Psychotherapeut Peter Hobson beschreibt in seinem scharfsinnigen Buch The Cradle of Thought: Exploring the origins of thinking eine Reihe experimenteller Studien, die sich mit der Rolle der frühen emotionalen Interaktion zwischen Erwachsenen und Kleinkindern und deren Auswirkungen auf die frühkindliche Entwicklung beschäftigen. Ihm zufolge entwickelt sich unsere Fähigkeit zu denken aus den ersten emotionalen Kontakten im Säuglingsalter. Sobald sich die emotionale Interaktion in eine symbolische Kommunikation umwandelt, endet die frühe Kleinkindzeit: „Gestärkt durch die Sprache und durch andere Formen der symbolischen Kommunikationsfunktion, begibt sich [das Kind] in das Reich der Kultur. Das Kleinkind ist aus der Wiege des Denkens herausgewachsen. Die Interaktion mit anderen Menschen hat seine Seele das Fliegen gelehrt.“ (15)

Bindungstheoretiker haben Recht, wenn sie auf die große Bedeutung der emotionalen Zuwendung in der frühesten Kindheit hinweisen. Sie liegen jedoch falsch mit ihrer Behauptung, diese bestimme unsere zukünftige Entwicklung. Die Bindung zwischen Erwachsenen und Kindern sollte vielmehr als Sprungbrett hin zu einer zukünftigen Transformation des Kindes gesehen werden. Dort, wo die Zuwendung vollkommen fehlt, können die Folgen verheerend sein. Die große Mehrheit der Erwachsenen ist jedoch emotional sensibel und reagiert auf Kinder. Die Verallgemeinerung von Forschungsergebnissen aus Fällen extremer Vernachlässigung dient lediglich dazu, Eltern Schuldgefühle einzureden. Die Botschaft an die Eltern lautet: Macht bloß keinen Fehler, denn selbst ein einmaliges und zeitlich begrenztes Fehlverhalten lässt ihr Kind schnell zum Versager werden – eine zweite Chance gibt es nicht.

Natürlich verhalten sich manche Eltern ungeschickt. Sie können ihrer Liebe für ihre Kinder manchmal nur schwer Ausdruck verleihen. Andere Eltern wiederum vermögen es nicht, ausreichend zu loben und zu fördern. Doch selbst dort, wo emotionale Sensibilität fehle, so Hobson, erstaune ihn immer wieder, mit wie viel Geschick und Widerstandskraft sich Babys von anderen Menschen holen, was sie für ihre Entwicklung brauchen. (16)

Die Angst vor Kinderkrippen
Die Debatte über die Bedeutung der ersten Lebensjahre hat die Diskussion über Kinderkrippen stark beeinflusst. Babys, so der allgemeine Konsens, sollten nur in Notfällen tagsüber außer Haus betreut werden, weil die sichere Bindung zu einer Bezugsperson für sie sehr wichtig sei. Häufig hört man, die Wissenschaft habe herausgefunden, dass eine zeitlich zu ausgedehnte externe Betreuung von Kindern unter drei Jahren potenziell schädlich sei. Dabei beruft man sich in den angelsächsischen Ländern auf zwei Langzeitstudien. Die erste wurde in den USA durch das National Institute of Child Health and Human Development (NICHD) (das Nationale Institut für Kindergesundheit und menschliche Entwicklung), die zweite in Großbritannien unter dem Titel „Die effiziente Bereitstellung vorschulischer Betreuung“ durchgeführt. Keine der beiden Studien weist auf Langzeitschäden infolge einer sehr frühen Betreuung von Kleinkindern in einer Tageseinrichtung hin. Die Studie des NICHD ist eine der bisher umfassendsten Studien über die kindliche Entwicklung. An ihr waren Forscherteams aus verschiedenen amerikanischen Universitäten beteiligt. 1364 Familien nahmen an der Studie, vom Zeitpunkt der Geburt ihres Kindes im Jahr 1991 bis zum Ende des Jahres 2004, teil. Die Daten der ersten zwei Phasen der Studie liegen vor. (17) Die Entwicklung der Kinder wurde mit Hilfe diverser unterschiedlicher Methoden bewertet. Zu diesen Methoden gehörten eine Überwachung durch geschulte Forscher, die persönliche sowie die telefonische Befragung, standardisierte Tests über die kognitive, linguistische, soziale und emotionale Entwicklung sowie Fragebögen. Die NICHD-Studie konnte keinen Beleg dafür erbringen, dass die externe Tagesbetreuung die Mutter-Kind Bindung belastet.
Das NICHD sprach von einem Zusammenhang zwischen bestimmten Verhaltensauffälligkeiten bei Viereinhalbjährigen und der externen Betreuung in einer Tageseinrichtung. Der Anteil der Kinder, die mindestens 30 Stunden pro Woche in einer Krippe verbrachten und als besonders aufmüpfig, ungehorsam oder aggressiv galten, betrug 17 Prozent. Andere Forscher wiesen jedoch darauf hin, dass der Prozentsatz an verhaltensauffälligen Kindern in jeder Zufallsstichprobe ebenfalls 17 Prozent beträgt. Die Ergebnisse bei Krippenkindern weichen daher nicht von der Norm ab.
Die englische Studie untersuchte die Fortschritte und die Entwicklung von 3000 Kindern in verschiedenen Vorschulgruppen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Kinder im Alter von unter drei Jahren (und vor allem, bevor diese zwei Jahre alt wurden), die häufig in großen Gruppen betreut wurden, sich unsozialer verhielten als andere Kinder im Alter von drei Jahren. (18)
Hieraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass Kinder durch die Betreuung in Gruppen Schaden nehmen. Nur weil das Verhalten dieser Kinder in einem bestimmten Alter als aggressiv empfunden wird, heißt das nicht, dass sie sich auch später so verhalten werden. Es könnte sein, dass diese Kinder einfach früher als ihre Altersgenossen, die ihre ersten Jahre nicht in einer Krippe verbringen, zu schlechtem Benehmen neigen (hierzu gehören normale kindliche Verhaltensverstöße wie der Drang nach Aufmerksamkeit, Streitlust, Widerspruchsgeist gegenüber Erwachsenen sowie das Austragen kleinerer Kämpfe untereinander).
Das Benehmen von Kindern verändert sich mit dem Heranwachsen. Stanley Greenspan, klinischer Psychiater und Kinderarzt an der George Washington University Medical School, weist darauf hin, dass bestimmte Verhaltensweisen bei kleinen Kindern nicht als Grundlage für eine Prognose ihres späteren Auftretens dienen können. Ein Vierjähriger mag heute ungezogen und schwierig sein, aber es ist alles andere als klar, wie er sich morgen verhalten wird. Das wahre emotionale und soziale Benehmen eines Kindes wird oft erst richtig sichtbar, wenn es älter ist. Auch kann ein bestimmtes Verhalten bei verschiedenen Kindern etwas ganz unterschiedliches bedeuten. Kinder, die zu langen Diskussionen mit Erwachsenen neigen und immer eine Gegenantwort parat haben, mögen ungezogen oder aber selbstbewusst und interessiert sein.

Training für Eltern
Viele Familienpolitiker und Erziehungsspezialisten betrachten die Forderung nach mehr Betreuung von Kleinkindern innerhalb der Familie mit Skepsis. Dahinter verbirgt sich keine positive Einstellung zu Kinderkrippen, sondern vielmehr ein Misstrauen gegenüber Eltern. In der heutigen Zeit spricht man vielfach normalen Müttern und Vätern die Fähigkeit ab, angemessen auf die emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder reagieren zu können. Eltern werden stattdessen als emotionale Analphabeten dargestellt, die einer permanenten Unterstützung durch professionelle Berater bedürfen.
Uns wird gesagt, dass die Kindererziehung zu wichtig sei, um sie im Bereich des Persönlichen und Privaten zu belassen. Zahlreiche staatlich finanzierte Broschüren wie der Elternbrief, von dem 3,5 Millionen Exemplare durch rund 200 Jugendämter in allen Bundesländern kostenlos an ca. 500.000 Mütter und Väter versendet werden, dienen dazu, Väter und Mütter im richtigen Umgang mit ihrem Nachwuchs zu schulen. Vor allem im Leben solcher Eltern, die die Regierung als von vornherein zum Scheitern verurteilt ansieht, soll interveniert werden. Hierzu gehören die sozial schwachen Familien, denen seit einiger Zeit besonders viel Beratungsbedarf unterstellt wird. Im April diesen Jahres gab die damalige deutsche Familienministerin Renate Schmidt auf einer Veranstaltung bekannt: „Wir müssen mit mehr Beratungsangeboten auf die Familien zugehen, weil gerade sozial schwache Familien zu selten zur herkömmlichen Familien- und Erziehungsberatung kommen. Elternbriefe sind ein Weg, die Erziehungskompetenz zu stärken. Sie ergänzen die Angebote zugehender Beratung für Eltern.“ (19) Diese Angebote werden auch unter der neuen Regierung fortgesetzt. Die Beratungsinitiativen dienen dabei weniger dem Schutz einiger weniger Kinder, die von ihren Müttern oder Vätern vernachlässigt werden, sondern vielmehr dem Ziel, das Erziehungsverhalten aller Eltern zu beeinflussen. Viele der in den Elternbriefen erteilten Ratschläge entsprechen dem, was Eltern ohnehin schon selber wissen. Zu lesen ist etwa, dass Dinge, die uns (den Eltern) lieb und teuer sind, vor kleinen Kindern sicher aufbewahrt werden müssen, oder dass Lob und Anerkennung Kinder anspornen usw. Eltern benötigen keinen Rat dieser Art durch staatlich finanzierte Erziehungsexperten. Doch das Hauptziel des Elternbriefes ist es, den vermeintlichen Schaden zu verhindern, den Mütter und Väter ihren Kindern angeblich jederzeit antun können. Er enthält daher neben vielen rührigen Ratschlägen auch handfeste „Warnungen“ wie zum Beispiel, dass man auf das Weinen des Neugeborenen unbedingt gleich reagieren solle (um das kindliche Vertrauen nicht zu zerstören), dass man ein Kind keinesfalls zu früh zur Sauberkeit anhalten dürfe, da dies zu Störungen führen könne und dass, wer Gefahr läuft, seinem Kind einen Klaps zu geben, dringend fachlicher Hilfe bedürfe. (20)
Vorschriften dieser Art führen zu Unsicherheit und einer Übervorsichtigkeit bei Eltern im täglichen Umgang mit ihren Kindern. Liebe basiert auf einer spontanen, emotionalen Interaktion zwischen den Erwachsenen und ihren Kindern. Wenn wir glauben, bei der Kindererziehung eine bestimmte Vorgabe erfüllen zu müssen, um unseren Protegés nur keinen Schaden zuzufügen, dann werden wir – langfristig – am ungehemmten Umgang mit unserem Nachwuchs gehindert und davor zurückschrecken, ihnen unsere Gefühle und Liebe zu zeigen.
Es gibt Kinder, die von ihren Eltern nicht geliebt werden. Tatsache ist jedoch, dass alle Eltern gute und schlechte Tage haben. Die meisten Kinder können durchaus damit umgehen, dass ihre Eltern nicht immer perfekt sind. Für Mütter und Väter ist es wenig förderlich, mit Schuldgefühlen belastet zu werden, wenn sie nicht immer sofort und sensibel auf die Bedürfnisse ihrer Kleinen reagieren. Auch wird es Kindern nicht gut tun, wenn sie glauben, ihre Eltern für ihre heutigen und zukünftigen Probleme verantwortlich machen zu können. Schließlich wird es für uns alle negative Konsequenzen haben, wenn die Intervention im familiären und privaten Bereich zur Norm wird.

Aus dem Englischen übersetzt und ergänzt von Sabine Beppler-Spahl.


Dr. Helene Guldberg promovierte auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie und ist Dozentin für kindliche Entwicklung an der Open University. Zudem ist sie Geschäftsführerin des britischen Novo-Partnermagazins Sp!ked Online, wo dieser Artikel in Originalfassung erschienen ist. In Novo50/51 beschrieb sie in ihrem Artikel „Ohne Fakten bleibt dem Menschen nur Religion“, wie Horrormärchen über BSE, genetisch veränderte Pflanzen, Luftverschmutzung oder ölverseuchte Strände zu einer neuen Ökoreligion mutieren

Fremdbetreuung im frühen Kindesalter

Fremdbetreuung im frühen Kindesalter

Ann Kathrin Scheerer *

Die Fremdbetreuung im frühen Kindesalter soll nach Politikerplänen in Deutschland üblicher und billiger werden. Schließlich sind wir, so die damals federführende Familienministerin Renate Schmidt, "ein Entwicklungsland in Sachen Krippenbetreuung! Schlußlicht in ganz Europa!". Das Vorhaben ist schon Gesetz geworden und das Ziel, daß bis zum Jahr 2010 zwanzig Prozent der 0-3 Jährigen in den alten Bundesländern einen Krippenplatz finden sollen (in den neuen Bundesländern ist das ehemals flächendeckende Betreuungs-Angebot auf eine Versorgungsquote von immerhin noch 37 % gesunken.), wurde aus psychoanalytischer Sicht kaum problematisiert. Daß eine größere Debatte darüber ausblieb, liegt einerseits an der suggestiven Kraft der Beruhigung von erzeugter Panik durch ein scheinbar einfaches und machbares Angebot: Wir sterben aus? (Geburtenrate!) und unsere Kinder können nicht mehr lesen, schreiben und rechnen? (Pisa!) - die ermittelte Schnittmenge (Die Akademikerinnen kriegen keine Kinder!) definiert den handlungsweisenden Fokus: Wie motiviert man gut ausgebildete, berufsorientierte Frauen, Kinder zu bekommen? Indem man ihnen Angebote unterbreitet, ohne Gewissensbisse die Kinder wieder loszuwerden. Und andererseits wird die Diskussion gehemmt durch die - gesellschaftliche mehr gefühlte als gewußte - Komplexität der frühen Mutter-Kindbeziehung, die sich ja gerade dadurch auszeichnet, daß sie durch Störungen von außen verunsichert wird. Eine gefühlvolle Annäherung an eine sensible Beziehung schließt intuitiv Öffentlichkeit aus. Die Debatte über diese verletzliche Beziehung muß also bewußt vorsichtig geführt werden und wird durch politischen Wahlkampfstil eher verhindert.

Fraglos werden Betreuungsplätze für Kinder, auch für sehr kleine Kinder, gebraucht, die hat es auch schon immer gegeben, denn vor Notlagen waren Familien, Mütter und Kinder in keiner Gesellschaft je gefeit. Es liegt mir fern, pauschale Kritik zu üben, wo vielleicht ein Krippenangebot in Einzelfallentscheidungen als Gewinn für alle angesehen werden muß. Das Besondere an der gegenwärtigen politischen Richtungsentscheidung ist, daß das für die Kinder und für die Mutter-Kind-Beziehung potentiell Schädliche und Schädigende an Krippen- oder Tagesmutterbetreuungen kaum thematisiert wird - als hätten wir nicht unter uns abertausende Menschen, die ein Lied vom Leid in und durch Krippenerziehung singen können. "Es hat mir nicht geschadet" ist ein gängiger Satz, "das war doch normal!" ein anderer, der als das gedeutet werden sollte, was er ist: eine Verleugnung von verdrängten frühkindlichen Verlusterlebnissen und dem damit verbundenem psychischen Schmerz. In seiner kritischen Glosse über Tendenzen in der Kleinkindsozialisation zeigt Burkhard Behncke deutlich auf, daß die Kinderkrippe in erster Linie eine Erfindung von und für Erwachsene ist, die den elementaren Bedürfnissen und emotionalen Interessen der Babies und Kleinkindern zuwiderläuft.

Wenn in der politischen Diskussion die Fremdbetreuung in frühestem Kindesalter so eigenartig emphatisch gefordert wird, dann liegt das unter anderem auch am eingeschränkten Blick auf kognitive Leistungsaspekte: als würde dem Säuglingsgehirn eine Entwicklungschance genommen, wenn es sich nicht in einer Kinderkrippe mit Frühförderungsprogramm aufhalten darf. (Dies ist ein weiterer Aspekt des politischen Kurzschluß-Programms Richtung Kinderkrippe: wenn es die Akademikerinnen sind, die keine Kinder bekommen, dann kriegen also nur die Dummen die Kinder und wie sollen diese Mütter die Kinder richtig fördern können? Also muß man auch denen die Kinder wegnehmen!) Ich kann mich gut erinnern, daß ich als studentische und später berufstätige Mutter selber gerne von Studien las, die behaupteten, daß die Qualität der von Mutter und Kind gemeinsam verbrachten Zeit für die gute Entwicklung des Kindes mehr Bedeutung habe als die - womöglich frustriert - verbrachte Quantität an gemeinsamer Zeit. Dieses Argument bezog sich aber auf die generelle Frage der mütterlichen Berufstätigkeit, ohne dabei eine spezifische Zeitspanne besonders zu beachten. Daß die Erfindung des Kindergartens für die über Dreijährigen sich seit Jahrzehnten bewährt hat, stellt niemand in Frage. Es geht um die ganz kleinen Kinder, und zur Verdeutlichung der Notwendigkeit, in dieser sensiblen Lebenszeit ganz genau zu gucken, möchte ich ein Experiment, das man mit kleinen Ratten gemacht hat, zu Hilfe holen:

Die Forscher beobachteten seit langem, daß Rattenkinder, die in den ersten Lebenstagen regelmäßig aus ihrer Kinderstube heraus- also auch und gerade von der Mutter weggenommen und einem zusätzlichen milden Streßschock ausgesetzt wurden, sich rundum besser entwickelten als Rattenkinder, denen dies erspart blieb. Zunächst folgerte man auf die förderliche Wirkung tolerierbaren Stresses im Sinne einer optimalen Frustration, die vielleicht die Selbstheilungskräfte anregte, aber nicht überforderte. (Folgt man dieser Interpretation fänden Politiker Unterstützung für ihr Frühförderungs/Frühforderungs-Programm in der Fremdbetreuung.) Die Rattenforscher erweiterten dann aber ihren Beobachtungsfokus und schauten, was passiert, wenn das Rattenkind zur Mutter zurückkommt: die Rattenmutter reagiert auf das wiederkommende Kind mit intensivem Putzen und Ablecken dieses Kindes, das sich daraufhin beruhigt und wieder in die Gemeinschaft aufgenommen wird. Die mütterliche Fürsorglichkeit mildert und heilt den Trennungsstreß, dem Kind wird der eigene Geruch wiedergegeben, die erkennbare Zugehörigkeit wird wieder hergestellt. Wenn wir das auf neugeborene Menschenkinder übertragen, heißt das, daß eine potentielle Streßsituation - wie der Aufenthalt in einer Kinderkrippe es fraglos ist - in ihren psychisch schädlichen Auswirkungen möglicherweise aufgehoben werden kann, wenn die Situation danach von mütterlicher Wiedersehensfreude, Empathie und Fürsorgebereitschaft geprägt ist. Wenn diese wiedergutmachende Fürsorge ausbleibt, so ergaben weitere Forschungen, erleidet das Rattenkind durch den Trennungsstreß Gedeihstörungen bis hin zu hirnphysiologischen Veränderungen, die das Tier lebenslang und irreversibel besonders streßanfällig bleiben läßt.

Kinder, die man zwar füttert, aber nicht liebt, können verhungern. Und Liebe in den ersten Lebensjahren braucht eine körperliche Vergewisserung durch Anwesenheit, weil kleine Kinder ein inneres Bild von der Mutter noch nicht sehr lange aufrechterhalten können. Sogar ein einjähriges Kind erkennt - je nach vorheriger Qualität der Beziehung - seine Mutter mitunter schon nach wenigen Tagen der Trennung nicht mehr, und solch ein früher Objektverlust hinterläßt eine erschütterte seelische Struktur, die sich nur mit größter Anstrengung innerhalb einer heilsamen Beziehung erholen kann. Aus den 1930er und 1940er Jahren stammen Forschungen aus Kinderheimen, die schon damals eindrucksvoll belegten, daß eine verläßliche Bindung an ein- und dieselbe Pflegerin mit hinreichend gutem Einfühlungsvermögen das Leben des Kindes selbst unter Bedingungen des Nahrungsmangels unvergleichlich mehr schützt und fördert als eine streng-disziplinierende oder wechselnde Pflege bei ausreichender Ernährung.

Daß die ersten drei Lebensjahre die wesentlichen sind für die Etablierung des sogenannten Urvertrauens, für eine stabile psychische Struktur mit individueller emotionaler Sicherheit, ist inzwischen nicht nur den psychoanalytisch Informierten bekannt. Mit dem Urvertrauen - das Wort legt es immer so ein bißchen nahe - werden wir nicht geboren, wir müssen es erst erwerben und dafür brauchen wir eine körperlich enge, bedürfnisbefriedigende Beziehung zur einer affektregulierenden, spiegelnden Mutter, die vor innerseelischen Erschütterungen durch zu große Erregungsmengen wie Angst und Geborgenheitsverlust schützt. Egal, wie gut eine Kinderkrippe ausgerüstet, eine Pflegeperson ausgebildet ist - sie kann aus Sicht des Babies nur eine beängstigende Notlösung sein, die psychisches Wachstum zunächst erschwert oder behindert statt fördert. Aufgrund der enormen neuronalen Plastizität, also der Anpassungsfähigkeit des menschlichen Gehirns gerade in der sehr frühen Lebenszeit kann sich das Kind schnell an aversive Umstände anpassen, und gerade die besonders gut angepaßten, pflegeleicht genannten Kinder, die das Schreien schon aufgegeben haben, sind seelisch mitunter die am stärksten gefährdeten. Wir wissen schon seit den Forschungsarbeiten, die den Überlebenden der Nazi-Konzentrationslager gewidmet waren, daß der größtmögliche innere Schutz gegen die potentiell traumatisierenden Auswirkungen seelischer Erschütterungen im späteren Leben dem Menschen bereits in seiner frühen Kindheit geschenkt wird - ein in den ersten drei Lebensjahren sicher erworbenes Urvertrauen, eine ungestörte Omnipotenzphase und das Erreichen der vollen Objektkonstanz. Dies wird am besten erreicht durch eine verläßliche, bedürfnisorientierte, liebevolle und körpernahe Beziehung zur Mutter. (Daß der Vater selbstverständlich eine ebenso große, wenn anfänglich auch anders geartete Rolle spielt, soll hier ausnahmsweise einmal nur nebenbei erwähnt sein.) Es ist nicht nur eine Auswirkung der ideologischen Unfreiheit, noch ist es eine bloße Mentalitätsfrage, daß in einem sozialistisch organisierten Land wie China, in der die Kinder gewöhnlich früh von der Mutter getrennt in kollektiven Krippen oder bei Ersatz-Müttern aufwachsen, eine wirkliche Individualisierung und psychische Persönlichkeitsbildung durch auffällige orale Fixierungen, durch latente Depressivität und Brutalität der Gesellschaft ersetzt scheint. Es war auch kein Zufall, daß die Kontroversen innerhalb der Kibbutzbewegung Israels sich stets an der Frage der Kinderunterbringung entzündeten; es waren die Mütter, die das kollektive Gebot, ihre Kinder sehr früh und rund um die Uhr in fremde Hände zu geben, immer wieder kritisch thematisierten. Studien, die sich mit der Entwicklung der Kibbutzkinder befassten, kamen zu dem Ergebnis, daß ein anfänglicher Entwicklungsrückstand -Auswirkung des Trennungsschocks - bis zum Schuleintritt aufgeholt wurde, daß Kibbutzkinder auch ein ausgeprägtes Sozialverhalten zeigen, daß sie jedoch viel länger am Daumen lutschten, daß sie im Bereich von Kreativität und Phantasie Defizite zeigten und häufig die individuelle Überzeugung vermißten, für ihre Eltern etwas besonderes zu sein. Am Ende wurde in fast allen Kibbutzim auf die kollektiven Unterbringungsformen zugunsten des Familienverbandes wieder verzichtet. Es gibt eben einfach kein kollektives oder Ersatzmilieu, das Geborgenheits- und Entwicklungsbedürfnisse eines kleinen Kindes so gut erfüllen kann wie die Mutter, an deren Körper es sich festhalten und ernähren, in deren Seele es leben, von deren Liebe es sich ein Bild machen darf.

Daß die Kinderkrippe in der Bundesrepublik bisher kein Erfolgsmodell wurde, liegt - obwohl es eine Rolle spielen mag - nicht nur an einer ideologischen Gegenreaktion auf den Kollektiv-Wahn der Nazizeit und am berechtigten Mißtrauen gegen Erziehung-von-Amts-wegen; daß die Mehrkinder-Familie tendenziell von der Einkind-/Kein Kind-Familie abgelöst wird, liegt ja auch nicht nur an einem Abscheu vor der Verleihung von Mutterkreuzen. Vielleicht verzichten Frauen, die Freude an Beruf und Karriere haben, auf Kinder, weil sie fürchten, den Kindern genau diese oben geschilderte, sehnsuchtsvolle Mutter nicht sein zu können. Vielleicht ist es - und das zu recht - schwierig, Frauen einzureden, es schade ihrer Beziehung zu ihrem Kind nicht, wenn sie sich früh gleich wieder von ihm trennen. Vielleicht wäre manch eine der Frauen, die sich für eine intensive berufliche Entwicklung und gegen Kinder entscheiden, keine "hinreichend gute" Mutter im Sinne von Winnicott und weiß intuitiv mehr über mütterliche Verantwortung als man denkt?

Frauen reagieren auf Streß anders als Männer. Das weiß man aber erst, seit man Streß- und Aggressionsforschung nicht mehr nur (wegen der stabileren hormonellen Verhältnisse) an männlichen Probanden unternimmt. Lange galt "fight or flight", Kampf oder Flucht, als allgemein menschliche Reaktion auf Streßsituationen. In Tierversuchen reagierten Weibchen anders auf Streß-Reize: bevor sie durchaus auch zu Kampf oder Flucht als letzte Rettung greifen, schützen sie zunächst ihre Nachkommen und suchen Hilfe. Der Schutz der Nachkommen ist für den Erhalt der Art natürlich mindestens so bedeutsam wie der siegreiche Kampf gegen oder die erfolgreiche Flucht vor den Feinden. Man hat auch herausgefunden, daß wenn dieser primäre Versorgungsimpuls als Rettung aus dem Streß ins Leere geht, die Streßsituation also als ausweglos erlebt wird, eine depressive Entwicklung droht. All die traurigen chinesischen Mütter, die entgegen ihrer Intuition ihre Kinder sechs Wochen nach der Geburt schon weggeben müssen, belegen dies. All die Kibbutzmütter, die sich wieder und wieder dagegen sträubten, ebenso. Wer wegen des weggegebenen Kindes nicht traurig werden will oder kann, ist gezwungen, Trauer und Sehnsucht zu verleugnen. Wer nicht die richtige Hilfe findet und nicht kämpfen kann oder will um die nötigen Bedingungen, eine intuitive, gute Mutter sein zu dürfen, ist gezwungen, auf Kinder zu verzichten. Überspitzt gesagt - : Krippenpropaganda ist keine Hilfe für eine Mutter, die ein Kind haben will; sie ist eine Hilfe für eine Mutter, die ihr Kind weggeben will. Und das Weggeben des Kindes ist schädlicher Streß für Kind und Mutter.

Es ist einfach, kritisch gegenüber Kinderkrippen zu sein. Schwieriger ist es, außerfamiliäre Betreuung durch z.B. Tagesmütter oder Kinderfrauen zu hinterfragen, weil diese Modelle mehr persönliche Atmosphäre vermitteln, mehr individuelle Entwicklung gestatten, intensivere emotionale Bindung ermöglichen und insofern den genannten kindlichen Bedürfnissen entgegenzukommen scheinen. Eine zärtliche und langjährige verläßliche Bindung an eine Kinderfrau kann doch nicht schädlich sein, müßte doch etwas sein, was hinzukommt, eine Bereicherung des familiären Umfelds, eine Entlastung der ja auch durch vielfältige Belastungen geprägten Mutterbindung. Was in dieser positiven Beurteilung übersehen wird, ist nicht nur das elementare Bedürfnis des Babies nach der einen Mutter, deren Gerüche, Geräusche und Gewohnheiten ihm erst den Eindruck von kontinuierlicher Sicherheit und exklusiver Besonderheit vermitteln, sondern auch die zwangsläufig täglichen Trennungen und Wechsel zwischen der einen und der anderen "Mutter". Die frühe Aufspaltung des Bemutterungsangebots kann zu einer unbewußt bleibenden Aufspaltung des inneren Beziehungserlebens führen, wie wir es in vielen psychoanalytischen Behandlungen wieder finden und die häufig mit einem verdrängten oder bagatellisierten Fremdbetreuungs-Schicksal zusammenhängen: die Mutter, die - zur Verdeutlichung ruhig klischeehaft formuliert - am Abend sich die Entwicklungsfortschritte schildern lässt und den Gute-Nacht-Kuß in Empfang nimmt, kann im Kind und seinen inneren Objektrepräsentanzen vielleicht nie mehr mit der Mutter-Ersatzperson zusammenfließen, die bereitwillig Körperwärme gab und im täglichen Auf und Ab der Affekte stabil und mitschwingend präsent war.

Eine Kinderfrau, eine Tagesmutter wird für ihre Arbeit bezahlt und wenn sie die Arbeit nicht mehr gut macht, oder mit dem Arbeitgeber Streit bekommt, wird sie entlassen. Das Kind, das diesen Verlust primärer Ersatz-Bemutterung hinnehmen muß, wird nicht gefragt werden. Es wird trauern, aber die Trauer wird von der Mutter schwerlich begleitet werden können, denn sie sieht keinen Trauerbedarf und muß sich möglicherweise auch gegen Gefühle von Eifersucht schützen, gegen eigene Zweifel und Verlustangst hinsichtlich der Liebe ihres Kindes. Die Trauer um den Verlust der Kinderfrau muß sodann vom Kind verdrängt werden, um die Beziehung zur Mutter nicht zu gefährden, und bleibt als eine Spur der Entfremdung zwischen ihnen beiden erhalten. Früher glaubte man, daß Säuglinge noch keine individuellen Unterschiede wahrnehmen, daß es egal sei, wer sie füttert und wickelt und in den Armen wiegt, daß die pünktliche und freundliche Befriedigung der körperlichen Bedürfnisse durch egal welche Person ausreiche, einem Baby Geborgenheit zu vermitteln. Zum Glück haben die Säuglingsforscher uns da seit langem eines Besseren belehrt. Ein Mensch, so klein er auch sein mag, bindet sich nicht an Funktionen oder Ämter, er bindet sich an Menschen, die ihre Funktionen auf ihre unverwechselbare einmalig besondere Weise ausüben. Er lernt, dem Besonderen, dem Unterschiedenen Bedeutung zu geben und dadurch endlich, daß er selbst besondere Bedeutung hat. Das Selbstwertgefühl ist dann erst geboren. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von ca. 80 Jahren sind drei Jahre dafür nicht zu lang. Mutter und Kind sollte diese Zeit gegönnt werden.

* Ann-Kathrin Scheerer, Diplom-Psychologin, niedergelassene Psychoanalytikerin in Hamburg