Freitag, 12. Januar 2007

Simone Beauvoirs Wende zum Feminismus

Wer hätte das gedacht? Auch der Feminismus hat sein Walhalla, seine Ruhmes und Ehrenhalle, wo der Heldinnen und Heldinnentaten der Bewegung gedacht wird: der Frauenmediaturm.

Hier bin ich auf den Text des Interviews gestoßen, das Schwarzer mit Beauvoir 1972 geführt hat.

Lesbe trifft Ikone. Schade, dass es kein Bild dazu gibt.

Hier fehlt noch eine Dritte, ach, die von der Leyen, das ginge. Jetzt könnte man das Motiv reaktivieren:
in einer Reihe



  • Marx, Lenin und Stalin oder
  • Alter Fritz, Bismarck und Hitler und jetzt
  • Beauvoir, Schwarzer und von der Leyen.
Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten Gefecht! Die Internationale
erkämpft das Menschenrecht! Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten
Gefecht!
Die Internationale erkämpft das Menschenrecht.


Wer es gerne nochmals gesungen hören will, hier ist die Melodie.

Auf zur klassenlosen, der rassenreinen und gendergerechten Gesellschaft!

Hier ist es beschrieben, wie alles begann, damals, in diesen bewegten Zeiten, wo alles so einfach schien: hier der gute Sozialismus, dort der böse Kapitalismus, hier das gute Matriarchat, dort das böse Patriarchat.

Uns gehört die Zukunft, das haben sie geglaubt. Aber die Sünde ist ausgereift und die Früchte wurden sichtbar. Jede Kraft erzeugt eine Gegenkraft. Jede Entscheidung bedeutet auch Verzicht. Jede Veränderung betrifft auch das Umfeld.

Nun sind sie befreit, die Frauen, befreit zur Arbeit für Lohn. Nicht länger sind sie die Partnerin an der Seite des Mannes, nun sind sie die Konkurrentin am Arbeitsmarkt. Und, das muss man neidlos zugestehen, sie schlagen sich gut, wahrhaftig sie schlagen sich gut. Diejenigen, die Arbeitsplätze zu vermieten haben sind dankbar: neue Interessenten. Das Privatleben der Menschen hat etwas gelitten. Die Männer der Unterschicht bekommen kein Bein mehr auf den Boden. Die Frauen der Oberschicht finden keine passenden Männer mehr. Die Mittelschicht muss so rudern, um nicht abzusaufen, so dass für Kinder keine Zeit mehr bleibt. Und Frau hat ja einen Anspruch an sich: sie macht Karriere. Alle Frauen machen Karriere, so steht es in der Presse, so schallt es aus den Medien. Männer arbeiten für ihre Existenz, aber Frauen machen Karriere. Powerfrauen eben.
Aber sonst ist alles im Lot. Gut, es hat den Anschein, dass sich einige westliche Völker so auf die Dauer endgültig von dieser Welt verabschieden, jedenfalls werden sie in ein paar Jährchen nicht mehr die sein, als welche sie bisher bekannt waren. Aber was soll's; es war den Spaß wert. Und den Männern der Unterschicht bleibt der Suff und den Frauen der Oberschicht das Edelhaustier. Katzen und Frauen, eine lange Geschichte.

Ach, wie es ausgeht, dieses wunderbare Experiment Feminismus und so?

Nun, es wird kommen, wie es immer kommt. Die individualisierten und feminisierten Völker werden verdrängt durch vitalere Völker, bei denen Ehe und Familie noch heilig sind und die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau noch funktioniert. Man lese Tacitus.

Es ist immer so und wird immer so bleiben. Denn die klassischen Rollen sind nicht im luftleeren Raum entstanden. Sie sind Lösungen für ein Problem, für das es ansonsten keine nachhaltige Lösung zu geben scheint, sonst wäre sie in einer Gesellschaft realisiert. Nicht wahr?

Und wie der Sozialismus sich mit einem Furz verabschiedet hat, so wird sich auch der Feminismus verabschieden, beerdigt werden, mit seinen Protagonisten. Es sei jedem gestattet, sich Viren auf seinen Rechner zu laden, nur muss er sich dann nicht wundern, wenn das Betriebssystem langsam in die Knie geht. So ein Virus ist der Feminismus. Er frisst die Gesellschaften von innen auf, weil der die Keimzelle der Gesellschaft, die Familie, zerstört.

Wer mag kann bei einem der Stammväter der Soziologie dazu nachlesen: Ibn Chaldun

Zitat:
Franz Martin Wimmer, Wien
Abd al-Rahman IBN KHALDUN (1332 Tunis - 1406 Kairo)
Begriff der Kultur und der Kulturwissenschaft

Ibn Khalduns neue Wissenschaft befasst sich mit all dem, was in der Kultur der Menschen, d.h. in ihrem Zusammenleben und Zusammenwirken sich aus der Natur der Menschen notwendig ergibt. Dabei wird ein wichtiger Begriff ausgesprochen, wo von der asabiya die Rede ist, der solidarisierenden Kraft die die Menschengruppen zusammenschweißt, ihnen Stärke und Zusammenhalt verleiht. Ohne asabiya ist die volkreichste Gruppe ohnmächtig und unterliegt der kleinen Gruppe, die asabiya hat. Die Geschichte der asabiya ist also auch die Geschichte der Völker, der Menschheit.
Zitat Ende.

Und noch was vom über den gleichen Autor:

Zitat:

Lediglich Kommen und Gehen der herrschenden Dynastie folgen einem Grundschema, das hier in wenigen Sätzen skizziert werden soll.
Politische Macht resultiert demnach aus der "asabiya", einem Begriff, der im weitesten Sinne die verwandtschaftliche Solidarität meint, die eingesetzt wird, um Herrschaft zu errichten und ein anderes, seine asabiya verlierendes Herrschaftssystem abzulösen. Besonders starke asabiya sieht Ibn Khaldun bei den nomadisch lebenden Gruppen ("badâwa"), die er in Gegensatz zu den im Luxus schwächer werdenden städtischen Kulturen, den "hadâra", setzt.

Zitat Ende.

Nun aber zu den Sirenen des Untergangs:

Simone de Beauvoirs Wende zum Feminismus

Alice Schwarzer: Interview mit Beauvoir, 1972

Dieses Interview machte Frauengeschichte. 23 Jahre nach Erscheinen von „Das andere Geschlecht", in dem Simone de Beauvoir ausdrücklich geschrieben hatte, sie sei Anti-Feministin und hoffe auf die Befreiung der Frauen durch den Sozialismus, machte diese bedeutendste Theoretikerin der Frauenfrage eine Kehrtwendung: Seite an Seite mit der neuen Frauenbewegung ging sie auf die Straße, bezichtigte sich selbst der Abtreibung und forderte die Frauen auf zur autonomen Organisation. Gerade auch in der Bundesrepublik, wo viele der Frauen schwer am Legitimationsdruck der Linken gegenüber trugen, war dieses Interview ein Durchbruch: es wurde mit Eifer gelesen, vervielfältigt, propagiert. Das Gespräch führte Alice Schwarzer.

Hier die wesentlichsten Auszüge:

Frage: Madame, Ihre Analyse der Situation der Frau ist immer noch die radikalste. Seit Erscheinen Ihres Buches „Das andere Geschlecht" im Jahre 1949 ist kein Autor weiter gegangen als Sie, und Sie vor allem haben die neuen Frauenbewegungen inspiriert. Aber erst jetzt - nach 23 Jahren - haben Sie sich erstmals aktiv in dem konkreten und kollektiven Kampf der Frauen engagiert. Sie sind in Paris mit den Französinnen auf die Straße gegangen und beim internationalen Frauenmarsch mitmarschiert. Warum?

Simone de Beauvoir: Weil sich in den letzten 20 Jahren die Situation der Frau nicht wirklich geändert hat. Und als mich die Frauen von der französischen Frauenbewegung fragten, ob ich nicht mit ihnen zusammen an dem Abtreibungs-Manifest, in dem wir uns selbst der Abtreibung beschuldigt haben, arbeiten wolle, da habe ich gedacht: Das ist der richtige Weg, um die Aufmerksamkeit auf diesen größten Skandal, den es heute überhaupt gibt, auf das Abtreibungs-Verbot, zu lenken! So hat das angefangen.

Frage: Über den Begriff „Feminismus" gibt es viele Mißverständnisse. Wie ist Ihre Definition?

Simone de Beauvoir: Ich erinnere mich, daß ich am Ende des „Anderen Geschlechts" sagte, ich sei Anti-Feministin, denn ich dachte, daß die Probleme der Frauen sich in einer Entwicklung zum Sozialismus von selbst lösen würden. - Feministen sind Frauen - oder auch sogar Männer -, die (vielleicht in Verbindung mit dem Klassenkampf, aber doch außerhalb) für die Frau kämpfen ohne die erstrebte Veränderung unbedingt von der Gesamtgesellschaft abhängig zu machen. In diesem Sinne bin ich heute Feministin. Denn ich habe eingesehen, daß der Kampf auf der politischen Ebene nicht so schnell zum Ziel führt. Wir müssen also für die konkrete Situation der Frau kämpfen, bevor der erträumte Sozialismus kommt. Außerdem habe ich eingesehen, daß selbst in den sozialistischen Ländern die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau nicht eingetreten ist.

Hinzu kommt - und das ist, glaube ich, für viele Frauen einer der Gründe, warum sie die Frauenbewegungen geschaffen haben —, daß selbst in den linken, ja sogar in den revolutionären Gruppen und Organisationen eine tiefe Ungleichheit zwischen Mann und Frau besteht. Die niedrigsten, langweiligsten und bescheidensten Arbeiten wurden immer noch von Frauen gemacht, und die Männer führten immer noch das Wort, sie schrieben die Artikel, sie machten alle interessanten Dinge und übernahmen die größten Verantwortungen. Selbst innerhalb dieser Gruppen also, die im Prinzip dazu da sind, alle zu befreien - auch die Frauen und die Jugend -, selbst da blieb die Frau minderwertig. Es ist also unbedingt notwendig, daß die Frauen selbst ihr Schicksal in die Hand nehmen.

Frage: Was halten Sie - im augenblicklichen Stadium der Auseinandersetzung — von der Ausschließung der Männer aus der kollektiven Frauenarbeit, wie es ja bei der Mehrheit der Frauenbewegungen und auch in Frankreich der Fall ist?

Simone de Beauvoir: Ja, da bin ich dafür. Ich bin für die Ausschließung der Männer, bis zu einem gewissen Punkt. Das ist eine Frage des Stadiums. Es gibt dafür mehrere Gründe: Zunächst einmal muß man damit rechnen, daß die Männer auch in diesen Gruppen sich die männlichen Reflexe nicht verkneifen könnten, daß sie sprechen und kommandieren würden. Andererseits haben viele Frauen — was immer sie auch sagen, und oft wissen sie es auch — ein gewisses Gefühl der Minderwertigkeit, eine gewisse Schüchternheit. Wenn Männer da sind, würden viele es nicht wagen, so frei zu sprechen, wie sie es tun, wenn sie unter sich sind. Besonders wichtig ist es, daß die Frauen innerhalb ihrer Gruppen nicht auf ihren Mann oder Freund stoßen, auf niemanden, an den sie zu sehr gebunden sind, weil sie sich ja gerade auch von ihm befreien müssen.
Im Augenblick erlaubt weder die Mentalität der Männer noch die der Frauen eine wirklich ehrliche Diskussion in einer gemischten Gruppe.

Frage: Ist die Ausschließung der Männer für Sie nur eine praktische Frage, weil die Frauen gehemmter wären usw.? Oder ist sie auch eine politische Frage? Weil - so argumentieren die Feministinnen - der Mann nicht nur das die Frau ausbeutende System geschaffen hat und es repräsentiert, sondern weil er von der Unterdrückung der Frau auch individuell profitiert und darum, in einer ersten Etappe, Feind Nummer eins ist.

Simone de Beauvoir: Ja, sicher, aber das ist nicht so einfach. Da trifft zu, was Marx über die Kapitalisten sagte: Auch sie sind Opfer. Selbstverständlich ist es zu abstrakt, zu sagen, wie ich es eine Zeitlang getan habe, daß man nur gegen das System angehen müsse. Man muß als Frau selbstverständlich gegen die Männer angehen. Schließlich ist man nicht ungestraft Komplize und Profiteur eines Systems, selbst wenn man es nicht geschaffen hat, selbst wenn es nicht von den Männern von heute gemacht worden ist. Ein Mann von dreißig, zum Beispiel, hat diese patriarchalische Welt nicht eingerichtet, aber er profitiert in einer gewissen Weise, selbst wenn er zu denen gehört, die nicht profitieren wollen. Er tut es trotzdem, denn er hat sicherlich eine Menge Dinge verinnerlicht. Folglich muß man einmal gegen das System angehen und zum zweiten den Männern, wenn schon nicht feindlich, so doch mindestens mißtrauisch gegenüberstehen. Die Frauen müssen also gleich das System und die Männer angreifen.

Frage: Nach Erscheinen des „Anderen Geschlechts" hat man Ihnen oft vorgeworfen, bei der Analyse stehengeblieben zu sein und keine Taktik für die Befreiung der Frauen entwickelt zu haben.

Simone de Beauvoir: Das stimmt. Ich gebe zu, daß das in meinem Buch zu kurz kommt. Ich höre mit einem vagen Vertrauen in die Zukunft, in die Revolution und in die Sozialisten auf.

Frage: Welche konkreten Möglichkeiten sehen Sie zur Befreiung der Frauen? Individuell und kollektiv?

Simone de Beauvoir:

  • Als allererstes müssen die Frauen außer Haus arbeiten.
  • Als zweites, wenn möglich, die Heirat verweigern.

Ich hätte ja auch Sartre heiraten können, aber ich glaube, daß wir klug waren, es nicht getan zu haben. Denn wenn man verheiratet ist, dann behandeln die Leute einen auch als verheiratet, und zum Schluß hält man sich selbst für verheiratet. Man hat als Verheiratete durchaus nicht dieselben Beziehungen zur Gesellschaft wie eine Nicht-Verheiratete. Die Heirat ist gefährlich für die Frau.
Was aber vor allem zählt, wenn man wirklich unabhängig sein will, das ist ein Beruf, das ist die Arbeit. Den Rat gebe ich allen Frauen, die mich fragen. Das ist die notwendige Voraussetzung, die ihnen erlaubt, sich scheiden zu lassen, wenn sie wollen. So können sie sich selbst und ihre Kinder ernähren, sie sind nicht abhängig und können ihr Leben realisieren.
Das heißt, die Arbeit ist auch kein Wunderheilmittel. Ich weiß sehr gut, daß die 4 Mark Stundenlohn einer Arbeiterin oder Putzfrau nicht gerade wirklich unabhängig machen. Ich weiß, daß heute die Arbeit nicht nur befreiend sondern auch entfremdend ist. Folglich müssen Frauen oft zwischen zwei Entfremdungen wählen: die der Hausfrau und die der Berufstätigen. Trotzdem ist die Lohnarbeit die erste Voraussetzung zur Unabhängigkeit.

Frage: Haben Sie die Vision einer Welt, in der die Frauen befreit sein werden?

Simone de Beauvoir: Ich glaube nicht, daß etwas Besonderes von der Weiblichkeit zu erwarten ist. Trotz allem ist es doch eine Assimilierung, die wir anstreben und nicht die Entwicklung spezifisch weiblicher Qualitäten. Ich glaube nicht, daß die Frauen, wenn sie die Gleichberechtigung erreicht haben, etwas ganz besonders Interessantes, Poetisches, eben weibliche Werte entwickeln. Es ist eine Tatsache, daß die universale Kultur, die Zivilisation und die Werte alle von Männern geschaffen wurden. Doch genau wie das Proletariat ablehnt, daß die Bourgeoisie die universale Klasse sei, ohne aber alle bourgeoisen Werte abzulehnen, sondern sie sich aneignet, genauso sollten die Frauen in Gleichheit mit den Männern sich die von Männern geschaffenen Werte aneignen statt sie abzulehnen. Beim Schaffen der universalen Werte haben ihnen die Männer sehr oft ihre eigene, virile Note gegeben. Sie haben beides - Universalität und Männlichkeit - auf eine sehr tückische und subtile Art und Weise vermischt. Es handelt sich also darum, das eine vom anderen zu trennen, die Trübung zu entfernen. Das ist möglich, und das ist eine der Aufgaben, die die Frauen haben. Aber was heißt das denn letzten Endes: das männliche Modell ablehnen? Wenn eine Frau Karate lernt, dann ist das doch männlich. Und ich finde gut, daß sie es tut. Man darf die Welt der Männer nicht ablehnen, denn sie ist gleichzeitig die Welt überhaupt. Und schließlich auch unsere Welt. Die Frau wird, ebenso wie der Mann etwas schaffen, das so anders und so neu ist wie das der anderen Männer. Aber ich denke nicht, daß sie neue Werte schaffen wird. Wenn man das glaubt, dann glaubt man an eine weibliche Natur - wogegen ich mich immer gewehrt habe.

(Quelle: Pardon, 1972, Nr. 2 )

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