Samstag, 27. Januar 2007

Fehler in der Himmelsfabrik

Im Spiegel 4/2007 S.140-143 ist der Artikel "Fehler in der Himmelsfabrik" veröffentlicht. Sie können diesen Artikel bei Spiegel-Online gegen eine Gebühr von 0,50 € als PDF-Datei erhalten.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit Transsexualität, d.h. mit dem Umstand, dass manche Menschen zwischen ihren Ohren ein anderes Geschlecht haben als zwischen ihren Beinen, etwas, auf das schon ein anderer Artikel einging, auf den ich in diesem Block verwiesen habe.

Das Thema ist nicht zuletzt deswegen interessant, weil es zeigt, dass es neben geschlechtsbestimmenden Genen und Hormonen (Sex) und der kulturellen Geschlechterrolle, den Vorbildern und Erwartungen der Umwelt (Gender) etwas in unserem Kopf gibt, das unsere geschlechtliche Identität, unser Selbstbild so stark prägt, dass Menschen gegen ihren eigenen Körper rebellieren.

Hier zeigen sich dann die Parallelen zum Fall David Reimer und den vielen anderen Umoperierten, die mit dem über Hormone und Kultur vorgegebenen Geschlecht nicht zurecht kamen, daran zugrunde gingen.

Diese Fälle zeigen, dass all diejenigen irren, die meinen, durch Umerziehung Geschlechterrollen grundsätzlich ändern zu können. Sie zeigen, wieviel Leid erzeugt wird, wenn solche Umerziehungsversuche unternommen werden.

Da der Text im Internet nur gegen Gebühr verfügbar ist, kann ich ihn nur auszugsweise wiedergeben. Ich denke, für den Interessierten sind die 0,50 € gut angelegt, oder er kauft sich gleich das ganze Heft.

Zitat:
Fehler in der Himmelsfabrik

Transsexuelle haben schon als Kind das Gefühl, im falschen Körper geboren zu sein. Doch ab welchem Alter sollen sie ihr Geschlecht wechseln dürfen? Als weltweit jüngster Patient bekam ein Zwölfjähriger Hormone.
Kim P. ist 14 Jahre alt. Sie trägt leichten Lidschatten, ein bauchfreies Top mit Schleifen und bestickte Jeans. Erzählt sie von ihrem Traum, später mal als Modemacherin nach Paris zu gehen, ringelt sie ihr langes Haar um die Finger. Ihr Zimmer unter dem Dach des Einfamilienhauses: ein Mädchenparadies in Rosa, darin Modezeitschriften, Schminktischchen, Nähmaschine und sogar eine eigene Schaufensterpuppe.
Sie hat genug von Psychiatern, die ihr merkwürdige Fragen stellen. Sie hat genug von Ärzten, die ihre Behandlung ablehnen, weil dieses Mädchen, das in der Patientenkartei einmal „Tim" hieß, in ihren Augen etwas zutiefst Verstörendes hat.
Als Junge kam sie zur Welt: Körper, Chromosomen, Hormone - alles eindeutig männlich. Nur sie selbst fühlte sich anders. Für Kim war von Anfang an klar: „Ich bin im falschen Körper gelandet."
Mit zwei Jahren zog Tim die Kleider seiner älteren Schwestern an, spielte mit Barbies und sagte: „Ich bin ein Mädchen." Beim Metzger gab es Wurstscheiben für die süße Kleine. Die Eltern dachten, es gehe vorüber. Schließlich durchleben viele Kinder solch eine Phase. Aber als die Vierjährige noch immer nach jedem Frisörbesuch heulte, als er voller Verzweiflung mit einer Schere in sein Zimmer rannte und schrie „Jetzt schneid ich mir das Ding ab", wurde den Eltern klar, wie ernst es war. Zu Hause hieß Tim fortan Kim.
Im Internet stießen die Eltern auf Geschichten von Männern und Frauen, die als Kinder auch im falschen Körper unglücklich gewesen waren, bis sie, meist als Erwachsene, nach ihrem Coming-out als Transsexuelle ihr Geschlecht gewechselt hatten. Ingenieurinnen und Juristen waren darunter, Künstler, Programmierer oder Lehrerinnen. Einmal im anderen Geschlecht angekommen, bedeutet das: ein Leben lang Hormone nehmen. In Deutschland sind derzeit etwa 6000 Transsexuelle in medizinischer Dauerbehandlung.
Die P.s hätten sich ein leichteres Schicksal für ihr Kind gewünscht, aber sie schöpften Mut. Sie lernten: Transsexualität hat nichts damit zu tun, ob man lieber mit Männern oder Frauen schläft, nichts mit j Federboa oder Rotlicht, sondern mit Identität. Transsexuelle sind keine schrillen Vögel. Sie wollen das völlig normale Leben des anderen Geschlechts führen. Und sie versuchen alles, um ihren Körper mit Hormonen und Operationen dem gefühlten Geschlecht anzugleichen.
Vielleicht hätten die P.s mit ihrem Kind früher zum Psychiater gehen können, aber warum eigentlich? Kim trug die Haare erst vorn igelkurz und hinten lang. Mit acht hatte ihre Mittelscheitelfrisur nichts Jungenhaftes mehr. Sie spielte mit ihren Freundinnen Mädchenspiele, feierte Mädchengeburtstage und ging immer schon umgezogen zum Ballett. Nur in der Schule trug sie stets Hosen und nie Zöpfe. Die Lehrer lobten ihr vorbildliches Sozialverhalten, und wenn auf dem Schulhof mal blöde Sprüche kamen, „Transe" oder „Schwuler", dann ging sie einfach weg. ' „Wir haben Kim immer als Mädchen gesehen, aber nicht als Problem", sagt der Vater. „Eigentlich war unser Leben erstaunlich normal."
Bis sich die Vorboten der Pubertät zeigten. Da war Kim zwölf. Als ihre Stimme morgens sonderbar belegt klang, stieg unbeschreibliche Panik in ihr hoch. Auf keinen Fall wollte sie einer dieser breitschultrigen Schränke werden, die später als Frau unmöglich aussehen, mit riesigen Händen und Bassstimme. Nur Hormone konnten nun verhindern, dass aus Kim gegen ihren Willen doch noch Tim werden würde. Die Zeit drängte.
Zitat Ende.

Was wir aus diesem Text ersehen ist, dass wir Menschen in unserem Kopf Schablonen tragen. Wir kennen bei unserer Geburt die Welt noch nicht, dennoch wissen wir schemenhaft, was uns erwartet. Und wir haben Vorstellungen von unserem eigenen Geschlecht und vom Gegengeschlecht, wir tragen schon Ansätze einer Identität mit uns. Diese ist noch unvollständig. Aber wir lernen selektiv. Wir nehmen bei unserer Erforschung der Welt an, was zu unserer Schablone passt und wir verwerfen, was nicht passt. So formen wir unsere Sprache. So formen wir unsere Geschlechtlichkeit. Und die Geschlechtlichkeit ist Teil unserer Identität.

Nun, wie reagiert die Umwelt?

Zitat:
„Hormonbehandlung! Geschlechtsanpassung! Wie können Sie dem Kind so etwas antun?", herrscht der Kinderarzt den I Vater in Kims Gegenwart an. Dann die Sitzungen in der psychiatrischen Landesklinik: hohe Räume, grün gestrichen, zahllose Fragebögen zum Ausfüllen, Kim muss Würfel sortieren. Im Wartezimmer denkt das Kind: Gehör ich jetzt ins Irrenhaus? Das ganze bisherige Leben der Familie wird in Frage gestellt. „Sind Jungen in Ihrer Familie nicht willkommen?", wird die Mutter gefragt. Und: „Haben Sie schon mal daran gedacht, das Kind, anstatt es zu manipulieren, eine Zeitlang unter andere Menschen zu geben? Zum Beispiel in die geschlossene Abteilung unserer Kinderpsychiatrie." „Was ist denn so schlimm daran, ein echter Kerl zu sein?", sagt der Arzt, selbst ein Kerl im weißen Kittel, zu Kim. „Hast du das schon mal versucht? Wie findest du deine Mutter? Warst du schon mal verliebt? In einen Jungen oder ein Mädchen? Magst du deinen Penis?" Kim antwortet, so gut sie kann, ihr ist das peinlich. „Auf einmal kam so ein Gefühl: Ich bin schuld, da ist was Schmutziges."
Zitat Ende.

Nun, die Umwelt reagiert mit Unverständnis.
Aber wie mag es einem Jungen in unserem feminisierten Erziehungssystem gehen, der sich in seiner Art zu sein, seiner Identität nicht angenommen fühlt, von dem erwartet wird, sich wie ein Mädchen zu verhalten, dem gesagt wird, er sei nur ein Mädchen ohne Vagina?
Müssen wir uns über das Schulversagen so Vieler wundern. Und spielt nicht Ritalin die Rolle der Hormontherapie, nur dass hier durch Ritalin aus einem Jungen ein pflegeleichtes Mädchen geformt werden soll, ohne dessen Zustimmung, eine Geschlechtsumwandlung, wie bei Tieren, die kastriert werden, um pflegeleicht zu sein?
Wie müssen sich junge Männer fühlen, die durch feminisierte Schulen gegangen sind, in Film und Fernsehen feminisierte Filme zu sehen bekamen, entstand da auch das Gefühl: Ich bin als Mann schuldig. Mann zu sein ist was Schmutziges?

Zitat:
Entwicklungspsychologen glaubten lange, Kinder würden als psychisches Neutrum geboren. Zu welchem Geschlecht sich ein Mensch zugehörig fühle, sei das Ergebnis sozialer Prägung.
Es gibt zum Beispiel Kinder, die mit beiderlei Geschlechtsorganen zur Welt kommen - im Volksmund: Zwitter. Früher operierte man sie so schnell wie möglich, weil Psychiater sagten, man müsse ihnen - und ihren Eltern - das Aufwachsen ohne klare Geschlechtsidentität ersparen. Viele dieser Kinder wurden aber später mit ihrem chirurgisch bestimmten Geschlecht extrem unglücklich. Manche nahmen sich sogar das Leben. Offenbar passte sich ihre gefühlte Identität nicht dem Körper an. Heute wartet man lieber ab.
Zitat Ende:

Nun, spätestens an dieser Stelle müsste für alle die Frage Sex oder Gender als geklärt gelten, oder nicht? Es geht dabei nicht um die Frage, ob man Abitur machen oder Studieren soll. Es geht auch nicht um die Frage, wer wieviel der Hausarbeit übernimmt, aber es geht schon um die Frage, wer bei der Kinderaufzucht welche Rolle übernimmt. Es geht um die Frage, ob 50:50 in allen Bereichen des Lebens eine sinnvolle Aufteilung ist. Es geht um die Frage, ob Koedukation nicht begrenzt werden muss. Es geht um artgerechte Menschenhaltung, um die Würde des Menschen. Es geht darum, ob man Eigenarten und Besonderheiten der Menschen nicht akzeptieren muss, oder ob wir alle auf Einheitsmaß zurechtgehobelt werden sollen? Ein Mann kein ein Mann sein und dennoch Ballett lieben und selber ausüben. Eine Frau kann eine Frau sein und Kampfpilotin sein. Aber man kann nicht alle Männer zwingen, Ballett zu lieben und man kann nicht alle Frauen zwingen, Kampfpilotinnen zu werden.

Zitat:
Zwar weiß man, dass Kinder geschlechtstypisches Verhalten zum größten Teil erlernen; die Weichen dafür werden aber vermutlich schon im Mutterleib gestellt. Wie weitgehend Androgene oder Östrogene das Gehirn auf männliche oder weibliche Weise organisieren, ist umstritten; ab welchem Alter die Geschlechtsidentität festgelegt ist, ist nicht bekannt. Wenige Wochen alte weibliche Babys jedenfalls schauen bereits länger auf Gesichter, männliche auf abstrakte Formen. Dreijährige, denen man anatomisch korrekte Puppen zum Spielen gibt, können sagen, welche Puppe ihr eigenes Geschlecht repräsentiert. Kindern mit einer Geschlechtsidentitätsstörung fällt das erkennbar schwerer.
Nach Jahrzehnten des Versuchs gibt es keinen Beleg dafür, dass Psychotherapie die Geschlechtsidentität bei transsexuellen Jugendlichen noch verändern kann - auch wenn das einige Therapeuten behaupten. Ob sich eine solche Entwicklung im Kleinkindalter noch stoppen lässt, ist unklar. Vielleicht ist die Psychiatrie auch für Transsexuelle gar nicht zuständig?
Zitat Ende.

Weder Psychotherapie noch Pädagogik können die Geschlechteridentität verändern, aber sie können Personen zerstören und verbiegen. Der folgende Absatz zeigt, was geschieht, wenn Geschlechteridentität nicht akzeptiert wird.

Zitat:
Die größte Erfahrung haben Experter in Holland. Dort hat ein so genanntes Gender-Team aus Somatikern. Kinderpsychiatern, Psychotherapeuten, Endokrinologen und Chirurgen in den vergangenen Jahren über 350 Kinder und Jugendliche mit abweichender Geschlechtsidentität begleitet. Nicht selten beobachteten diese Fachleute, wie die endgültigen körperlichen Veränderungen der Pubertät und der erzwungene Rollenwechsel psychisch halbwegs stabile Jugendliche in schwer traumatisierte Erwachsene verwandelten. Die kämpften nun zusätzlich mit Persönlichkeitsstörungen, Drogenproblemen, Depressionen und Suizidgedanken.
Ende der neunziger Jahre begannen die Holländer deshalb vorsichtig mit der Hormonbehandlung bei einigen wenigen transsexuellen Jugendlichen. Als man sie später befragte, bereute keiner von ihnen, diesen Weg gegangen zu sein. Es stellte sich heraus, dass sie ein normaleres, zufriedeneres Leben führten als ihre Leidensgenossen, die noch eine Zeitlang im verhassten Geschlecht leben mussten.
Zitat Ende.

Für Kim scheint es ein Happy-End zu geben.

Zitat:
Mittlerweile ist Kim ihrem Traum ein großes Stück näher: In ihren Akten ist ganz offiziell der verflixte Buchstabe ausgetauscht, beim Schulamt geht sie schon als Mädchen durch. Die Hormone sorgen für einen Ansatz von Oberweite, so wie bei den anderen in ihrer Klasse. Beim Schulsport darf Kim in die Mädchenumkleide.
Als es neulich doch mal Ärger und blöde Sprüche auf dem Schulhof gab, stellte sich ihre beste Freundin vor sie. Das war, trotz allem, ein gutes Gefühl: „Meine Freundinnen sehen mich als einen ganz normalen Menschen."
Zitat Ende.

Ja, das wünschen sich Männer und Jungen, dass man sie als ganz normale männliche Menschen sieht, mit ihren Stärken und ihren Schwächen und nicht als Monster, Vergewaltiger, Gewalttäter, Chromosomenkrüppel, notorische (Unterrichts-)Störer.
Für das Scheitern der Jungen und die Gewalt, die von diesen heute und später ausgeht sind diejenigen verantwortlich, die in feministischer Verblendung meinten und meinen, Männer kulturell und pharmakologisch zu Frauen umoperieren zu müssen, Menschen ohne Respekt und Achtung vor Männern, Jungen und dem Wesen der Männlichkeit.

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