Das mit der Beauvoir und der Ehe, das hat so was vom Gascogner Fuchs, der die zu hoch hängenden Trauben einfach als zu sauer betitelt, wer will die schon.
Es ist erstaunlich, welche dämonische Kraft ein Vater über die Seele seiner Töchter hat. Manche kämpft ihr ganzes Leben, und sogar nach seinem Tod noch, um seine Liebe. In der näheren Bekanntschaft sind entsprechende Fälle bekannt. Manchmal muss der Vater sterben, damit in der Seele der Frau genügend Platz für einen anderen Mann ist.
Die dämonische Macht der Männer, der Feminismus verschweigt sie. Er verschweigt die Macht, die Männer über die Seelen von Frauen haben. Er ist auf diesem Auge blind.
Gegen die eigene Natur zu leben, das ist eine Freiheit, die nur der Mensch hat. Es ist die Quelle der Tugend aber auch die Quelle des Leids und der Neurosen. Künstler müssen leiden, zumindest wenn sie Existenzialisten sind, sonst versiegt ihre intellektuelle Quelle. Es sind die modernen Geisler. Nur fließt hier kein Blut, es fließt Tinte aufs Papier. Intellektuelles Blut.
So wie Bonhoeffer sein Martyrium, die Rolle seines Lebens, fand und dadurch zur Ikone des Protestantismus wurde, so hat auch die Beauvoir um des ewigen Ruhmes willen, ihr Martyrium auf sich genommen. Eine Frau, die aus eigenem Willen nie geboren hat, die ist ein unnatürliches Monstrum. Sie hat ihre Bestimmung verfehlt, ihren wahren Daseinsgrund. Sie ist tot, war es schon bei ihrer Geburt. Ein dürrer Zweig am Baume des Lebens. Die nach Frost verfaulte Blüte, unbefruchtet dahingewelkt, liegt gepresst im Poesiealbum des Feminismus. Keine Weisung, sondern eine Warnung: Siehe ich bin gestorben, ohne gelebt zu haben. Eine hohle Vase, ein Gefäß, das nie gefüllt wurde. Eine Quelle, vertrocknet vor der Zeit. Wahrscheinlich sitzt sie mit Sartre und Dworkin in dem Zimmer in der Hölle, das Sartre in "Geschlossene Gesellschaft" so eindrücklich beschrieben hat. Wenn sie einst auf der Erde vergessen sein wird, was bleibt dann noch? Der ewige Dialog?
© DIE ZEIT 1999
Die alten Begierden
Simone de Beauvoirs Briefe an ihren "Gatten" Nelson Algren Ursula März
Ihr, meine Kleinen", sagte Monsieur de Beauvoir, "werdet nicht heiraten. Ihr müsst arbeiten."
Bei einer seiner beiden Töchter wurde das Wort des Vaters Wirklichkeit: Simone de Beauvoir arbeitete jahrzehntelang mit dramatischem Eifer und heiratete nicht. Aber sie blieb nicht ohne Bindung. Sie fand einen Weg, den Auftrag des Vaters zu befolgen und zugleich zu unterlaufen. Sie fand Jean-Paul Sartre, der, wie symbiotisch auch immer, Gefährte war, nicht aber Gatte. Und sie schuf mit ihm eine Verbindung - wohl die berühmteste des Jahrhunderts -, die auch insofern in den Bereich der Arbeit und nicht in den der Ehe fiel, als sie ein Artefakt darstellte, eine Art soziales Kunstwerk. Als solches hat man die Geschichte Sartre/Beauvoir wahrgenommen. Sie wurde gefeiert und verdammt, sie wurde je nach Theorie und Zeitgeschmack unterschiedlich kritisiert, mal aus bürgerlicher, mal aus feministischer Sicht.
Es war eine Liaison, in der Sexualität von Beginn an keine besonders große, nach einigen Jahren gar keine Rolle mehr spielte, Worte und Vereinbarungen, symbolische Konstellationen und symbolische Handlungen dafür eine umso größere. "Wir sitzen an unseren Tischen und schreiben unsere Bücher", teilt Simone de Beauvoir im Sommer 1947 Nelson Algren über ihr Leben mit Jean-Paul Sartre mit. Man kann gar nicht anders, als den stummen Alternativsatz mitzulesen, der lautet: Wir liegen im Bett und machen unsere Kinder. Das eigentlich Sensationelle und Subversive in der Biografie Beauvoirs liegt vermutlich darin, dass ihr die Verwirklichung des Paradoxes gelang, sowohl die weibliche Hälfte eines heterosexuellen Paares zu sein als auch die Geschlechterrolle Richtung Geistesarbeit zu verlassen. Von Selbsttranszendierung, diesem Vorrecht der Männer, träumte sie schon als Teenager:
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