Mittwoch, 3. Januar 2007

Endstation: Apartheid

Im Spiegel-Online kann man für 2,-€ ein Dossier über Feminismus und das Verhältnis der Geschlechter erwerben.
Spiegel-Online
Die Investition erscheint mir angemessen. Ein Artikel daraus "Endstation Apartheid" von Henryk M. Broder habe ich bei pappa.com kopiert und in meinen Blog gestellt. Es ist ein wahres Appetithäppchen. Wer dadurch Hunger auf Mehr bekommt, soll sich an den verlinkten Quellen sattlesen.


Zitat:
Endstation: Apartheid (SPIEGEL 9/1998, S. 124-127)

Frauenhäuser, Frauenparkplätze, Frauenbürokratie, demnächst Frauenbusse? Der Feminismus hat manches erreicht, nur nicht das, was er ursprünglich wollte - die Integration der Frauen in die Gesellschaft.

Von Henryk M. Broder

Eine verblaßte Erinnerung vom Anfang der Siebziger: "Ich finde, wir sollten unsere Beziehung vertiefen und erweitern", sagt ein junger Mann mit langen Haaren, Lederjacke und abgewetzten Jeans zu seiner Sitznachbarin im Seminar über Theorie und Praxis des Marxismus-Leninismus. "Sag doch gleich, daß du ficken willst", antwortet die junge Frau, ohne ihren Kommilitonen auch nur anzusehen.
Mit solchen Miniaturen machte sich die sexuelle Rebellion auf den Weg, begann der Aufbruch der Frauen zu neuem Selbstbewußtsein und der Niedergang der Männer in eine domestizierte Existenz. Ein Vierteljahrhundert später ziehen die Protagonisten Bilanz. Man könne die heutigen Männer grob in drei Gruppen einteilen, meint ein Therapeut, der damals aktiv dabei war und heute die Veteranen behandelt, "ein Drittel ist mehr oder weniger schwul, ein Drittel ist impotent und ein Drittel hat keine Lust mehr, sich mit Frauen einzulassen" [Hervorhebung durch paPPa.com], und alles sei eine Folge der Umtriebe der Frauenbewegung.
Auf der anderen Seite des Abgrunds haben sich die siegreichen Truppen versammelt. Doch statt ihren historischen Triumph zu feiern, beschweren sie sich darüber, daß ihnen der Feind abhanden gekommen ist. "Früher gab es Männer, heute nur noch Schlappschwänze", sagt eine gereifte 50jährige, die vor vielen Jahren im Frankfurter Weiberrat aktiv war. Die New Yorker Schriftstellerin Erica Jong beschreibt die Situation ein wenig eleganter. Frauen möchten "heißen Sex, harte Schwänze, die Selbstauflösung in Wollust und - ja, sicher - Romantik", sie träumten von "Rhett Butler, wie er Scarlett O'Hara die Treppe hochschleift", doch während die "politisch korrekten Männer der neunziger Jahre Windeln waschen und den Kinderwagen schieben", wäre es ihnen "lieber, ein Rhett Butler schleift sie die Treppe hoch, statt daß er die Treppe putzt".
Unzufriedenheit, Frust und üble Laune allerorten. Sieger wie Besiegte im Krieg der Geschlechter mögen sich mit dem postemanzipatorischen Status quo nicht abfinden, doch zum Status quo ante führt auch kein Weg zurück. Und alles eine Folge der Frauenbewegung, der es offenbar gelungen ist, was mehrere Revolutionen, die Psychoanalyse, der Marxismus, die Erfindung des Internet und die Einführung der digitalen Technik nicht geschafft haben, nämlich die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen?
Er soll sie die Treppe hochschleifen, nicht die Treppe putzen
Mitnichten. Auf eine seltsame Weise sind sich Männer wie Frauen einig, daß die Frauenbewegung ihr Leben entscheidend mitbestimmt hat. Jeder Mann, der sich an seine letzte Erektion kaum noch erinnern kann, weiß genau, daß die "militanten Weiber" an seinem weichen Elend schuld sind, obwohl er Alice Schwarzer und Inge Meysel nie nähergekommen ist als Clint Eastwood und Henry Maske. Und jede Frau, die abends allein "Roseanne" guckt und beim lokalen "Frauennetzwerk" die Weihnachtsfeier organisiert, genießt das Gefühl, es "den Kerlen" so richtig gezeigt zu haben. Wow!
Denn die Macht der Frauenpower rangiert in der Reihenfolge der populären Mythen ziemlich weit oben, gleich nach der deutschen Gründlichkeit, der jüdischen Intelligenz und der Überlegenheit der sozialistischen Idee.
Und wie alle Mythen lebt auch der Mythos der Frauenpower davon, daß er die einen tröstet, die anderen erschreckt und auf diese Art eine Interessengemeinschaft schafft, die über den Fakten schwebt. Die Einführung von "gender studies" zum Beispiel als eigenständiges Studienfach ist zwar vollkommen absurd, hat aber den Vorteil, daß sie die einen mit Jobs versorgt und den anderen die Möglichkeit gibt, sich ausgegrenzt zu fühlen. So weit hat es die Arbeiterbewegung nicht gebracht, obwohl sie ein wenig älter und ein wenig machtvoller ist als die Frauenbewegung, man und frau kann zwar hier und da ihre Geschichte studieren, aber als eine selbständige akademische Disziplin hat sie sich bislang nicht etabliert.
Inzwischen hat die Frauenforschung eine Männerforschung nach sich gezogen, die ähnlich strukturiert ist und deren Produkte den gleichen praktischen Gebrauchswert haben: "Ausdiskutieren oder Ausschwitzen. Männergruppen zwischen institutionalisierter Dauerreflexion und neuer Wildheit", so der Titel eines 1996 im Universitätsverlag Konstanz erschienenen Buches, dessen Autoren einerseits "die Abschaffung der Herrschaft von Männern über Frauen anstreben", andererseits "eine starke Sehnsucht" verspüren, "zumindest zeitweise reflexionsfrei ,einfach Mann zu sein'". Dermaßen hin- und hergerissen zwischen Natur und antrainiertem Bewußtsein, sorgen die einen dafür, daß jährlich über 40 000 geschlagene Frauen Zuflucht in Frauenhäusern suchen, während die anderen die Selbsterfahrungsgruppen-Industrie in Schwung halten.
Daß sich Frauen am liebsten mit Frauen und Männer vorzugsweise mit Männern beschäftigen, entspricht einem alten Muster, das man bei jedem Sonntagsspaziergang im Grunewald beobachten kann. Sind zwei Paare unterwegs, gehen die Männer zusammen; hinter ihnen laufen, in gebührendem Abstand, als Paar die dazugehörigen Frauen. Und ist die Dorfjugend Freitagabend im getunten Manta zur Disko unterwegs, sitzen die beiden Jungs vorn, während der weibliche Sexualproviant auf dem Rücksitz mitfahren darf.
Zahllose gesellschaftliche Einrichtungen, von der Freiwilligen Feuerwehr in Oberpolda bis zum Internationalen Olympischen Komitee in Genf, verdanken ihre Existenz dem Umstand, daß Männer unter sich sein wollen und einen Grund brauchen, dem ihre Frauen nicht widersprechen können. Und wann immer die Männer vom Technischen Hilfswerk ausrücken, um für Erdbebenopfer Lazarette zu bauen, wollen sie nicht nur fremden Menschen in Not helfen, sie freuen sich auch auf einen Abenteuerurlaub unter Gleichgesinnten, bei dem sie von niemand daran erinnert werden, wenigstens einmal in der Woche die Unterwäsche zu wechseln.
Die gebildeten Stände, die nicht einen Hanomag steuern, sondern mit einem Apple surfen, haben noch einen Grund, sich mit dem eigenen Geschlecht zu beschäftigen: Inzwischen ist fast alles erhoben, erforscht und vermessen, was zwischen den Geschlechtern abläuft oder auch nicht. Im großen Katasteramt der Libido sind alle Ordner prall gefüllt: Es ist bekannt, wohin Frauen bei Männern zuerst schauen und was Männer an Frauen am meisten antörnt.
Die Hälfte der angesprochenen Ehepaare hat bei einer Umfrage im Jahr 1995 angegeben, nur noch ein- bis viermal im Monat Geschlechtsverkehr zu haben. Jede dritte Britin stellt sich beim Akt mit ihrem Mann vor, daß sie von einem fremden Mann genommen wird, jede fünfte denkt an Sex mit mehreren Männern, und ebenfalls jede fünfte phantasiert vom Sex mit anderen Frauen, während die deutschen Männer bei der primären Begegnung mit ihren Frauen mehrheitlich von der Vorstellung erregt werden, es mit Iris Berben zu treiben.
Frauen können schlechter einparken als Männer, während Männer unter Trennungen und Scheidungen heftiger leiden als Frauen. Jungen können schon als Dreijährige besser Bälle schlagen und fangen als Mädchen, weil Männer in grauer Vorzeit gelernt haben, wilde Tiere mit Steinen zu erlegen. Dafür sind Frauen viel geschickter, wenn es darum geht, ein Bild zu beschreiben, sie brauchen dazu im Schnitt 3 Minuten, Männer gleich 13.
Auch beim Einkaufen sind Männer umständlicher, verbrauchen zuviel Energie, während Frauen viel effizienter vorgehen. Untersucht wurde sogar das Verhalten von "Hausfrauen im Ruhezustand", die es ihren Rentnermännern allenfalls erlauben, "das Suppengrün zu putzen", weil die nicht einmal wissen, daß man zum Kochen Wasser braucht.
Der amerikanische Komiker Jerry Seinfeld erntet viel Applaus mit seiner Beobachtung, Männer würden ganz anders fernsehen als Frauen. "Frauen sehen fern. Männer wollen wissen, was es sonst noch im Fernsehen zu sehen gibt. Deswegen zappen sie."
Nur die entscheidende Frage - "Warum geben sich Frauen mit Männern ab?" - bleibt noch immer unbeantwortet. Ein deutscher Forscher befragte 1213 Frauen und Männer zwischen 18 und 65 Jahren über ihre sexuellen Erfahrungen und kam dabei zu einem niederschmetternden Ergebnis: 63 Prozent der Männer hielten sich für tolle Liebhaber, während 76 Prozent der Frauen erklärten, sie wären sexuell frustriert. Auch ohne einen so großen empirischen Aufwand zu treiben, stellten zwei Wiener Autorinnen am Ende ihrer Studie ("Der kleine Unterschied") die Frage, ob Frauen und Männer "am Ende nicht einmal artverwandt" sind? Natürlich war die Frage rhetorisch gemeint, die Antwort klar: Männer und Frauen verhalten sich zueinander wie zwei nicht kompatible Computersysteme.
60 Prozent der Männer lehnen eine Frau als Vorgesetzte ab
Doch während kein vernünftiger Mensch auf die Idee käme, ein DOS-System auf einem Macintosh zu installieren, wird ein solches Kunststück zwischen Frauen und Männern unternommen. Entsprechend sind die Resultate: 70 Prozent der jungen Männer zwischen 20 und 30 Jahren sind der Meinung, die Emanzipation der Frau sei für beide Geschlechter von Vorteil. Zugleich lehnen 60 Prozent eine Frau als Vorgesetzte ab, und immerhin 12 Prozent wollen keine Partnerin, die intelligenter ist, eine bessere Ausbildung hat oder mehr verdient.
Wenn Frauen und Männer ausnahmsweise einer Meinung sind, dann geht es ihnen darum, den Umgang miteinander zu entflechten. 47 Prozent der westdeutschen Frauen und 53 Prozent der westdeutschen Männer finden, es sei "für alle viel besser, wenn der Mann voll im Berufsleben steht und die Frau zu Hause bleibt und sich um den Haushalt und die Kinder kümmert". Im Osten, wo es keine authentische Frauenbewegung gegeben hat, dafür die Lebensumstände aber anders waren, sind es 26 Prozent und 27 Prozent.
Das alles bedeutet natürlich nicht, daß die Frauenbewegung ein totaler Flop war. Ganz im Gegenteil. Sie hat wie eine flächendeckende ABM-Maßnahme viele neue Jobs kreiert, deren Träger und Trägerinnen schöne Titel wie "Frauenbeauftragte", "Gleichstellungsbeauftragte" und "Antidiskriminierungsbeauftragte" tragen und für die bürokratisch korrekte Verwaltung einer Spiegelung gesellschaftlicher Zustände zuständig sind. Sie hat den gesamten "psychoindustriellen Komplex" von Margarete Mitscherlich bis Margarethe Schreinemakers, von Hera Lind bis Gaby Hauptmann ernorm befördert und ihre Spuren in der Lindenstraße ebenso wie in der Vita von Claudia Nolte hinterlassen. Ohne die Grundlagenarbeit der Frauenbewegung hätte John Gray ("Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus") es nie geschafft, allein in den USA vier Millionen Hardcover-Exemplare seines Buches zu verkaufen, würden Beziehungsberater sich nicht trauen, Nullsätze wie diesen in die Welt zu setzen: "Es ist nicht unmöglich, Brücken zu bauen, um zueinander zu kommen. Aber man muß dies auch tun, mit allem Aufwand, den ein Brückenbau erfordert."
So hat die Frauenbewegung einiges erreicht, wenn auch nicht das, was sie ursprünglich wollte: die Integration der Frauen in die Gesellschaft. Statt dessen werden immer mehr Sonderregelungen für Frauen getroffen, als wollte man Behinderten den Einstieg in die Busse erleichtern. In Nordrhein-Westfalen müssen in jedem Parkhaus-Neubau 10 Prozent der Stellplätze als "Frauenparkplätze" ausgewiesen werden. Ob die Frauen dadurch sicherer ein- und ausparken können, ist fraglich. Dagegen wissen Exhibitionisten ganz genau, wo sie sich optimal postieren können. Demnächst wird es auch an allen 423 Autobahn-Raststätten Frauenparkplätze geben, allerdings nur während der Nachtstunden. Am Rechenzentrum der Universität Karlsruhe wurde ein Computerraum nur für Frauen eingerichtet. Das schleswig-holsteinische Frauenministerium hat eine Broschüre über "Bauleitplanung aus Frauensicht" herausgegeben.
Die Grünen im Bundestag haben mehr Frauenabteile in Liegewagen gefordert. Das Frauennetzwerk "Connecta" will "berufsübergreifend Frauen verbinden". Frauenbuchläden, Frauenreisen und Damensitzungen im Karneval gibt es schon lange.
Die Dynamik der Entwicklung ist nicht aufzuhalten. Hieß es früher: If you can't beat them - join them, lautet die Parole heute: If you can't join them - leave them. Kollektive, die es nicht miteinander können, müssen separiert werden: Briten und Iren, Serben und Kroaten, Israelis und Palästinenser, Frauen und Männer. Wird es demnächst bei der Bahn Waggons geben, in denen nur Frauen reisen dürfen, sicher vor männlicher Anmache? In Saudi-Arabien hat man mit Bussen, in denen Frauen hinter einem Vorhang sitzen, gute Erfahrungen gemacht. Bei orthodoxen Juden feiern Männer und Frauen bei Hochzeiten jeweils für sich, und trotzdem finden Braut und Bräutigam anschließend zueinander. Individuelle Begegnungen wären also nicht ausgeschlossen, nur müßten sie auch einzeln verhandelt werden. Ein wenig Apartheid mit menschlichem Antlitz wäre dafür kein zu hoher Preis.
Zitat Ende.

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