Donnerstag, 18. Januar 2007

PC - Die korrigierte Sprache

Political Correctness - Die korrigierte Sprache und ihre Folgen

5 Resümee
In den vorherigen Kapiteln sind verschiedene Dimensionen der PC-Bewegung aufgezeigt und einige näher beleuchtet worden; andere konnten keine Berücksichtigung finden, denn dafür ist die Bewegung, die nun schon fast 10 Jahre in Deutschland und noch länger in den Vereinigten Staaten von Amerika anhält und auf Sprache wie Gesellschaft in unterschiedlichen Ausmaßen wirkt, zu verwoben.

In dieser Arbeit standen die ursprünglich ideologischen Ansätze und die daraus resultierenden Maßnahmen der PC-Bewegung in bezug auf die sprachlich diskriminierten Minderheiten im Vordergrund. Den Auswirkungen der Sprachveränderungen auf den Sprachgebrauch, die Sprecher und Opfer wurde daher besondere Berücksichtigung geschenkt.

Gesellschaftspolitische Aspekte, die für das Verständnis der Komplexität der Entwicklung von PC eine wichtige Rolle spielen, wurden in recht groben Zügen im zweiten Kapitel dieser Arbeit wiedergegeben.

Daß es im Rahmen der Ausweitung der sprachlichen Reformen, wie wohl auch schon in ihrem Ursprung, nicht allein um eine Ideologie des freundlichen Zusammenlebens, sondern um Macht ging, wurde in der Ausführung mit herausgestellt, und wird an dieser Stelle noch einmal betont, um damit das lange Fortbestehen der Bewegung und die Übernahme in unterschiedlichste Bereiche zu erklären.

Der Diskriminierung von Minderheiten entgegenzuwirken, Akzeptanz und Integration zu fördern waren erklärte Ziele der PC-Vertreter. Die sprachliche Umwelt sogenannter Opfergruppen sollte freundlicher gestaltet werden und im Endeffekt den real vorherrschenden gesellschaftlichen multikulturellen Verhältnissen, zumindest in den USA, angepaßt werden. Damit sollten bessere Lebensverhältnisse für Minderheitengruppen geschaffen werden. Nicht nur diskriminierende Ausdrücke, sondern der allgemein eurozentrische Sprachgebrauch standen im Zentrum der Kritik der PC-Vertreter – die Sprache stand ihres Erachtens im Widerspruch zu der multikulturellen Gesellschaft. Alte Herrschaftsstrukturen, die sich in der Sprache manifestiert hatten, sollten mittels neuer Sprachverwendungen aufgebrochen werden und aus dem ‚Nebeneinander' auf lange Sicht ein ‚Miteinander' fördern. Anders ausgedrückt lag das Ziel also darin, gesellschaftliche Verhältnisse mittels Sprache zu verändern.

Die sprachkritische Strategie, Sprache normieren zu wollen, sollte die Sprache freundlicher gestalten, von Diskriminierung sowie Vorurteilen befreien und so auch positiv auf das Bewußtsein der Sprecher wirken. Dem wiederum geht die Annahme voraus, daß der Mensch in Sprache denkt.

„Wenn die politische Korrektur der Sprache auf der irrigen Meinung beruht, durch bloße Namensgebung ließen sich die Verhältnisse und sogar die Gefühle der Menschen reformieren, so ist sie vermutlich Teil eines noch größeren, eines säkulären Aberglaubens: der Mensch, das Bewußtsein des Menschen sei Sprache und sonst nichts." (ZIMMER 1997, 178)

Durch den forcierten Sprachwandel bzw. die Veränderung einiger Wörter sollte eine neue Sicht auf verschiedene Gegebenheiten vermittelt und das Bewußtsein der Sprecher geschärft werden. Eine gewisse Sensibilisierung, die im Rahmen der PC-Bewegung erzeugt wurde, ist nicht zu leugnen und muß auch positiv bewertet werden, jedoch ergibt sich aus der in vielen Fällen dogmatischen Einführung bestimmter Wörter das Problem, daß ein Bewußtseinswandel nicht mehr nachvollziehbar ist.

Denn wie will man wissen, ob ein Sprecher seine Überzeugung oder nur sein Sprechen verändert hat. Und wie ZIMMER (1997, 180) schreibt, so wäre der Bewußtseinswandel „nicht die Folge seines Sprachwandels, sondern ginge diesem voraus; war nicht sein Ergebnis, sondern seine Ursache".

Der Sensibilisierung gegenüberzustellen ist allerdings auch die entstandene Unsicherheit in bezug auf den möglichen Wandel neu eingeführter Begrifflichkeiten sowie der subjektivistische Interpretationsspielraum, der den Opfern zugebilligt wurde, womit auch korrektes Sprechen als inkorrekt ausgelegt werden konnte.

Aus dieser Perspektive steht die Sensibilisierung in keinem Verhältnis zu der Einschränkung des natürlichen Sprachverhaltens und der Verletzung der kommunikativen Konventionen. Und fraglich bleibt, wie die Sprecher dadurch letztendlich zu einer positiven Einstellung gegenüber ihren multikulturellen oder ausländischen Mitbürgern kommen sollen. Auch in den Reihen der sogenannten Opfergruppen wurden neue Gruppenbezeichnungen oder Bezeichnungen für Charakteristika nicht vorbehaltlos angenommen.

Mit der neuen Wortwahl sollte die Wirklichkeit aus Sicht der Opfer abgebildet werden, jedoch handelt es sich hierbei oft doch nicht um die Annäherung an korrektere Eigen-, sondern einfach um neue Fremdbezeichnungen, was wiederum zu Ausgrenzung bzw. Diskriminierung innerhalb der Gruppen führen kann.

Wo also die Sprache auf der einen Seite ‚sozialtherapeutisch' wirksam werden kann, diskriminiert sie auf der anderen und spaltet die Gruppen, anstatt sie in sich zu stabilisieren und identitätsstiftend wirksam zu werden.

Das ursprüngliche Problem ist hier allerdings nicht die Fremdbestimmung, sondern die Annahme, daß Worte und Wörter die Wirklichkeitsauffassung einer ganzen Gruppe widerspiegeln könnten bzw. von allen gleich gedeutet werden. Die Maßnahme, kollektive Gruppenbezeichnungen und Bezeichnungen für Gruppencharakteristika zu ändern, ist damit auf Seiten der Minderheiten ebenso auf Ablehnung gestoßen wie bei den Sprechern.

Und in der Realität, d.h. an den Lebenssituationen benachteiligter Gruppen, hat sich dadurch auch nichts geändert. Eher ist die Sprache ihnen gegenüber ‚unehrlich' geworden, da sie sie sprachlich integriert und aufwertet, aber die realen Verhältnisse verschleiert und beschönigt. Allein über die Sprache kann nach MARKOVITS an sich nur ‚äußerlich' eine Integration angenommen werden.

„Schwächere Gruppen, wollen sie in dem ungleichen Gefecht mit Stärkeren überhaupt eine Chance haben, müssen sich zuerst eine Identität schaffen, innere Stärke und Sicherheit entwickeln. Ohne jegliche Form der Absonderung, der Abschottung gegenüber Mehrheiten käme ‚Integration' einem Verschlingen gleich, einer demütigenden Assimilation, die in Sich-Aufgeben und völliger Niederlage münden würde." (MARKOVITS 1994, 999)

Diesen kritischen Positionen ist jedoch zu entgegnen, daß das Ziel der Aufwertung und Integration durch ein besseres (sprachliches) Verhalten nicht nur auf ganze Gruppen gerichtet ist, sondern auch dem Einzelnen gegenüber berücksichtigt werden muß. Aus dieser Position heraus fällt eine Bewertung der Erfolge von PC natürlich anders aus, da ein freundlicher Umgangston faktisch für den Einzelnen verbale Diskriminierung mindert, was durchaus eine positive Wirkung haben kann. GLONING (1996, 43) weist darauf hin, daß bei der Diskussion um „eine sprachliche Verbesserung der ‚Welt' […] oft eine klare Zweiteilung von Sprache und Welt (inklusive der Welt der Überzeugungen) angenommen" wird. Jedoch ist „der herrschende Sprachgebrauch auch ein Teil unserer Lebenswelt." Und

„[f]ür diesen Ausschnitt der Lebenswelt kann man mit Recht sagen: Wer hier den Sprachgebrauch verbessert und Diskriminierung verhindert oder vermindert, hat gleichzeitig auch die herrschenden Zustände verbessert." (GLONING 1996, 43)

Die positive Bewertung kann nur für einen kleinen Ausschnitt der Lebenswelt der Opfer gelten. Betrachtet man die Ziele von PC im Gesamtkontext, d.h. unter Berücksichtigung aller Beteiligten, so konnte eine Integration oder Annäherung zwischen Sprechern und den sogenannten ursprünglichen Opfern nicht bewirkt werden.

„Der zu Beginn der Bewegung propagierte kulturelle Relativismus hat sich in sein Gegenteil verkehrt – in einen Objektivismus, der von einer Freiheit des Diskurses nichts mehr wissen will – die Utopie eines pluralistischen Multikulturalismus ist zur separatistischen Dystopie geworden." (LAMPERT 1995, 256f.)

War die Problemlage angemessen analysiert und die Instrumentalisierung von Sprache der richtige Weg?

„[D]ie neueren Konzepte einer gesellschaftswissenschaftlich begründeten Linguistik kommen, obwohl sie den engen Zusammenhang von Sprache und Gesellschaft betonen, nicht notwenigerweise zu einer positiven Beurteilung sprachlenkender Eingriffe. Das, was sich unter dem Einfluß der gesellschaftlichen Bedingungen entwickelt hat, bekommt gerade deshalb den Anschein einer zumindest systeminternen Funktionalität, die eine Sprachlenkung erübrigt, oder die Sprachlenkung muß – bei gesellschaftkritischer Perspektive – als Eingriff am falschen Ende erscheinen." (DIEKMANN 1980, 509)

Auch wenn im Rahmen der PC-Bewegung nur in gewissem Maße von Sprachlenkung zu sprechen ist, so kann hier jedoch selbst bei seinen abgeschwächten Formen ein Eingriff am falschen Ende konstatiert werden, der sich auf eine falsche bzw. einseitige Zuordnung der Ursache zurückführen läßt.

Diese Erkenntnis zeigt sich mittlerweile auch bei den einst stärksten Verfechtern der PC-Bewegung, wie GUMBRECHT im Januar 1998 in seinem Artikel mit dem Titel „Gegen geistige Belästigung. Das Ende der Political Correctness zeichnet sich ab" darlegt und damit auf eine stetige Auflösung der PC-Bewegung an den Universitäten der Vereinigten Staaten verweist.

Abschließend läßt sich also eher kritisch als positiv zusammenfassen:
1. Mit der Kategorisierung von Sprache in korrekt und inkorrekt wurde die natürliche Funktion von Sprache als Verständigungsmittel verletzt und damit das Kooperationsprinzip mißachtet.
2. Die vermeintliche Sensibilisierung steht in keinem Verhältnis zur entstandenen Unsicherheit im Sprachgebrauch, und der angestrebte Bewußtseinswandel ist durch den forcierten Sprachwandel kaum nachvollziehbar.
3. An realen Verhältnissen hat sich kaum etwas geändert. Und bei dem Versuch der sprachlichen Aufwertung einzelner Opfergruppen sind wiederum neue Opfergruppen auf seiten der Minderheiten wie der Sprecher entstanden.

Der Entwicklung von PC und dem Schluß dieser Arbeit entsprechend liest sich der Titel eines Artikels von SCHENZ, der im März 1999 erschienen ist: „Mädchen sind doof. Wie die ‚Political Correctness' an sich selbst gescheitert ist".

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