Freitag, 5. Januar 2007

Gene und Meme - Biologie und Kultur

Gene sind, einfach gesprochen, die Teile auf unserem Erbmaterial, die ein Protein codieren.
Aber diese Definition greift zu kurz.
Was unter Genen verstanden wird, sind die Fähigkeiten und Beschränkungen, die sich aus im Wege der Fortpflanzung ererbten Eigenschaften ergeben, also das, was sich aus dem Zusammenspiel von Zelle und DNA und dem der Zellen untereinander ergibt.

Meme sind Elemente einer Kultur, die nicht auf genetischem Wege, sondern durch Imitation (Nachahmung) weitergegeben werden. Auf dieser Grundlage entwickelte Susan Blackmore eine Theorie der kulturellen Evolution, in der Meme eine analoge Rolle spielen wie die Gene in der Darwinschen Theorie der biologischen Evolution. Aus dem Wettstreit der Meme um die weiteste Verbreitung lassen sich solche Phänomene wie die Entwicklung des überdimensionierten menschlichen Gehirns, der Entwicklung der Sprache, des Altruismus und des Internet erklären und Erscheinungsformen des menschlichen Bewusstseins ableiten( http://www.bertramkoehler.de/memetik.htm).


Wenn wir uns ein Bild verdeutlichen wollen, das uns den Zusammenhang klar macht, dann betrachten wir mal einen Klavierspieler, der mit diesem Spiel seinen Lebensunterhalt verdienen muss.
Die Klavierbauer sind die Gene.
Die Kompositionen, die er spielt und seine antrainierte Fingerfertigkeit sind die Meme.


Es gibt ein Buch, das sich mit diesem Thema beschäftigt. Ich habe es noch nicht gelesen, will aber die Produktbeschreibung in den Blog stellen.

Das Buch heißt:

Gene, Meme und Gehirne

Produktbeschreibungen
389584988X Soziale Evolution per Nachahmung Gabriel Tarde und die «Memetik»
Sigmund Freud hielt Charles Darwins Hinweis auf unsere weitere Verwandtschaft im Tierreich für eine der ganz grossen Demütigungen der Menschheit – nicht ahnend, dass die Evolutionstheorie in ihrer weiteren Entwicklung weit Demütigenderes bereithalten sollte. Darwin liess uns nämlich wenigstens noch im Glauben, dass es beim berüchtigten «survival of the fittest» letztlich um uns geht, also um das Überleben der Art von Lebewesen, die wir sind. Dies hat sich mit der Genetik gründlich geändert. Die Akteure im evolutionären Drama sind die Gene; wir hingegen sind bloss Staffage, die mehr oder weniger raffinierte Verpackung, in welche sich die DNA verzogen hat, die «Vehikel» bzw. «Überlebensmaschinen» der Gene. Die moderne Version der Evolutionsgeschichte wird aus der «gene's eye perspective» erzählt. Durch diesen Perspektivenwechsel scheint gleichzeitig das Soziale und Kulturelle vollends aus dem evolutionstheoretischen Blickfeld zu rücken. Dass jenseits der Analyse von einigen elementaren Verhaltensdispositionen in der Genetik relativ wenig für das Verständnis von Gesellschaft und Kultur zu gewinnen ist, spricht schon daraus, dass sich das menschliche Genom und die menschliche Gesellschaft bzw. Kultur in ganz unterschiedlichen Tempi entwickeln. Gesellschaft und Kultur haben sich in den letzten zweihundert Jahren vielerorts ganz grundlegend gewandelt; in genetischer Hinsicht dürfte in dieser Zeitspanne hingegen vergleichsweise wenig passiert sein. Dawkins und andere Vor etwas mehr als fünfundzwanzig Jahren hat der Oxforder Zoologe Richard Dawkins einen evolutionären Ansatz für die Sozial- und Kulturwissenschaften angedeutet, den dieser Einwand nicht trifft, weil er Gen und Gesellschaft nicht im Stile der Soziobiologie kurzschliesst. Behauptet wird hier (unter Protest von Evolutionstheoretikern wie Stephen Jay Gould), dass es neben der Evolution der Gene eine zweite, eine schnellere und unabhängig von den Genen laufende Evolution gebe: eine «kulturelle Evolution». Susan Blackmore stellt dieselbige unter dem Titel «Evolution und Meme» kurz und bündig vor (der Aufsatz findet sich in dem Sammelband «Gene, Meme und Gehirne»). «Meme» sind etwas grundsätzlich anderes als Gene, sollen sich aber nach demselben Schema deuten lassen. Auch für die Meme gilt der evolutionstheoretische Dreitakt von Replikation, Variation und Selektion. Meme vermehren sich, anders als Gene, nicht über biologische Vererbung, sondern über Imitation. Wann immer jemand etwas per Imitation von jemand anderem übernimmt – typischerweise sind dies Dinge wie Wörter und Wendungen, Techniken zur Lebensbewältigung, Moden und Melodien –, wird ein Mem repliziert. Der genetischen Mutation entsprechen dabei die Abwandlungen oder Neukombinationen von Memen, wie sie im Prozess der Imitation unweigerlich geschehen. Und schliesslich findet sich auch so etwas wie Selektion im Reich der Meme. Meme stehen nämlich in Konkurrenz zueinander. Sie brauchen, so die Memetiker, zur Replikation den menschlichen Geist – bekanntlich eine knappe Ressource. Hier gilt das Prinzip des «survival of the fittest» – nur wenige der vielen kursierenden Geschichten und Anekdoten bringen es schliesslich zum Grossstadtmythos. Der evolutionstheoretische Perspektivenwechsel wiederholt sich hier in einer «meme's eye perspective» auf die Kultur. Die Akteure seien die Meme – wir, ihre vermeintlichen «Autoren», bloss deren Vehikel. «A scholar ist just a library's way of making another library», meint der Philosoph Daniel Dennett (auch von ihm findet sich ein Aufsatz im genannten Sammelband). Irreführende Analogie Klärungsbedürftig bleibt indes, was Meme überhaupt sind: Was ist es genau, was da repliziert, variiert und selektioniert wird, wenn Menschen etwa Geschichten wie jene von der Spinne in der Yucca-Palme weitererzählen? Offensichtlich geht es nicht um die reine Lautfolge oder dergleichen. Denn beim Eintritt in einen Sprachraum mag eine Geschichte von der Lautfolge her plötzlich ganz anders klingen – trotzdem ist es dasselbe Mem, das sich hier repliziert, so wie das Mem ja auch beim Übergang von gesprochener Sprache in Schrift identisch bleibt. In der Memetik scheint es daher nicht um die Verbreitung von bestimmten Lautfolgen, von Lichtwellenmustern oder anderen «natürlichen Fakten» bzw. rein materiellen Erscheinungen zu gehen. Es geht vielmehr um deren Bedeutung. Daraus erwächst aber ein Einwand, der sich gegen die Orientierung der Memetiker am Vorbild der Genetik richtet. Denn die Bedeutung unserer Kulturerscheinungen verhält sich grundsätzlich anders zu uns, als es unsere Gene tun. Während wir für die Gene tatsächlich bloss so etwas wie die Verpackung sein mögen, existieren die Meme prinzipiell nur in der «subjektiven Perspektive». Bedeutung ist immer Bedeutung für jemanden. Nur im Rahmen bestimmter Konventionen bzw. geistiger Lebensformen haben bestimmte Tintenkleckse und bestimmte Lautfolgen überhaupt die Bedeutung, die sie zu Worten und Sätzen macht. Wer von Memen spricht, kann deshalb nie von denen absehen, für welche diese Meme die Bedeutung haben, welche sie erst zu Memen macht. Eine «objektive» Analyse des Mems, welche vom gegenwärtigen «Vehikel», nämlich uns, abstrahiert – ein memetisches Äquivalent für das Modell des molekularen Aufbaus der DNA sozusagen –, kann es deshalb nicht geben. Im Fall des Mems sind wir nicht blosse «survival machines». Die kulturelle Evolution ist deshalb nicht über den Leisten der biologischen Evolution zu schlagen. Hypnotisierte Hypnotiseure Was bleibt, wenn man die Theorie der Meme von der unglücklichen Orientierung an der Genetik löst? Vor mehr als hundertzehn Jahren, nämlich 1890, erschien das Hauptwerk des französischen Soziologen und Kriminologen Gabriel Tarde, «Die Gesetze der Nachahmung». Es liegt nun erstmals in deutscher Übersetzung vor. Tarde – er schrieb sich als Autor seines Hauptwerks ohne «de», was ihm der Suhrkamp-Verlag nicht hat zugestehen wollen – entwickelt eine Theorie der «Evolution durch Imitation», die zur heutigen Memetik eine Alternative bildet. Unübersehbar sind die Parallelen. Vererbung und Imitation sind für Tarde zwei Formen der «universellen Wiederholung»: Die Imitation ist im Sozialen das, was in der Biologie die Vererbung ist. Zugleich präsentiert Tarde eine einleuchtende Antwort auf die Frage, wie sich denn die Einheiten der Nachahmungen zu unserer subjektiven Perspektive verhalten. Es sind nämlich nach Tarde nicht bloss irgendwelche Symbole bzw. Symbolkomplexe und Praktiken, die sich per Imitation verbreiten. Tarde gräbt tiefer: Gegenstand der Nachahmung sind letztlich unsere Meinungen und Absichten bzw. Wünsche selbst. Die «meme's eye view», so könnte man sagen, fällt mit «unserer» Perspektive zusammen. Dadurch wird Tarde der Tatsache gerecht, dass es bei der «Evolution per Nachahmung» immer direkt auch um «uns» geht – ohne dabei aber beim Subjekt als «Autor» des Kulturellen zu enden. Die Menschen sind nach Tarde – im Normalfall – keineswegs die «Schöpfer» und «Quellen» ihrer Gedanken und Wünsche. Tarde schildert den sozialen Menschen als «Hypnotisierten» bzw. «Magnetisierten», welcher glaubt und wünscht, was auch immer man ihm suggeriert – diese suggerierten Wünsche und Meinungen dabei aber wie selbstverständlich für seine höchsteigenen hält. Nur dadurch, dass wir vom Phänomen der Nachahmung absehen, können wir uns als Herren im Hause unserer Meinungen und Wünsche fühlen. An diese These knüpft sich bei Tarde auch eine Art Aufklärungskritik. Die modernen Menschen glauben, dem «dogmatischen Schlummer» der Hörigkeit entkommen zu sein und die Einsicht an die Stelle des blinden, fremdgesteuerten Gehorsams gesetzt zu haben. Dabei ist in den modernen, demokratischen Gesellschaften bloss der Traum komplizierter geworden, in dem wir alle hängen. Statt uns wie einst einseitig von Autoritäten, den grossen Führerfiguren, hypnotisieren zu lassen, hypnotisieren wir uns jetzt wechselseitig. Nur ein äusseres Anzeichen dafür ist es, wenn das Diktat der Mode an die Stelle der Herrschaft der Tradition getreten ist. Durch diese Erkenntnis des imitativen Charakters unseres Denkens und Wollens hat sich Tarde freilich nicht davon entbinden lassen, gelegentlich auch einmal zum Widerstand gegen eine «ansteckende» Idee im Namen der besseren Einsicht aufzurufen. Im «Selektionismus», einem kruden Sozialdarwinismus, erkannte er so zwar eine «magische Formel, die die Gabe hat, den menschlichen Geist, in den sie eintritt, mit Beschlag zu belegen»; ihre Ausbreitung muss aber nicht einfach hingenommen werden: «Lassen wir uns nicht von ihr verhexen!» KurzbeschreibungDas menschliche Denken und Zusammenleben im Rahmen naturwissenschaftlicher Theorien zu erklären - dieses Ziel haben sich die Beiträger aus verschiedenen Disziplinen (Psychologie, Primatologie, Neurologie und Philosophie) gesetzt. Gegenstand der aktuellen Naturalisierungsdebatte ist die Frage, inwiefern naturwissenschaftliche Theorien, wie die evolutionäre Psychologie, die Meme-Theorie, die Soziobiologie, die Kognitionswissenschaften, die Artifical-Life-Forschung und die Hirnforschung für menschliches Denken und Handeln Erklärungen geben können. Eine Einleitung führt in die allgemeine Fragestellung ein und gibt einen Überblick über die gegenwärtige Naturalisierungsdebatte. Dieser Band bietet einen Überblick einer der zentralen Debatten zwischen Naturwissenschaft und Philosophie. Der Band geht zurück auf eine Vortragsreihe, die das Forschungskolleg "Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel" 2001 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main veranstaltet hat.

Keine Kommentare: