Montag, 22. Januar 2007

Feminismus ist, wenn man trotzdem lacht

Feminismus ist, wenn man trotzdem lacht

Von Pascale Hugues

Dieser Hügel, begrüßt mich das Buch, das bei meiner Ankunft in Cadenabbia auf dem Nachttisch liegt, hat Stendhal inspiriert bei seiner Beschreibung der Domäne des Marquis Del Dongo in der „Kartause von Parma“. Ein Jahrhundert später machte der steife Adenauer die Villa La Collina zu seiner bevorzugten Sommerfrische.
Und so entdecke ich plötzlich an dem Alten, für dessen Glück ich bisher die provinzielle Bescheidenheit des Bungalows in Rhöndorf hielt, eine Ader für den Luxus und die Üppigkeiten des Südens, die die schamhaften und arbeitsamen Deutschen der Nachkriegszeit unterdrückt hatten. Das ist, als verlören die edlen Rosen seines Gartens am Rhein plötzlich an Pracht gegenüber der überquellenden Sinnlichkeit der blauen Hortensien am Comer See. Der Kanzler verzichtete beim Boccia in Hemd und Krawatte sogar aufs Jackett, bekam den Hauch eines Libertins, eines Casanova. So weit hat Italien ihn gebracht.

Meine französischen Freunde sehen in meiner Begeisterung für Italien ein beunruhigendes Symptom meiner endgültigen Germanisierung. Je mehr die Deutschen für Italien schwärmen, umso deutscher wirken sie. Die Orte der Vergötterung sind bekannt: die Toskana-Fraktion, der Italiener um die Ecke, wo man dem kleinen haarigen Chef leutselig auf die Schulter klopft, der unerträgliche Rucola, mit dem alle Platten und Desserts gegen jede Küchenregel verziert werden, das Klischee vom Latin Lover oder der Mama als kleiner tyrannischer Königin eines Landes, das Kinder vergöttert und todschicke, wenn auch unbequeme Schuhe produziert. Italien als ein Fantasma, das die Deutschen von sich selbst befreit, das ihnen etwas Frivolität erlaubt. Wer könnte diesem Charme widerstehen?

Letztes Wochenende in der Villa La Collina habe ich erstmals Deutsche getroffen, die sich von der italienischen Leichtigkeit nicht bestechen ließen: bei einem Kolloquium über „Frauen und Kultur“, drei Tage Feminismus unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Dienste einer gründlichen Auseinandersetzung über das harte Frauen-Dasein.
Diese Villa, erinnerte mich das englische Zimmermädchen sadistisch, ist ein magischer Ort, wie geschaffen für Verliebte. Doch kein Latin Lover ließ sich sehen. Die maskuline Präsenz während der ausschweifenden Debatten über den „gender mainstream“ beschränkte sich auf zwei Bulldoggen, die in der unerträglichen Hitze hechelten. Eine besonders einfallsreiche Militante fand zum Glück eine befriedigende Erklärung für die erdrückende maskuline Dominanz im literarischen Schaffen: Ist doch kein Wunder, dass Männer so viel geschrieben haben! In all ihren Romanen schwärmen sie von Frauen. Armer Stendhal . . .

Eines bin ich bereit zu schwören, nach dieser anachronistischen Expedition in den deutschen Geschlechterkampf: Meine Ferien verbringe ich diesmal an der Nordsee, weit weg vom Comer See und von deutschen Sufragetten.

Die Autorin schreibt für das französische Magazin „Le Point“. Foto: privat

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