Donnerstag, 29. März 2007

Joachim Kardinal Meisner - Predigt

Joachim Kardinal Meisner
Predigt am Sylvesterabend 2002 im Hohen Dom zu Köln


Liebe Brüder, liebe Schwestern!
Der gesamten Menschheit - unabhängig davon welchen Religionen, Traditionen und Entwicklungen die einzelnen
Völker angehören - hat der Schöpfer Gott ein unwahrscheinliches Geschenk gemacht, das in seiner
Werthaftigkeit gar nicht zu überschätzen ist: Ehe und Familie. Gerade diese beiden Werte lassen etwas von
der gemeinsamen Herkunft aller Menschen aus der einen Hand Gottes erkennen. Wenn die Welt heute klein
geworden ist, sodass wir von einer Multikulturalität sprechen, die mittlerweile zur Normalität geworden ist,
dann suchen die Menschen mit Recht nach einem gemeinsamen Nenner. Dieser gemeinsame Nenner, zu dem
alle Menschen einen Zugang haben, heißt "Ehe und Familie". Das sind die beiden Segensworte, die unserer
Gesellschaft wieder eine Wende zum Positiven bringen können und sollen.
Die stärkste religiöse Erfahrung, die von jedem gemacht werden kann, ist die Vaterschaft oder die Mutterschaft.
Gott ist Vater. Es gibt kein Mittel zur Vergöttlichung des Menschen, es sei denn, man wird Mutter
oder Vater. Das einzige Mittel, Gott ähnlich zu werden, ist, dass man Mutter oder Vater wird, wobei Mutterschaft
und Vaterschaft nicht in erster Linie biologische Kategorien sind, sondern geistliche. Selbst wenn man
ins Kloster eintritt, nennt man den Mönch "Pater, Vater" und die Schwester "Mater, Mutter". Auch der Weltpriester
wird in fast allen Sprachen als "Vater" bezeichnet. Diejenige aber, die nicht Mutter und derjenige, der
nicht Vater werden will, fällt aus dem Plane Gottes für die Welt heraus. Solche Menschen stellen Dinge her,
die ihnen dienen. Sie erwerben Gegenstände, die ihnen gehören. Mütter oder Väter dagegen sind wesentlich
Menschen, die unbefangen wollen, dass es andere Menschen gibt, denen sie ihr Dasein und ihre Freude am
Leben mitteilen, die sie mit ihrem Leben lebendig und mit ihrer Freude froh machen, denen sie die Lust und
Freude an ihrem Leben vermitteln, damit sie dann ihrerseits Mutter und Vater werden, wenn sie dazu reif
werden. Sie schenken damit ihren Kindern die Möglichkeit, Mutter und Vater zu werden, wenn die Reihe an
ihnen ist.

http://www.erzbistum-koeln.de/export/sites/erzbistum/erzbistum/erzbischof/_dokumente/category_a/subcategory_1/jcm_pr_02silvester.pdf

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