Samstag, 10. März 2007

Der Geist der Welt (geschrieben von Nick)

Man muss das Rad nicht ständig neu erfinden. Darum danke ich Nick aus dem Forum Feminismuskritik, dass er mir gestattet hat, einige seiner Postings in meinen Blog zu übernehmen.

Der folgende, von Nick verfasste Text, befasst sich mit dem Zeitgeist und wie er entsteht und was hinter ihm stehen könnte.
Ich halte die Darstellung des Themas für brilliant und ich bin erstaunt über das intellektuell hohe Niveau, in welchem im Forum Feminismuskritik diskutiert wird.

Quelle: http://www.feminismuskritik.de/forum/phpBB2/viewtopic.php?t=1443

Verfasst am: 26.02.2007, 10:28 Titel: Re: Wem nützts?

Lieber Max!

Max hat Folgendes geschrieben:
Die Zustände dienen allein dem
Selbsterhalt und der materiellen Absicherung einer parasitären politischen
Klasse samt ihres verbeamteten Schutzwalles.Mal unterstellt, das sei zutreffend,
so griffe es gleichwohl zu kurz, ginge nicht tief genug, bliebe noch zu nah an
der Oberfläche.

Empirisch könnte man nämlich z.B. darauf verweisen, daß die politische Klasse in Wirklichkeit gar nicht so besonders viel Geld verdient. Mehr als du und ich, das schon, aber das große Geld läßt sich dort eben nicht verdienen. Das macht stutzig, oder? Ab und an wird mal einer von ihnen erwischt beim Schummeln mit Bonusmeilen oder ähnlichem Kleinkram, oder man weist ihm nach, daß er 10.000 Euro nicht ordnungsgemäß als Parteispende gemeldet hat. Mal ehrlich, Max, "Herrschende" wären mit solchen Peanuts doch wohl bestimmt nicht vom Pferd zu schmeißen, oder? Wenn die Politiker tatsächlich herrschen würden, dann würden sie nicht so erbärmlich schummeln, schon gar nicht wegen solcher Summen, sondern würden sich halt nehmen von dem, über was sie ja schließlich herrschen. Und einen Kritiker, der ihnen wegen irgendwelcher Bonusmeilen daherkäme, den würde ein Herrscher, so er denn einer wäre, kurz mal anherrschen, und gut wär's. Ist aber nicht so. Warum? Wenn das demnach erkennbar nicht stimmen kann mit der politischen Klasse und daß es um sie ginge und daß sie besonders viel zu sagen hätte, muß man neu überlegen.

Ich rege an, die Gültigkeit aller gängigen Erklärungen einmal für eine Weile beiseite zu lassen, nur rein hypothetisch natürlich, damit man notfalls was zum Festhalten in Griffnähe hat, wenn einem schwindelig wird, und dann zu sehen, ob es vielleicht tiefere Erklärungen gibt.

Ein erster Schritt könnte zum Beispiel darin bestehen, sich zu fragen, ob man sich "die parasitäre politische Klasse samt ihrem verbeamteten Schutzwall" überhaupt anders vorstellen kann, denn als 'herrschend'? Geht das überhaupt, wenigstens im Prinzip? Und wie ginge das dann zum Beispiel? Vielleicht herrschen die ja gar nicht wirklich, sondern sind selbst bloß armselige Büttel, die sich für ein paar Euro mehr und um des Ruhmes der Welt willen (der bekanntlich zum Flüchtigsten in der Welt überhaupt gehört) grotesk verbiegen und dabei mehr Sachzwängen unterliegen, als sie je im Leben erzeugen könnten? Ich denke tatsächlich, daß es sich genau so verhält.
Aber wer herrscht dann?

"Die Reichen", lautet für gewöhnlich die nächste Antwort. Aber die Reichen sind meistens froh darüber, daß sie halt reich sind, möchten sich also vor allem über ihr Frohsein über ihren Reichtum freuen und haben deshalb in aller Regel ausgesprochen wenig Neigung, sich mit der ganzen, lästigen Herrscharbeit abzuplagen, die das Herrschen ja nun mal mit sich bringt.
Sie nehmen Einfluß, natürlich, kaufen sich Leute, die für sie dies und das erledigen sollen, unterhalten Lobbyisten usw. - aber herrschen?

Wenn's die politische Klasse nicht ist, auch ihre emsigen Hornissen und Iltisse nicht (die zwar im Gefühl schwelgen, sie hätten die Politiker in der Hand, indem sie sie ideologischen Zwängen und Abhängigkeiten aussetzen, die aber diesen Ideologien und ihren Zwängen eben auch selbst unterliegen), sogar die Reichen nicht und das Volk sowieso nicht: Wer herrscht dann eigentlich?

Tja, und hier wird es jetzt eben metaphysisch. Ich hatte in meinem Posting weiter oben mit Bedacht von "geistiger Macht" und "metaphysischen Triebkräften" gesprochen. Was kann man sich darunter vorstellen? Schwefelschwaden, einen Pferdefuß und Hörner am Kopf? Wohl eher nicht. Aber vielleicht gibt es dieses komische Bild, das jedem geläufig ist, ja nur deshalb, damit jeder als albern weit von sich weisen und von seinen weiteren Erwägungen ausschließen möge, was in Wahrheit sorgfältiger zu bedenken wäre?

Die Sozen und Kommis behaupten, daß "das Kapital" herrsche, und meinen damit nicht einfach "die Reichen", sondern ein überindividuelles Prinzip. Ihr Chefideologe Karl Marx, der sich das ausgedacht hat, hat diesem Prinzip und seiner Erforschung die Arbeit eines ganzen Lebens gewidmet und dabei manches herausgefunden, was neben all seinen gnadenlosen Irrtümern und ideologischen Wahnvorstellungen bis heute bedenkenswert ist.

Marx, obwohl er ja Materialist ist und folglich die Lösung aller Fragen grundsätzlich im Diesseits sucht, also in der einzigen Welt, die es seiner Ansicht nach gibt, spricht oft in einer Weise über das Kapital, wie man über metaphysische Phänomene redet. Das fand ich schon immer sehr eigenartig. Über diesen merkwürdigen Widerspruch zwischen Marx' materialistischer Weltanschauung und seiner metaphysischen Denk- und Redeweise über das Kapital habe ich oft nachgedacht.

Da paßt nämlich etwas Entscheidendes einfach nicht zusammen. Ich lasse jetzt natürlich so gut wie alles weg, was sich dazu sagen ließe, sondern konzentriere mich auf ein oder zwei Beispiele, um anzudeuten, was ich meine.

Marx spricht zum Beispiel zutreffend vom "Fetischcharakter der Ware" und meint damit, daß die kapitalistische Warenproduktion und ihr konkret faßbares Ergebnis - Waren eben - Eigenschaften aufwiesen, die in diesen Waren selbst gar nicht zu finden sind (nämlich einen Tauschwert zu besitzen).

Komische Idee eigentlich, für einen radikalen Materialisten, finde ich. Das Kapital, so erkannte er, sei ein gesellschaftliches Verhältnis unter Menschen, das sich aber hinter ihrem eigenen Rücken vollzöge. Die Kapitalisten, sagt er, täten dauernd etwas, was sie in Wahrheit überhaupt nicht durchschauen, begreifen und verstehen könnten. Auch das ist eine sehr merkwürdige Auffassung für einen Materialisten, für den es doch nichts Geistiges gibt, was nicht materiellen Ursprungs wäre.

Marx hat das natürlich auch gemerkt und sich sein Leben lang bemüht, ja sogar den Großteil seiner Arbeit darauf verwandt, dieses Phänomen materialistisch zu erklären. Er war fest davon überzeugt, daß ihm dies gelungen sei, kam aber in Wirklichkeit bloß zu weiteren, noch metaphysischeren Begriffen (die die arme Nachwelt dann leider über hundert Jahre lang sehr geplagt und ungeheure Verwüstungen angerichtet haben), zum Beispiel zum Begriff der "Klasse", welche angeblich als Trägerin von objektiven Eigenschaften und einem kollektiven, überpersonalen Willen eigentliches historisches Subjekt und Akteurin im Klassenkampf sei, welch letzterer das Wesen der Geschichte darstelle.

Aber der Klassenbegriff ist nun mal ein metaphysischer Begriff! Erst recht ihr angeblich objektiver, kollektiver Wille. "Klassen" gibt es nur in der Vorstellung, als ideologisches (also geistiges) Konstrukt, nicht aber als materiell-konkret gegebene Wirklichkeit (wie Steine oder Regen oder Wolken oder meinetwegen auch eine Schulklasse... usw.). Wer ist es also, der etwas "will", wenn ein Kollektiv - vermeintlich oder wirklich - etwas will?

Obwohl Marx sich sein Leben lang verrenkt hat, dies so lange zurechtzubiegen, bis es seiner Ansicht nach angeblich "rein materialistisch" begründet war, geht es hier um Geist, der, da er niemandes persönlicher Geist ist, transzendenten Ursprungs sein muß.

Marx hat das Klassenbewußtsein in Wahrheit also nicht materialistisch, sondern metaphysisch begründet und folgerichtig am Ende eine Lehre hinterlassen, die eben nicht wissenschaftlich war, sondern pure Ideologie, und deswegen auch bloß in Form einer verdrehten Pseudoreligion fortbestehen konnte, in der man halt glaubt, weil man in Wahrheit nichts über den Gegenstand weiß.

Aber wer "weiß" dann?

Wer ist Träger des Willens einer Menschenmenge - eines Willens, den es ja fraglos gibt?

Der Marxismus ist für mich nicht zuletzt deshalb eine besonders komische Idee, weil er zwar reine (verkehrte) Metaphysik ist, sich aber bis zu seiner Beerdigung trotzig und tief gekränkt geweigert hat, sich selbst als solche wahrzunehmen, also als das, was er tatsächlich ist, sondern bis zur Absurdität unerbittlich an seiner vermeintlichen "Wissenschaftlichkeit" und seinem "Materialismus" festgehalten hat. Dafür wurden bekanntlich sogar Gulags mit vielen, praktischen Genickschußanlagen gebaut, damit die Menschen dort gegen jede Vernunft und Evidenz feste etwas glauben lernten, von dem sie wußten, daß sie es nicht wußten, aber zu glauben hatten, daß sie es eben doch wüßten, sogar besser noch als irgend jemand sonst auf der Welt. Und wenn nicht sie persönlich, so doch wenigstens und auf jeden Fall die Partei. Auch wenn sie das in Wahrheit gar nicht glaubten, weil man es einfach nicht glauben kann, hatten sie gefälligst zu wissen, daß die Partei immer recht hat, weil sie ja alles wissenschaftlich erforscht. Nicht zuletzt dieser inneren Absurditäten wegen wurde der Kommunismus am Ende derart zügig und hastig beerdigt.

Marx hat ein weltweites Inferno sondergleichen entfacht, in dem für seine atheistische Religion (Widerspruch in sich, ich weiß, aber dafür kann ich nichts) Hekatomben von Menschen umgebracht, alle tragenden Strukturen von menschlicher Gemeinschaft eingerissen und jegliches Zutrauen in den Sinn menschlichen Lebens zermalmt und zunichte gemacht wurden. Marx' Ideologie hat eine sagenhaft trostlose Ödnis hinterlassen, nicht nur äußerlich sichtbar in den architektonischen und landschaftlichen Ruinen, die überall zwischen Elbe und Wladiwostok herumstehen, sondern vor allem in den Seelen der Menschen, zu deren Beglückung er sie ersonnen hatte.

Gleichwohl, wenn man Marx, der meinte, Hegel vom Kopf auf die Füße gestellt zu haben, zur Strafe dafür statt am Halse an den Füßen aufhängt und schaut, was dabei aus seinen Taschen herausfällt, dann kann man m.E. durchaus etwas darüber lernen, was "Herrschaft" im Kapitalismus bedeuten könnte. Bloß muß man die Sache halt nicht materialistisch auffassen, wie Marx irrtümlich meinte, es tun zu müssen - und noch irrtümlicher meinte, es tatsächlich zu tun - sondern man muß es metaphysisch auffassen.

Kapitalakkumulation bedeutet Machtakkumulation. Es geht nicht um Geld, nicht darum, möglichst reich zu sein, sondern es geht um kalte, anonyme Macht über Menschen, d.h. um die Fähigkeit, sie zu Dingen zu zwingen, die sie freiwillig nicht täten und sie in Lebensumstände zu pressen, die sie niemals aufsuchen würden - wäre da eben nicht diese Macht, die sie dazu zwingt.

Marx hatte genau erkannt, daß diese Macht des Kapitals kein konkretes, individuell faßbares Subjekt besitzen kann, also keine personifizierten Machthaber. Er mußte ja gerade deshalb mit seinen metaphysischen Konstruktionen versuchen, es irgendwie in der materiellen Welt zu halten, um es dort zu erklären. Eine andere als diese materielle Welt gab es für ihn ja nicht. Marx versuchte es dadurch, daß er der menschlichen Gesellschaft, verstanden als einander antagonistisch gegenüberstehende Kollektive ohne Transzendenz, objektive Kollektiveigenschaften und überindividuelle Willensfähigkeit zusprach. Daß und warum das schiefgehen mußte, habe ich gerade kurz angedeutet.

Hier geht es mir nur noch um jenes überindividuelle, geistige Prinzip, das eben keinen individuellen, konkreten "Herrscher" benötigt, um zu herrschen. Das hat Marx, wie gesagt, im Prinzip richtig durchschaut und ausführlich analysiert, auch wenn seine metaphysische Konstruktion der Klassen als Träger von verdinglichter Herrschaft schlicht eine grottenverkehrte Analyse war, an deren abziehenden Gewitterfronten wir bis heute leiden (Stichwort linke Soziologie).

Ich als Christ identifiziere jene Macht, die Marx dem Kollektiv einer Klasse als materiell gegebene, ihr aber nicht bewußte Eigenschaft zusprach, natürlich als transzendentes, geistiges Prinzip und siedle es jenseits unserer materiell faßbaren Welt an. Mir ist bewußt, wie fern ein solcher Gedanke den porentief materialistisch gewaschenen Gehirnen heutiger Menschen, zumal im atheistischen Europa, erscheinen muß, aber ich habe gute Gründe.

Ich behaupte nämlich, daß diese Sicht ungleich erklärungsmächtiger ist, als die heute geläufigen, materialistischen und soziologischen Weltbilder. Sie vermag Zusammenhänge aufzuzeigen und zu deuten, die uns ansonsten völlig unklar und unverständlich erscheinen.

Ich habe hier immer wieder mal von der "Großen Maschine" gesprochen, die die Menschen unterwerfe und versklave. Ich habe natürlich den Kapitalismus gemeint, diesen Begriff bis jetzt jedoch immer bewußt vermieden. Warum?

Weil der Begriff mit Assoziationen, die aus dem Verwesungsprozeß der Marx'schen Ideologie herrühren, derart besetzt ist, daß es unmöglich wäre, dem atheistischen Materialismus eine Sicht entgegenzustellen, die explizit geistig ist, wenn man dabei ausgerechnet diesen besetzten Begriff verwenden wollte. Die Leute meinen dann, sie wüßten, wovon die Rede ist, aber eben deswegen würde ihnen um so gewisser entgehen, was ich tatsächlich meine.

Die metaphysische Frage, die Marx aufgeworfen, aber systematisch verkannt hat, lautet also: "Wer hat die letzte Macht im Kapitalismus? Wo befindet sich jener Geist, der etwas bestimmtes will und es mit Macht durchführt? Auch Marx sprach ja vom "ideellen Gesamtkapitalisten". Aber wo ist der, bzw. wo findet der zu seiner Bewußtheit? "Die Klasse" kann es nicht sein, weil auch das ein Kollektivgeist wäre - also nicht von dieser Welt. Was ist jene 'Große Maschine', als geistiges Prinzip aufgefaßt, die alles ihren Interessen unterzuordnen vermag und derart mächtig ist, dabei den Willen praktisch der ganzen Menschheit ausschalten zu können? Wie kommt es dazu, daß sich Menschen der Maschine zuliebe mit Begeisterung zu ihrem eigenen Schaden verhalten und sogar lieber komplett meschugge werden, als dieses an sich sehr einfache, triviale Phänomen, das für Außenstehende sofort ins Auge springt einzusehen? Welcher Wille ersetzt da kollektiv den Willen der einzelnen, befallenen Menschen, schaltet sie gewissermaßen gleich und zerstört sie?"

Wenn ich den Begriff der "Großen Maschine" verwende, dann auch deswegen, weil das kein Abstraktum ist wie der Begriff 'Kapitalismus', sondern gewissermaßen ein Subjekt aussagt, dem geistige Macht und gezielte Absichten unterstellt werden. Die Verwendung eines Abstraktums schließt dies natürlich begrifflich bereits aus - was m.E. in die Irre führt und den wahren Sachverhalt verschleiert. Ich unterstelle, daß es eine mit Willen und Einfluß auf den Menschen ausgestattete, geistige Macht gibt, die dem Menschen von Grund auf feindlich gesonnen ist und ihn mit allen Mitteln rückgängig machen, ihn also ins Unheil führen und vernichten möchte. Theologisch ist dies das Bild der Schlange im Paradies, die den Sündenfall bewirkt. Man versuche, diesen Gedanken abstrakt und gegenstandslos aufzufassen, frei zum Beispiel von medialen Bildern aus Hollywood-Schockern und dergleichen, sondern rein geistig als einen körperlosen Willen, der nicht der eigene ist, aber Einfluß auf diesen zu nehmen versucht. Wenn man gedankliche Probleme mit der Idee eines körperlosen Einflusses hat, dann kann man sich hilfsweise ein Fernsehgerät vorstellen, das ja auch nichts Stoffliches aus dem Äther empfängt, aber ohne Zweifel einen mächtigen Einfluß auf die Menschen ausübt, die sich vor ihm versammeln. Der größte Erfolg des Teufels, so hat mal jemand salopp formuliert, bestünde darin, die Menschen glauben zu machen, es gebe ihn gar nicht.

Die rationalistische Abwehr gegen den Gedanken des Bösen als metaphysischem Prinzip ist nicht rational, so behaupte ich, sondern irrational, ein weltanschauliches Vorurteil, das Erkenntnis und Einsicht nicht fördert, sondern sie verhindert und vieles unerklärlich und zusammenhanglos erscheinen läßt, was in Wahrheit recht einfach begriffen werden kann, wenn man das dahinterliegende, gemeinsame Prinzip erkennt.

Zum Beispiel die Ausgangsfrage, was eigentlich der Begriff "Herrschaft" für eine Bedeutung haben soll, wenn man einfach keinen findet, der diese Herrschaft ausübt. Oder warum Menschen im Kollektiv sehenden Auges gegen sich selbst handeln, zum Beispiel mit Inbrunst und wie besessen an verrückteste Ideologien glauben, deren fürchterlich Folgen jedem unvoreingenommenen Beobachter, der sich außerhalb der Situation befindet, sofort mit unmittelbarer Evidenz ins Auge springen - nur den Anhängern selbst nicht. Warum waren die "Heil!" brüllenden Massen unfähig zu bemerken, was sie da für einen Unsinn brüllen? Was für Emotionen waren das, die da entfesselt wurden? Die der brüllenden Individuen? Offenbar nicht. Wessen dann?

Beispiel Feminismus: Was bringt Weiber dazu, fanatisch und verbohrt an eine völlig durchgeknallte Ideologie zu glauben, die sie selbst und höchstpersönlich all dessen, was ihr Wesen ausmacht, ihrer Weiblichkeit nämlich, beraubt und sie zu einsamen, verzweifelten, verbogenen, neurotischen, todunglücklichen Menschen erniedrigt?
Was bringt sie dazu, ihre eigenen Kinder aus nichtigsten Gründen zu Abermillionen durch Abtreibung umzubringen?
Warum geben sie ihre Kinder in Krippen, obwohl sie, wenn man umfragt, das einzeln und konkret eigentlich gar nicht wollen? Warum fordert trotzdem wie auf Kommando ein ganzes Volk auf einmal Krippen für Babies und schnallt auf einmal nicht mehr, wie menschenfeindlich und widernatürlich das ist? Wie kommt es, daß sich keine einzige Stimme über die äußert, für die diese Krippen angeblich da sein sollen: über die Kinder? Und keinem fällt dies auf! Obwohl es jedem und sofort ins Auge springen müßte! Warum tut es das nicht? Warum finden es schlagartig alle völlig normal, "Vereinbarkeit von Beruf und Baby" kollektiv als ihren ureigensten Wunsch zu empfinden, obwohl sie, wenn man sie privat und einzeln danach fragt, die Idee einfach grausig finden? Usw. usf.

Beispiel Männer: Was hat Männer dazu gebracht, begeistert, willenlos und fanatisiert in ihren eigenen, so gut wie sicheren Tod zu ziehen, obwohl nichts und niemand sie oder die Ihren bedrohte? Die Deutschen lebten zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem großen, reichen, wohlgeordneten Land, in dem es keine nennenswerten Konflikte gab. Das private Leben der Mehrzahl der Menschen war von kaum etwas weiter weg entfernt, als von Unglück und Elend. Was hat deutsche, englische, französische usw. Männer trotzdem dazu gebracht, mit Jubel und euphorischer Begeisterung (auf allen Seiten!) in den ersten Weltkrieg zu ziehen? Was hat sie dazu gebracht, als nach kurzer Zeit der Stellungskrieg eintrat, geduldig wie die Lämmer von 1914 bis 1918 sich im Schlamm der Gräben gegenüber zu liegen und einander Tag um Tag mit mörderischen Graten, Gasschwaden und MG's niederzumetzeln? Vier Jahre lang! Vollbewaffnet! Man hätte diese Waffen schließlich auch auf allen Seiten leicht gegen die militärische Führung umdrehen können, um dem Bruder, der quasi in Rufweite gegenüberlag und den man z.T. mit der Zeit sozusagen persönlich kannte, die Hand zu reichen. Warum geschah das nicht (von singulären Phänomenen abgesehen)? Ich meine jetzt nicht bloß das Faktische, sondern einfach die Vorstellung, soweit eine solche dahingegangen wäre, sie auch konkret umsetzen zu wollen? Warum sind nur wenige Jahre später Männer erneut zu Millionen ergeben in den Tod gegangen? Da fehlte die Begeisterung von 1914 zwar, aber man ging eben und meinte meistens, das müsse halt so sein. Nach dem Warum hat man so gut wie nie gefragt. Warum? Warum kämpfte man bis zum Ende wie apathisch in gespenstischen Ruinen für einen Endsieg, über dessen Absurdität nach Stalingrad jeder vernünftig denkende Mensch nicht im Zweifel sein konnte? Warum konnten die Männer in Deutschland geschlossen dafür instrumentalisiert werden, ihr eigenes Vaterland in den totalen Untergang zu jagen, obwohl natürlich jeder das Gegenteil wollte, aber dennoch bis zum Ende weitermachte? Ist es ausreichend, dafür individuelle, menschliche Täter auszumachen, die dann an allem schuld sind und die Katastrophe erklären? Verbrecher, die eben jedem mit Gewalt gedroht haben, die Diktatur, die Nazis, der Kaiser usw.? Es reicht natürlich nicht aus! Denn selbst wenn man mal kurz die Frage ausblendet, warum sich ganze Völker ohne größeres Murren überhaupt solchen fremden Willen kollektiv unterwerfen, steht daneben die Frage, was "die Bösen, die an allem schuld sind", nun eigentlich so böse und zu fanatischen Exekutoren derart offensichtlichen Widersinns gemacht hat.

Man kann viele soziokulturelle Gründe benennen, warum sich Weiber gegen ihre Weiblichkeit wenden, ihre Kinder abtreiben, ihre Ehen verlassen, feministisch werden, sich angeblich wie wahnsinnig über den Job bei Aldi freuen, den sie jetzt endlich auch ganz freiwillig machen dürfen usw.: man kann Kampagnen, Gesetzesänderungen, Medien und, und, und... bei allerlei Untaten und Manipulationen ertappen. Aber erklärt das, daß sich überall auf der Welt zeitgleich die Weiber so verhalten, wie sie es nie zuvor getan haben?

Am "Glück" kann's nicht liegen. Oder kennt jemand eine glückliche Emanze? Eben.

Also was bringt sie dazu? Nicht einzelne Irre, sondern mehrheitlich und auf einmal und überall in der westlichen Welt? Worauf ich hinaus will: Ist es nicht mit den Händen zu greifen, daß bei solchen kollektiven Phänomenen mehr wirkt, als "soziologisch leicht zu erklärende Prozesse"? Was ist das eigentlich: Kollektivismus? Wo kommt der her? Wer denkt da was und warum? Wer ist Träger von kollektiven Ideen, die sich ja schließlich keiner extra ausgetüftelt hat? Was wirkt da auf den Geist des Menschen ein? Woher kommen dann unsere Gedanken, Stimmungen und Einfälle, unsere Ideen und Ideologien, all unsere plötzlichen und massenhaften Kollektivüberzeugtheiten?

Was ist das eigentlich: "Der Geist der Zeit"? Hat ihn sich jemand ausgedacht? Wer? Und wie schafft er es hernach, ihn manchmal nur binnen Wochen allen bekannt zu machen und sie dafür zu entflammen? Hat man denn schon mal einen Menschen dabei erwischt, wie er "Zeitgeit erfunden" hat und wie er ihn dann heimlich zum massenhaften Zünden gebracht hat? Ich meine jetzt jenen "Allerersten", der es sich angeblich ausgetüftelt hat. Natürlich gibt es den nicht! Aber woher kommt das dann? Diese Frage muß man entweder beantworten können - oder man muß zugeben, daß man es eben nicht weiß.

Was geschah zum Beispiel 1968? Das fand schließlich auf der ganzen Welt statt, zeitgleich und fast abrupt aus dem Nichts heraus. Klar, da werden immer die stereotypen Schlagworte genannt: Vietnamkrieg, Flowerpower, Rolling Stones etc. pp. Aber warum auf einmal Rolling Stones? Haben sich die Rolling Stones 68 ausgedacht? Natürlich nicht. Aber wer dann? "Der Zeitgeist war eben so!" Ja klar, aber die Frage war ja gerade, was das ist, der "Zeitgeist". "Zeitgeist ist halt Zeitgeist", erklärt nun mal genau nichts. Zum Schluß weg von solchen kollektiven Phänomenen und zu unseren persönlichen, inneren Prozessen: Woher kommen unsere Stimmungen und Gefühle? Warum kann sich das ändern, ohne daß wir ganz selbstverständlich wissen, warum es das tut? Es sind doch schließlich wir selbst, oder nicht? Woher kommt eigentlich das, was wir denken? Was ist "mein Bewußtsein"? Wer will etwas, wenn ich etwas will? Wer ist das? Und warum will er es? Wie gewiß sind wir uns denn eigentlich, daß der Grund für unser jeweiliges Handeln, falls wir denn einen solchen Grund introspektiv erfassen, auch tatsächlich der Grund für diese Handlung ist?

Die Neurowissenschaften haben inzwischen längst gesichert, daß es so, wie wir es innerlich erleben, gar nicht abläuft. Oft scheint die Absicht der Tat nachgerade zu folgen, obwohl wir es innerlich evident so erleben, daß die Tat eine Folge unserer entsprechenden Absicht war. Wir kann das sein? Wer "will" dann denn eigentlich? Wer "beschließt" denn dann, daß er etwas tun will? Wer ist also, kurz gefragt, überhaupt dieses "Ich", das uns doch näher ist, als irgend etwas sonst?

Ich lasse die in letzter Zeit geläufig gewordenen Spekulationen und Theorien über diese, unser gewöhnliches Ich-Verständnis tief erschütternde Frage absichtlich beiseite, um einen Raum für's Staunen freizulassen, das man angesichts solcher Einsichten ja unwillkürlich empfindet... bevor man es dann freilich meist so geschwind wie möglich mit irgendwelchen gerade geläufigen "Erklärungen" zudeckt und mit dem Staunen wieder aufhört. Deshalb gibt es ja überhaupt "Erklärungen": damit man nicht mehr staunen muß. Denn Staunen kann anstrengend sein und läßt nichts, wie es ist. Das Staunenswerte bei allen "Erklärungen" aber ist, daß sie, wenn man nur lange genug weiterfragt, genau gar nichts erklären. Kleine Kinder sind da viel klüger, als viele Erwachsenen, wenn sie endlos weiter "Warum?" fragen. Klüger sind sie deswegen, weil sie noch spüren, daß es keine letzten Erklärungen geben kann und man deshalb endlos mit diesem "Warum?" weitermachen darf, wo es doch so ungeheuer viel Freude bereitet... Wenn ich nun zur Ausgangsfrage zurückkehre, wer eigentlich "herrscht", und wieso die ganze Welt wieder mal kollektiv den Verstand verliert, dann, denke ich, könnte sich jetzt andeuten, daß dies eben nicht allein, vielleicht nicht einmal so besonders, eine politische Frage zu sein braucht, sondern weitergehende Implikationen haben könnte. Wenn das stimmt, dann könnte das "Herrschen" davon abhängen, welchem geistigen Prinzip jemand vertraut und es hereinbittet und welchem nicht. In dem, was wir als "Ich" erleben, gibt es ja offenbar Anteile, die wir für gewöhnlich nicht unter dem Begriff Ich wahrzunehmen gewohnt sind. Ob das Volk - das sind schließlich wir selbst! - eine totalitäre Herrschaft verdient? Diese Frage verneine ich klipp und klar. Es könnte trotzdem eine bekommen. Aber das muß eben nicht unbedingt so sein. Es hängt jedenfalls nicht nur von "denen da oben" ab.

Max hat Folgendes geschrieben:
Vom Geist des Grundgesetzes ist nichts mehr
übrig.

Vom Geist schon, Max. Sonst hättest du nicht sagen können, daß nichts mehr von ihm übrig sei Gruß vom Nick

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