10 Gebote für Väter
Erziehung
| Über die Doppelbelastung des Mannes als Ernährer und Erzieher wird viel diskutiert. Ehe Sie in Selbstzweifel verfallen, sollten Sie diese zehn Tipps lesen
Auf der Suche nach einer möglichst idealen Kombination aus Vaterdasein und Berufstätigkeit
Nein, eine Super-Nanny von RTL brauchen wir nicht. Schließlich verzweifeln wir nicht an unseren Kindern – und die nicht an uns. Wir gehören zu den rund 60 Prozent der verantwortungsbewussten Väter, die sich nach aktuellen Studien mehr Zeit für ihre Kinder wünschen und auf der Suche sind nach einer „möglichst idealen Kombination aus Vaterdasein und Berufstätigkeit“, wie es der Münchener Familienforscher Wassilios Fthenakis formulierte. Was uns nicht vor Ratschlägen weiterer Nannys schützt.
Die in der Evolution angelegte Sicherheit im Umgang mit dem eigenen Kind sei verschüttet, klagt Familienforscherin Sigrid Tschöpe-Scheffler. Da platzt einem doch der väterliche Kragen: Intuition und Werte sind mitnichten den Bach runtergegangen. Vielleicht ist es nur Zeit, die zehn wichtigsten Gebote für Väter auf den aktuellen Stand zu bringen
1. Papa, sei einfach grandios
Behalten Sie Ihre Ziele im Auge
Jeder Junge will den besten Vater der Welt. Einen, der über Gartenschläuche genauso viel weiß wie über Grafikkarten im PC. Einen, der klaglos den Hinterreifen eines 21-Gang-Fahrrads reparieren und eine Zwille aus einer Astgabel bauen kann. Einen, der sagt, was recht und unrecht ist, und den Kopfsprung vom Dreier beherrscht. Ganz schön anstrengend, so ein Ideal-Vater zu sein.
Aber in der Praxis muss man nicht alles können. Eines aber muss man haben – Profil. Eine Persönlichkeit, an der sich Kinder reiben oder mit der sie sich identifizieren können, um sich selber zu finden. Einen mutlosen, verzweifelten oder verstummten Vater brauchen Kinder ebensowenig wie einen, der nicht präsent ist, weil er die meiste Zeit im Büro verbringt oder aus der Familie längst in Hobbys oder Ehrenämter geflohen hat. Profil bedingt Präsenz.
2. He Paps, sei manchmal klein
Das steht zwar im Widerspruch zum ersten Tipp, grandios zu sein. Aber wer zu großartig und allmächtig ist, der lässt seinen Kindern keinen Raum. Ein Vater, der alles weiß und richtig macht, der alles regelt und kontrolliert, der das beste Auto fährt, am besten Würstchen grillt und das meiste Geld hat – der sagt seinem Kind indirekt: Du kannst leider alles schlechter als dein Vater, du bist klein, unselbstständig, eine Niete.
Um gegen einen solchen Über-Vater bestehen zu können, suchen Kinder oft nach eigenen Profilierungswegen – und das kann ins Auge gehen, wenn sie sich an extrem anderen als den elterlichen Werten orientieren. Geben Sie daher Ihren Kindern genügend Raum, um die eigenen Gedanken und Stärken zu erproben. Lehnen Sie sich zurück und sagen Sie auch mal „kann sein“, „ich weiß es nicht“ oder „sorry, das habe ich noch nicht ausprobiert“. Sie werden mit Freuden feststellen, wie Ihre Kinder wachsen, irgendwann auch über Sie hinaus.
Den Überblick behalten
3. Was im zweiten Job wirklich zählt
Väter haben eigentlich zwei Jobs – den im Büro und den zu Hause. Für den ersten Job werden sie ausgebildet und mit betrieblichen Fortbildungsseminaren gefördert. Den anderen Job treten sie an, wenn sie bereits ausgepowert sind, eine explizite Ausbildung existiert nicht – und kündigen kann man ihn auch nicht wirklich. Um diesen zweiten Job erfolgreich zu stemmen, kommt es nicht darauf an, möglichst viel Zeit zu investieren, sondern die Zeit intensiv zu nutzen.
Wer zwar physisch im Kinderzimmer herumsitzt, mit dem Kopf aber im Büro ist, vermittelt seinen Kindern nichts. Gefragt ist Qualität statt Quantität. Eine harmonische Vater-Kind-Beziehung entsteht durch „Quality Time“, wie es die Forscher nennen. Da kann es nützlich sein, nach dem Job kurz abzuschalten, sich eine halbe Stunde Auszeit zu nehmen, um dann wirklich mit frischen Kräften und allen Sinnen für die Kinder bereit zu sein.
4. Der Sieger gewinnt nicht immer
Bleiben Sie locker – und stellen Sie nicht zu viele Regeln und Gesetze auf. Ein zu enges Regelwerk tut schon Politik und Wirtschaft nicht gut. Überlegen Sie genau, wo es wichtig ist, dass Grenzen tatsächlich eingehalten werden – etwa wenn sich das Kind selbst gefährdet oder schadet, wenn die Interessen von Familienmitgliedern oder Nachbarn unzumutbar tangiert werden. Und wägen Sie ab, wo Regeln zu überflüssigen Reibereien führen. Grenzen müssen zudem nachvollziehbar sein: Wer selber raucht, wird Probleme damit haben, seinen Kindern das Rauchen zu verbieten.
Zu klaren Regeln und Absprachen gehört auch, dass bei einem Verstoß Konsequenzen gezogen werden – nicht als Strafe, sondern als logische Folge. Wer eine Wasserschlacht im Bad veranstaltet, wischt hinterher den Boden. Lassen Sie Konflikte nicht zu Machtkämpfen eskalieren, in denen es nur Sieger und Besiegte geben kann. Wer sich als Vater mit Macht durchsetzt, steigert dadurch nicht seine Autorität. Denn das unterlegene Kind wird bei nächster Gelegenheit den Kampf wieder aufnehmen. Klüger ist es, rechtzeitig einen sich anbahnenden Machtkampf abzubrechen, Distanz und ein freundlicheres Klima zu suchen, in dem man miteinander reden kann.
Kinder sollen ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern und Geschwistern haben
5. Seien Sie bitte nicht kindisch
Jeder Vater möchte gerne der beste Freund seines Sohnes sein. Eine Zeit lang funktioniert das auch, im Sandkasten oder auf der Schaukel. Dann aber kommt der Punkt, an dem sich der Filius seine Freunde selbst aussucht. Ob man die nun mag oder nicht, man wird die langsame Abkoppelung des Sohnes akzeptieren müssen.
Da hilft es nicht, in der gleichen Kleidung wie die Kinder herumzulaufen, in Jugendsprache zu verfallen oder den gleichen Musikgeschmack vorzutäuschen. Hiphop-Hosen sehen an erwachsenen Männern ziemlich bescheuert aus, Breakdance führt wortwörtlich zu Knochenbrüchen – und Ihrem Sohn ist es oberpeinlich, wie sich der Vater aufführt. Bei der Gelegenheit verabschiedet man sich am besten gleich mit von der Illusion, über das Kind eine zweite Jugend erleben zu können. Denken Sie daran: Sie sind der Vater und nicht der Bruder oder Freund!
6. Sorgen Sie rechtzeitig für ein Update
„Fernsehen macht dumm“, titelte eine Sonntagszeitung kürzlich – und vielleicht haben die Forscher, die diese Erkenntnis lieferten, auch irgendwo Recht. Aber: Kinder wachsen mit TV-Geräten, PCs, Konsolen und LAN-Partys auf – und die väterliche Drohung, das Teufelszeug aus dem Fenster zu werfen, ist keine ernsthafte. Im Zweifelsfall sitzt der Junior dann bei den Nachbarskindern vorm Fernseher oder daddelt an der Konsole im Kaufhaus.
Die Rede ist hier nicht von der „Wohlstands- oder Verwöhnverwahrlosung“, wie Psychologen den Zustand nennen, wenn Kinder zwar mehrere Festplatten, aber keinen festen Kontakt mehr zu den Eltern haben. Hier geht es darum, verantwortungsbewusst mit elektronischer Hard- und digitaler Software umzugehen und sich sachkundig zu machen: Nur wer über TV-Serien und PC-Spiele informiert ist, kann glaubhaft über Inhalte und Sehgewohnheiten mitreden. Nur wer sich in der virtuellen Welt der Kinder auskennt, kann eingreifen, lenken, prägen.
Gut gemeinte Sprüche wie „Warum liest du nicht mal ein Buch?“ bringen nichts. Wer sich mit vor den Bildschirm setzt, kann die dort vermittelten Inhalte diskutieren. Und an einem gewissen Punkt sagen: Komm, lass uns in der wirklichen Welt etwas unternehmen, was spannender als alle virtuellen Abenteuer ist.
7. Trennen Sie sich von Ihrer Frau
"Das Leben kann so schön sein"
Wenigstens mal für ein Wochenende. Denn nichts ist besser für das Vater-Kind-Verhältnis als eine gemeinsame Auszeit ohne Mutter. Tochter oder Sohn merken, dass der Vater genauso gut kochen kann wie die Mutter und sogar solche Sachen, die Kindern gerne mögen. Ein Wochenende oder gar eine ganze Woche sind ideale Gelegenheiten, um sich intensiv miteinander zu beschäftigen und gemeinsame Erlebnisse zu haben.
Nach so einer Auszeit lieben sich dann alle umso mehr – Sie Ihre Frau, auch weil sie sich jetzt um den Wäscheberg kümmert, Ihre Frau Sie, weil sie endlich mal ein freies Wochenende hatte, die Kinder die Mutter und den Vater. Und schon ist man dem wichtigsten Erziehungsziel einen Schritt näher – nämlich dass die Kinder ein „gutes Verhältnis zu ihren Eltern und Geschwistern“ haben, wie es laut TNS-Infratest 73 Prozent der Befragten wünschten.
8. Seien Sie ein großzügiger Geizkragen
Mit dem Widerspruch müssen Väter leben. Auf den Euro achten sollten Sie, wenn es um die Zukunft der Kinder geht: Studiengebühren, Zuschüsse zur Studentenbude – da kommt eine Menge auf Sie zu. Also rechtzeitig einen Finanzplan entwickeln, um später den Kindern den Start in das eigene (Berufs-)Leben zu erleichtern. Ein nicht zu kleines, aber auch nicht zu großes Taschengeld (ein 14-Jähriger rechnet schon mit 15 bis 20 Euro, Taschengeldrechner unter www.starke-eltern.de) kombiniert mit klaren Regeln, wer was bezahlt, erleichtert den Kindern den Einstieg ins Finanzmanagement. Und wenn es dann um Karten für einen gemeinsamen Kinobesuch, um ein neues Buch oder eine CD geht, sollten Väter auch mal die Spendierhosen anhaben. Das Leben kann so schön sein.
9. Eigensinn tut gut
Natürlich erinnern uns die Kinder an uns selbst. Und sie erinnern uns an all die Träume, die wir hatten – und nicht immer verwirklicht haben. Drängen Sie nicht darauf, dass Ihre Kinder die Pläne wahr machen, die Sie nur geträumt haben. Lassen Sie sie ihren eigenen Weg gehen – und bestärken Sie sie darin, dass sie die Fähigkeiten haben, alles zu schaffen, was sie wollen.
Die Angst, nicht der perfekte Vater zu sein
10. Genießen Sie es, Vater zu sein
Dass in Deutschland wieder über Erziehung, über Werte und Ziele diskutiert wird, kann man nur begrüßen. Der neue, jetzt angesagte Erziehungsstil heißt „autoritativ“ – und meint doch alte und bekannte Prinzipien: Kinder brauchen viel Liebe, klare Regeln, keine Gewalt und die Freiheit, ihr Selbstbewusstsein auszuprägen. Wer sich an diese Grundsätze erinnert, lässt sich von falschen Nannys nicht einreden, dass seine Erziehungsfähigkeiten verschüttet seien. Er genießt es, Vater von fröhlichen und (meist) zufriedenen Kindern zu sein.
17.10.2005 © BEST LIFE 06/2005 | Autor: Wolfgang Breuer Bilder: John McFaul |
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