Donnerstag, 29. März 2007

Vaterschaft im Wandel

Stephan Barth

Vaterschaft im Wandel

1. Einleitung

Dass entscheidende Weichenstellungen für das gesamte spätere Leben bereits in der Kindheit erfolgen, wusste man früher aus unmittelbarer Erfahrung, mittlerweile konnte es auch wissenschaftlich nach­gewiesen werden. Die prägenden Personen in diesem Lebensabschnitt sind die Eltern. Während das wissenschaftliche Interesse sich lange Zeit lediglich auf die Bedeutung der Mutter konzentrierte, blieb der Vater weitgehend unberücksichtigt. Erst in letzter Zeit setzte sich ein Bewusstsein für die pädago­gisch-psychologische Bedeutung des Vaters durch, das sich in einer steigenden Zahl entsprechender Studien ausdrückt.

Einher geht dies mit einem gewandelten Verständnis von Vaterschaft auf der Basis allgemeinen sozia­len Wandels.

Im Rahmen meiner Arbeit möchte ich zunächst die Geschichte der Vaterschaft in groben Zügen refe­rieren. Ein Ergebnis wird sein, dass die Vaterschaft historisch immer stärker an Bedeutung eingebüßt hat. Interessant scheint mir daher, anhand einiger theoretischer Ansätze zur Vaterschaft und anhand konkreter Ergebnisse der Vaterforschung zu überprüfen, ob dieser historische Bedeutungsverlust hier eine Entsprechung findet. Im Anschluss werde ich heutige Vaterbilder beschreiben und insbesondere auf die Folgen "neuer" Vaterschaft eingehen, da dieses Vaterbild von seinen Verfechtern als Ausweg aus der Vaterkrise bezeichnet wird.

Abschließend sollen die Ergebnisse komprimiert und diskutiert werden.

2. Geschichte der Vaterschaft

Die Geschichte der Beziehung zwischen Eltern und Kindern zeigt, dass die Eltern-Kind-Beziehung, wie wir sie heute für "natürlich" und erstrebenswert halten, in früheren Zeiten ganz anders und unter­schiedlich gestaltet war. Spillmann gelangt zu der Einschätzung, das Verhältnis zwischen Eltern und Kinder sei offensichtlich durch keine Natur vorgegeben, sondern in einem erstaunlich weiten Maße offen, d.h. jeweils durch materielle Bedingungen und kulturelle Prägungen bestimmt und damit be­ständig historischem Wandel unterworfen.

Lenzen beschreibt Vaterschaft im alten Ägypten als suszipitiv und als patronistisch. Mit ersterem verbunden ist, dass die väterliche Versorgung der Kinder in Tauschgeschäften bestand, nämlich dem Austausch von Dienstleistungen gegen Versorgungsleistungen der Kinder. Diese Versorgungsleistun­gen bestanden wesentlich im Beschützen und Ernähren der Kinder.

Der Begriff der patronistischen Vaterschaft scheint Lenzen angebracht, weil die Vater-Kind-Bezie­hung die selben Inhalte umfasst wie die Vater-Untergebenen-Beziehung.

Obwohl es im alten Ägypten auch Schulen gab, war doch die Erziehung durch den Vater dominant, allerdings nur die des Sohnes. Der Vater vermittelte dem Sohn die kulturelle Tradition und lehrte ihn, was ein guter Vater sei, damit er diese Aufgabe später übernehmen könne.

Auch die frühe hebräische Kultur war patriarchalisch ge­prägt. Der Vater stand der Familie als Ober­haupt vor. Er kontrollierte die zu treffenden Entscheidun­gen ein­schließlich der Auswahl der Ehepart­ner für seine Kinder. Die Vater-Kind-Beziehung war durch Strenge und Härte charakterisiert.

Das israelitische Vaterbild ist als Synonym des Gottvaterbildes beschrieben worden. Der Vater ist für das Beschützen und Ernähren, aber auch für das Züchtigen verantwortlich, das als integraler Bestand­teil der Erziehung, im Grunde als seine Verkörperung selbst angesehen wurde.

Im antiken Griechenland existierte kein einheitliches Vaterbild. Lenzen unterscheidet drei Epochen, nämlich die epische Zeit, Sparta und die attische Polis. In der epischen Phase, vor allem aber während der spartanischen Herrschaft wird der leibliche Vater im erzieherisch-sozialisatorischen Sektor zu­rückgedrängt. Pädagogische Aufgaben übernehmen päderastische Liebhaber im Rahmen einer Ge­meinschaftserziehung, die vor allem militärisch ausgerichtet ist. Dennoch ist der Begriff der Väter­lichkeit anzutreffen: Der Knabe wird als Produkt zweier Väter gedacht, nämlich eines leiblichen, der seinen Körper zeugt und eines "sozialen", der in der päderastischen Simulation der Zeugung seinen Charakter formt, denn die Tüchtigkeit steckt im Samen des Liebhabers. Für Lenzen ist hier ein Ur­sprung des Erziehers, der später kein zweiter, sondern der alleinige "öffentliche" Vater werden solle. Wäh­rend der Hochphase der attischen Polis wird der Vater dann nämlich gänzlich auf seine geneti­sche und legitimatorische Funktion begrenzt (letzteres, als zur Polis-Bürgerschaft lediglich das Kind zählen konnte, das väter- wie mütterlicherseits von Polis-Bürgern abstammte).

Das antike Rom wird im allgemeinen als Inbegriff des Patriarchats beschrieben: Das Vater-Kind-Ver­hältnis wurde in erster Linie als Sachbesitz und nicht durch Liebe und Fürsorge interpretiert. Väter hatten ein weitgehendes Desinteresse an der Kinderaufzucht. Verweigerte der Vater die Annahme des Kindes, hatte dies fast ausnahmslos dessen Tod zur Folge. Er hatte als Inhaber der absoluten väterli­chen Gewalt ("patrias potestas") das Recht auf körperliche Züchtigung und konnte bis in das fortge­schrittene Alter seiner Kinder über deren Leben und Tod entscheiden. Die Söhne durften keinen eige­nen Haushalt gründen, bis der Vater starb. Lenzen vertritt demgegenüber die Auffassung, der Herr­schaftsaspekt sei bei der heutigen Betrachtung des antiken römischen Vaters entschieden übergewich­tet. Er begründet dies damit, dass lange Zeit lediglich juristische Quellentexte herangezogen worden seien. Ein neuerer Ansatz habe nun auch literarische Texte analysiert, wodurch sich ein relativiertes Bild ergeben habe: Väter haben danach im antiken Rom durchaus auch fürsorgerische Aufgaben wahrge­nommen, außerdem sei es von einer kritischen Öffentlichkeit überwachter Usus gewesen, die Macht­fülle unter dem Gesichtspunkt der Barmherzigkeit und nicht der Grausamkeit auszuüben.

Im frühen Christentum entwickelt sich dann eine Tendenz zur Vergeistlichung der Vater-Kind-Bezie­hung. Es setzt überdies ein Prozess der Entdifferenzierung zwischen Vater- und Mutterschaft ein, da die in dieser Epoche erklärte Utopie der Vaterschaft, nämlich die emphatische Väterlichkeit, feminine Züge trägt.

Im Mittelalter verliert die Vaterschaft an Bedeutung. Lenzen führt dies u.a. auf Veränderungen in der christlichen Kirche zurück. Um das Jahr 1000 n.Chr. wurde das Verbot der Priesterehe erlassen. Priester werden damit aus dem Lebensalltag der Menschen, innerhalb dessen die Familie und natür­lich die Vaterschaft eine besondere Rolle spielt, entlassen. Priester können keine Väter mehr werden. Es kommt zu einer Höherbewertung der geistlich motivierten Askese und damit implizit zu einer Ab­wer­tung der Vaterschaft als männlicher Existenzweise.

Im 12. und 13. Jahrhundert kam es insbesondere von philosophischer Seite zu einer Neubewertung, zu einer Höherbewertung des Weiblichen. Erstmalig werden Gedanken der Partnerschaftlichkeit formu­liert.

Im 14. Jahrhundert kommt es zu einer Krise des Papsttums, in deren Verlauf väterliche Konzep­te an Bedeutung einbüßen und die Marienverehrung und damit die Verehrung der Mütterlichkeit einen er­sten Höhepunkt erreicht.

Hinzu kommt, dass bereits nach der Lehre von Thomas von Aquin der Vater in geistlicher Hinsicht durch Gott ersetzt ist und in Fragen der Ausbildung durch Lehrer ersetzbar ist. Eine Seelenverbindung zwischen Vater und Sohn wird geleugnet und damit auch die Notwendigkeit eines geistlich-pädagogi­schen Verhältnisses zwischen Vater und Kind. Der Vater wird letztlich bereits im Mittelalter auf seine Funktion als Ernährer und Beschützer reduziert.

Während der Renaissance und zu Beginn der Neuzeit begann ein tiefgreifender Wandel in den Fami­lienbeziehungen, der zu dem privaten Familiengefühl führte, das auch noch für die Gegenwart kenn­zeichnend ist. Len­zen führt diesen Wandlungsprozess u.a. auf die Erfahrung der großen Epidemien hin, die zu einem veränderten Wert der Kinder für die Familien geführt haben. Damit wurde auch die Grundlage für eine engere Beziehung zwischen Eltern und Kinder gelegt. Kon­krete Auswirkungen hatte dies für die Beziehung zwischen Mutter und Kind, bedeutend weniger für die zwischen Vater und Kind. Bedingt durch die einsetzende Landflucht verdingten sich viele Männer weit ab ihrer Hei­mat und Familien als Arbeiter und Handwerker, was dazu führte, dass viele Kinder weitgehend vater­los aufwuchsen Auch langandauernde Kriege bedingten Vaterabwesenheit.

Mit der Entdeckung anderer Kulturen, aber auch neuer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, beginnt das alte Weltbild zu wanken und mit ihm seine Traditionen.

Mit der Reformation rückte auch theologisch die Elternschaft an die Stelle der Vaterschaft. Der Einfluss der Mutter war nun göttlich gewollt, sie wurde ausdrücklich auch mit der Erziehung und Ausbil­dung der Kinder betraut. Dies wiederum tradierte durch die so Erzogenen ein verändertes Vater­schaftsbild. Weiterhin von entscheidendem Einfluss ist aber auch Luthers Auffassung, die Ehe sei keine Angele­genheit der Kirche, sondern des Staates. Damit ist auch die Basis dafür gelegt, dass zu einem späteren Zeitpunkt ehemals väterliche Aufgabe an den Staat delegiert werden.

Mit dieser späteren Phase ist die Epoche der Aufklärung gemeint, in deren Zuge mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht das Ausbildungsmonopol des Vaters endgültig gebrochen wurde. Es kam - wie Lenzen es formuliert - zu einer Vervielfältigung des Vaters, nämlich durch den nun boo­menden Lehrerstand.

Gerade in der französischen Revolution sieht Lenzen den Ausdruck der Zerstörung des Vaterprinzips: Die Freiheit entbindet von der Bevormundung durch den Vater, die Gleichheit zerstört den Respekt vor der Leistung der Vorfahren und die Brüderlichkeit lässt nurmehr eine Verwandtschaftsbeziehung zu, nämlich diejenige innerhalb derselben Generation.

Seit dem 18.Jahrhundert übernahmen die Mütter viele der ehemals väterlichen Aufgaben, sie wurden Hausvorsteherinnen und zuständig für die Kindererziehung. Dies korrespondierte mit der zunehmen­den Trennung von Haus und Arbeitsstelle der Väter. Die Frauen ihrerseits wurden von der Pflicht freigestellt, durch eigene Arbeit zum materiellen Unterhalt der Familie beizutragen. Faktische Wirk­samkeit entwickelte dies jedoch zunächst lediglich in der Schicht der Beamten, der Akademiker, der bürgerlichen Intelligenz und des Adels. Dort begegnet man der intimisierten Privatfamilie, die ihren Kindern große Aufmerksamkeit widmet und ihnen bestmögliche Bildungschancen eröffnet.

Demgegenüber spielt das Familienleben bei den kleinen Bauern, Handwerkern und dem späteren In­dustrieproletariat keine tragende Rolle. Mütter und Väter müssen durch Arbeit den Lebensunterhalt verdienen, wodurch Kinder eher als Last empfunden und sich selbst überlassen werden. So früh wie möglich werden die Kinder selber in den Arbeitsprozess integriert.

In beiden Modellen war der Vater der Alimentationspflichtige. Die Männer der unteren Schichten erlebten allerdings die Notwendigkeit der Berufstätigkeit ihrer Frauen als demütigend. Es wurde zum erstrebenswerten Ziel, die Frauen nicht auf Arbeit schicken zu müssen, eine Vorstellung, die noch bis in die Gegenwart vorhanden ist und die zur Übernahme der häuslichen und Erziehungsaufgaben durch die Mütter beitrug. In dem Maße, indem Väter ihre Funktionen an den Staat abzugeben hatten, über­nahm dieser quasi das väterliche Erbe, allerdings in Form totalitärer Erziehung. Gleichzeitig erfanden Pädagogen das Konzept der Mutterliebe. In besonderer Weise ist hier Pestalozzi zu nennen,

Interessant lässt sich der Wandel in den Beziehungen des Kindes zur Mutter einerseits und zum Vater andererseits anhand der Entwicklungen in bezug auf die Ausgestaltung des Sorgerechts nachvollzie­hen. Noch bis in das 19. Jahrhundert wurden Kinder als väterliches Eigentum betrachtet, was zur Folge hatte, dass im Falle der elterlichen Scheidung das Sorgerecht beim Vater verblieb. Erst im 19. Jahrhundert begann man in England nun auch juristisch vom Konzept der absoluten väterlichen Er­ziehungsgewalt abzu­weichen, interessanterweise dadurch, dass nun auch geschiedenen Frauen ein Recht auf Eigentum - unter anderem im Hinblick auf Kinder - zugestanden wurde. Erst die Prozesse der Industrialisierung und Urbanisierung führten jedoch zu einer deutlichen Rollenteilung zwischen Vätern und Müttern. Aus heutiger Sicht waren es in erster Linie ökonomische Gründe, die zur Postu­lierung eines "mütterlichen Instinkts" und zu einer Glorifizierung der Mutterschaft führten, wodurch der Beitrag des Vaters zur Kindererziehung als marginal charakterisiert wurde. Einher ging dies mit der Entwick­lung psychologischer Theorien, die eine größere Bedeutung der Mutter für die Entwick­lung des Kin­des behaupteten, was zur Verbreitung der festen Überzeugung führte, Kinder gehörten im Falle der Scheidung regelmäßig zur Mutter.

Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde erstmals die Frage des Kindeswohls bei der Entscheidung über das Sorgerecht aufgeworfen und damit den Interessen und Bedürfnissen der Kinder Rechnung getra­gen.

In diesem Zusammenhang spricht Lenzen unter Hinweis auf Ellen Key auch vom Jahrhundert des Kindes, von der Vergöttlichung des Kindes und der Mutterschaft.

Ausdruck geänderter Vaterkonzeption ist auch die bündische Jugendbewegung, die den Grundstein für das Führerprinzip legte, wobei die Führer im Grunde die Vaterfunktionen wahrnahmen. Ihre ex­treme Ausprägung fand dies Führervaterschaft im Nationalsozialismus, wodurch wiederum der Ge­danke der Vaterschaft unautorisiert in Misskredit geriet.

In der Gegenwart beschränkt sich die väterliche Funktion vielfach in der Tat lediglich noch auf die Alimentation. Der Staat hat die Funktionen des Ausbildens und des Beschützens geradezu exklusiv an sich gezogen.

Dass sich seit den 80er Jahren eine selbsternannte Gegenbewegung, nämlich die "neuen Männer" in Szene setzt, hat für Lenzen andere Gründe als die Betonung des Werts der Vaterschaft. Zwar werde offensiv davon ausgegangen, das Kind brauche den Vater, doch sei in Wirklichkeit eher gemeint, die Mutter brauche den Hausmann. Die "neuen" Väter werden von ihm eher als Resultat der vernichten­den Väterkritik der Frauenbewegung gesehen.

3. Theoretische Ansätze zur Vaterschaft


Zur Fundierung der Vaterschaft, der Vaterrolle lassen sich eine ganze Reihe von Theorien heranzie­hen, die allerdings zum Teil sehr unterschiedliche Perspektiven der Vaterforschung repräsentieren. An dieser Stelle sollen einige dieser Theorien ansatzweise vorgestellt werden.


3.1. Psychoanalyse


Der Psychoanalyse wird in zahlreichen neuen Arbeiten zur Vaterrolle vorgeworfen, ein entscheiden­der Hemmfaktor der Erforschung der Vater-Kind-Beziehung gewesen zu sein. Das psychoanalytische Interesse am Vater reduzierte sich in der Tat in erster Linie auf die Betrachtung der phallischen Ent­wicklungsstufe in der psychosexuellen Entwicklung. Die Bedeutung des Vaters blieb für die Zeit vor dem vierten Lebensjahr des Kindes unbehandelt.

Wenn Lenzen von der Liquidation des Vaters im 20. Jahrhundert spricht, so hat die Psychoanalyse dafür den theoreti­schen Rahmen geliefert, indem sie die These von der Exklusivität der Mutter-Kind-Beziehung auf­rechterhalten hat. Aus psychoanalytischer Sicht war die Mutter für das Kleinkind die primäre oder sogar die ausschließliche Bezugsperson. Demgegenüber wurde die Vater-Kind-Bezie­hung deutlich nachgeordnet, deren Untersuchung im frühesten Kindesalter zunächst gänzlich unter­blieb.

Freud behandelte in seinen Arbeiten im wesentlichen drei Aspekte der Vater-Kind-Beziehung:

- Gefühle der Liebe und Bewunderung für den Vater in der vorödipalen Phase (insbesondere beim Jungen) seien wesentliche Voraussetzungen für das spätere Gelingen einer positiven Identifikation mit ihm.

- eines der stärksten Bedürfnisse des Kindes, nämlich Schutz bei jemandem zu suchen, brachte er in Zusammenhang mit der Beziehung zum Vater und

- das Kleinkind erlebt den Vater als Autorität, von der Bestrafung ausgehen kann.

Die hierin zum Ausdruck kommende Qualität der Vater-Kind-Beziehung erreicht ihr volles Gewicht für den Jungen in der phallisch-ödipalen Entwicklungsstufe und äußert sich in Ängsten und Phanta­sien, in denen er den Vater als bedrohend, bestrafend und kastrierend erlebt.

Für das Mädchen wird der "ödipale" Vater zum Hauptliebesobjekt, auf das seine Sexualwünsche wäh­rend des "positiven" Ödipus-Konfliktes gerichtet sind.

Mitte der vierziger Jahre befasste sich Anna Freud mit der internalisierten Repräsentation des Vaters. Bei ihrer Untersuchung der Gefühle, Phantasien und Wünsche des Kleinkindes in bezug auf den Vater kam sie zum Ergebnis, die Vater-Kind-Beziehung bilde erst ab dem zweiten Lebensjahr einen integra­len Bestandteil des kindlichen emotionalen Lebens.

Nach Loewald (1956) besteht die Hauptaufgabe des Vaters darin, dem Ich des Kindes zu dessen grö­ßerer Organisation, Differentiation und Integration zu verhelfen, um es unabhängig von der Mutter zu machen. Melanie Klein (1955) unterstrich, dass bereits Kleinkinder im Säuglingsalter Kontakt zu ih­rem Vater haben und Bindung an ihn zeigen.

In den sechziger Jahren begann eine zunehmende Zahl von Psychoanalytikern auf die Bedeutung des Vaters in der frühkindlichen Persönlichkeitsentwicklung hinzuweisen und die Bedeutung der frühen Vater-Sohn-Beziehung hervorzuheben. Seit dieser Zeit widmet die Psychoanalyse ihr Augenmerk auch verstärkt dem Prozess des Vaterwerdens.

In den siebziger Jahren differenziert sich dieser Blick noch. Nun wird die Bedeutung der Vater-Kind-Beziehung für den Prozess der Identifikation und Individuation des Kindes gesehen, zudem gewinnt der systemtheoretische Ansatz an Bedeutung, nach dem beide Elternteile und auch die übrigen Fami­lienmitglieder für die Entwicklung des Kindes von Bedeutung sind. Außerdem habe der Vater in der vorödipalen Phase insofern große Bedeutung, als er dem Kind eine Beziehung biete, die weniger am­bivalent sei als die der Mutter. Betont wird weiterhin die väterliche Bedeutung bei der Entwicklung der Geschlechtsrol­lenidentität bei Jungen, es wird aber auch darauf hingewiesen, dass auch die Ge­schlechtsrollenidentität des Mädchens nicht nur von einer erfolgreichen Identifikation mit der Mutter abhängig sei.

Zusammenfassend lässt sich bei den neueren Ansätzen eine zunehmende Tendenz einer systemtheore­tischen Perspektive erkennen mit der Konsequenz einer angemesseneren Beurteilung der Bedeutung aller Familienmitglieder und damit auch des Vaters.

3.2. Lerntheoretische Ansätze

Unter diesem Oberbegriff lässt sich eine Vielzahl durchaus heterogener theoretischer Vorstellungen zusammenfassen, deren Gemeinsamkeit sich noch am ehesten an ihrer Abkehr von biologistisch-evolutionistischen und psychoanalytischen Modellen festmachen lässt.

Die klassischen Lerntheoretiker wie Pawlow, Skinner oder Watson machten keine Aussagen zur Vaterrolle, sie interessierten sich zunächst lediglich für Reize und Reaktionen allgemein. Das bedeu­tet jedoch nicht, dass nicht auch die klassischen Lerntheorien von Einfluss auf die Interpretation des Vater-Kind-Verhältnisses gewesen sind. Gerade in der Entwicklung diverser verhaltenstherapeuti­scher und -modifikatorischer Programme für die Familientherapie und -beratung haben sich lerntheo­retische Erkenntnisse fruchtbar niedergeschlagen. Vom theoretischen Standpunkt gesehen ist hier der Vater "Auslöser" oder auch "Verstärker" bestimmten Verhaltens des Kindes. Gemäß der lerntheoreti­schen Überzeugung, das menschliche Verhalten sei weitgehend durch Variation der Umweltbedin­gungen veränder- und steuerbar, wurde der Vater als eine "Umweltvariable" des Kindes begriffen, die durch ihre je spezifische Qualität die Verhaltensweise des Kindes mitbestimmt und durch eine ent­sprechend zielgerichtete Einflussnahme (z.B. Erziehung) auch zielgerichtet verändern kann.

Wesentliche Impulse für die Vaterforschung brachte die Theorie des sozialen Lernens (Bandura/Walters 1963). Die weitgehende Ablösung von Trieb- und Stimulus-Response-Modellen zugunsten des Imitationslernens am sozialen Modell intensivierte vor allem auch Forschungen zum Geschlechtsrollenerwerb, was zwangsläufig zu einer stärkeren Beachtung des Vaters bzw. der Vater­rolle führte.

Ein Grundgedanke der sozialen Lerntheorie ist, dass Verhalten nicht der unmittelbaren Verstärkung bedarf, damit es von einem Kind übernommen wird. Es genügt bis zu einem gewissen Grad, dass das Kind beobachtet, ob ein Modell für das entsprechende Verhalten positive oder negative Konsequen­zen erfährt, damit es selbst dieses Verhalten in sein Repertoire aufnimmt oder entfernt. In dem Maße, in dem das Vaterverhalten positive Aufmerksamkeit und Gratifikation in der Familie erfährt, wird der Vater zum attraktiven Modell für die Kinder und bewirkt bei ihnen eine Übernahme seines Verhal­tens. Sofern es nicht von herkömmlichen Mustern abweicht, hat dies auch eine Tradierung der Ge­schlechtsrollen zur Folge.

Kennzeichnend für Lerntheorien ist ihr Verständnis vom Menschen, das ihn weitgehend als passives Individuum darstellt, dessen Verhalten ausschließlich aus Reaktionen auf jeweils bestimmten Bedin­gungen (Reize, Modelle etc.) besteht. Die kognitive Wende der Lerntheorie in den siebziger Jahren trug diesem Umstand insoweit Rechnung, als sie ein erweitertes Verständnis von Sozialisation er­laubt. Es werden nun nicht mehr nur die wechselseitige Sozialisation, etwa von Vater und Kind, son­dern auch die im klassischen Modell nicht vorstellbare Selbstsozialisation. Damit wurde der Weg frei für ein umfassenderes Verständnis des Sozialisationsvorgangs, wie es heute vor allem in systemtheo­retischen und ökologischen Theorien seinen Niederschlag findet.

3.3. Systemtheoretische Ansätze

Die allgemeine Systemtheorie hat die theoretische Entwicklung auf sozialwissenschaftlichem Gebiet in vielfältiger Weise beeinflusst und befruchtet. Dies gilt auch für die Vater-Kind-Beziehung.

Auf einer sehr allgemeinen Ebene wird ein System als eine Menge miteinander in Zusammenhang stehender Elemente betrachtet, in denen jedes Element andere Elemente beeinflussen kann und auch von diesen beeinflussbar ist. Die Elemente sind also gleichzeitig Objekte und Subjekte der Beeinflus­sung.

Eine Grundannahme der Systemtheorie ist, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Das bedeutet, dass selbst bei vollständiger Kenntnis der Eigenschaften jedes Elements die Eigenschaften des Systems nicht ohne weiteres vorhergesagt werden können.

Betrachtet man z.B. das System "Familie", so sind dessen Elemente nicht lediglich die einzelnen Familienangehörigen. Das System beinhaltet vielmehr eine ganze Reihe von Subsystemen als Elemente, die ebenfalls Elemente der Beeinflussung darstellen. Dazu zählen z.B. das Subsystem der Eltern, der Ehepartner, das Mutter-Kind-Subsystem, das Vater-Kind-Subsystem, Das Subsystem der Geschwister usw. Aus dem Verhalten der einzelnen Familienmitglieder kann aufgrund der vielfältigen wechselseitigen Beeinflussungsprozesse nicht auf das Verhalten der Familie insgesamt geschlossen werden.

Unterschieden wird von Systemtheoretikern zwischen Interaktionen und Beziehungen in einem Sy­stem. Aus beobachtbaren Interaktionen kann demnach nur bedingt auf Vorhandensein und Qualität einer Beziehung zwischen den Mitgliedern geschlossen werden. Aus einer unterschiedlichen Interak­tion zwischen Mutter und Kind bzw. Vater und Kind ergibt sich deshalb nicht zwangsläufig eine Un­terschiedlichkeit der jeweiligen Beziehung. Umgekehrt können ähnliche Interaktionsmuster durchaus das Ergebnis unterschiedlicher Beziehungen sein.

Es bestehen häufig konsistente Unterschiede in der Menge der Zeit, die Mütter und Väter mit ihren Kindern verbringen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit notwendig ein geringerer Einfluss der Vä­ter auf ihre Kinder verbunden ist. Die Bedeutung, die Väter für die Entwicklung ihrer Kinder haben, lässt sich wahrscheinlich fruchtbringender über die spezifische Qualität ihres Beitrags im sozialen Netzwerk des Kindes bestimmen als über die Häufigkeit und Dauer ihrer Interaktionen mit dem Kind.

Kennzeichen eines entwickelten Systems ist seine funktionelle Differenzierung im Vergleich zu einer bloß segmentären Differenzierung. Dies bedeutet, dass unterschiedliche Funktionen, die die Fami­lienmitglieder jeweils innehaben, in bezug auf das Familiensystem als Ganzes zu sehen sind. Solche Unterschiede bestehen beispielsweise hinsichtlich der Art des Spiels und der kognitiven Anregung, die die Eltern den Kindern geben, des Beitrags zur Geschlechtsrollenentwicklung, der Beteiligung an der körperlichen Fürsorge für die Kinder oder in der je spezifischen Form der Arbeitsteilung zwischen Vater und Mutter. Damit wird dem Kind ein differenzierter Erfahrungshintergrund gegeben, von dem anzunehmen ist, dass er von großer Bedeutung ist für die Art und Weise, wie ein Kind lernt, sich an­gemessen in der sozialen Welt zu verhalten.

Im Licht der Systemtheorie greifen die übrigen Ansätze zur Klärung der Bedeutung des Vaters inso­weit zu kurz, als sie ihn isoliert und nicht als Element eines differenzierten funktionalen Systems be­trachtet haben. Systemtheoretiker werfen der traditionellen Vater-Forschung vor, insoweit Artefakte geschaffen zu haben, als sie auf einer unangemessenen Theoriegrundlage und Untersuchungsmethodik basiere.

3.4. Ökologische Ansätze

Bronfenbrenner (1981) hat ein Konzept erstellt, das in vielerlei Hinsicht als paradigmatisch für die ökopsychologische Familienforschung gelten kann. Ich werde deshalb hauptsächlich darauf Bezug nehmen.

Bronfenbrenners Modell besteht aus vier Modellen, die sich jeweils konzentrisch umfassen. Im Mit­telpunkt steht das Mikrosystem, das durch ein Muster von Tätigkeiten und Aktivitäten, Rollen und zwischenmenschlichen Beziehungen gekennzeichnet ist, die die in Entwicklung begriffene Person in einem gegebenen Lebensbereich mit den ihm eigentümlichen physischen und materiellen Merkmalen erlebt.

Das Mikrosystem ist umgeben vom Mesosystem, das die Wechselbeziehungen zwischen den ver­schiedenen wichtigeren Lebensbereichen (Settings) bezeichnet, an denen die sich entwickelnde Per­son aktiv beteiligt ist. Ein Setting ist dabei definiert als ein Ort mit besonderen physikalischen Eigen­schaften, in dem sich die Teilnehmer in spezifischer Weise in spezifischen Rollen und in spezifischen Zeitabschnitten betätigen.

Beide Systeme sind wiederum umgeben vom Exosystem. Darunter werden ein oder mehrere Lebens­bereiche verstanden, an denen die sich entwickelnde Person nicht selbst beteiligt ist, in denen aber Ereignisse stattfinden, die beeinflussen, was in einem Lebensbereich geschieht, oder die davon beeinflusst werden.

Alle drei Systeme sind eingebettet zu sehen in das Makrosystem, das Normen, Wertvorstellungen und Einstellungen bzw. ihnen zugrundeliegende Weltanschauungen und Ideologien beinhaltet.

Der wohl deutlichste Gewinn einer ökopsychologisch orientierten Vorgehensweise in der Vaterfor­schung besteht darin, dass sich der Beitrag des Vaters an der familialen Sozialisation kontextuell ange­messen thematisieren lässt und weiterhin die Abhängigkeit dieser Sozialisationsleistung von verschie­denen Rahmenbedingungen genauso wie ihre Rückwirkungen auf die Umwelt explizit und systema­tisch zum Gegenstand der Forschung werden.

Der entscheidende Gedanke ist dabei, dass nicht einfach zusätzliche Variablen in den Untersuchungs­zusammenhang mit aufgenommen werden, sondern dass Wechselwirkungen zwischen Systemen und Teilsystemen in den Mittelpunkt des Interesses rücken. So werden z.B. neben den dyadischen Bezie­hungen in der Familie auch triadische oder allgemein multiple Beziehungen betrachtet. Der system­theoretische Bezug liegt hier auf der Hand. Schmidt-Denter baut z.B. seine ökopsychologische Analy­se der sozialen Umwelt des Kindes, die eine Untersuchung der Vater-Kind-Beziehung mit einschließt, auf dem Modell des sozialen Netzwerks auf.

Gegenüber dem systemtheoretischen Ansatz lässt sich jedoch eine Aufmerksamkeitsverschiebung hinsichtlich solcher Faktoren feststellen, die primär umweltbedingt sind und das Gelingen von Vater­schaft beeinflussen können. Als Beispiele lassen sich nennen: Gängige Entscheidungsmuster bei der Sorgerechtsregelung nach einer Scheidung, die Berufssituation von Vätern, die Auswirkungen der Arbeitsmarktlage, die wohnlichen Rahmenbedingungen der Familie, die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen oder auch die in einer Gesellschaft vorherrschenden und an die nachfolgende Genera­tion vermittelten Bilder von Vaterschaft.

4. Die Bedeutung des Vaters in der Familie

4.1. Einleitung

Gerade aus feministischer Sicht wird argumentiert, der Vater sei im Grunde genommen innerhalb der Familie und insbesondere für die Ent­wicklung des Kindes ohne Bedeutung. Er habe lediglich histo­risch gese­hen Bedeutung gehabt im Hinblick auf Funktionen bzw. Rollen wie Ernährer, Beschützer und Erzieher. Diese Funktionen seien aber determiniert gewesen durch die Ungleichbehandlung der Frauen. Im Zuge der Emanzipation seien diese Aufgaben obsolet geworden, der Vater also lediglich noch als Erzeuger eines Kindes von Relevanz für die kindliche Entwicklung und das familiale System.

Zu Beginn möchte ich einige dieser feministischen Thesen vorstellen und anschließend auf Ergeb­nisse der Vaterforschung zur Frage der Bedeutung des Vaters in der Familie und für ausgewählte Bereiche kindlicher Entwicklung eingehen.

4.2. Feministische Thesen zur aktuellen Bedeutung des Vaters

- Der Vater als Ernährer

Die Rolle des Vaters als Ernährer der Kinder ist zunehmend umstritten. Zwar ist es nach wie vor so, dass in den meisten Familien der Vater der Hauptverdiener ist, er ist aber nicht einmal in der Mehrzahl der Familien der Alleinverdiener, sondern in der Bundesrepublik in noch lediglich einem Drittel der Familien.

Das Rollenbild des Vaters als Ernährer ist aber weiterhin wirksam. In dieser Rolle gab der Vater in der Vergangenheit der Familie die notwendige Sicherheit zur Schaffung einer Atmosphäre, in der Kinder gut aufwachsen können. Von Männern wird daher nach wie vor erwartet, erst dann zu heiraten und eine Familie zu gründen, wenn diese auch versorgt werden kann.

Die Bedeutung der Ernährerfunktion hat aus mehreren Gründen deutlich nachgelassen. Zum einen liegt dies an der bereits angesprochenen zunehmenden Müttererwerbstätigkeit, die zum einen Aus­druck des weiblichen Wunsches nach gleichberechtigter Stellung im beruflichen Leben ist, wird aber andererseits auch durch staatliche Versorgungs- und Betreuungsangebote und durch die finanzielle Schlechterstellung von Familien nahegelegt, in denen lediglich ein Elternteil über eigene Einkünfte verfügt.

Von Canitz weist auf Befragungen von Kindern im Hinblick auf die Ernährerfunktion der Väter hin. Diese Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass Kinder den Vater als Ernährer für austauschbar hal­ten, und zwar in erster Linie durch die Mutter und durch staatliche Sicherungssysteme. Die große Zahl alleinerziehender Mütter ist letztlich der überzeugende Beweis, dass es des Vaters als Ernährer nicht zwingend bedarf.

- Der Vater als Beschützer

Auch die Bedeutung des Vaters als Beschützer hat in gravierendem Maße abgenommen. Wir leben einfach nicht mehr in einer Zeit, in der der Vater seine Familie mit körperlicher Kraft und Geschick­lichkeit verteidigen muss. Die Vorstellung vom Beschützer hat sich jedoch bis in die Gegenwart erhal­ten.

Verständlich ist dies beim Kleinkind, das den Vater wegen seiner überragenden Größe und Kraft als "allmächtig" erlebt. Je älter das Kind allerdings wird, desto mehr erlebt es, dass dies keineswegs so ist.

Die Beschützerrolle reduziert sich heute auf den Einfluss der sozialen Plazierung. Speziell die berufli­che Stellung des Vaters hat großen Einfluss auf die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder. Trotz der Intentionen der Bildungsreform blieb es bei sozialer Ungleichheit, bei einer Abhängigkeit des berufli­chen Status' von dem des Vaters, wenngleich auf einem allgemein höheren Niveau.

Vor diesem Hintergrund bietet sich Vätern die Möglichkeit, die Beschützerrolle für sich neu zu defi­nieren, sie mit anderen Inhalten zu füllen. Väter müssen begreifen, durch eigene Persönlichkeitsent­wicklung, durch Aneignung von Wissen und durch Erweiterung des Informationshorizontes Potentiale erschließbar zu machen, die die soziale Plazierung der Kinder fördern und ihnen helfen, in der Lei­stungsgesellschaft ihre Chance zu nutzen.

Auch in dieser Funktion kann der Vater allerdings durchaus von der Mutter abgelöst werden, sie ist also keineswegs sein Privileg.

- Der Vater als Erzieher

Auch in seiner Rolle als Erzieher hat der Vater an Bedeutung eingebüßt, insbesondere im Hinblick auf die Teilfunktion der Vermittlung von Wissen und Berufsfähigkeiten. Diese Aufgaben haben längst Institutionen übernommen.

Bei der Erziehung kommt dem Vater traditionell die Aufgabe zu, dem Kind beim Übergang aus der Intimität der kindlichen Welt des Heimes in die Welt des öffentlichen Lebens der Erwachsenen zu helfen. Früher hielt man nur den Vater für in der Lage, diese Aufgabe zu übernehmen, dies hat sich allerdings grundlegend geändert mit der Mütterberufstätigkeit, der zunehmenden Außenorientierung von Frauen und letztlich auch durch die pädagogischen Institutionen und die Massenmedien.

Männer selber haben in einer Untersuchung von Pross ihre Aufgaben als Erzieher dahingehend defi­niert, den Kindern Liebe und Geborgenheit zu geben, ihnen Kamerad, Freund und Partner, aber auch Respektperson zu sein. Diese Erziehungsziele sind als eher unklar zu bezeichnen, was Pross auf vä­terliche Verunsicherung zurückführt.

War es lange Zeit so, dass gerade für die frühkindliche Betreuung und Erziehung ausschließlich die Mutter für bedeutsam erachtet wurde, konnte zwischenzeitlich durch eine Reihe von Studien nach­gewiesen werden, dass die Einbeziehung des Vaters bereits in die Geburt und die Versorgung des Säuglings von Einfluss auf die Intensität der Beziehung zum Kind allgemein und auch auf seine erzie­herische Funktion ist.

Im wesentlichen sind es aber die Väter selbst, die ihre Erzieherfunktion schmälern, indem sie sie eher als Nebenrolle definieren und in den Verantwortungsbereich der Mütter stellen.

4.3. Ergebnisse der Vaterforschung

4.3.1. Bedeutung des Vaters bei Schwangerschaft und Geburt

Die Ergebnisse der Vaterforschung - dies sei bereits an dieser Stelle angemerkt - widerlegen die fe­ministischen Thesen von der Bedeutungslosigkeit des Vaters für die Familie und die kindliche Ent­wicklung.

Dargestellt werden soll dies anhand von Studien zum erzieherischen Einfluss des Vaters auf die kogni­tive Entwick­lung, auf die moralische Entwicklung und auf die Entwicklung der Geschlechtsidentität.

Einleitend ist aber zunächst darauf hinzuweisen, dass Väter bereits während der Schwangerschaft wichtige Aufgaben übernehmen. Zu nennen ist hier an erster Stelle die Bereitstellung emotionaler Unterstüt­zung für die schwangere Frau, deren positiver Effekt für das Erleben der Schwangerschaft ebenso nachgewiesen wurde wie die komplikationsreduzierende Wirkung. Emotionale Unterstützung hilft der Mutter bei der Anpassung an die Schwangerschaft und die Mutterrolle und wirkt sich -ver­mittelt durch die Mutter - auch positiv auf das Kind aus. Es wurden auch Zusammenhänge festgestellt zwischen positiver emotionaler Unterstützung durch den Vater und Stillverhalten der Mutter.

Umgekehrt schilderten Frauen mit depressiven Verstimmungen nach der Geburt ihre Männer als emotional kalt.

Erwähnt werden soll noch, dass die Anpassung an die und die Akzeptanz der Mutterrolle nicht unwe­sentlich davon abhängt, in welcher Weise werdende Mütter sich von den Vätern sexuell begehrt füh­len

Unterschiedliche Studien fanden heraus, dass das Vater-Werden durch komplexe psychische Prozesse gekennzeichnet ist. Unterschieden werden 3 Typen von Vätern mit unterschiedlicher Bewältigung ihres Vater-Werdens:

a) Väter mit romantischer Haltung, bei denen die Schwangerschaft Schuldgefühle erzeugt, vor allem deshalb, weil sie die größere ökonomische Verantwortung als belastend empfinden.

b) Väter mit Karriere-Orientierung, die die Schwangerschaft als Last empfinden.

c) Väter mit familiärer Orientierung, die die neue Verantwortung schnell akzeptieren und die bei der Aussicht, Vater zu werden, ein Gefühl der "Erfüllung" erleben.

Beeinflusst wird diese Typisierung durch individuelle Erfahrungen des werdenden Vaters in seiner Herkunftsfamilie - insbesondere die Erfahrung des eigenen Vaters -, aber auch schichtspezifische Unterschiede wurden festgestellt: Je höher der soziale Status, desto eher entwickelten werdende Väter eine positive Grundeinstellung zur Schwangerschaft.

Innerhalb des familialen Systems fällt dem Vater oftmals die Aufgabe zu, während einer erneuten Schwangerschaft stärker Verantwortung zu übernehmen für die Betreuung und Versorgung bereits geborener Kinder, aber auch für die Vorbereitung der Kinder auf die neue familiäre Situation.

Als sehr wesentlich wird auch die Unterstützung des Vaters während der Geburt erachtet. Er hat im Laufe der letzten drei Jahrzehnte immer mehr die Aufgabe eines aktiven Geburtshelfers zugewiesen bekommen. Es sind im wesentlichen drei Aufgaben, die der Vater bei der Geburt erfüllt:

a) der Vater hält Kontakt zwischen der Mutter und dem klinischen Personal und dient gewissermaßen als Puffer. Er gibt der werdenden Mutter kontinuierlich Zuwendung und Ermutigung, indem er Angst und Aufregung mit ihr teilt.

b) der Vater hilft der Mutter, sich zu entspannen und erleichtert ihr auf diese Weise die Wehen.

c) der Vater kann durch seinen Beistand das emotionale Geburtserleben der Mutter steigern.

Nur am Rande sei noch erwähnt, dass sich die Anwesenheit des Vaters bei der Geburt positiv auf die spätere Vater-Kind-Beziehung auswirkt, ein Umstand, der aber möglicherweise nicht hinlänglich durch das Erleben der Geburt erklärbar ist, sondern wohl in erster Linie ausdrückt, dass es auch be­sonders an Familie und Kindern interessierte Väter sind, die bei der Geburt anwesend sind.

4.3.2. Die Vater-Kind-Bindung

Zu klären ist zunächst der Begriff der Bindung. Mit dem Bindungskonzept ist impliziert, dass be­stimm­te angeborene Verhaltensweisen des Kindes dazu führen, dass es von einer erwachsenen Per­son mit Nahrung, Pflege und Stimulation versorgt wird und dass das Kind nach Erreichen einer kogni­tiven Entwicklungsstufe, in der das Kind diese Person von anderen zu unterscheiden gelernt hat, ein Gefühl der Sicherheit in Gegenwart dieser erwachsenen Person entwickelt.

Insbesondere seit den 80er Jahren geht die Vaterforschung intensiv der Untersuchung der Vater-Kind-Bindung nach. Die Grundfrage lautet: Stellt der Vater für das Kind eine der Mutter äquivalente Bin­dungsperson dar?

Die Eltern-Kind-Bindung lässt sich theoretisch unterschiedlich fundieren. An dieser Stelle sollen diese Ansätze allerdings lediglich sehr kurz angesprochen werden.

Eine Besonderheit der lerntheoretischen Perspektive besteht darin, dass sie die Verminderung von Unlust beim Kind infolge von Pflege- und Versorgungshandlungen in den Vordergrund ihrer Erklä­rung von Bindung stellt: Bindungsverhaltensweisen erhalten dadurch eine primäre Verstärkung. Der Erwachsene werde so zum sekundären Verstärker und das Verhalten des Kindes richte sich daher in erster Linie auf ihn als Bindungsperson. Damit wird deutlich, dass für die Lerntheoretiker keine bio­logische Determiniertheit der Mutter als einzige enge Bindungsperson vorhanden ist, sondern die Frage der persönlichen Bindung im Prinzip unabhängig vom Geschlecht zu beantworten ist.

In der psychoanalytischen Lehre wurde der Vater lange Zeit als hinsichtlich seiner Bedeutung als Bindungsperson zu vernachlässigen betrachtet. Daran hat sich allerdings in den letzten 3 Jahrzehnten einiges grundlegend geändert. Einige Charakteristika dieser veränderten Betrachtung sind:

a) die Bedeutung der Vater-Kind-Beziehung für den Prozess der Identifikation und Individuation des Kindes wird betont,

b) ebenso eine stärkere Hinwendung zu systemischer Betrachtung, nach der beide Elternteile für das Kind von Bedeutung sind,

c) die vorödipale Phase erfährt hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Beziehung des Kindes zu seinem Vater eine neue Bewertung und

d) insbesondere betont wird die Bedeutung des Vaters für die Entwicklung der Geschlechtsrollen­identität des Sohnes.

Im Zuge der Vaterforschung stellte sich heraus, dass kurz nach der Geburt bereits differenzierte In­teraktionen nicht nur zwischen Mutter und Kind, sondern auch zwischen Vater und Kind stattfinden. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass offensichtlich beide Eltern gleichermaßen in der Lage sind, ein Kind von Geburt an mit der notwendigen Sensitivität zu betreuen und zu versorgen, sein Bedürfnis nach Kommunikation zu stillen und seine Entwicklung entsprechend zu fördern.

Beide Eltern entwickeln unter entsprechenden Bedingungen enge emotionale Beziehungen zum Kind, und das Kind entwickelt seinerseits enge emotionale Bindungen zu beiden Elternteilen. Dabei spielt für das Entstehen dieser Bindung nicht das reine zeitliche Ausmaß an gemeinsamer Interaktion die ausschlaggebende Rolle, sondern allein die Qualität der Interaktion. Voraussetzung ist also die Fähig­keit und die Bereitschaft, mit dem Kind sensitiv umzugehen. Es kann dabei deutlich voneinander ab­gegrenzte Interaktionsbereiche geben, die allesamt zur Entwicklung einer engen Bindung führen kön­nen: Pflege- und Versorgungsleistungen ebenso wie z.B. spielerische Aktivitäten. Bezüglich der Wahrnehmung dieser Aufgaben gibt es anhand der vorliegenden Forschungen insoweit einen ge­schlechtsspezifischen Unterschied, als Mütter eher den pflegerisch-versorgenden Bereich abdecken, während Väter eher als Spielgefährten in Erscheinung treten.

4.3.3. Der Einfluss des Vaters auf die kognitive Entwicklung des Kindes

Eine Reihe unterschiedlicher Studien beschäftigte sich mit dem Einfluss des Vaters auf die kognitive Entwicklung des Kindes. Ergebnis war, dass Väter diesbezüglich durchaus von Bedeutung sind. Gene­rell ist zu sagen, dass das väterliche Engagement positiv mit den kognitiven Leistungen des Kindes korreliert ist. Dies konnte auch durch Daten über vaterlos aufgewachsene Kinder gestützt werden.

Als bedeutendstes Ergebnis dieser Forschungen bleibt festzuhalten, dass Väter zu ihren Söhnen eine engere Bindung aufbauen und deren intellektuelle Entwicklung stärker beeinflussen als die ihrer Töchter.

Die väterlichen Leistungen bestanden insbesondere in emotionaler Zuwendung, aber auch in pflegeri­schen Aktivitäten, Beschäftigung mit Problemen des Kindes und Hilfe bei der Problemlösung.

Als negativ für die kognitive Entwicklung vor allem der Söhne konnte häufiges strafendes Verhalten oder Feindseligkeit des Vaters ermittelt werden. Demgegenüber korrespondiert geringer väterlicher Druck gegenüber Frau und Kind mit guten intellektuellen Leistungen des Sohnes.

Als Erklärungsversuch, wieso diese Wirkungen nur für Söhne nachzuweisen waren, bringt Fthenakis vor, darin drücke sich möglicherweise eine ambivalente Haltung der Väter gegenüber Mädchen im Leistungsbereich aus.

Bei Kindern beiderlei Geschlecht konnte beobachtet werden, dass ein zu starkes Eingreifen des Vaters in Problemlösungssituationen sich negativ auf die kognitive Entwicklung auswirkt, da es die Selb­ständigkeit einschränkt. Ein weiterer Befund in diesem Zusammenhang ist, dass die väterliche Ver­stärkung, nicht aber das väterliche Fordern von intellektuellen Leistungen positiv für den Schulerfolg ist.

4.3.4. Die Rolle des Vaters bei der Internalisierung moralischer Normen

Was den Einfluss des Vaters auf moralisches Verhalten des Kindes anbelangt, ist eine Untersuchung von Hoffman (1981) von besonderem Interesse, der vier Dimensionen väterlichen Verhaltens in Be­ziehung zu vier Faktoren setzt, die für die Internalisierung moralischer Normen von Bedeutung sind. Diese Dimensionen sind:

a) Die Eltern können durch ihre Worte und Handlungen als Modell dienen.

b) Die Eltern disziplinieren das Kind, indem sie bestimmtes Verhalten verstärken, anderes Verhalten ablehnen und Erklärungen geben.

c) Die Eltern sind die hauptsächlichen Erfüllungsinstanzen der affektiven Bedürfnisse des Kindes.

d) Die Eltern dienen als Bindeglied zwischen Kind und Gesellschaft. Dies geschieht zum einen, in­dem sie die Anforderungen und Erwartungen der Gesellschaft in die Familie tragen und sie für das Kind erfassbar machen und zum anderen durch ihre Position innerhalb der Gesellschaft. Dadurch erhält das Kind einen bestimmten Status, der wichtig wird, wenn das Kind beginnt, in Kontakt mit der Welt außerhalb der Familie zu treten.

Die angesprochen Faktoren sind:

1) Entstehen von Angst wegen Abweichung: Während der primären Sozialisation, in der das Kind für abweichendes Verhalten bestraft wurde, werden schmerzliche Angstzustände mit abweichendem Verhalten assoziiert. Die Angst vor Abweichung wird in der Folge vermieden, indem nicht-erwünsch­tes Verhalten unterdrückt wird.

2) Identifikation: Nach Freud identifiziert sich das Kind mit den Eltern, um erotische Impulse zu un­terdrücken, Bestrafungen zu vermeiden und weiterhin Zuwendung von den Eltern zu erfahren. Es übernimmt infolgedessen die Regeln und Verbote, die die Eltern aufstellen.

3) Entwicklung von Empathie und Schuldgefühl: Die kognitive Fähigkeit des Kindes, andere in ihrer Eigenart wahrzunehmen und das eigene Verhalten in seiner Wirkung auf andere zu erfassen, ist Vor­aussetzung für die Entwicklung von Empathie. Daraus entsteht die Motivation, sich um das Wohler­gehen anderer zu kümmern. Diese Motivation ist allerdings weniger abhängig von direkten Diszipli­nierungsmaßnahmen, sondern wird eher indirekt erworben, beispielsweise im Spiel mit Gleichaltri­gen.

4) Kognitiver Moralkonflikt und neues Gleichgewicht: Ein Konflikt zwischen Kognition und Moral kann mit Beginn der Adoleszenz entstehen. Seine Ursache hat er darin, dass dem Individuum größere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, Informationen zu verarbeiten.

Hoffman vertritt nun die Auffassung, lediglich einer dieser Faktoren, die innerhalb der moralischen Entwicklung bedeutsam seien, sei an das Geschlecht des Elternteils gebunden, nämlich der Faktor "Identifikation". Väter seien in diesem Bereich für ihre Söhne wichtiger als für ihre Töchter, da Väter sich normalerweise eher mit dem Vater identifizieren als mit der Mutter und daher auch eher deren moralische Vorstellungen übernehmen.

4.3.5. Die Rolle des Vaters bei der Entwicklung geschlechtsspezifischen Verhaltens

Väter wurden ermittelt als bedeutsam für die Entwicklung geschlechtsspezifischen Verhaltens ihrer Söhne, nicht aber ihrer Töchter.

Die empirischen Arbeiten zu diesem Themenbereich konzentrieren sich, was die Beziehung zwischen Vater und Sohn anbetrifft, auf folgende Variablen:

a) Väterliche Dominanz:

Maßgeblich für eine Beeinträchtigung der Entwicklung einer männlichen Identität bei den Söhnen scheint demnach Passivität des Vaters innerhalb des familiären Rahmens zu sein, insbesondere was seine Entscheidungsfreude anbelangt.

b) Väterliches Sorgeverhalten:

Generelle Merkmale der Vater-Sohn-Beziehung wie Warmherzigkeit und Aufgeschlossenheit schei­nen eine stärker prägende Kraft zu haben als die sogenannte "Männlichkeit" des Vaters.

c) Restriktives Verhalten des Vaters:

Es zeigte sich, dass die Art väterlichen Disziplinierungsverhaltens mit der Ausprägung aggressiven Verhaltens bei Jungen zusammenhängt. Restriktives Vaterverhalten begünstigt demnach nur innerhalb einer liebevollen Vater-Sohn-Beziehung die Zuneigung des Jungen zum Vater und seine Entwicklung zu adäquater maskuliner Identität.

Der väterliche Einfluss auf die Töchter konnte dahingehend nachgewiesen werden, dass einem Mäd­chen die Aufnahme und Aufrechterhaltung heterosexueller Kontakte umso leichter fällt, je enger die Vater-Tochter-Beziehung ist. Aber auch die Übernahme einer nicht-traditionellen Geschlechterrolle (Karriereorientierung etc.) kann durch einen engagierten Vater gefördert werden.

4.3.6. Empirische Studien zur Väterabwesenheit

Noch zu Beginn der siebziger Jahre stellten Studien zur Auswirkung der Abwesenheit des Vaters den Schwerpunkt der Vaterforschung dar.

Bei den Studien zur Bedeutung der Vaterabwesenheit bilden solche über deren Effekte auf die kogni­tive Entwicklung den wichtigsten Forschungsbereich. Generell hat der Verlust des Vaters dann die negativsten Folgen für die kindliche Entwicklung, wenn er durch Trennung oder Scheidung der Eltern bedingt ist, in frühem Kindesalter einsetzt, von langer Dauer ist und keine Ersatzperson zur Verfü­gung steht.

Die meisten Studien, die ein allgemeines Maß der intellektuellen Leistungsfähigkeit messen, kommen zu dem Ergebnis, dass Kinder aus vaterlosen Familien leistungsschwächer sind als Kinder aus voll­ständigen Familien. Zurückzuführen ist dies nach dem Konfluenzmodell von Zajonc & Markus (1975) darauf, dass der IQ aufgrund einer Punkteverteilung für das jeweilige "geistige Alter" jedes Fami­lienmitgliedes negativ mit der Familiengröße korreliert. Der Verlust des Vaters wird aus dieser Per­spektive als Ausfall eines Familienmitglieds mit hohem "geistigem Alter" als äußerst negativ für die kognitive Entwicklung bewertet.

Ferner haben Jungen, die vaterlos aufgewachsen sind, eine weniger ausgeprägte männliche Identität und die Geschlechtsrollen sind bei ihnen weniger ausdifferenziert.

Diese Untersuchungen sind allerdings insoweit fraglich, als in der Regel adäquate Kontrollgruppen fehlten und zumeist nur solche Probanden erfasst wurden, die in psychologischer/psychiatrischer Behandlung standen. So wurde beispielsweise die Auswirkung der Vaterabwesenheit auf die morali­sche Entwicklung nur bei delinquent gewordenen Jugendlichen untersucht.

4.4. Zusammenfassung

Abschließend ist festzustellen, dass Väter offensichtlich heute nicht - wie von feministischer Seite vorgetragen - bedeutungslos geworden sind. Sie können einen wichtigen Beitrag zum familiären Le­ben und zur Entwicklung ihrer Kinder beitragen und haben hinsichtlich einiger weniger Variablen sogar exklusive Funktionen. Die feministische Fehleinschätzung beruht zum einen darauf, dass Vater­sein lediglich an bestimmten Rollen festzumachen. Andererseits drückt sich allerdings darin auch die Alltagserfahrung aus, dass Väter - zumindest die traditionellen - allzu häufig gar keinen Wert darauf legen, ihre Potentiale in die Erziehung der Kinder einzubringen. Genau dies ist aber die zwingende Voraussetzung dafür, dass Väter sich in ihrem eigenen Erleben und in ihrer Bedeutung für die Kinder und die Familie aus ihrer Krise befreien können.

Festgestellt werden konnte überdies, dass die exklusive Mutter-Kind-Beziehung offensichtlich in wei­ten Bereichen eher ein Mythos als biologisch-determinierte Realität ist. Die eingangs aufgeworfene Frage kann also dahingehend beantwortet werden, dass der Bedeutungsverlust des Vaters nicht mit einer reellen Bedeutungslosigkeit hinsichtlich seiner potentiellen Funktionen für Kinder und Familie korrespondiert.

5. Heutige Vaterbilder

5.1. Einleitung

Vaterbild: ein sich auf gesellschaftlicher Ebene konstituierendes Leitbild im Sinne einer kollektiven Idealvorstellung

Wie bereits eingehend beschrieben, hat sich die Stellung des Vaters in der Geschichte bedeutend ge­wandelt. Einher gingen diese Wandlungsprozesse mit allgemeinen Prozessen sozialen Wandels. An dieser Stelle soll nun überprüft werden, welche Vaterbilder für die Gegenwart beschrieben werden können und inwieweit sie den Anforderungen gerecht werden, die auf der Basis der dargestellten Theorien und der empirischen Ergebnisse der Vaterforschung an eine bedeutsame Funktion des Va­ters gestellt werden können.

- Frauenbewegung: Auch innerfamiliär werden zunehmend traditionelle Rollen in Frage gestellt. Frauen erwarten von Männern, dass sie auch bislang als "weiblich" definierte Aufgaben übernehmen, etwa die der Kinderbetreuung und -erziehung.

- Männerbewegung: In Analogie und wohl auch als Reaktion auf die Frauenbewegung wurden einer steigenden Zahl von Männern die Beschränkungen bewusst, die ihnen die traditionelle Vaterrolle auf­erlegte. Der Widerstand gegen diese Rolle äußert sich nicht nur in der bewussten Übernahme von Verhaltensweisen, die in der traditionellen Lesart als "weiblich" gelten, sondern auch in einer sehr bewussten Einstellung zur Vaterschaft. Entstanden ist diese Bewegung aber insbesondere unter dem Druck der Frauen, die eine Beteiligung der Männer an der Hausarbeit und der Kindererziehung ein­klagten, um selber wieder vermehrt im Berufsleben zu stehen.

- Geburtenkontrolle und Familienplanung: Waren Kinder früher "Schicksal", besteht heute die Mög­lichkeit gewollter Elternschaft. Kinder haben damit wesentlich eher die Chance, gewollt zu sein und damit einer ganz anderen Grundeinstellung zu begegnen. Durch die geringer gewordene Kinderzahl verändern sich die Binnenbeziehungen innerhalb der Familie ebenso wie die Beziehungsqualität.

Allgemein und etwas vereinfacht lassen sich drei Vaterbilder unterscheiden, nämlich der traditionelle, der partnerschaftliche und der "neue" Vater.

5.2. Der traditionelle Vater

Der traditionelle Vater bedeutet symbolisch vor allem Macht, Autorität und öffentliche Kompetenz, während seine alltagspraktische Aufgabe hauptsächlich im Gelderwerb für die Familie besteht. Die dahinterstehenden Grundannahmen sind eine biologisch vorgegebene Mutter-Kind-Bindung, die ständige Anwesenheit der Mutter für eine adäquate Kinderversorgung, hierarchisch geordnete Bezie­hungen in der Familie nach Geschlecht und Alter, in denen der Vater als Ernährer und Beschützer der Mutter-Kind-Dyade in Erscheinung tritt.

Der traditionelle Vater wird von Hanne-Lore von Canitz auch als der patriarchalische Vater charakte­risiert, wobei sie sehr differenziert unterschiedliche Typen patriarchalischer Väter beschreibt. Als verbindend sieht sie bei diesen Typen, dass sie sich als Oberhaupt der Familie definieren, für sich also in Anspruch nehmen, höchste Autorität innerhalb der Familie zu besitzen.

Autorität stelle nun nicht grundsätzlich etwas negatives dar, es gebe schließlich auch natürliche Au­torität des Überlegenen, die durchaus positive Effekte in seiner Umwelt zeitigen könne. Da Väter ihrer Ansicht nach aber in der Moderne ihre Überlegenheit eingebüßt haben, könne ihr autoritäres Verhalten auch keine positiven Wirkungen entfalten. Es seien nurmehr die Auswirkungen des Autori­tären geblieben, nämlich Zwang oder Druck auszuüben. Der traditionelle Vater ist sogesehen der Proto­typ des entmachteten Vaters.

5.3. Der partnerschaftliche Vater

Der partnerschaftliche Vater ist in seiner symbolischen Bedeutung für das Kind mehr Vorbild, Förde­rer und Interaktionspartner, während er im Alltag neben seinem traditionellen Aufgabenbereich seinen Kindern auch als Freizeitkamerad, Spielgefährte und aktiver Erzieher gegenübertritt. Die impliziten Grundannahmen dieser Perspektive bestehen aus einer sozial überformten, nicht biologisch festge­schriebenen Mutter-Kind-Beziehung, dass beide Elternteile für eine gelungene kindliche Entwicklung gleichermaßen wichtig sind, einer flexiblen Geschlechtsrollenteilung im Sinne eines partnerschaftli­chen Interaktionsschemas und darin, dass der Vater neben der Sicherung des Lebensunterhaltes auch in alltäglichen Interaktionen für das Kind verfügbar sein soll.

Dieses Vaterbild trägt durchaus bereits den angesprochenen Erfordernissen Rechnung, die einen Va­ter zum bedeutenden Part in der kindlichen Entwicklung und der Familie werden lassen. In gewisser Weise finden sich egalitäre Grundzüge der Elternschaft. Gerade die wesentliche Funktion bei der Entwicklung der Geschlechtsrollenidentität dürfte von partnerschaftlichen Vätern gut wahrgenommen werden.

5.4. Der "neue" Vater

Der "neue" Vater thematisiert schließlich vor allem die Bedeutung der Vaterschaft für die Väter selbst, indem die Erfahrung und der Umgang mit Kindern aus der Sicht der Männer aufgearbeitet wird, wobei insbesondere ehemals weibliche Erfahrungsbereiche wie Schwangerschaft, Entbindung oder Säuglingspflege von den neuen Vätern bevorzugt aufgegriffen werden. Die symbolische Bedeu­tung dieser auch als androgyn bezeichneten Konzeption von Vaterschaft ist derzeit noch unklar, da von einigen Autoren ein genuin männlicher Beitrag zur kindlichen Sozialisation negiert wird. Demge­genüber versuchen andere, die Konturen einer neuen Väterlichkeit zu formen, die inhaltlich klar von Mütterlichkeit abgegrenzt werden kann. Die darin enthaltenen Grundannahmen differieren ganz er­heblich von den vorangegangenen Konzeptualisierungen, zumal in der alltagspraktischen Bedeutung zwischen Vater und Mutter, abgesehen von biologischen Vorgegebenheiten (z.B. dem Stillen) keiner­lei Unterschied gemacht wird. Zum einen werden die Bindungen zwischen Eltern und Kindern als ausschließlich sozial determiniert betrachtet und die Aufteilung und Wahrnehmung der familialen Rollen als Aushandlungssache der Individuen. Dabei ist eine traditionelle Rollenverteilung zwar durchaus möglich, aber nicht wünschenswert.

Zum anderen ist für eine gelungene kindliche Entwicklung ein stabiler emotionaler Bezugsrahmen wichtig, der aber von Mutter und Vater oder auch von anderen an der Kinderpflege beteiligten Perso­nen gewährleistet werden kann. Weiterhin muss davon ausgegangen werden, dass aufgrund des gegen­wärtigen Geschlechtsverhältnisses heterogene Interessenlagen von Mann, Frau und Kind gegeben sind und somit die Bedürfnisse von Mann, Frau und Kind konträr sein werden. "Neue" Väter sind sogese­hen elementare Bestandteile von "Verhandlungsfamilien", in denen viel Energie darauf aufzuwenden ist, die divergierenden Interessen ihrer Mitglieder in einem familialen Rahmen zu vereinen. Auf die Folgen neuer Vaterschaft werde ich anschließend noch gesondert eingehen.

6. Folgen "neuer" Vaterschaft für die Sozialisation des Kindes

6.1. Auswirkungen auf den Vater selbst

Auf eine Veränderung der Partizipation des Vaters an der Kinderbetreuung folgt auch eine Verände­rung seines Verständnisses für die Kinder und seiner Sensibilität für kindliche Bedürfnisse. Zu diesem Ergebnis gelangten eine Reihe von empirischen Studien. Wesentlich dabei ist nicht das Ausmaß der gemeinsam verbrachten Zeit, sondern die Art, wie diese Zeit gemeinsam verbracht wird. Nach Russell (1982) war der wichtigste Faktor die Tatsache, dass die Kinder allein mit dem Vater waren und er im Alltag die alleinige Verantwortung für sie hatte. Das vermehrte Verständnis für die Kinder hat auch ein Änderung der Auffassung von der eigenen Vaterrolle zur Folge: Sie fühlten sich als Väter selbst­sicherer und effektiver.

Die Auswirkungen verstärkter Beteiligung auf Väter werden gegenwärtig unter folgenden Aspekten diskutiert:

a) Geschlechtsrollenidentität

b) Zufriedenheit und Selbsteinschätzung

c) Einstellungen und Überzeugungen

a) Geschlechtsrollenidentität

Die Bereitschaft von Vätern, sich an der Kinderbetreuung zu beteiligen, geht einher mit weniger rigi­den Vorstellungen von Männlichkeit. Es zeigte sich, dass hochinvolvierte Väter ihr Verhalten als voll vereinbar mit männlicher Identität ansahen. Sie vertraten demgegenüber die Auffassung, dass traditio­nelle Väter eine zu "enge" Ansicht über Männlichkeit und rollenadäquates Verhalten zeigen.

b) Zufriedenheit

Etliche Arbeiten beschäftigten sich mit der Frage der Zufriedenheit hochinvolvierter Väter. Es wird darin von erhöhtem Selbstwertgefühl, größerer Zufriedenheit und größerem Selbstvertrauen der Väter berichtet. Ganz offensichtlich besteht ein Zusammenhang zwischen gestiegener Selbstachtung und Zufriedenheit und Übernahme von Sorge für die Kinder.

Allerdings wurde kritisch auch darauf hingewiesen, dass es eventuell gerade selbstsichere Männer sind, die hinsichtlich der Kinderbetreuung eine nichttraditionelle Rolle übernehmen.

c) Einstellungen

Eine australische Studie von Russell legt nahe, dass verstärkte Beteiligung des Vaters an der Kinderbe­treuung mit Veränderungen in seinen Einstellungen und Überzeugungen hinsichtlich der Kinder ein­herging. Die Väter äußerten größere Wertschätzung der Kinder allgemein und betonten, wie wichtig es sei, dass es den Kindern gut gehe. Außerdem traten sie verstärkt für eine Unterstützung der Fami­lien bezüglich der Betreuungs- und Versorgungsmöglichkeiten des Kindes ein.

Sie hatten auch eine veränderte Auffassung von der Rolle der Frau: sie vertraten verstärkt egalitäre Auffassungen von Geschlechtsrollen und zeigten mehr Akzeptanz und Einfühlung hinsichtlich desje­nigen, der sich ganztags um dir Kinder kümmert. Diese Veränderungen dauerten auch an, wenn die Familie wieder zu traditioneller Rollenteilung zurückgekehrt war.

6.2. Auswirkungen auf die Kinder

- als Identifikationsobjekt

Für die Kinder bietet der stark beteiligte Vater ein vergleichsweise umfassenderes Rollenmodell, das sowohl instrumentelle als auch expressive Aspekte umfasst. Einige Bereiche der Beteiligung des Va­ters an der Kinderbetreuung korrelierten mehr mit maskuliner (Treffen von kinderbezogenen Ent­scheidungen), andere mehr mit femininer Geschlechtsrollenorientierung (reine Pflegehandlungen). Kinder in nichttraditionellen Familien nahmen die Geschlechtsrollen ihrer Väter differenzierter wahr, teil als stereotyper wie beim Aspekt des Vaters als strafende Instanz, teils als weniger stereotyp wie beim Hantieren mit Haushaltgeräten. Dabei war aber die Geschlechtsrollenorientierung beim Kind selber grundsätzlich nicht verändert.

In den nichttraditionellen Familien waren verstärkt Bemühungen des Vaters um die kognitive Förde­rung der Kinder zu verzeichnen. Es zeigte sich, dass verbale Fähigkeiten bei Mädchen und Intelli­genzmaße bei Jungen im Verhältnis zu Vergleichsgruppen erhöht waren.

Hinsichtlich der Identitätsentwicklung ist der Einfluss der neuen Väter umstritten. Die einen sehen im neuen Vater einen Gegenpol zur symbiotischen Mutter, die oftmals ein pathologisierendes Treib­hausklima schaffe. Andere vertreten die Auffassung, das "eifersüchtige Eindringen" des neuen Vaters in die frühe Mutter-Kind-Beziehung könne die für die Identitätsentwicklung so wichtige ödipale Krise verhindern. Anstatt als Gegenpol zur Mutter dem Kind einen Weg aus dieser symbiotischen Bezie­hung zu zeigen, verstärke der neue Vater geradezu die Treibhausatmosphäre.

7. Zusammenfassung und Diskussion

Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass Väter im Laufe der Geschichte in zunehmendem Maße an Bedeutung eingebüßt haben. Viele ihrer angestammten exklusiven Funktionen, insbesondere die des Ausbilders, des Beschützers und des Ernährers, haben sie verloren, und zwar in erster Linie an die Mütter und den Staat. Dies führte nach Lenzen zu einer Liquidation des Vaters, zumindest aber zu einer grundlegenden Identitätskrise des Vaters.

Wissenschaftlich betrachtet hat der Vater aber nach wie vor wichtige Funktionen, wenngleich sie nicht mehr in früherer Exklusivität und nicht mehr an verschiedenen Rollen erkennbar sind. Ein we­sentlicher Aspekt dabei ist die Bedeutung des Vaters für die Geschlechtsrollenentwicklung, aber auch für die moralische und kognitive Entwicklung. Zwar sind letztere keine geschlechtsspezifischen Aspekte, die eine Exklusivität des Vaters rechtfertigen, sie sind aber wie viele andere auch nicht als biologisch determinierte Mütterfunktionen zu bezeichnen. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass die beschriebenen "neuen" Väter offensichtlich in ihrer androgynen Rollenanlage den Kindern nicht schaden, scheint gerade dieses Vaterbild geeignet, den gewandelten familiären Anforderungen gerecht zu werden und Vätern aus ihrer Identitätskrise zu helfen.

Nun stellt sich aber auch die Frage, ob die "neuen" Väter in der Realität überhaupt existent sind und - wenn ja - in welcher Größenordnung. Diesbezüglich wird in der Literatur auf zwei Studien verwiesen.

Helge Pross führte von Oktober 1975 bis März 1976 eine repräsentative Untersuchung an 20- bis 50-jährigen Männern durch, die zu dem Ergebnis kam, dass sich im wesentlichen an der traditionellen Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern nichts geändert hat. In Bezug auf die Vaterrolle fand sie interessanterweise heraus, dass sich die Väter wesentlich differenzierter zur Rolle der Mutter als zu ihrer eigenen äußern konnten.

Die Entscheidungsstruktur in Erziehungsfragen wurde als egalitär beschrieben. Bei der Frage nach den Hauptaufgaben des Vaters wurde jedoch eine deutliche Diskrepanz zwischen Idealvorstellung und realem Verhalten ermittelt. Legten die Männer idealiter noch zusätzlich zu traditionellen Schutz- und Ernähreraufgaben Wert auf Erzieherfunktionen (wobei der Schwerpunkt auf freundschaftlichem, kameradschaftlichem Umgang lag), zeigte sich in der Realität eine äußerst distanzierte Wahrnehmung der Erzieherfunktion, die über Kontroll- und Disziplinierungsaspekte häufig nicht hinausreichte.

Interessant ist weiterhin, dass die Männer fast durchweg der Auffassung waren, dass zum einen ihre Vorstellungen von der Vaterrolle genau identisch seien mit dem, was von den Frauen an Erwartungen gestellt wird, zum anderen betrachteten sie die Anforderungen der Vaterrolle als nicht sehr hoch.

Die zweite häufig zitierte Untersuchung wurde von Metz-Göckel und Müller 1985 ebenfalls an 20- 50-jährigen Männern durchgeführt. Generell ergab sie das gleiche Bild. Geändert hatte sich, dass die Männer nicht mehr einheitlich ein hierarchisches Geschlechterverhältnis als natürliche, harmonische Ordnung vertreten, doch, wie die Autorinnen schreiben, "womit sie mit dem Kopf eintreten, setzen sie in die Tat nicht um." Diesbezüglich besteht allerdings eine Differenzierung nach Alter und Bildungs­grad: Je jünger und je gebildeter die Männer, desto eher äußern sie sich frauenfreundlich.

Nach wie vor wird aber der Ernährerfunktion der Vorrang gegeben gegenüber der Wahrnehmung von Erziehungsaufgaben.

Generell wird nunmehr allerdings von einem Trend zur egalitären Partnerbeziehung und zur Aufwei­chung autoritärer Strukturen in der Vater-Kind-Beziehung gesprochen. Kinderfragen werden von den Befragten aber weiterhin als Frauenfragen qualifiziert.

Abschließend kamen die Autorinnen zum Ergebnis, dass die Zahl der "neuen" Männer als ausgespro­chen gering anzusehen ist. Es stellt sich also die Frage, weshalb sie eine solche Medienpräsenz erfah­ren. Zurückzuführen sein könnte dies auf den Versuch der Männer, der erlebte Krise des Vaters nach außen mit einer geänderten Vaterrolle zu begegnen, ohne allerdings auch die daraus erwachsenden Verpflichtungen einzulösen. Es handelte sich dann um eine Maßnahme, gleichsam aus dem Kreuz­feuer der Kritik zu fliehen und sich selbst wieder in der Vaterrolle aufzuwerten. Allerdings wäre es auf der Basis der heutigen Erkenntnis für alle Beteiligten wünschenswert, wenn die Väter die im Ideal bereits geäußerten Vorstellungen auch in die Tat umsetzen würden. In diesem Zusammenhang ist aber auch eine systemische Sichtweise anzumahnen, konnte doch in einer Untersuchung von Fthenakis, dass Mütter trotz weitverbreiteter Unzufriedenheit mit der Beteiligung der Väter an familialen und hauswirtschaftlichen Aufgaben gravierende Eifersuchtserwartungen im Falle einer gleichberechtigten Mitverantwortung für die Kinder äußerten. Zwar sei die Mithilfe bei der Kinderbetreuung und -pflege erwünscht, die Exklusivität der Mutter-Kind-Beziehung solle aber erhalten bleiben. Mütter wollen die wichtigste Person im Leben des Kindes bleiben.

8. Literatur

Ariès, p. (1975): Geschichte der Kindheit. München/Wien.

Behrendt, V.; Himmelsbach, P. (1987): Sozialarbeiterische Interventionsmöglichkeiten für

Vater-Kind-Familien. Dortmund.

Bronfenbrenner, U. (1981): Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Stuttgart.

Canitz, H.-L.v. (1982): Väter. Die neue Rolle des Mannes in der Familie. Frankfurt/M./Berlin/Wien.

deMause, L. (1977): Evolution der Kindheit.

In: Ders. (Hrsg.): Hört ihr die Kinder weinen. Eine psychogenetische Geschichte der Kindheit. Frankfurt/M.,

S. 12 - 111.

Fthenakis, W.E. (1985): Väter. Band 1: Zur Psychologie der Vater-Kind-Beziehung. München/Wien/Baltimore.

Heiliger, A. (1989): Der Mythos von den neuen Vätern.

In: Sozialmagazin, Heft 1, S. 14 - 22.

Lenzen, D. (1991): Vaterschaft. Vom Patriarchat zur Alimentation. Reinbek bei Hamburg.

Parke, R.D. (1982): Erziehung durch den Vater. Stuttgart.

Pohle-Hauß, H. (1977): Väter und Kinder. Zur Psychologie der Vater-Kind-Beziehung. Frankfurt/M.

Pruett, K.D. (1988): Die neuen Väter. Männer auf dem Weg in die Familie. München.

Schlüter, S. (1997): Geht das gut? Männliche Pädagogen im Frauenhaus.

In: Sozialmagazin, Heft 10, S. 14 - 26.

Schmidt-Denter, U. (1984): Die soziale Umwelt des Kindes. Berlin.

Schneider, W. (1989): Die neuen Väter - Chancen und Risiken. Zum Wandel der Vaterrolle in Familie und

Gesellschaft. Augsburg.

Stechhammer, B. (1981): Der Vater als Interaktionspartner des Kindes. Ein pädagogischer Beitrag zur Erfassung

sozialer Bedingtheiten des väterlichen Interaktionsverhaltens. Frankfurt/M.

Vogt, G.M.; Sirridge, S.T. (1993): Söhne ohne Väter. Vom Fehlen des männlichen Vorbilds. Frankfurt/M.

Verfasser:

Stephan Barth, Diplom-Pädagoge, Diplom-Sozialarbeiter

Keine Kommentare: