Mittwoch, 31. Oktober 2007

Wir sind kein Volk

Es ist wieder mal an der Zeit, auf eine ganz besondere Homepage zu verweisen: www.dalank.de

Hier finden wir folgende Passage:


Vor allem aber sind es natürlich immer anderer Leute Kinder - also die Kinder, die man unbewusst selber gern hätte, und sich nicht leisten zu können meinte - die den Krach machen, den Dreck auf den Hof schleppen, usw.: ein Konkurrenzmotiv also. Dass die resultierende systematische Vernachlässigung aller Bereiche, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, die Verwandlung unserer Schulen in notdürftig beaufsichtigte Mülldeponien auch die eigenen Kinder trifft, die so genannte Zukunft der Nation (falls jemand darauf Wert legen sollte) mit, reicht für ein gesellschaftlich durchsetzungsfähiges Interesse nicht aus. Eher werden wir uns wie in den USA ein Zweiklassenbildungsystem leisten: Die Kinder reicher Eltern auf Privatschulen, und der Rest soll doch zur Hölle fahren.

Doch all das sind ideologische Nebenkriegsschauplätze. Fakt ist, dass glückliche Völker sich vermehren, ganz gleich, wie ihre Umstände beschaffen sind. Die Bevölkerung der Bundesrepublik ist unglücklich, und sie ist kein Volk -

Mit dem Wort Volk sprechen wir die Allgemeinheit der Blutsverwandtschaft aus, damit die Vertrautheit der Sitten, die Freundlichkeit des Umgangs, den gegenseitigen Beistand - im eigenen Volk kann man sich überall zu Hause fühlen, man ist ja auch zuhause. Volk ist der Raum der Heimlichkeit, aus dem heraus ich ich sein kann. - Das hat unweigerlich auch einen zeitlichen Aspekt, den Martin Buber exemplarisch formuliert hat: »Jetzt ist ihm [hier dem Juden - aber man darf es verallgemeinern: jedem Menschen im Bezug auf das eigene Volk] das Volk eine Gemeinschaft von Menschen, die waren, sind und sein werden, eine Gemeinschaft von Toten, Lebendigen und Ungeborenen, die zusammen eine Einheit darstellen; und diese ist eben die Einheit, die er als den Grund seines Ich empfindet, seines ich, das in diese große Kette als ein notwendiges Glied an einem von Ewigkeit bestimmten Orte eingefügt ist.« (zitiert nach Voigts 1995, 143; Voigts will hier allerdings, um vom anstößigen Begriff fortzukommen, »Volk« schlicht durch »Menschheit« ersetzen: das ist Unfug, es gibt Menschheit nur in ihrer Besonderung in Völker, so wie es ja auch keine Menschen gibt, sondern nur Männer und Frauen.)
Nur zu nahe liegend ist dabei freilich der Zweifel, ob es denn ein Volk überhaupt in einem komplexeren Gesellschaftszustand geben könne - vielmehr die Gewissheit, dass man in heutigen Verhältnissen von Volk gar nicht sprechen sollte. Bevölkerung, jawohl, Bemenschung der Landschaft, und mancherorts zu viel davon pro km², das ist zweifellos der Fall. - Man muss aber daran denken: Volk ist ein unvermeidliches Wunschbild. Es gibt kein Volk, nicht in Deutschland und nicht in anderen entwickelten Nationen, es soll aber entstehen, das ist unsere einzige Hoffnung. Volkwerdung ist eine ständig aktuelle Aufgabe, auch wenn wir wissen, dass unserer Generation noch kein Moses kommen kann, der uns aus der Knechtschaft führt. Volk baut sich aus Fruchtbarkeit, Verwandtschaft, Eingedenken und einer gemeinsamen Sehnsucht, und wir wollen alles dies hoch achten.

Das ist etwas anderes als Verfassungspatriotismus, diese intellektuelle Totgeburt, dieser Homunkulus einer perversen Gesinnung.
Volk zu sein und Volk sein zu wollen, das hat nichts mit völkischer Gesinnung nationalsozialistischer Prägung zu tun.
Es hat zu tun mit Verwurzelung in einer Kultur, mit Bindung an Menschen ähnlicher Kultur, mit Verantwortung für eine Gemeinschaft, zu der man sich ganz ungezwungen aber dennoch fest verbunden fühlt.
Das Deutsche Volk, das ist etwas anderes als deutsche Bevölkerung.

Montag, 29. Oktober 2007

Das neue (alte) Programm der SPD

Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden! (Beschlossen auf dem Berliner Parteitag der SPD Oktober 2007)

Wir wissen von Heydrich, dass er vor Hitlers Augen Gnade fand, weil er offenbar den Juden in sich überwunden hatte.


Wir hören aus dieser Botschaft einen schäbigen Rassismus.

Hier das neue Logo der SPD, der Sozialbürokratischen Partei:


Quelle des Bildes: Conny

Donnerstag, 25. Oktober 2007

Diskriminierung

Quelle: Jörgs Homepage zum Thema Angst


Das Wort Diskriminierung geht auf das lateinische discrimen zurück, was unter anderem "Unterschied" und "Unterscheidung" bedeutet. Heute verstehn wir unter Diskriminierung noch etwas mehr, nämlich die Beurteilung aufgrund eines meist äußeren Unterschiedes. So werden Menschen nach Hautfarbe unterschieden und dann danach bewertet, als ob die Gene, die auch für die Ausbildung der Hautfarbe verantwortlich sind, in selbem Maße den Charakter formen. Diese Diskriminierung ist in weiten Kreisen unserer Gesellschaft zu recht verpönt, etwas salonfähiger ist da schon die Beurteilung eines Menschen nach seinem Geschlecht.

Ich habe es mir nicht ausgesucht, als ein männlicher Mensch auf die Welt zu kommen. Ich bin in eine Familie hineingeboren, die, zumindest was die Erziehung der Kinder anbelangte, von den Frauen dominiert wurde. Und da habe ich schon frühzeitig vermittelt bekommen, dass Männer die unanständigeren Menschen sind. Auf teilweise rabiate, teilweise subtile Art, so dass ich es selber irgendwann geglaubt habe. Ich glaube es inzwischen von meinem Verstand nicht mehr so, aber habe immer noch ein großes gefühlsmäßiges Problem damit. Ich bekomme heute noch oft einen Panikanfall, wenn sich mir eine Frau nähert, aus Angst, sie könnte sich von mir abgestoßen fühlen, wenn sie mein wahres Inneres bemerkt. Im Innern bin ich natürlich ein Schwein, und das Gefühl sitzt tief.

Während ich zuhause das Gefühl hatte, ich bin weniger wert als meine Schwester, was mir in den unterschiedlichsten Varianten vorgehalten wurde, so traf ich dann im Kindergarten und dann in der Schule auf andere Jungen, die sich einen Spaß daraus machten mir die Hölle heiß zu machen. Im Grunde genommen bestätigten sie das Bild von dem schlechten Geschlecht. Ebenso wie die Mädchen, die zu mir hielten, und mich trösteten, wenn ich von den Jungen Keile bekommen habe, das Bild von dem guten Geschlecht bestätigten. Aber auf beiden Seiten gab es da auch Ausnahmen, Kinder, die wie ich in ihrem Verhalten aus der Rolle fielen.

Auf der einen Seite fühlte ich mich schlecht, weil ich ein Junge war, auf der andern Seite, weil ich kein richtiger Junge war, der dann dafür auch ausgiebig gemobbt wurde. Heute sagt man zu Jungen und Männern, sie seien ein Weichei, wenn sie weinen, früher gab es andere Schimpfwörter dafür. Und ich habe damals viel und oft geweint. Freilich hatte es wenig geholfen, weder zuhause noch in der Schule. Zuhause wurde mir dann der "Hosenboden versohlt", weil ich so "ungezogen" bin (halt typisch für einen Jungen), später wurde die körperliche Bestrafung durch verbales Mobbing ersetzt. Und für die kleinen Arschlöcher in der Schule war mein Weinen noch ein zusätzlicher Anreiz auf mich loszugehn.

Ich habe lange Zeit geglaubt, dass die Welt gerechter wird, wenn Frauen mehr zu sagen haben. Das wurde mir zuhause ja auch so vermittelt, und in der Schule gabs die Bestätigung durch die kleinen Machos, die sich gegenseitig anfeuerten wenn sie mich quälten. Man hätte mich in späteren Jahren getrost auch als Feminist bezeichnen können, von der Überzeugung her. Und wenn Frauen in ihrer Lästerei über Männer mal das "Angewesene natürlich ausgeschlossen" vergessen haben nachzuschieben, so habe ich da schüchtern lächelnd drüber hinweggesehen. Gelächelt habe ich auch noch - wenn auch gequält - wenn Witze gemacht wurden über impotente Männer oder gar die Kastration von Männern. Ich finde an so einer Verstümmelung nichts lustiges. Und wenn ich an die Nierenschmerzen denke, die ich als Kind hatte, weil mir - von einer Frau - zu bestimmten Zeiten untersagt wurde die Toilette zu benutzen, so empfinde ich Witze über männliche Probleme im urogenitalen Bereich einfach nur als zusätzliche Demütigung.

Ich war lange Zeit der liebe Kleine, der niemanden etwas zuleide tut, der gerne einer Frau zuhörte, wenn sie ihren Kummer über ihre verkorkste Beziehung loswerden wollte, um gleich anschließend mit dem Arsch wieder ins Bett zu hüpfen. Letztendlich waren es Frauen, die mir die Augen öffneten. Männer hielt ich da wohl auch für zu befangen, wenn sie mir erzählten, ich wäre viel zu lieb, das wäre mein Problem. Es war mein Problem, ich wurde da auch gerne augenutzt, allerdings nicht nur von Frauen. Stutzig gemacht hatte mich eine Frau, die bei vielen Männern als ausgesprochene Emanze galt, und die mir sagte, dass sie es bei mir verstehn würde, wenn ich Frauen hassen würde. Meine Ex-Freundin, die mir sagte, sie hätte das Gefühl, dass ich ein Mann bin, der zuviel liebt, als ich das Buch "Wenn Frauen zu sehr lieben" von Robin Norwood las. Die Beraterin vom Arbeitsamt, die mir in bezug auf mein Selbstwertgefühl sagte, ich hätte die typischen Probleme einer Frau, und ein Kurs, den sie selbst leitet, wäre da ideal für mich. Leider wäre der nur für Frauen.

Inzwischen bin ich so weit, dass ich sehe, dass Feminsmus und Machotum auf dieselbe Art und Weise menschenverachtend sind. Ich habe unter beiden gelitten. Was mich am Feminismus zusätzlich stört, ist dieser Heiligenschein, dass es darum ginge, unterdrückten Menschen zu helfen gegen die Unterdrücker. Ich glaube da inzwischen nicht mehr dran. Am meisten profitieren werden die Frauen, die eh schon ihre Ellenbogen einsetzen. Und das Gegenstück zu diesen Frauen, die männlichen Platzhirsche werden sich davon am wenigsten beeindrucken lassen. Verlierer auf beiden Seiten sind Männer und Frauen, die nicht so skrupellos sind. Menschen, deren Stimmen in dem Getöse der Machos und Feministinnen untergehn, wenn sie überhaupt ihre Stimme erheben.

Der grundlegende Fehler des Feminismus ist es, dass er auf einer simplen Diskriminierung beruht, wenn er benachteiligte oder schwache Menschen gleichsetzt mit Frauen, und bevorzugte bzw. starke mit Männern. Oder in einer übersteigerten Variante sind Täter typischerweise männlich, Opfer Frauen. Männliche Opfer schweigen oft aus Scham, zumal wenn der Täter noch eine Frau ist. Männliche Opfer dürfen kein Opfer sein, ansonsten sind sie kein richtiger Mann. Ich möchte keine Opferstatus für erlittenes Leid, aber ich würde es schon als großen Fortschritt ansehen, wenn ich nicht ständig mit Tätern, Vergewaltigern und Missbrauchern pauschal in einen Topf geworfen werde, nur weil ich das gleiche Geschlecht habe. Genauso wie ich mich bemühe, von dem verletzendn Verhalten einiger Frauen nicht auf den Rest der weiblichen Welt zu schließen. Und zum Glück gibt es auch schon nicht wenige Frauen - und auch Männer - die andere Menschen nicht so sehr nach Äußerlichkeiten wie der Geschlechtszugehörigkeit beurteilen. In diesem Sinne möchte ich meinen Beitrag auch verstanden wissen, nicht als pauschaler Angriff auf die Frauen, wie es leider bei vielen Männern der Fall ist, wenn sie sich gegen die Diskriminierung durch Frauen wehren. Auch in dieser Vorgehensweise ähneln sich Machos und Feminstinnen doch sehr. Aber Diskriminierung mit Diskriminierung zu bekämpfen, beseitigt keine Ungerechtigkeiten, es schafft nur neue.

© 2002 by Jörg. Eine Kopie dieses Textes befindet sich auf der Frauen und Männer Seite von Selbsthilfe-Missbrauch.de. Dort sind auch weitere Texte von (derzeit nur) männlichen Überlebenden zu lesen

Freitag, 19. Oktober 2007

Mit links geht das nicht

Gender Mainstreaming, dieser Versuch, Geschlechterrollen, biologische Gegebenheiten der Beliebigkeit preis zu geben, erzeugt Schäden.

Was geschieht, wenn Prägungen ignoriert werden, wenn Naturgegebene ignoriert wird, das zeigt der folgende Artikel aus der FAZ.



Linkshänder

Mit links geht das nicht

Von Katrin Hummel


Ein Linkshänder kann nie vollständig die Seite wechseln

19. Oktober 2007
Simone Bartels brachte ihren fünfjährigen Sohn ins Bett und wünschte ihm eine gute Nacht. Da sagte Leon: „Ich will kein blöder Junge sein. Immer machen im Kindergarten nur die anderen Kinder was richtig. Ich will nicht mehr leben.“


Die Zweiundvierzigjährige meint rückblickend: „Ich war total erschrocken, hab' mir das aber nicht anmerken lassen.“ Stattdessen streichelte sie ihm über den Rücken, zeigte ihm ihre Muskeln, sagte, dass sie ganz stark sei und ihm helfen werde und der Papa auch. Und dass man Lösungen finde, wenn man stark ist.


„Er ist geschädigt fürs ganze Leben“


Wochenlang hielt Bartels, eine ausgebildete Familientherapeutin, bei jedem Fußmarsch seine Hand, ließ ihn den Kopf heben und die Bäume anschauen. Der Vater, ein Geschäftsführer, reduzierte seine Stelle um 50 Prozent, sie selbst um 80, um für Leon da zu sein.


Simone Bartels aber weiß: „Er ist geschädigt fürs ganze Leben, traumatisiert, verhaltensverändert.“ Leon wurde im Kindergarten vom Linkshänder zum Rechtshänder gemacht. Die Familie hat daran gedacht, eine Erzieherin wegen Körperverletzung anzuzeigen, aber es ist ein kleiner Ort, und da überlegt man sich doppelt gut, was das bringt.


Der Kindergarten veränderte Leon


Aufgrund der leichten Fehlstellung eines Halswirbels ist Leon schon als Baby physiotherapeutisch behandelt und in seiner Entwicklung genau beobachtet worden. Seine Mutter, die den wahren Namen ihrer Familie nicht veröffentlicht sehen möchte, kann daher mit Sicherheit sagen, dass er vor seinem Eintritt in den Kindergarten Linkshänder war: Er hat den Schnuller mit links genommen, mit links die Autos gegriffen und mit links gemalt.


Doch als er in den Kindergarten kam, benutzte er immer häufiger die rechte Hand, und gleichzeitig veränderte er sich. Aus dem fröhlichen und neugierigen wurde im Laufe von zwei Jahren ein trauriger und frustrierter Junge. Nichts wollte ihm gelingen, die Erzieherinnen waren zunehmend genervt: Er kann nicht ausschneiden, keine Menschen malen, und er hat dazu auch keine Lust. In zwei Jahren malte er fünf Bilder, zwei davon bestehen nur aus jeweils drei Linien. „Nach mehreren Aufforderungen überreichte man mir die Bilder mit großer Verachtung in einer Plastiktüte, ein andermal reichte man mir wortlos ein leeres Blatt“, erinnert sich Simone Bartels.


Der Junge sollte die „schöne Hand“ benutzen


Von ihrem Sohn erfuhr sie, dass beim Basteln und Malen die anderen Kinder gelobt werden, man ihm hingegen schlechte Gefühle mache. Im Kindergarten sollte er beim Malen die Hand auf den Tisch legen, die linke. Befreundete Eltern beobachteten im Kindergarten, wie Leon angehalten wurde, die „schöne Hand“ zu benutzen. Beim Malen sei er „angemeckert“ worden.


Eine Linkshänderschere boten die Erzieherinnen ihm nicht an. Malvorlagen sind so ausgerichtet, dass man als Linkshänder die Vorlage mit dem Arm überdeckt, Leon konnte sie nicht bearbeiten. „Daraus wurde dann auf ausgedehnte Entwicklungsrückstände geschlossen“, sagt Simone Bartels. „Und man sah das negative Bild von dem Kind bestätigt.“


„Ich bin zu blöd für die normale Schule“


Gleichzeitig äußerte sich Leon zunehmend negativ über sich selbst. Zunächst ging es dabei nur ums Malen (“Ich bin nicht so ein Supermaler“), später um seine gesamte Person: „Ich bin zu dumm“, „zurückgeblieben“, „ich mache alles falsch“, „ich bin zu blöd für die normale Schule, sagt Frau . . .“. Bei der Schuluntersuchung fielen diese Äußerungen auf. Die Schulärztin empfahl eine Überprüfung der Händigkeit. Sie ergab, dass er ohne jeden Zweifel Linkshänder ist.


„Leon ist tief gekränkt und bekümmert“, sagt seine Mutter, „er will unbedingt beweisen, dass er auch irgend etwas gut kann.“ Mit fünf machte er das silberne Schwimmabzeichen, obwohl er für einen Seepferdchenkurs angemeldet war. Mit eisernem Willen schwamm er Bahn um Bahn. Er will unbedingt Muskeln aufbauen, fechten lernen und zum Mond fliegen. Ein Intelligenztest an einer Uniklinik, den er neben zahlreichen anderen Untersuchungen machen musste, um ein Rezept für Ergotherapie zu erhalten, ergab einen IQ von mehr als 140.


Händigkeit ist Hirnigkeit


Doch während andere hochbegabte Kinder häufig eingeschult werden, wenn sie noch gar nicht sechs sind, täte es Leon gut, selbst mit sieben noch nicht in die Schule zu gehen, meinen seine Eltern und die Linkshänderberaterin, die ihn inzwischen betreut. Denn obwohl er die kognitiven Fähigkeiten dazu schon lange besitzt, arbeitet er wegen seiner gestörten Händigkeit sehr langsam: Für alles, was sie mit der rechten Hand tun, müssen umgeschulte Linkshänder aufgrund der Umwege, die ihr Gehirn beim Denken macht, etwa 30 Prozent mehr kognitive Leistung aufwenden, sagt die Psychologin Barbara Sattler, Leiterin der Beratungsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder in München.


Sattler hat das knapp 400 Seiten starke Standardwerk zum Thema geschrieben. Ihr Fazit ist: Händigkeit ist Hirnigkeit - die Händigkeit ist abhängig von der motorischen Dominanz der jeweiligen Gehirnhälfte, und die ist angeboren. Wenn ein Linkshänder im Kindergartenalter mit rechts arbeitet, muss die neuronale und biochemische Interaktion zwischen seinen Gehirnhälften umstrukturiert werden. In Amerika bezeichnet man die Umschulung daher als „brain breaking“, als Brechen des Gehirns.


Umschulung massiver Eingriff in das Gehirn


Auch der Kieler Neurologe Hartwig Siebner und sein Freiburger Kollege Stefan Klöppel haben bei Versuchen mit einem Kernspintomographen nachgewiesen, dass sich Linkshänder niemals vollständig zu Rechtshändern umpolen lassen. Bei umgeschulten Menschen verlagerten sich zwar die Bereiche, die direkt an der Bewegungssteuerung beteiligt sind, zunehmend in die linke Hirnhälfte, die bei Rechtshändern dominant ist, heißt es in ihrer Arbeit. Die übergeordneten Regionen jedoch, die an der Planung und Kontrolle von Bewegungen teilnehmen, blieben zeitlebens am selben Ort.


Für typisch hält Barbara Sattler, was Leon passiert ist. Die Umschulung der angeborenen Händigkeit sei ein massiver Eingriff in das menschliche Gehirn, sie könne zu feinmotorischen Störungen und vielem mehr führen. Weil aber die natürliche Intelligenz des Kindes erhalten bleibe, führe das zu psychischen Irritationen. Das könne zahlreiche Sekundärfolgen haben: Unsicherheit, Überkompensation, emotionale Probleme bis ins Erwachsenenalter hinein oder Störungen im Persönlichkeitsbild.


Die Brote schmiert er sich mit links


Eine Lösung für Leons Schwierigkeiten ist nach Meinung seiner Linkshänderberaterin nur in Sicht, wenn er künftig wieder mit der linken Hand schreibt und malt. Doch auch das ist nicht so einfach, obwohl er inzwischen einen anderen Kindergarten besucht.


Denn nun ist die rechte Hand trainiert und ein bisschen geschickter. Wenn er müde ist, benutzt er immer die rechte. Etwas Besserung ist immerhin in Sicht. Leons Gang hat sich verändert, seine Mutter sagt, er gehe jetzt aufrechter als vorher, und seine Schultern sind muskulös. „Alle sagen: Er sieht ganz anders aus.“ Seine Brote schmiert er sich selbst, und zwar mit links. Auch sein Fahrrad schließt er mit links auf.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: dpa

Mittwoch, 17. Oktober 2007

Doing Backlash

Dieser Text aus der Seite "Der Maskulist" sei jedem zur Lektüre empfohlen. Besser kann man(n) es nicht ausdrücken.
Der Autor genießt meine besondere Hochachtung.


Zitat:

Doing Backlash!



Stellen wir uns vor, es ist Geschlechterkrieg und alle gehen hin. Sogar die Männer! Wobei dies im Grunde einer Befriedungsmaßnahme gliche, denn, zögen die Männer geschlossen in den sogenannten Geschlechterkrieg, wäre dieser auch prompt zu Ende.

Montag, 15. Oktober 2007

Männer zwischen Familie und Beruf

Dieter Schnack, November 1997

Vortrag auf der Tagung "Eine Zukunft für Frauen und Männer", 12.-14. November 1997. Vollständige Dokumentation der Tagung

Männer zwischen Familie und Beruf

Vor einiger Zeit hielt ich bereits schon einmal einen Vortrag über dieses Thema. Der damalige Titel lautete: „‘Hosianna Babypause!’ Zur voraussichtlichen mentalen Entwicklung von Boris Becker im Jahr der Familie nebst einigen Anmerkungen zur Vereinbarkeitsdebatte". Ein lustiger Titel, nicht wahr? Also, Boris Becker. Ich hielt den Vortrag auf einem Mütterkongreß in der Nähe von Frankfurt. Das kam total gut an. Über 400 Mütter, ich vorne als Referent, und die hatten richtig Spaß, als ich da meine Witze über Boris machte. Daß er, wenn er verloren hatte, immer bei der Pressekonferenz erzählte, er hätte halt in der Nacht so verdammt schlecht geschlafen. Und daß die Hannelore Rönsch, die damalige Familienministerin, ihn über den Klee lobte, weil er ein paar Pakete Windeln lang eine Babypause eingelegt hatte.

Strategisch gesehen war es gar nicht schlecht, von Boris zu erzählen. Die Mütter wußten nämlich sofort, daß ich ein selbstloser Freund der Mütter und der Frauenbewegung bin. Also ein ganz, ganz anderer Mann als Boris Becker zum Beispiel. Jedenfalls wurde ich mit viel Beifall bedacht, nachdem ich auch noch schwer engagiert angemerkt hatte, daß es die Frauen auch nicht einfach haben und wir Männer uns Gedanken machen, uns kümmern und was weiß ich nicht alles müssen. Danach gab es ein Mütterkabarett, ein leckeres Mittagessen, dann fanden Arbeitsgruppen statt mit Themen wie „Sag mir, wo die Väter sind" usw., also es war ein schöner Kongreß.

Ich erzähle das ein bißchen belustigt, weil ich heute einen solchen Vortrag nicht mehr halten würde. Schon den Titel würde ich nie mehr wählen. Die eigentliche Aussage lautet ja: Boris Becker ist ein Blender und ganz offensichtlich auch ein schlechter Vater. Etwas anderes kann man gar nicht herauslesen. Für diese Aussage gibt es übrigens nicht die Spur eines Beleges. Ich weiß von Boris Becker nur, daß er beim ATP-Turnier in Frankfurt ein hervorragendes Tennis gespielt hat. Sonst weiß ich überhaupt nichts.

In Wahrheit erfüllte dieser Titel ausschließlich eine psychische Funktion, und zwar vor allem für mich als Vortragenden. Es ist ein Kotau an die Frauen, die in der Diskussion über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zweifelsfrei den Ton angeben. Mein lustiger Titel ist – zumindest symbolisch – nichts anderes als eine Voraberklärung über die Schuld des Mannes an der ganzen Misere. Eine Art Entree, um überhaupt mitreden zu können. „Guten Tag, ich bin nicht auf der Seite der Männer."

Was ich hier am eigenen schlechten Beispiel schildere, ist in dieser Diskussion an der Tagesordnung, was ich anhand von Titeln illustrieren will. Inzwischen bin ich nämlich felsenfest davon überzeugt, daß sich die Rahmenbedingungen der Diskussion ändern müssen, damit ein wirklicher Dialog stattfinden kann. Also bevor wir über „Männer zwischen Familie und Beruf" reden, müssen wir uns ansehen, an welchem Punkt wir eigentlich in diese Diskussion einsteigen.

„Sag mir, wo die Väter sind" heißt ein sehr populäres Buch von Cheryl Bernard und Edith Schlaffer zum Thema. Ja, wo laufen sie denn? Sind alle bei Tchibo Kaffee trinken? Auf Montage in Novosibirsk? Im Krieg geblieben? Über Gräbern weht der Wind?

Im letzten Monat fand eine Tagung in Frankfurt statt: „Aktive Vaterschaft – eine Fata Morgana?" Die Frage lautet nicht: Wie geht es wohl Paaren, die sich ihre Aufgaben ein wenig anders als üblich einteilen, wie kommen sie zurecht? Sondern: Bringen es die sogenannten „neuen Väter", oder ist doch alles nur Schwindel? Noch letzte Woche rief mich eine Rundfunk-Redakteurin an. Sie mache eine Sendung über „neue Väter", ob „es sie wirklich gibt und so" und ob ich da nicht als Experte etwas dazu sagen könnte... Ich habe ihr gesagt, ich könne ihr leider nicht weiterhelfen, weil ich persönlich nicht mehr so neu sei, sondern im Gegenteil immer älter würde, und ob sie es schon einmal bei der Yeti-Forschung probiert hätte. Wir sind uns natürlich nicht so ganz einig geworden.

Anfang Dezember 1997 wurde in Schwerte auf einer großen Tagung über Väter debattiert. „Familie haben oder leben wollen. Fragezeichen – Anfragen an die Männer." Mir fiel dazu ein: Wo stehst Du, Kamerad? Mal was von Erich Fromm gehört? Nein? Dir werden wir auch noch die Hammelbeine langziehen!

Apropos Hammelbeine. Zwei Tage später ging es auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Heidelberg weiter, unter dem eher neutralem Titel: „Väter in Beruf und Familie?" Nein, ist doch nicht so neutral. Ist nämlich ein Fragezeichen dahinter. Ohne das geht es offenbar nicht.

Interessant war die Einladung. Sie begann mit den Worten: „Für Mütter ist es mittlerweile selbstverständlich, sich mit ‘beiden Beinen’ in Beruf und Familie zu bewegen. Väter hinken dagegen der Entwicklung ‘einbeinig’ hinterher." Zum Schluß – das Bild vom Einbeinigen gefiel den Autoren der Einladung offenbar sehr gut – heißt es: „Wir erhoffen uns durch diese Veranstaltung vielfältige Anstöße, wie Väter besser als bisher nicht nur ‘humpelnd’, sondern mit ‘beiden Beinen’ sowohl im Beruf als auch in der Familie stehen."

Ich habe im Prospekt nachgesehen, ob die Tagung in Kooperation mit der Aktion Sorgenkind stattfindet, das ist aber nicht der Fall. Allerdings mache ich mir ein wenig Sorgen um die ganzen einbeinigen Väter, die da demnächst in Heidelberg „vielfältige Anstöße" bekommen sollen – ich hoffe ja, daß die Friedrich-Ebert-Stiftung eine gute Ambulanz hat.

Ein letztes Beispiel. Im vergangenen Monat fand im Soester Landesinstitut für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen eine berufliche Fortbildung statt mit dem Titel „Mit Familien Gesellschaft bilden", an der etwa achtzig Personen teilnahmen, die in Nordrhein-Westfalen in der Familienbildung tätig sind. Zu Beginn der Tagung versuchten wir darzustellen, welche unterschiedlichen Bilder von Familie wir haben. Einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten aus dem lebenden Material der anderen Leute sogenannte Familienskulpturen stellen, die wir uns ansehen und über die die wir sprechen konnten. So entwickelten sich nach und nach etwa zehn Skulpturen.

In allen Skulpturen war der Vater der Idiot, die Pfeife, der Desinteressierte, der Verursacher der Not. Welche Dramen sich unter seinem Dach auch abspielen mochten, er bekam sie entweder nicht mit oder war der Situation nicht im mindesten gewachsen. Er stand mit seinem Auto im Stau oder mit Kumpels in der Kneipe. Mit verschränkten Armen hielt er sich abseits, weil er ja sowieso nie Kinder hatte haben wollen. Oder er wandte den Seinen telefonierend den Rücken zu.

Die Mütter in diesen Skulpturen ächzten unter den Mühen der Familienarbeit, an jedem Bein mindestens ein jaulendes Balg, Käthe Kollwitz – mäßig, bewegungslos, leidend. In zwei Skulpturen wurden Mütter dargestellt, die gerade dabei waren, sich von der Last zu befreien, nach dem Motto: „Jetzt mache ich es allein!" Die Stilrichtung dieser Skulpturen war eindeutig – sozialistischer Realismus. Jeanne d’Arc auf der Barrikade. Bergarbeiterstreik oder so ähnlich.

Je mehr Familienbilder ich zu sehen bekam, desto ärgerlicher wurde ich. Ich dachte, so schlecht, wie es hier scheint, sind wir Väter doch gar nicht, so abgeneigt, sinnlos, uninteressiert. Ich kenne doch so viele Väter, die sich um ihre Familie sorgen und kümmern, wir stehen doch nicht nur im Stau! Während ich immer mehr in mich hineingrummelte, wurde die letzte Skulptur gestellt, die auf den ersten Blick etwas Versöhnliches hatte.

Ich sah Mann und Frau nebeneinander. Er hatte den Arm um sie gelegt, ein schönes Paar. Vor ihnen vier offenbar jüngere Kinder, die sich an einem Kicker vergnügten. Der Vater deutete mit seiner freien Hand an, daß er gerne mit den Kindern kickern würde. Dann war noch eine dritte Gruppe zu sehen. Ich dachte, daß sind schon größere Kinder, die die Köpfe zusammenstecken und sich über ihre eigenen Angelegenheiten unterhalten. Astreiner Samstagnachmittag, dachte ich, verdammt noch mal, solche Familien gibt es doch auch! Und der Vater mittendrin!

Dann wurde die Skulptur erklärt. Die Gruppe, die ich für Heranwachsende gehalten hatte, waren in Wirklichkeit Oma und Opa mit der Mutter, die sich um die armen, alten Leute kümmerte. Und das schöne Paar im Zentrum der Skulptur, das war der Vater mit der Schwägerin. Mit der ging er nämlich fremd.

Man muß zum Hintergrund dieser Geschichte wissen, daß eines der wichtigsten Probleme der Familienbildung darin gesehen wird, daß sie nur schwer aus der Tradition von Mütterschule und Frauenbildung herauskommt. Inzwischen ist ein groß angelegtes, vom Bund finanziertes Forschungsprojekt abgeschlossen worden, in dem untersucht wurde, auf welchen Wegen Männer und im besonderen junge Väter angesprochen werden könnten. Ich verstand nach diesem Vormittag ganz gut, warum die Väter kaum in Familienbildungsstätten auftauchen.

Mit solchen Geschichten ließe sich gewiß die ganze Tagung füllen. Verallgemeinernd möchte ich folgendes sagen: Heutzutage werden die Väter zwar ständig in ihrer großen Bedeutung für das Wohl und Wehe der ihren beschrieben, aber gleichzeitig in einer Art und Weise demontiert und angegriffen, die ich für ausgesprochen kontraproduktiv halte und über die ich mich in zunehmendem Maße ärgere.

Als eine extrem negative Folge dieser umfassenden Abwertung der Väter sehe ich die in den vergangenen Jahren deutlich steigende Zahl von Trennungen, in deren Folge Vätern jeglicher oder fast jeglicher Kontakt zu ihren Kindern vorenthalten wird. Jede dieser Trennungen ist eine ganz persönliche Geschichte von Schmerz, Enttäuschung, Wut, Schuld, gestörter Kommunikation usw., gewiß. Aber gleichzeitig existieren natürlich kulturelle Muster, scheinbar allgemeingültige Bilder und Überzeugungen, vor deren Hintergrund das persönliche Leben abläuft.

Wie allgemein in unserer Gesellschaft über Väter gedacht wird, spielt meines Erachtens eine nicht unerhebliche Rolle dabei, daß immer mehr Väter nach Trennungen völlig abgewertet werden. Sie haben alles falsch gemacht, und so, wie sie waren und sind, sollen sie nicht einmal das Recht haben, ihre Kinder zu sehen.

Gerade Männer, die sich sehr auf das Berufsleben konzentriert haben, stehen in der Gefahr, daß ihnen jeglicher Wert für ihre Familien und ihre Kinder abgesprochen wird. Die ganze Zeit haben sie sich nicht um ihre Kinder gekümmert – und nun wollen sie sie auf einmal sehen! Daß sie sich ums Geldverdienen gekümmert haben, wird als Beitrag zur Familie wegdefiniert.

Nun lautet eine unausgesprochene Grundannahme der Diskussion über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf: wenn die Männer sich endlich ändern würden, dann wären die Dinge zum besseren bestellt. Die Frauen haben ihren Beitrag geleistet, jetzt sind mal die Männer dran.

So wie es in der eben zitierten Tagungsausschreibung heißt: die Frauen stehen heutzutage selbstverständlich mit beiden Beinen in ihrem Leben, und wenn ihnen das manchmal so erbärmlich schwer wird, dann wird es gewiß an ihren humpelnden Hinkegatten liegen.

Im Vordergrund der Diskussion steht nicht die Frage, wie es Männern im Spannungsfeld zwischen Familie und Beruf ergeht. Vielleicht nicht von der Intension her, aber hintergründig geht es, so wie die Dinge liegen, nach meinem Dafürhalten darum, daß ihnen endlich Beine gemacht werden sollen.

Zum Thema: Männer zwischen Familie und Beruf. Ich möchte von zwei Paaren erzählen.

Beginnen möchte ich mit dem ersten Vater und der ersten Mutter im ganzen Land, also mit meinen Eltern. Die beiden haben über vierzig Jahre bis zum Tod meiner Mutter und zur Berentung meines Vaters eine für ihre Zeit typische traditionelle Arbeitsteilung gelebt. Mein Vater war Drucker von Beruf in der metallverarbeitenden Industrie. Er bedruckte Kronkorken, Lackdosen, Sauerkrauteimer, nach dem Krieg erst von acht bis 17 Uhr, dann im Zweischicht- und dann schließlich im Dreischichtsystem. Die IG Metall war eine gute Gewerkschaft, und irgendwie hatten die Drucker in dem ganzen Produktionsprozeß eine wichtige Funktion. Jedenfalls hat mein Vater für einen Facharbeiter immer verdammt viel Geld verdient.

Das Verrückte ist, daß meinem Vater Geld immer völlig egal war. Außer Zigarettengeld brauchte er eigentlich nichts, und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten wir bis ans Ende unserer Tage in dem Kram gesessen, den die Schwiegereltern 1948 als Aussteuer beigetragen hatten. In Kaufhäusern wurde ihm immer schlecht. Und gleichzeitig war mein Vater sehr stolz auf das viele Geld, das er verdiente. Er hatte, glaube ich, ständig Angst, daß es einmal anders sein könnte. Mein Vater war, wie man damals sagte, ein guter Mann. Er trank nicht über die Maßen, ging mit großer Disziplin all die Jahre zur Arbeit und gab das Geld zu Hause ab.

Bevor ich von meiner Mutter, meinem Bruder und mir erzähle will ich berichten, was für ein Drucker mein Vater war. Seine Maschine hat schon damals bestimmt eine halbe Million gekostet, und er hat sie mit Draht und Tesafilm flicken können. Ich habe das als Werkstudent oft mitbekommen. In eine Wanne mit dreißig Litern gelbem Lack gab er einen Tropfen Aquamarinblau, rührte eine halbe Stunde, und die Farbe stimmte. „Jetzt ist das Sauerkraut. Und die Bockwurst legen wir mit Karminrot und ‘nem Schuß Grün an." Auf seine beruflichen Fähigkeiten war mein Vater sehr stolz. Mein Vater konnte etwas, er hatte hart gearbeitet und gut für seine Familie gesorgt. All das hat ihm geholfen, sich für einen wertvollen Menschen zu halten, und es hat ihn sicher auch in seiner Männlichkeit bestätigt.

Meine Mutter war eine besondere Frau, und wie so viele besondere Frauen dieser Generation hatte sie kaum eine Chance auf eine eigenständige Berufsbiographie. Mikätzchen wäre sie nach dem Krieg gerne geworden, schnell ausgebildete Lehrerin. Oder zumindest in der Bonbonfabrik hätte sie gerne gearbeitet. Mein Vater war strikt dagegen, sicherlich ein wenig aus Angst vor der Eigenständigkeit seiner Frau, die ihm vielleicht über den Kopf gewachsen wäre, aber doch auch, weil es damals der allgemeinen Norm entsprach, Emanzipation von den Zwängen der Lohnarbeit so zu begreifen, daß die Frau zu Hause bleiben konnte. Der Satz „Meine Frau braucht nicht zu arbeiten" war eben nicht nur patriarchales Gehabe, sondern auch eine Gabe, ein Geschenk. Wenn übrigens heute vierzehnjährige Hauptschüler danach gefragt werden, wie sie sich ihr späteres Leben vorstellen, werden wahrscheinlich 95% antworten: „Meine Frau soll später mal nicht arbeiten gehen müssen." Im Rahmen der Vereinbarkeitsdebatte würde man eine solche Einstellung als proletarischen Antifeminismus bezeichnen.

Meine Mutter ging schließlich arbeiten, als mein Bruder 15 und ich 11 Jahre alt waren, und zwar für ein Gehalt, für das mein Vater, wie er sagte, nicht einmal morgens aufgestanden wäre. All das Besondere, das in ihr steckte, ist entweder auf der Strecke geblieben, oder sie hat es umgewandelt in ein vorbehaltloses Engagement für ihre Söhne, die trotz vieler Mängel und Umwege ihr Studium abgeschlossen haben.

Ansonsten war meine Mutter wie die meisten Nachkriegsmütter. Außer an den Spinat machte sie an alles eine gebundene Soße. Sie erklärte dem Vater, wie die Söhne sind, und den Söhnen, wie der Vater ist. Sie glich aus, hörte zu, hatte Verständnis, harmonisierte, kochte Lieblingsessen, war oft unzufrieden mit ihrem Leben und hielt mit all ihrer Kraft den ganzen gar nicht so tollen Laden zusammen.

Ich könnte jetzt mindestens zwanzig Bücher nennen, in denen haarklein beschrieben ist, wie sehr ich unter meinen Eltern gelitten habe. Wie wenig ausgeprägt und sicher meine männliche Identität ist, weil mein Vater so abwesend war, weil er für mich keine Zeit hatte, mich wahlweise den schönen Händen oder den Krallen meiner Mutter überließ, mit mir nicht sprach, für mich nicht da war.

Aber wenn ich mich frage, was für mich als kleinen Jungen von sieben, acht Jahren Männlichkeit ausgemacht hat, dann entsteht vor meinem inneren Auge ein klares Bild. Männlich ist, harte Stoppeln im Gesicht zu haben und große, riesengroße Hände. Dann ist da ein Geruch, der Geruch der Arbeitstasche meines Vaters, diese unverwechselbare Mischung aus Lack, Schweiß, Dreck und alten Butterbroten. So riecht Männlichkeit.

Bevor mir jetzt vorzuwerfen ist, ich wolle mit Familienkitsch einlullen oder mit Geschichten von früher langweilen, möchte ich einige Gründe nennen, warum ich so ausführlich von meinen Eltern erzählt habe. Wenn ich das Leben meiner Eltern nach heutigen Standards betrachte, dann müßte ich zuerst fragen: Wer hat es besser getroffen: Vater oder Mutter? Wer ist eher Nutznießer und wer eher Opfer der Geschichte? Wer hat den besseren Schnitt gemacht?

Als junger Erwachsener mit 20, 25 Jahren hatte ich darauf eine klare Antwort. Meine Mutter war in meinen Augen die Betrogene. Ich habe neulich ein Buch gefunden, daß ich ihr damals schenkte: „Das halbierte Leben" von Elisabeth Beck-Gernsheim. Ich weiß nicht, ob sie es je gelesen hat. Die Mutter war mir damals viel näher als der Vater, ihre Nöte, ihre Gefühle, ihre Gedanken. Der Vater war halt viel weg, er war nervös, und zuhören konnte er auch nicht gut. Heute kann ich ihn besser sehen. Mein Vater ist nämlich auch ein ganz besonderer Mensch. Unlängst sagte er zu mir: „Erst war ich im Krieg, und dann hab ich fünfunddreißig Jahre lang Blechbüchsen bedruckt. Frag mich nicht, wofür das gut war."

Nach heutigen Kategorien würde man ihm die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung, gesellschaftliche Teilhabe, finanzielle Vormachtstellung gegenüber seiner Frau und Vernachlässigung seiner familiären Pflichten bescheinigen. Und die Beziehungsarbeit und die Kindererziehung und die Wäsche und der Dreck – in all diesen Fächern bekäme er eine glatte Fünf.

In bezug auf meinen Vater ist das alles Schrott. Die Wahrheit ist, daß er sein ganzen Leben malocht hat wie ein Bekloppter. Und für wen? Zum Beispiel für mich!

Ich habe keinen Zweifel, daß wir die Vaterrolle heute neu und anders definieren und vor allen Dingen im Alltag und in unserer Lebensplanung anders ausfüllen müssen. Ich weiß auch aus eigener Erfahrung, daß das Konzept der geteilten Elternschaft bei allen Problemen, die damit verbunden sind, Männern im Prinzip guttut. Option, Chance, keine Gewißheit. Mann hat unterm Strich einfach mehr vom Leben.

Nur entsteht das Neue nicht dadurch, daß man das Alte in Grund und Boden verdammt, im Gegenteil. Ich habe mehr Zeit für meine Kinder, als mein Vater je hatte, und ich bin froh darüber. Die Liebe und die Aufmerksamkeit, die ich ihnen in dieser Zeit hoffentlich geben kann, habe ich in der Hauptsache nicht von meiner Frau, nicht in der Männergruppe und erst recht nicht durch das Studium von Erziehungsratgebern gelernt. Ich habe das in erster Linie von meinem Vater gelernt – dem, der so wenig Zeit für mich hatte. Psychologisch würde man sagen: Es geht eigentlich gar nicht anders.

Junge Väter, es ist oft beschrieben und beklagt, verstärken nach der Geburt des ersten Kindes in der Regel ihr berufliches Engagement oder geben sich große Mühe, gerade jetzt einen Berufseinstieg zu schaffen. Der Gebärneid, die Flucht vor den Mühen des Alltags mit einem kleinen Kind oder der nun so mütterlichen Frau, mangelnde Liebe und Einfühlung, Karriereorientierung – es gibt viele, in aller Regel eher negativ gefärbte Erklärungsmuster für dieses Verhalten. Wie wenig sich die Männer für ihre Kinder und die Familienarbeit verantwortlich fühlen, so lautet ein Standardargument, sieht man schon daran, daß nur zu 1,5 Prozent der Männer den ihnen zustehenden Erziehungsurlaub nehmen. Sie machen sich dünne und fehlen daheim. Nun dürfte es sich aber bei der Entscheidung, wer den Erziehungsurlaub nimmt, um eine Paarentscheidung handeln. Wir leben ja nicht mehr in den Zeiten von Kaiser Wilhelm, wo die Männer wichtige Familienangelegenheiten in der Regel ganz allein bestimmten. (Insofern ließe sich – bleiben wir einmal auf der Ebene der Verantwortlichkeit – sagen, daß sich Frauen äußert wenig für ihren eigenen ganz persönlichen Lebensweg verantwortlich fühlen, weil doch 98,5 Prozent von ihnen Erziehungsurlaub nehmen. Dieses Argument macht wenig Sinn an dieser Stelle, aber es zeigt doch ein wenig, daß die Geschichte mit den verantwortungslosen familienflüchtigen Männern auch nicht die ganze Wahrheit sein kann.)

Teilhabe

Es gibt nicht zuletzt gewichtige materielle Gründe, sich als Paar für eine traditionelle Arbeitsteilung zu entscheiden. Ein Argument, das immer wieder von den Männern genannt wird, ist: Ich verdiene einfach mehr. Und von den Frauen heißt es oft: Es ist einfach so, daß wir im Erwerbsleben benachteiligt sind. Nix vormachen: Das zentrale gesellschaftliche Leitbild ist es, ein hohes Konsumniveau zu haben, und zwar bei Männern und Frauen. Erst dahinter kommen andere Familienstrukturen. In der Vereinbarkeitsdebatte steckt auch der oft unmögliche Versuch, diese beiden Leitbilder miteinander zu verbinden.

Junge Männer, die im Beruf ranklotzen, wenn das erste Kind da ist, übernehmen bei allem, was sie an Engagement im Alltag der Familie vielleicht vermissen lassen, in aller Regel eine Menge Verantwortung. Zum Beispiel die, sich um eine möglichst gute Plazierung der Familie in der Gesellschaft zu sorgen. Es geht nicht nur um die Binnenauseinandersetzung zwischen Mann und Frau, es geht nicht nur darum, wie die Ressourcen der Familie intern verteilt werden, sondern was man als Gesamtsystem abbekommt. Ich kenne jedenfalls eine Menge Frauen, die mit einem ziemlichen Ehrgeiz an der Karriere ihres Mannes basteln und ihm, bisweilen heftig klagend, aber mit viel Engagement, den Rücken freihalten. Auch das macht eine Menge Sinn, obwohl natürlich viele dieser Frauen gleichzeitig kreuzunglücklich sind.

Man muß in dieser Debatte sehen, daß trotz aller Emanzipationsdiskussion die Männer nach wie vor 82 Prozent der Familieneinkommen verdienen. Nach wie vor kommt es auf wundersame Weise auch immer wieder zu Paarbildungen, in denen der Mann das bessere Einkommen hat. Man muß verstehen, warum es immer wieder zu solchen Konstellationen kommt, und allein mit dem Standardargument der Benachteiligungen von Frauen im Erwerbsleben versteht man das nicht.

Sicherheit für die Familie

Mit Versicherungen, Bausparverträge, der Familie als langfristiges Projekt, hohem Armutsrisiko, mit Patchworkbiographie bekommt man kaum Sicherheit. Die Sache ist dann am sichersten, wenn man zu möglichst langfristigen Vereinbarungen mit den Aufkäufern von Arbeitskraft kommt. Für die langfristige Verläßlichkeit des Familieneinkommens muß man zur Kernbelegschaft gehören, unentbehrlich sein, besser als Mitbewerber, verbeamtet usw. Durch Deregulierungen des Arbeitsmarktes sind viele Arbeitsmarktrisiken entstanden. In der Teilzeitdebatte stecken viele gute und notwendige Ideen, was anders sein könnte. Aber ich finde sie auch etwas unaufrichtig. Teilzeitarbeit ist Frauenarbeit und Frauenarbeit ist „Zubrot". Der „Breadwinner", wie es im Englischen heißt, ist der Mann. Da gibt es eine Teilzeitquote im Familienalter von nicht mal einem Prozent, und es ist für die Gleichstellung der Frau nicht sonderlich erheblich, wenn sie vor dem Hintergrund drohender Massenentlassungen in den nächsten Jahren auf vier Prozent steigen würde.

Alte Bilder, Aufgaben als Sohn und Tochter

Die Vereinbarkeitsdebatte kann als Versuch, das Mutterbild der vorigen Generation und das Frauenbild der heutigen Generation zusammenzubekommen, gesehen werden. Die Kittelschürze, der wattierte Morgenrock, der Blaumann etc. hängen im deutschen Museum, aber doch auch in unseren Herzen:

Professionalisierung von Kindheit, neue Mutterrolle

„Beziehungsarbeit" – die bleibt an den Frauen hängen. Ich weiß, daß wir Männer oft stur sind, verbissen an schlechten Verhältnissen festhalten und zuviel Sport sehen. Aber gleichzeitig möchte ich zu bedenken geben, daß das große Vorbild in Sachen Beziehungsarbeit eben jene Mutter ist, von der ich vorhin erzählte, die harmonisierende, alles zusammenhaltende und meistens unglückliche Mutter aus den fünfziger, sechziger Jahren.

Familie als Ort des Glücks. Wenn wir die Geschlechterrolle neu definieren, dann müssen wir auch Familie neu definieren. Das ist vielleicht schwierig in bezug auf Individualisierung und beinhaltet eine hohe Glückserwartung.

Konsequenzen

Frauen müssen sagen, was sie wollen. In der beständigen Klage liegt kein Veränderungspotential; ich habe oft das Gefühl, daß sie bestehende Verhältnisse sogar stabilisiert. Der Frau, die zum Beispiel immer wieder hinter dem Beruf ihres Mannes hinterherzieht, bis ihre sozialen Bezüge und ihre berufliche Qualifikation wenig wert sind, hilft die Klage nicht – sie braucht Klarheit, keine Klage.

Ich habe mich ja am Anfang damit auseinandergesetzt, daß die Frauen sich so sehr verändert haben und nun die Männer dran sind. Vielleicht ließen sich Veränderungsbereitschaften auf Männerseite eher erschließen, wenn Frauen verstehen würden, daß ihre Veränderung auch noch weitergehen muß. Die Kluft zwischen Leitbildern und realem Verhalten ist bei Männern oft festgestellt worden. Das gleiche gilt meiner Meinung nach aber auch für Frauen.

Männer brauchen eine Utopie für ihr Leben; sie erscheinen oft in ihrem eigenen Leben wie Fremdlinge. In dieser Debatte wird ja die Erwerbsarbeit als das große Reich der Freiheit angesehen. Vielleicht hat es doch mehr mit dem Leben, dem wirklichen Leben zu tun, wenn man nicht die Akten genau kennt, sondern die Geburtstage seiner Kinder. Wenn man mit Kindern „ Die Reise nach Jerusalem" spielt, lacht man sich kringelig. Das gleiche Spiel in der Behörde hieße: Wer lacht, ist der nächste, dem vielleicht der Stuhl vor die Tür gestellt wird. Ach, wenn wir Männer uns nicht mehr kaltstellen ließen! In letzter Konsequenz würde das unser Wirtschaftssystem in Frage stellen. Es hat zweihundert Jahre gebraucht, bis man uns Männer soweit hatte. Mit einer erweiterten Familienorientierung von Männern ließe sich weniger gut Staat machen.

Partnerschaft ist dann am spannendsten, wenn beide Partner ein Stück ihrer Wünsche realisieren können. Sie müßten vielleicht nicht mehr wie die Kinder darum streiten, wer von ihnen am meisten benachteiligt ist. Sie könnten sich sogar zusammentun. Ich glaube, Claudia Nolte würde gerade in diesem Fall ziemlich alt aussehen.

Dieter Schnack: Männer zwischen Familie und Beruf – URL: http://www.die-frankfurt.de/esprid/dokumente/doc-2000/schnack00_01.htm
Dokument aus dem Internet-Service des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung e. V. – http://www.die-frankfurt.de/esprid

Risiko Familie

Bernhard Nauck

Risiko Familie? Die soziale Wirklichkeit von Familien


Auf einer Tagung einer Wohlfahrtsorganisation, die sich auf familienergänzende Einrichtungen spezialisiert hat, die unter dem Tagungsmotto „Familien brauchen mehr als Geld“ steht, einen Eröffnungs-Vortrag zum Thema „Risiko Familie? Die soziale Wirklichkeit von Familien“ zu halten, ist sicher eine Art Aufforderungscharakter der folgenden Art:

Man wähle einen „bedürfnisorientierten“ Ansatz und argumentiere, dass in der Tat Familien mehr brauchen als Geld (aber natürlich auch das, und je mehr desto besser), aber darüber hinaus auch noch viele andere schöne Dinge um sie herum, wie z.b. eine familiengerechte und das Familienleben fördernde oder die Eltern in ihren Aufgaben entlastende Infrastrukturen, die dann aber (nicht erst bei näherem Hinsehen) natürlich auch Geld kosten.
Und diese Argumente sollten dann am besten so aufbereitet sein, dass sie sich unmittelbar in Munition ummünzen lassen, um die familienbezogene Wohlfahrtslobby im Verteilungskampf um öffentliche Gelder aufzurüsten.

Ich werde mich dem keineswegs völlig verschließen, dies aber nicht mit den üblichen Argumenten tun: Von der ethischen Hochrangigkeit der Bedürfnisse (hier: von Familien) auf die Legitimität von (ebenso hohen) monetären Forderungen zur Befriedigung dieser Bedürfnisse zu schließen. Dies geschieht aus einer grundsätzlichen Skepsis gegenüber der Fruchtbarkeit von bedürfnisbezogenen Argumenten in verteilungs- und ordnungspolitischen Debatten. Um es vorwegzunehmen: Dies ist aber absolut kein Anlass zur Beunruhigung, denn am Schluss meiner Ausführungen hoffe ich erläutert zu haben, warum es zum erheblichen Ausbau einer familienergänzenden Infrastruktureinrichtungen keine realistische Alternative in modernen Gesellschaften gibt - nur eben nicht auf der Basis von Argumenten, dass einer vermeintlich verhängnisvollen, „familienfeindlichen“ Zukunftsentwicklung gegengesteuert werden müsse. Vielmehr möchte ich deutlich machen, dass dieser Ausbau eine sinnvolle Begleitung eines „mächtigen“, durch staatliche Intervention praktisch nicht zu beeinflussenden demographischen Trends ist.

Seit Ende der 70-er Jahre mehrten sich die Veröffentlichungen in Deutschland, die aus den soziodemografischen Veränderungen B z.b. der Abnahme der Geburten- und Eheschließungszahlen, dem Anstieg der Nichtehelichen Lebensgemeinschaften sowie der Scheidungen B vor allem unter dem Aspekt der De-Institutionalisierungs- und der Individualisierungsthese düstere Prognosen für die Zukunft von Ehe und Familie in Deutschland stellen und in denen ein Bedeutungsverlust oder eine „Krise“ der Ehe und Familie diagnostiziert wird. Die Autoren und Autorinnen sprechen von einer sinkenden Attraktivität von Ehe und Familie, da diese in eine Konkurrenzsituation zu anderen Lebensformen geraten sei, die dem modernen Wirtschaftssystem und Arbeitsleben mit ihrer hohen Anforderung an Mobilität, Flexibilität, psychischer und physischer Arbeitskraft-Intensität u.a.m. adäquater wären. Dieser Wandel resultiere ferner aus einem gestiegenen Traditionsverlust, aus der ökonomischen Wohlstandssteigerung, aus dem sozialstaatlichen Absicherungssystem, vor allem auch aus der höheren Bildungsbeteiligung von Frauen und aus der heutigen Möglichkeit der leichteren Revision von Entscheidungen.

Spätestens seit dem Internationalen Jahr der Familie 1995 sieht es so aus, als sollte damit ein „Auslaufmodell“ unter den Lebensformen gefeiert (und beerdigt) werden.
Solche Zeitdiagnosen sind jedoch in Unkenntnis der tatsächlichen Lebensverhältnisse, Wertorientierungen und Alltagsprobleme der großen Mehrzahl der Bevölkerung in der deutschen Gesellschaft getroffen worden. In mancher Hinsicht sind solche Aussagen als ein Teil des Symptoms (nämlich der sozialstrukturellen Differenzierung und Veränderung von Lebensformen), aber nicht als deren Diagnose zu betrachten.

Im Zuge der theoretischen Diskussion über die Entstehung „moderner“ Lebensstile werden nämlich fast ausschließlich nichtfamiliäre Lebensformen in den Blick genommen, wie Singles, nichteheliche Partnerschaften, Lebens- und Haushaltsgemeinschaften, Wohngruppen, und dies alles gleich- und gemischtgeschlechtlich.

Unter dem Gesichtspunkt der Beobachtung der Ausdifferenzierung von Lebensformen ist es selbstverständlich wichtig, diese an spezifische urbane Milieus gebundenen Lebensformen zu untersuchen, und es ist unzweifelhaft zutreffend, dass - in querschnittlicher Betrachtung - diese Lebensformen an quantitativer Bedeutung gewonnen haben. Um der analytischen Klarheit willen muss jedoch festgestellt werden, dass es sich dabei nicht um Familien in dem Sinne handelt, dass in ihnen intergenerative Beziehungen gelebt werden.

Zeitdiagnosen diesen Stils und Zuschnitts mögen eine gewisse Sensibilität und Empathie für sub-jektivierte und hochgradig individualisierte Lebensstile wohlhabender, urbaner Akademiker aufweisen, denen ja solche Zeit- und Familiendiagnostiker mehrheitlich zuzurechnen sind, für diese Gruppe mögen solche Diagnosen möglicherweise auch ein zutreffendes Bild zeichnen. Es fragt sich dann aber, ob die Aufmerksamkeit, die solche massenmedialen Diskussion über ‚neue’ Lebensformen regelmäßig in der Öffentlichkeit erhalten, nicht dem Umstand geschuldet ist, dass die darin geschilderte ‚Wirklichkeit’ nicht mit der der Rezipienten übereinstimmt.

Tatsächlich lässt sich die ganze Aufgeregtheit in der Debatte um „Individualisierungsschübe“ in der Gesellschaft überhaupt nur verstehen, wenn man berücksichtigt, dass dabei die - mehrheitlich bedrohlich oder gefährdend empfundenen - Konsequenzen für Kinder teils latent, teils explizit mit -bedacht werden. Dies wird überdeutlich, wenn man sich die dabei hauptsächlich verwendeten Indikatoren vor Augen führt: Der Aufweis eines Anstiegs von Einpersonenhaushalten, von nichtehelichen Lebensgemeinschaften, von nicht an Haushaltsgemeinschaften gebundenen Lebensformen, von Ehen und Familien, die über mehrere Wohnorte hinweg geführt werden (Commuter-Ehen), von Trennungen in Partnerschaften und Scheidungen in Ehen würde bei weitem nicht die Brisanz und die Aufmerksamkeit entwickeln, wenn nicht dabei stets die vermeintliche oder berechtigte Sorge (jedenfalls aber: die bewertende Einordnung) im Hinblick auf betroffene Kinder enthalten wäre.

Es sollte deutlich geworden sein, dass solche Gesellschaftsdiagnosen und Zeitanalysen mit der Familienforschung über weite Strecken kein gemeinsames Untersuchungsfeld haben: Es geht in der Familienforschung nicht um die Beschreibung und Erklärung von Lebens- oder gar Haushaltsformen schlechthin, sondern ausschließlich um den intergenerativen Bezug des Zusammenlebens. Dieser intergenerative Bezug kann sich in einer Lebensführung realisieren, bei der zwei oder mehr Generationen gemeinsam einen Haushalt bilden, jedoch ist dies keineswegs notwendig, so dass familiäre Lebensformen und gemeinsame Haushaltsführung für die Familiensoziologie keineswegs immer zusammenfallen.

Ein etwas genauerer Blick auf die familiendemographischen Trends soll versuchen, die tatsächlich sich vollziehenden Wandlungsprozesse genauer zu erfassen. Die familienstatistischen Trends scheinen in Deutschland B auf den ersten Blick hin B tatsächlich so etwas wie einen Bedeutungsverlust von Ehe und Familie zu dokumentieren und zu signalisieren, dass sich immer mehr Menschen von einem Leben in der Familie und vor allem von der Ehe abwenden und dass dieser Trend auch für die Zukunft gelten könnte. So ist allgemein bekannt, dass die Eheschließungen in Deutschland quantitativ zurückgehen. Vor allem aber haben die Nichtehelichen Lebensgemeinschaften seit Ende der 70-er Jahre in Deutschland sprunghaft zugenommen. Ihre Zahl beträgt zurzeit 2,1 Mio. (= 1999); sie hat sich damit in den letzten Jahren in der (alten) Bundesrepublik mehr als verdoppelt. Ferner nimmt seit Ende der 60-er Jahre in Deutschland die Geburtenquote ab. Die Abnahme der Geburtenquote ergibt sich durch den Rückgang der Mehr-Kinder-Familien und vor allem durch den Anstieg der kinderlosen Ehen. So bleiben heute von allen Frauen einer Geburtskohorte ca. 20 B 25 % in Westdeutschland zeit ihres Lebens kinderlos; in der DDR war zwar dieser Anteil lediglich 10 %. Doch spricht vieles dafür dass für die jüngeren Kohorten ähnliche Zahlen zu erwarten sind, wenn die Kinderlosigkeit sogar noch größer als bei den in Westdeutschland geborenen Frauen sein wird.

Eine Krise bzw. ein Bedeutungsverlust von Ehe und Familie wird ferner vor allem aus dem Anstieg der Ehescheidungszahlen abgelesen. Es ist zu prognostizieren, dass die Ehescheidungen in Deutschland weiter steigen werden: Denn die Zunahme der Scheidungen hat sich auch die Zahl der Scheidungskinder erhöht, die selbst ein größeres Ehescheidungsrisiko als Kinder aus nichtgeschiedenen Ehen besitzen. Ferner weisen bi-nationale Ehen ein höheres Scheidungsrisiko auf, und auch diese nehmen quantitativ zu.

Ein Vergleich der Bundesrepublik mit anderen Ländern zeigt, dass Deutschland im Vergleich zu den übrigen europäischen Ländern keine besonders hohen oder niedrigeren Werte im Hinblick auf familiendemografische Trends aufweist, allerdings mit Ausnahme der überdurchschnittlich hohen Quote von kinderlosen Frauen.

Parallel zu den oben angegebenen demografischen Veränderungen B zum Teil auch durch sie bedingt B können wir seit ca. 30 Jahren eine zunehmende Ausdifferenzierung von Haushalts- und Lebensformen in Deutschland beobachten. De facto haben in der Bundesrepublik Deutschland während der letzten Jahre die Ein-Eltern-Familien zugenommen; sie machen zurzeit 12 % aller Familien aus. Der Anteil der Nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern an allen Haushalten mit Kindern beträgt 4 %. In Stieffamilien wachsen 5 % aller unserer Kinder auf.
Alle genannten demografischen Veränderungen sind in Deutschland erst seit ca. 30 Jahren feststellbar; und trotz der zahlenmäßigen Zunahme anderer Familienformen während dieses Zeitraumes ist die Zwei-Eltern-Familie mit formaler Eheschließung gegenüber anderen Familienformen weiter quantitativ dominant geblieben. Noch deutlicher wird die quantitative Bedeutung der Zwei-Eltern-Familien gegenüber anderen Familienformen, wenn die Perspektive der Kinder eingenommen wird: Fast 82 % aller Kinder bilden bis zum 18. Lebensjahr mit ihren leiblichen Eltern eine Haushaltgemeinschaft.

Stärkere quantitative Verschiebungen als zwischen den einzelnen Familienformen hat es im Verhältnis der Familien zu anderen Haushalts- und Lebensformen gegeben. Familien sind, wenn man alle Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland querschnittsmäßig betrachtet, nicht mehr anteilsmäßig die dominante Lebensform in unserer Gesellschaft. Nur noch 1/3 aller Haushalte sind (mit zwei Eltern- oder mit einem Elternteil) „Familienhaushalte“.

Die Abnahme der Familienhaushalte an allen Haushalten ergibt sich nicht primär aus der sinkenden Heiratsneigung oder dem steigenden Scheidungsaufkommen. Die Abnahme im Vergleich zu anderen Haushaltsformen ergibt sich vielmehr vor allem daraus, dass die Familienphase, also das Zusammenleben mit Kindern, gemessen am Lebenslauf des Einzelnen zeitgeschichtlich kürzer geworden ist, und zwar einerseits wegen der gestiegenen Lebenszeit und andererseits wegen der geringeren Kinderzahl pro Familie. Diese Zeitspanne macht derzeit nur noch 3 des gesamten Lebens aus, vor 100 Jahren nahm sie noch über die Hälfte, in noch früheren Zeiten sogar: des gesamten Lebens ein.

Das Zusammenleben mit Kindern ist im Leben des Einzelnen zu einer „transitorischen Phase“ geworden. Durch die Verschiebung der Familienzyklen hat sich vor allem die nachelterliche Phase ausgedehnt. In den heute bestehenden Ehen ist die durchschnittliche Ehedauer sowohl absolut als auch relativ zur Familienzeit länger als in früheren Epochen.

Von dieser schrumpfenden Zeitspann des Lebens im gemeinsamen Familienhaushalt bleibt unberührt, dass mit „Familie“ ganz überwiegend mit einem lebenslangen Zugehörigkeitsgefühl verbunden wird und Familie als lebenslanges Unterstützungssystem gilt.

Tatsächlich hat die subjektive Bedeutsamkeit von Familie her noch zu- und keinesfalls abgenommen. Zumindest dieser Befund zur ungebrochen hohen Bedeutung von Familie und Partnerschaft ist nicht leicht mit den Untergangs-Szenerien vieler Zeitdiagnosen in Einklang zu bringen. Wenn es also nicht der Bedeutungsverlust ist, der die beschriebenen familiendemographischen Veränderungen erklären kann, dann stellt sich die Frage sehr viel grundsätzlicher als die nach der familiensoziologisch entscheidenden Frage, wie das Zusammenleben zwischen den Generationen in einer Gesellschaft geregelt ist.

Wie das Zusammenleben zwischen den Generationen in einer Gesellschaft geregelt ist, ist zunächst eine schlichte empirische Frage. Erst in zweiter Hinsicht wird man dann jedoch berechtigterweise darauf aufmerksam werden, dass diese Frage auch gesellschafts- und sozialpolitische Implikationen mit ihren dazugehörigen moralischen Prämissen hat. Dass diese sozialpolitischen Implikationen des Lebens in intergenerativen Bezügen bei weitem größer sind als die intragenerativer Partnerschaften, kann für Gesellschaften in der Moderne als sicher gelten:
"Die sowohl aus individueller wie aus politischer Sicht entscheidende Alternative ist also nicht diejenige zwischen ehelichem und nichtehelichem Zusammenleben, sondern zwischen einem Leben mit und ohne Verantwortung für Kinder. Dies wird auch deutlich, wenn wir die unverzichtbaren gesellschaftlichen Funktionen der Familie bedenken: Nachwuchssicherung und die Stabilisierung des Verhältnisses zwischen den Generationen werden primär durch das Eltern-Kind-Verhältnis vermittelt" (F.X. Kaufmann 1990).

In der Ausgestaltung von Generationenbeziehungen und von intergenerativen Solidarleistungen hat es in der Tat spektakuläre Veränderungen gegeben, die den Sozialcharakter von Familie völlig verändert haben. Eine Hauptdimension dieses Wandels lässt sich vertragstheoretisch folgendermaßen beschreiben: Vom "Vertragsmodell des direkten Tauschs" zum "Modell der (transzendentalen) Generationen-Kaskade".

  1. Kinder waren in vorindustriellen Gesellschaften ein Gut individuellen ökonomischen Nutzens und Partner in einem direkten, impliziten Generationenvertrag mit ihren Eltern, in dem Versorgungsleistungen der Kinderpflege gegen solche der späteren Altenpflege getauscht wurden. Der implizite Generationenvertrag lautete also etwa folgendermaßen: „Ich ziehe Dich auf und versorge Dich in Deiner Kindheit und erwarte dafür, dass Du mich versorgst und pflegst, wenn ich alt bin und nicht mehr für mich selbst sorgen kann“.
  2. In Industriegesellschaften sind Kinder zu einem kollektiven Gut ökonomisch-utilitaristischen Nutzens geworden (während die ökonomischen Kinderkosten gleichwohl größtenteils individuelle der jeweiligen Eltern geblieben sind). Der individuelle, implizite Generationenvertrag hörte dagegen auf zu existieren und wurde in einen expliziten Kohortenvertrag des Sozialversicherungssystems umgewandelt, bei dem Geburtskohorten einer Gesellschaft nur mehr kollektiv füreinander verantwortlich sind. Diesen Unterschied nicht deutlich gemacht zu haben und in der öffentlichen Diskussion weiterhin den Terminus 'Generationenvertrag' zu benutzen, ist eines der größten Versäumnisse des sozialpolitischen Denkens der letzten Jahrzehnte. Da dieser Kohortenvertrag nicht mehr durch den direkten Generationenbezug vermittelt ist, wird die individuelle Einklagbarkeit von Rechten und Pflichten zwischen Generationen drastisch vermindert und an die Stelle individueller intergenerativer Loyalität ist notwendigerweise eine kollektivpolitische Interessenvertretung von Alterskohorten getreten. Entsprechend der demographischen Entwicklung moderner Gesellschaften ist unter diesen Bedingungen auch erwartbar, dass die Veränderung in den quantitativen Proportionen von Eltern mit ihren Kindern einerseits und Alten und Alleinlebenden andererseits direkte Auswirkungen auf die Ausformulierung politischer "Issues" haben wird, und dass die Wohlstandssicherung der alten Bevölkerung mit zunehmender Kinderarmut einhergeht.
  3. Diese Kollektivierung der Altersversorgung in einem Kohortenvertrag hat zu einem vorher nie gekannten Ausmaß an individueller Sicherheit der jeweils älteren Kohorten geführt (der durch die Pflegeversicherung weiter an Schubkraft gewinnt), die jedoch auf der Ebene der individuellen intergenerativen Beziehungen mit einer Freisetzung der Eltern von Nützlichkeitserwartungen eigenen Kindern gegenüber verbunden ist. Kinder (als Individuen) werden so für ihre Eltern zu "sentimentalem Kapital" (Ph. Arieès). Damit haben intergenerative Beziehungen ihren Sozialcharakter vollständig geändert. Der implizite Generationenvertrag, den Eltern (insbesondere Mütter) mit ungeahnter Selbstbindung eingehen, lautet dann etwa folgendermaßen: "Ich lebe (lebenslang und bedingungslos) für Dich, damit Du dann (gegebenenfalls) ebenso für Deine Kinder lebst".
Diesen 'neuen' Generationenvertrag kann man als "Modell der (transzendentalen) GenerationenKaskade" bezeichnen: 'Kaskade' deshalb, weil die Verpflichtungen eher unidirektional die Generationenfolge durchlaufen; 'transzendental', weil Gerechtigkeitsvorstellungen im Sinne eines Ausgleichs von Leistungen und Nutzen in dieser Form von Eltern-Kind-Beziehungen die jeweilige Eltern-Kind-Dyade überschreitet. Ob ein solches Modell von Eltern-Kind-Beziehungen jedoch evolutionär stabil sein kann, ist eine berechtigte, und theoretisch-familiensoziologisch wie sozialpolitisch-praktisch spannende Frage.

Soweit es die Ausgestaltung der Eltern-Kind-Beziehungen betrifft, liest sich das Resümee der empirischen Familienforschung entsprechend anders als das der veröffentlichten Meinung.

Nimmt man den Zeitraum der letzten 40 Jahre als Referenzpunkt und vergleicht ihn mit vorhergehenden Epochen der Lebensverhältnisse von Kindern, so lässt sich folgendes feststellen: Zu keiner Zeit und in keiner Generation zuvor wurden so wenig Kinder geboren, aber auch zu keiner Zeit
  • wurde sich so viel und so intensiv um Kinder gekümmert,
  • wurde so viel an Dienstleistungen, Geld und Besitz auf die nachfolgende Generation transferiert,
  • wurden so wenig Kinder vernachlässigt (oder gar: von ihren Eltern ausgesetzt oder getötet)
  • war der Gesundheits- und Ernährungszustand von Kindern so gut,
  • war die Kindersterblichkeit so gering,
  • kamen so wenig Kinder durch Straßenverkehr ums Leben,
  • waren Selbsttötungen im Kindes- und Jugendalter so selten, und
  • haben so viele Kinder so lange mit beiden leiblichen Eltern zusammengelebt.
Aus den (spärlichen) Zeitreihen von Befragungen geht ebenfalls hervor, dass sich Kinder mit ihren Eltern noch nie so gut verstanden haben wie heute, - sie ziehen auch immer später aus dem Elternhaus aus.

Dieser hier an wenigen Indikatoren aufgezeigte Bedeutungswandel der Eltern-Kind-Beziehung führt dazu, dass die Elternrolle (und insbesondere: die Mutterrolle) zur einzigen lebenslang unaufkündbaren Verpflichtung in modernen Gesellschaften geworden ist, d.h. die normative Verpflichtung der Eltern auf ihre Kinder hat an Akzeptanz ein zu keiner früheren Epoche bekanntes Ausmaß an Verbreitung gewonnen. Erklärungsbedürftig ist also primär nicht die Existenz der Pluralisierung von Lebensformen insgesamt, sondern vielmehr, warum der Verbindlichkeitsgrad der Verpflichtung von Eltern auf ihre Kinder nicht ab- sondern sogar zugenommen hat.

Es ist in der Folge naheliegend, in der hohen gesamtgesellschaftlichen Akzeptanz dieser normativer Erwartungen an die Elternrolle eine wesentliche Ursache für eine Polarisierung der Entscheidung zugunsten 'bewusster' Elternschaft (wahrscheinlich insbesondere für Frauen die konsequenzenreichste Lebensentscheidung überhaupt) oder (zunehmend ebenso bewusster) Kinderlosigkeit. Mit "fortschreitender Individualisierung" werden deshalb Alternativen zur Elternschaft wegen der akzeptiert hohen Konsequenzen an Bedeutung gewinnen. Hinsichtlich des Kollektivguts "Kinder" gewinnt die Option des "free riders" schon wegen der lebenslangen Unaufkündbarkeit der individuellen Eltern-Kind-Beziehung gesteigerte Attraktivität, zumal ein Nebeneffekt dieser Handlungsstrategie auch darin besteht, dass in der Generationenfolge immer mehr ökonomisches, soziales und kulturelles Kapital auf immer weniger Nachkommen transferiert wird.

Familienbeziehungen und Elternschaft mögen ihren in früheren Epochen möglicherweise gegebenen naturwüchsigen Charakter verloren haben und zu Optionen individueller biographischer Selbstgestaltungsmöglichkeiten geworden sein, die jedoch dann ein zuvor nicht gekanntes Ausmaß an Selbstbindung und -verpflichtung aufweisen. Zwar ist ein Leben auch ohne Ehe und Familie mehr denn je möglich, doch gehört die Familie neben der Gesundheit (nach wie vor und in bemerkenswerter Konstanz) zu den wichtigsten Elementen individuellen Glücks-strebens.

Entscheidend dabei ist jedoch, dass dieses Glücksstreben mit einer außerordentlich geringen Bandbreite an Leitbildern familiären Zusammenlebens verbunden ist: Über Aufgaben und Leistungen der Familie für ihre Mitglieder herrscht in der gegenwärtigen deutschen Gesellschaft ein außerordentlich hoher kultureller Konsens. Alternative Familienformen sind kaum in Sicht und werden insbesondere auch kaum gelebt. Was Familienmitglieder füreinander sind und was sie in einer Familie voneinander erwarten, darüber bestehen kaum abweichende Vorstellungen, nämlich die Gestaltung eines Lebenszusammenhangs, der durch den gemeinsamen Wunsch zur Fortpflanzung, durch Zuwendung, Pflege und Erziehung der Kinder, durch gemeinsame Haushaltsführung und Erholung, wechselseitige emotionale Stabilisierung der Familienmitglieder und durch gegenseitige Hilfeleistung gekennzeichnet ist. Die Ergebnisse der Kindheitsforschung und der Analysen von gelebten Kindschaftsverhältnissen haben dabei nicht nur belegen können, in welchem Ausmaß Elternschaft an einem kulturell verbindlichen normativen Konzept orientiert ist, sondern auch, dass, wenn Normverletzungen von den Beteiligten konstatiert werden, hohe Anstrengungen unternommen und große Aufwendungen getätigt werden, um sich diesem normativen Standard so weit als möglich (erneut) zu nähern:

So überdauern nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern selten das Vorschulalter der Kinder, sind EinEltern-Familien außerordentlich selten und werden durch Kooptation von Stiefeltern (ebenso wie nach Scheidungen) ergänzt, ist institutionelle oder private Fremdbetreuung (d.h. ohne Beteiligung der leiblichen Mutter) ein zuvor nicht gekannt seltenes Kindschaftsverhältnis; Stief-und insbesondere Adoptiveltern verwenden ihr Regulationspotential in aller Regel darauf, das Kindschaftsverhältnis soweit als möglich dem Normkindschaftsverhältnis anzunähern.

Nur durch die hohe Verbindlichkeit des normativen Musters von Eltern-Kind-Beziehungen wird verständlich, warum unter den gegebenen gesamtgesellschaftlichen Bedingungen Familiengründung zu einer Entscheidung geworden ist, die nicht nur wegen ihrer Dauerhaftigkeit außerordentlich konsequenzenreich geworden ist. Die (von der Gesellschaft insgesamt erwarteten und von den Eltern fraglos eingegangenen) hohen Ansprüche an elterliche Investitionen in ihre Kinder bedeuten nämlich zugleich, dass Familiengründung die Stellung im System sozialer Ungleichheit massiv negativ beeinflusst: Kinder sind unter den gegebenen Bedingungen zu einer Ursache sozialer Ungleichheit ersten Ranges geworden: Kinder-"Besitz" hat als Einzel-Prädiktor für (sinkenden) materiellen Wohlstand die klassischen Indikatoren wie Bildung, Geschlecht, Lebensalter oder Berufsprestige inzwischen ausgestochen und kann in der Kombination mit wenigen anderen Indikatoren (neben den genannten insbesondere: Familienstand) als "sicherer" Faktor in der Abschätzung von Armuts-Risiken gewertet werden.

F.X. Kaufmann (1990; 1995) hat in seinem Buch 'Zukunft der Familie' überzeugend die These herausgearbeitet, dass Gesellschaften, die vom Primat der produktiven Aufgaben geprägt sind und reproduktive Aufgaben in ihrem Selbstverständnis gering bewerten (und z.B. aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ausklammern), indem sie z.B. individuellen Einsatz, Konkurrenz und leistungsbezogene Selektion als konstitutiv für die individuelle Lebensgestaltung ansehen, ein Leben ohne Kinder privilegieren, ohne dass dies von irgend jemand explizit so gewollt war.

Solche Gesellschaften tendieren dazu, Kinder in Sonderumwelten (pädagogische Provinzen) abzudrängen, und sie lassen die (direkten als auch indirekten) Kosten derjenigen, die sich für ein Leben mit Kindern entscheiden, ständig steigen.

  • Die Spanne von regelmäßigen, zwingenden Transferleistungen hat sich durch Ausbildungsverlängerung ständig vergrößert und wird von einer praktisch lebenslangen Asymmetrie in den fakultativen materiellen Transfers begleitet.
  • Die staatlichen Transferleistungen reichen in Deutschland nicht einmal aus, um die Einkommensverluste durch Erwerbsverzicht auszugleichen, geschweige denn, dass sie für Kinderkosten aufkämen; mit der Übernahme der Erziehungsverantwortung für zwei Kinder ist eine durchschnittliche Wohlstandseinbuße von ca. 50 % verbunden; mit jedem Kind ergibt sich eine scherenartige Verschlechterung der Ökonomie von Familienhaushalten: einerseits zunehmende Kosten, andererseits sinkende Arbeitseinkommen.
  • Die staatlichen Transferleistungen für Familien haben mit der Wirtschaftsentwicklung (anders als bei Renten) nicht schrittgehalten, ihr Anteil am Sozialbudget ist in den letzten 35 Jahren relativ kontinuierlich um ein Drittel gesunken.
  • Diese Zusammenhänge fasst Kaufmann in seiner These von der strukturellen Rücksichtslosigkeit der Gesellschaft gegenüber der Familie zusammen, die sich im Wirtschafts-, Rechts-, Politik-und Bildungssystem gleichermaßen nachweisen lässt.
  • Wer sozialpolitisch an der Frage des Zusammenlebens der Generationen in unserer Gesellschaft ernsthaft interessiert ist, muss erkennen, dass ein relativ radikaler, und keineswegs schmerzloser Umbau der Gesellschaft notwendig ist, der z.B. dem einer ökologischen Erneuerung in nichts nachstehen würde. Die Parallelen sind dabei überdeutlich: Ist es das Ziel einer ökologischen Erneuerung, den Bestand an Rohstoffen und Energie konstant zu halten (und nicht jetzt zu Lasten nachfolgender Generationen - und/oder anderer Gesellschaften - zu verbrauchen), so wäre bei einer familiären Erneuerung zu fragen,
  • wie die Reproduktionsaufgaben innerhalb der Gesellschaft zu lösen sind (sofern man nicht bereit ist, die Geburtenimplosion der Wohlfahrtsgesellschaften dauerhaft durch Bevöllkerungsimporte aus Armutsgesellschaften auszugleichen),
  • wie sinnvoll eine zunehmende gesellschaftliche Arbeitsteilung ist, bei der sich ein Teil der Bevölkerung auf die produktive Arbeit und ein anderer Teil auf reproduktive Aufgaben spezialisiert (insbesondere wenn dies mit nachhaltiger sozialer und regionaler Ungleichheit verbunden ist). Das, was sich gegenwärtig als sozialer Ausdifferenzierungsprozess von Reproduktionsaufgaben aus dem Zentrum in die Peripherie der Moderne vollzieht, ist aus der Sicht dieser Moderne als lean (re-)production zu bezeichnen.
Hier wird nun der Zusammenhang zwischen den endogenen Entwicklungen in den Generationenbeziehungen in modernen Dienstleistungsgesellschaften und der - auch kulturellen -Pluralisierung von modernen Dienstleistungsgesellschaften überdeutlich: Gesamtgesellschaftlicher Wandel, Veränderungen in den institutionellen Teilbereichen des Bildungs- und Beschäftigungssystems, von Ehe und Familie sowie in der individuellen Lebensplanung und -führung können nun in einen kohärenten Erklärungszusammenhang gebracht werden. Damit können die Veränderungen in den individuell-biographischen Entscheidungen wie die zur Familiengründung als Folge langfristiger gesamtgesellschaftlicher Modernisierungstrends gedeutet werden. Hervorgehoben wird in dieser theoretischen Perspektive insbesondere die strategische Bedeutung der Veränderung von Lebensverläufen von Frauen: Sie haben von der Bildungsexpansion in besonderem Maße profitiert und Männer im Erwerb von Bildungszertifikaten inzwischen übertroffen. Zugleich kommt ihren damit steigenden Berufsaspirationen entgegen, dass mit der gesamtgesellschaftlichen Modernisierung eine Tertiärisierung des Beschäftigungssystems verbunden ist, da Berufe im Dienstleistungssektor von Frauen in besonderem Maße nachgefragt werden. Steigende Erwerbsbeteiligung in der Form eigenständiger Berufsbiographien ermöglicht dabei zugleich eine höhere Wahlfreiheit von Frauen in ihrer privaten Lebensplanung insofern, als (Versorgungs-)Ehe und Mutterschaft nicht mehr alternativlos die Normalbiographie bestimmen müssen.

Diese gestiegenen Optionen von Frauen haben ihrerseits insofern Rückwirkungen auf die private Lebensführung, als damit der Zusammenhang von Qualität und Stabilität in Partnerschaft und Ehe enger wird: Von den Beteiligten als 'nicht-erfolgreich' perzipierte Beziehungen bekommen damit ein höheres Lösungsrisiko, ohne dass gleichzeitig unterstellt werden müsste, dass Ehe und Familie an Wertschätzung verloren hätten. Auf der Basis von modernisierungstheoretischen Argumenten ist vielmehr verständlich, dass familiäre Lebensformen an spezifischer Wertschätzung gewinnen: Mit dem Ausdifferenzierungsprozess der privaten Lebensführung aus anderen Tätigkeitsfeldern verändert die Haushaltsproduktion ihren Charakter, indem sie sich auf gemeinschaftliche Reproduktion und Kommunikation spezialisiert, und führt zu einer Veränderung der Beziehungsqualität, als affektuelle Bindungen (mit all ihren Stabilitätsrisiken) damit zunehmend zur zentralen Dimension der Bewertung von Partnerschafts- und Ehequalität werden.

Es ist keineswegs eine Zufälligkeit, dass die Regionen, in denen dieser Wandel der privaten Lebensführung am intensivsten fortgeschritten ist, zugleich die höchsten Ausländeranteile an der Wohnbevölkerung in Deutschland aufweisen und über quantitativ bedeutende ethnische Kolonien verfügen. Vielmehr besteht zwischen der Entstehung individualisierter Milieus einerseits und den ethnischen Kolonien andererseits ein systematischer Zusammenhang. Ein unbestrittener Bestandteil des Modernisierungsprozesses besteht nämlich zwischen der zunehmenden Individualisierung der Lebensverläufe und der Reduktion der Geburten unter ein Niveau, das zur Reproduktion dieser Gesellschaft ausreicht. Dieser Zusammenhang ist sowohl
auf der Ebene der individuellen Modernisierung, als auch auf der Ebene regionaler und internationaler Unterschiede nachweisbar und wird durch regionale Migrationsprozesse weiter verstärkt.

Die Ausgangsthese hierzu ist, dass Bevölkerungsimporte eine wesentliche Bedingung für den "systematischen Trend" zur Individualisierung in anderen Bevölkerungskategorien sind. Eine Zusatz-These ist, dass - unter bestimmten, noch zu benennenden Bedingungen - Bevölkerungsimport ein Mechanismus moderner Wohlfahrtsgesellschaften ist, der erheblich zur Stabilisierung (und nicht etwa: zur Anomisierung) dieser Gesellschaften beiträgt, da er allen Beteiligten im Verteilungskampf um ökonomische und soziale Ressourcen eine positive Bilanz ermöglicht.

Reproduktionsraten unter 1.00 führen dazu, dass für die autochthone Bevölkerung im intergenerativen Prozess ein Überangebot an hochbewerteten Positionen im Vergleich zu nachwachsenden Bewerbern aus dieser Bevölkerung besteht, was eine Sogwirkung bei diesen hochbewerteten Positionen auslöst. Diese Sogwirkung ist umso größer, je niedriger die Reproduktionsrate ist. Dies ermöglicht für die nachwachsende Generation der autochthonen Bevölkerung einen kollektiven Aufstieg, ohne dass hierfür ein ökonomisches Wachstum oder ein Verdrängungswettbewerb notwendig wäre. Unterstützt wird dieser Prozess durch das damit verbundene Zusammenlegen von ökonomischen, sozialen und kulturellen Ressourcen. Ökonomisch geschieht dies durch die Vererbung von immer mehr Gütern auf immer weniger Erben. Auch die inflationäre Vergabe von Bildungszertifikaten an die Mitglieder der autochthonen Gesellschaft stabilisiert diesen Prozess auf der kulturellen Ebene - allerdings nur, solange diese Zertifikate die Konkurrenz aus den Herkunftsgesellschaften möglicher Zuwanderer nicht fürchten müssen. Sozial hat dieser Prozess eine Kumulierung von Optionen bei der autochthonen Bevölkerung zur Folge, so dass sozialer Aufstieg wahrscheinlich, jedenfalls aber Statuserhalt sicher ist.

Das permanente Freiwerden von Positionen am unteren Ende der Statushierarchie steigert die Nachfrage nach einem Bevölkerungsimport auch unter der Bedingung einer stagnierenden Ökonomie (allerdings nicht: in rezessiven Phasen). Durch diesen Bevölkerungsimport stellt sich somit eine zusätzliche Form der Pluralisierung von Lebenslagen in modernen Gesellschaften ein. Das Spektrum der Lebensstile wird in entwickelten Industriegesellschaften im Verlauf des Modernisierungsprozesses also nicht nur um "individualisiertere" Varianten erweitert, vielmehr wird über den damit einhergehenden Bevölkerungsimport zugleich das Spektrum um traditionale Lebensstile erweitert. Dass sich diese Traditionalisierung der Lebensführung gerade in den urbanen Ballungszentren einstellt, die eigentlich als die Wegbereiter und Vorreiter von Modernisierungsprozessen gelten, hat natürlich zur Folge, dass in solchen Kontexten die kulturellen Antagonismen besonders groß und offenkundig werden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich die "Modernisierung der Moderne" auch als eine funktionale Differenzierung zwischen Zentrum und Peripherie in bezug auf die Bevölkerungsreproduktion begreifen. Die Ausdifferenzierung individualisierter Lebensstile mit den daran geknüpften Erwartungen an Optionsvielfalt und Mobilität begünstigt eine Ausdifferenzierung der Reproduktionsaufgaben. Diese Form der regionalen Ausdifferenzierung von Reproduktionsaufgaben lässt sich auf einem Kontinuum regionaler und internationaler Wanderungen abbilden, d.h. Wanderungssalden (Bevölkerungsimporte) indizieren somit zugleich auch immer eine regionale oder internationale Arbeitsteilung in den Reproduktionsaufgaben. Da dies die Sozialisation von Kindern genauso wie die Pflege älterer Menschen betrifft, wird durch die ungleiche Belastung der sozialen Räume mit den Reproduktionsaufgaben die Modernisierungsdifferenz und die soziale Ungleichheit weiter verstärkt. Auf die langfristigen Implikationen dieser Schlussfolgerung für die derzeitige Binnenwanderung zwischen Ost- und Westdeutschland sei hier ausdrücklich verwiesen.

Durch die Ausdifferenzierung der Reproduktionsaufgaben im Modernisierungsprozess - sei es durch regional differentielle Reproduktion, sei es durch selektive Migration - verändern sich schließlich auch die Sozialisationsbedingungen von Kindern systematisch: Für einen zunehmenden Teil der Kinder in modernen Gesellschaften sind die Sozialisationsbedingungen systematisch "unmoderner" als die Lebensbedingungen der Gesamtheit der Erwachsenen. Entsprechend ist für einen steigenden Anteil der nachwachsenden Bevölkerung "nachholende" Modernisierung durch regionale oder internationale Wanderung und durch sich anschließende Eingliederungs- und Akkulturationsprozesse eine erwartbare Entwicklungsaufgabe.

Korrespondenzanschrift:
Prof. Dr. Bernhard Nauck
Institut für Soziologie
Technische Universität Chemnitz
Reichenhainer Str. 41
09107 Chemnitz
bernhard.nauck@phil.tu-chemnitz.de
http://www.tu-chemnitz.de/phil/soziologie/nauck/index.htm

Über die Weiber

Arthur Schopenhauer - Über die Weiber

Mit den Mädchen hat es die Natur auf Das, was man im dramaturgischen Sinne, einen Knalleffekt nennt, abgesehen, indem sie dieselben, auf wenige Jahre, mit überreichlicher Schönheit, Reiz und Fülle ausstattet, auf Kosten ihrer ganzen übrigen Lebenszeit, damit sie nämlich, während jener Jahre, der Phantasie eines Mannes sich in dem Maße bemächtigen könnten, daß er hingerissen wird, die Sorge für sie auf Zeit Lebens, in irgend einer Form, ehrlich zu übernehmen; zu welchem Schritte ihn zu vermögen, die bloße vernünftige Ueberlegung keine hinlänglich sichere Bürgschaft zu geben schien. Sonach hat die Natur das Weib, eben wie jedes andere ihrer Geschöpfe, mit den Waffen und Werkzeugen ausgerüstet, deren es zur Sicherung seines Daseins bedarf, und auf die Zeit, da es ihrer bedarf; wobei sie denn auch mit ihrer gewöhnlichen Sparsamkeit verfahren ist. Wie nämlich die weibliche Ameise, nach der Begattung, die fortan überflüssigen, ja, für das Brutverhältniß gefährlichen Flügel verliert; so meistens nach einem oder zwei Kindbetten, das Weib seine Schönheit; wahrscheinlich sogar aus dem selben Grunde.
Dem entsprechend halten die jungen Mädchen ihre häuslichen, oder gewerblichen Geschäfte, in ihrem Herzen, für Nebensache, wohl gar für bloßen Spaß: als ihren allein ernstlichen Beruf betrachten sie die Liebe, die Eroberungen und was damit in Verbindung steht, wie Toilette, Tanz u. s. w.
Je edler und vollkommener eine Sache ist, desto später und langsamer gelangt sie zur Reife. Der Mann erlangt die Reife seiner Vernunft und Geisteskräfte kaum vor dem acht und zwanzigsten Jahre; das Weib mit dem achtzehnten. Aber es ist auch eine Vernunft danach: eine gar knapp gemessene. Daher bleiben die Weiber ihr Leben lang Kinder, sehn immer nur das Nächste, kleben an ! der Gegenwart, nehmen den Schein der Dinge für die Sache und ziehn Kleinigkeiten den wichtigen Angelegenheiten vor. Die Vernunft nämlich ist es, vermöge deren der Mensch nicht, wie das Thier, bloß in der Gegenwart lebt, sondern Vergangenheit und Zukunft übersieht und bedenkt; woraus dann seine Vorsicht, seine Sorge und häufige Beklommenheit entspringt. Der Vortheile, wie der Nachtheile, die Dies bringt, ist das Weib, in Folge seiner schwächern Vernunft, weniger theilhaft; vielmehr ist derselbe ein geistiger Myops, indem sein intuitiver Verstand in der Nähe scharf sieht, hingegen einen engen Gesichtskreis hat, in welchen das Entfernte nicht fällt; daher eben alles Abwesende, Vergangene, Künftige, viel schwächer auf die Weiber wirkt, als auf uns, woraus denn auch der bei ihnen viel häufigere und bisweilen an Verrücktheit grenzende Hang zur Verschwendung entspringt. Die Weiber denken in ihrem Herzen, die Bestimmung! der Männer sei, Geld zu verdienen, die ihre hingegen, es durchzubringen; wo möglich schon bei Lebzeiten des Mannes, wenigstens aber nach seinem Tode. Schon daß der Mann das Erworbene ihnen zur Haushaltung übergiebt, bestärkt sie in dem Glauben. - So viele Nachtheile Dies alles zwar mit sich führt, so hat es doch das Gute, daß das Weib mehr in der Gegenwart aufgeht, als wir, und daher diese, wenn sie nur erträglich ist, besser genießen, woraus die dem Weibe eigenthümliche Heiterkeit hervorgeht, welche sie zur Erholung, erforderlichen Falles zum Troste des sorgenbelasteten Mannes eignet.
In schwierigen Angelegenheiten, nach Weise der alten Germanen, auch die Weiber zu Rathe zu ziehn, ist keineswegs verwerflich: denn ihre Auffassungsweise der Dinge ist von der unsrigen ganz verschieden und zwar besonders dadurch, daß sie gern den kürzesten Weg zum Ziele und überhaupt das zunächst Liegende ins Auge faßt, über welches wir, eben weil es vor unserer Nase liegt, meistens weit hinwegsehn; wo es uns dann Noth thut, darauf zurückgeführt zu werden, um die nahe und einfache Ansicht wieder zu gewinnen. Hierzu kommt, daß die Weiber entschieden nüchterner sind, als wir; wodurch sie in den Dingen nicht mehr sehn, als wirklich da ist; während wir, wenn unsere Leidenschaften erregt sind, leicht das Vorhandene vergrößern, oder Imaginäres hinzufügen.
Aus der selben Quelle ist es abzuleiten, daß die Weiber mehr Mitleid und daher mehr Menschenliebe und Theilnahme an Unglücklichen zeigen, als die Männer: hingegen aber im Punkte der Gerechtigkeit, Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit, diesen nachstehn. Denn in Folge ihrer schwachen Vernunft übt das Gegenwärtige, Anschauliche, unmittelbar Reale eine Gewalt über sie aus, gegen welche die abstrakten Gedanken, die stehenden Maximen, die festgefaßten Entschlüsse, überhaupt die Rücksicht auf Vergangenheit und Zukunft, auf Abwesendes und Entferntes, selten viel vermögen.
- Demgemäß wird man als den Grundfehler des weiblichen Charakters Ungerechtigkeit finden. Er entsteht zunächst aus dem dargelegten Mangel an Vernünftigkeit und Ueberlegung, wird zudem aber noch dadurch unterstützt, daß sie, als die schwächeren, von der Natur nicht auf die Kraft, sondern auf die List angewiesen sind: daher ihre instinktartige Verschlagenheit und ihr unvertilgbarer Hang zum Lügen. Denn, wie den Löwen mit Klauen und Gebiß, den Elephanten mit Stoßzähnen, den Eber mit Hauern, den Stier mit Hörnern und die Sepia mit der wassertrübenden Tinte, so hat die Natur das Weib mit Verstellungskraft ausgerüstet, zu seinem Schutz und Wehr, und hat alle die Kraft, die sie dem Manne als körperliche Stärke und Vernunft verlieh, dem Weibe in Gestalt jener Gabe zugewendet. Die Verstellung ist ihm demnach angeboren, deshalb auch fast so sehr dem dummen, wie dem klugen Weibe eigen. Von derselben bei jeder Gelegenheit Gebrauch zu machen ist ihm daher so natürlich, wie jenen Thieren, bei Angriff, sogleich ihre Waffen anzuwenden, und empfindet es sich dabei gewissermaßen als seine Rechte gebrauchend. Darum ist ein ganz wahrhaftes, unverstelltes Weib vielleicht unmöglich. Eben deshalb durchschauen sie fremde Verstellung so leicht, daß es nicht rathsam ist, ihnen gegenüber, es damit zu versuchen. - Aus dem aufgestellten Grundfehler und seinen Beigaben entspringt aber Falschheit, Treulosigkeit, Verrath, Undank u. s. w. Der gerichtlichen Meineide machen Weiber sich viel öfter schuldig, als Männer. Es ließe sich überhaupt in Frage stellen, ob sie zum Eide zuzulassen sind. - Von Zeit zu Zeit wiederholt sich überall der Fall, daß Damen, denen nichts abgeht, in Kaufmannsläden etwas heimlich einstecken und entwenden.
Weil im Grunde die Weiber ganz allein zur Propagation des Geschlechts da sind und ihre Bestimmung hierin aufgeht; so leben sie durchweg mehr in der Gattung, als In den Individuen, nehmen es in ihrem Herzen ernstlicher mit den Angelegenheiten der Gattung, als mit den individuellen. Dies giebt ihrem ganzen Wesen und Treiben einen gewissen Leichtsinn und überhaupt eine von der des Mannes von Grund aus verschiedene Richtung, aus welcher die so häufige und fast normale Uneinigkeit in der Ehe erwächst.
Das niedrig gewachsene, schmalschultrige, breithüftige und kurzheinige Geschlecht das schöne nennen konnte nur der vom Geschlechtstrieb umnebelte männliche Intellekt: in diesem Triebe nämlich steckt seine ganze Schönheit. Mit mehr Fug, als das schöne, könnte man das weibliche Geschlecht das unästhetische nennen. Weder für Musik, noch Poesie, noch bildende Künste haben sie wirklich und wahrhaftig Sinn und Empfänglichkeit; sondern bloße Aefferei, zum Behuf ihrer Gefallsucht, ist es, wenn sie solche affektiren und vorgeben. Das macht, sie sind keines rein objektiven Antheils an irgend etwas fähig, und der Grund hievon ist, denke ich, folgender. Der Mann strebt in Allem eine direkte Herrschaft über die Dinge an, entweder durch Verstehen oder durch Bezwingen derselben. Aber das Weib ist immer und überall auf eine bloße indirekte Herrschaft verwiesen, nämlich mittels des Mannes, als welchen allein es direkt zu beherrschen hat. Darum liegt es in der Weiber Natur, Alles nur als Mittel, den Mann zu gewinnen, anzusehn, und ihr Antheil an irgend etwas Anderem ist immer nur ein simulirter, ein bloßer Umweg, d. h. läuft auf Koketterie und Aefferei hinaus.
Sie sind sexus sequior [das geringere Geschlecht], das in jedem Betracht zurückstehende, zweite Geschlecht, dessen Schwäche man demnach schonen soll, aber welchem Ehrfurcht zu bezeugen über die Maßen lächerlich ist und uns in ihren eigenen Augen herabsetzt. Als die Natur das Menschengeschlecht in zwei Hälften spaltete, hat sie den Schnitt nicht gerade durch die Mitte geführt. Bei aller Polarität ist der Unterschied des positiven vom negativen Pol kein bloß qualitativer, sondern zugleich ein quantitativer. - So haben eben auch die Alten und die orientalischen Völker die Weiber angesehen und danach die ihnen angemessene Stellung viel richtiger erkannt als wir mit unsrer altfranzösischen Galanterie und abgeschmackter Weiberveneration, dieser höchsten Blüthe christlich-germanischer Dummheit, welche nur gedient hat, sie so arrogant und rücksichtslos zu machen, daß man bisweilen an die heiligen Affen in Benares erinnert wird, welche, im Bewußtsein ihrer Heiligkeit und Unverletzlichkeit, sich Alles und Jedes erlaubt halten.

Sonntag, 14. Oktober 2007

Der Aufstand gegen die Väter

Der Aufstand gegen die Väter
Überfällige Anmerkungen zum Geschlechterkampf
18.04.1998
Magazin - Seite M1
Matthias Matussek

Die "Vaterlose Gesellschaft" war ein Menetekel, nämlich die Warnung eines Linken vor dem utopistischen Taumel des gesellschaftlichen Umsturzes: Paul Federn, ein Freud-Schüler, gab den sozialistischen Genossen 1919 mit seinem Aufsatz "Zur Psychologie der Revolution: Die vaterlose Gesellschaft" den psychodynamischen Rückstoßeffekt radikaler Bewegungen zu bedenken. Ein Aufstand gegen die Vaterautoritäten könne unbewußte Schuldgefühle und Sühnebedürfnisse wekken und damit erneute Sehnsüchte nach einem starken Übervater die später prompt mit dem Großen Vorsitzenden, Stalin, und dem größten Feldherrn aller Zeiten, Hitler, befriedigt wurden.
Während Federn die "Vaterlosigkeit" trotz aller Einsprüche als politische Kampfparole nutzte der Kampf gegen die Vaterautorität des Staates als politischer Kampf , wurde der Begriff von Alexander Mitscherlich in einer gereinigten, unpolitischen Version für die Soziologie der Familie fruchtbar gemacht.
Bei ihm beschreibt die "vaterlose Gesellschaft" einen Zustand, in dem die Autorität des Ernährers durch zunehmend entfremdete Arbeit verfällt und er somit als Lehrer und Modell für die Söhne irrelevant wird. "Das Arbeitsbild des Vaters verschwindet, wird unbekannt. Gleichzeitig mit diesem von geschichtlichen Prozessen erzwungenen Verlust der Anschauung schlägt die Wertung um. "Dieser Prozeß", so Mitscherlich, habe "unaufhörlich zur Entleerung der auctoritas und zur Verringerung der innerfamiliären wie überfamiliären potestas des Vaters beigetragen".
Die studentische Linke in den sechziger Jahren übernahm die Diagnose der "Entwertung des Vaters" und galvanisierte den Begriff der "vaterlosen Gesellschaft" im Studentenprotest. Hier war die Haltung zum Zustand der "Vaterlosigkeit" eine Paradoxie, eine Art vorwurfsvolles Aufatmen. Es war schließlich die Vätergeneration, die entweder in Hitlers Krieg schuldhaft verstrickt und verblutet war oder im Wirtschaftswunder und Wiederaufbau verschwand.
Demnach war die vaterlose Gesellschaft zwar ein bedauernswerter Zustand, aber ein antiautoritärer, einer, der einer Gesellschaft mit Vätern vorzuziehen war. Schließlich waren es die Väter, die in erster Linie an ihre Karriere dachten, das falsche Bewußtsein hatten und abends mit der Sekretärin schliefen. Die Väter waren Gegner für die Generation der Söhne.
Doch erst mit der Frauenbewegung, die auch eine Revolte gegen die studentischen "Paschas" war, wurden Väter geschlechtsspezifisch diskreditiert. Mit der SDS-Gründung "Aktionsrat zur Befreiung der Frau" von 1968 war der neue Feind definiert: Männer, ein Ausbeuter-Geschlecht.
Der politische Diskurs über die Vaterrolle und dessen antiautoritäre Rebellionsperspektive wurde vom Sexistischen verschlungen, der Klassenkampf zum Geschlechterkampf und die antiautoritäre Theorie biologistisch zur quasi-rassistischen umformuliert. Was mit Horkheimer, Adorno und Mitscherlich begann, strandete irgendwann im Gekiekse eines "weiblichen" Bekennerjournalismus zwischen "Emma", "Stern" und "Brigitte". Die Antwort auf den "herrschaftsfreien Diskurs" hieß nun: Frauenanteil und quotiertes Rederecht.
Väter also waren nun Triebtäter mit phallischen Waffen, und in einer patriarchalischen Gesellschaft konnten sich Frauen nur noch als ausgebeutete Objekte wahrnehmen. In diesem Diskurs begann man jetzt, Matriarchatsmythen zu entwerfen und ansonsten auf Flokati-Teppich-Soirees die BH-freie Weiblichkeit als lila Weg in die sanfte Gesellschaft zu verkünden.
"Wir Frauen", hieß es nun, "werden dann erst unsere gesamte weibliche Kraft erlangen, wenn wir uns männlichen Wertvorstellungen entziehen, um damit die alten Götter vom Thron zu stoßen! Um dann in Einsamkeit und Stille visionär unser wahres Wesen zu erkennen." In der Folge sollte es zur vornehmsten Aufgabe der "patriarchalischen" Gesellschaft werden, diesen weiblichen Selbstfindungstrip zu finanzieren. Für Feministinnen ein Bußgeld der Gesellschaft.
Mit dem Feminismus war die Welt einfach und überschaubar geworden, so, wie sie es zuvor nur in kommunistischen Splittergruppen war. Der böse Zustand der Welt war Folge männlicher Verwüstung, Ausbeutung, Ausplünderung der Natur, Kriege, Hungerkatastrophen Männersache.
Der "Kampf um Gleichheit" war ein reiner Kulturkampf; denn die entscheidenden Frauenrechte waren längst erstritten worden, in der Französischen Revolution und der industriell-proletarischen sowie in zahlreichen Reformbewegungen. Ab 1919 war Geschlechtergleichheit in der bürgerlichen Gesellschaft etabliert. Zwar hatte der Nationalsozialismus die Frau wieder zur Nur-Gebärerin gemacht und entrechtet, aber im Grundgesetz von 1949 wurde die Gleichheit der Frau in allen gesellschaftlichen Bereichen garantiert.
Dennoch, unter dem Diskurs-Regime der wohlstandssatten Kleinrevolutionäre wurde der Schulddruck auf die "Männergesellschaft" zielstrebig verstärkt. Politik operiert ja nicht mehr im materiellen, sondern vorwiegend im symbolischen Raum mit grenzenlosen Freiheiten. Je mehr das Patriarchat verschwand, desto begeisterter wurde es gehaßt.
"Kein Projekt der Linken seit 1968", resümiert Susanne Gaschke in der "Zeit" vom 12.2.1998, "war so erfolgreich wie die neue Frauenbewegung zumindest, was die rhetorische und ideologische Wirkung angeht."
Vom Mann als ideellem Gesamtunterdrücker konnten in den siebziger Jahren besonders linke Männer nicht genug hören. Tatsächlich: Der Geschlechterkampf fand zunächst auf derselben Seite der Barrikade statt. Linke Männer und Frauen waren sich einig: Die Frau ist der bessere Mensch.
Und der Mann ist der schlechtere. Logisch. Alles, was sich damals als "typisch männliches" Rollenverhalten identifizieren ließ, etwa eine größere kämpferische Entschlossenheit, wurde nun verteufelt. Daß sie, wenn es sie denn gibt, durchaus positiv und lebenserhaltend sein kann, daß sie helfen kann, Familien zu schützen oder Revolutionen zum Erfolg zu führen, fiel in der "neuen" Anthropologie unter den Tisch. Selbst die enorme Aggressivität der Frauenbewegung machte niemanden stutzig. Sie war schließlich nur der Reflex auf die strukturelle der Männer.
Der politische Kampf war verloren vielleicht ließ sich die Revolte aber doch noch zum Sieg führen, nun von innen, im geschlechterspezifischen Umsturz: Der neue, sanfte Mann sozusagen als geschichtlicher Vollstrecker, der den alten Mann als Rest falschen Bewußtseins weggesprengt hatte, ja, nur dessen Niederlage als neuen Sieg buchen kann.
Bald gehörte es zum linken Salonton, von Grass "Butt" bis Walter Jens "Troerinnen", den naturvernichtenden Mann als Feind schlechthin zu demaskieren. Auch der Faschismus, klar, war eine "Männerphantasie" als hätte der österreichische Anstreicher als ideeller Gesamtbräutigam nicht auch Frauenaugen feucht werden lassen und die Verzückung von BDM-Mädels zur Raserei gesteigert. Daß der Widerstand gegen die braune Barbarei in erster Linie Frauensache gewesen wäre, hat nie einer ernsthaft behauptet und doch schwang diese Vorstellung als utopische stets mit , die "instinktnähere" und naturnähere Frau war Widerstand an sich.
Bald setzte sich ein erkenntnistheoretisches Grundmuster durch, das Adorno in seiner "Ästhetischen Theorie" die "Apologie des Unterdrückten" nannte, nämlich "des Tiers, der Landschaft, der Frau".
So entstand ein romantisches grünes Ideen-Reservat, in das sich die Frau als bedrohte Gattung eingemeindete. Albern? Sicher. Wirkungsvoll? Und wie. Nicht von ungefähr sind die Erfolgsstorys der Frauenbewegung und der Grünen ineinander verschränkt, einer Partei, zu deren vorrangigen Qualifikationskriterien für Spitzenjobs es gehört, Frau zu sein. Ein herrlicher Freibrief. Kein Wunder, daß etwa in Hessen eine grüne Ministerin nach der anderen wegen "Cousinenwirtschaft" und Korruptionsverdacht aus dem Amt entfernt werden muß.
Doch seit den frühen siebziger Jahren ist linke Politik in erster Linie Frauenpolitik. Feministinnen hatten einen Erweckungsauftrag, den Jutta Limbach, heute Verfassungsrichterin, so definiert: "Feministinnen helfen Frauen zu entdecken, daß ihr vermeintlich individuelles Schicksal Frauenschicksal ist." So entstanden Frauenverlage, Frauenzeitschriften, Frauenbuchläden, Frauencafés, Frauenkulturgruppen, Frauenferienhäuser, Frauentaxis, Frauengesundheitszentren, Frauenhäuser, Frauenparketagen und jede Menge Notrufdienste für mißhandelte und vergewaltigte Frauen und Mädchen, deren Zahl eskalierte, je mehr es schon davon gab.
Gleichzeitig etablierte sich in jedem Bundesland ein Netz von Frauenministerien und Gleichstellungsbeauftragtenbüros voller Frauen, die mit Argusaugen darüber wachten, daß genug Planstellen in weiteren Frauenbehörden geschaffen wurden. Allein für die Gleichstellungsstellen werden heute 150 Millionen an Personalkosten ausgegeben.
All diese Geschenke der "patriarchalischen Gesellschaft" werden heute als Siege der starken Frau gefeiert und für Zwecke einer biologistischen Machtpolitik eingespannt. Und der Nutzen? "Die angeblich alle Frauen umfassende Frauenbewegung", resümiert Cora Stephan in der "Zeit", "hat, den Grünen vergleichbar, nur ihren eigenen Funktionärinnen nennenswert genützt."
Jede Kleinstadt veranstaltet mittlerweile Symposien zur Ausbeutung der Frau, in denen Frauen (und Männer) Frauen bestätigen, daß sie sehr wundervoll und sehr ausgebeutet sind. Heute gehört es zur Arbeit einer Frauenbeauftragten, die Druckvorlage der lokalen Frauennetzwerkbroschüre zu redigieren und den Antrag des Frauengesundheits-Zentrums zu unterstützen, das eine Veranstaltungsreihe zum Thema "Körperlichkeit" sowie "Gruppenseminare zur korrekten Anwendung des Diaphragmas" plant und das alles mit üppigen, öffentlichen Mitteln zu fördern (Die Zeit, 12.2.1998).
Die Quotenregelungen sorgen dafür, daß die großen Parteien Spitzenämter mit Frauen besetzen, und das neue Scheidungsrecht dafür, daß diese von selbstbewußten, geschiedenen Frauen mit Doppelnamen eingenommen werden.
Auf der grammatikalischen Ebene werden erhebliche Anstrengungen unternommen, um auch den symbolischen Gleichheitsforderungen zu genügen. Mitbürgerinnen und Mitbürger, Ingenieurinnen und Ingenieure, Weihnachtsfrauen und Weihnachtsmänner, Frauenministeriumsangestelltinnen und Frauenministeriumsangestellte werden seither auf dem diplomatischen Parkett politischer Korrektheit begrüßt wie Würdenträger feindlicher Blöcke, Goethes Wort folgend: Die Frauen sind eine andere Nation.
Wer heute gegen diese neuen Sprachregeln verstößt, wer etwa bei Stellenausschreibungen an der Uni Hamburg die weibliche Endung ("Ingenieur/Innen") unterschlägt, macht sich des "Verschweigens der Frauenexistenz" schuldig und hat einen Tatbestand des "Belästigungskatalogs" der Frauenbeauftragten erfüllt, wie ein genervter Aussteiger, der Anglistik-Professor Dietrich Schwanitz, berichtet.
Fremde Nationen sollten einander mit Respekt behandeln. Doch die Höflichkeit ist einseitig geworden. Wo über Frauen geschrieben wird, gelten noch die altmodischen Regeln der Galanterie, gilt mit Recht das Verletzungstabu. Wo über "den Mann" verhandelt wird, gilt er seit Beginn der Frauenbewegung als auslaufendes Modell, als Versager besonders als Vater.
Tatsächlich: Besonders als Vater wurde der Mann seit den siebziger Jahren nur noch wie ein brauchbarer Depp, ein fürchterlicher Zwitter wahrgenommen, der seine angestammten Pflichten nicht mehr erfüllen wollte und sollte, und wenn es die war, seinen Kindern ein starker, bisweilen sogar strenger Normengeber zu sein, ein Vater, an dem sie sich messen, den sie auch bekämpfen können. Der antiautoritäre, sanfte Mann dagegen ist ein im Grunde gleichgültiger Vater: Er ist nicht nur geschlechts-, sondern auch verantwortungsneutral.
In der vaterlosen Gesellschaft wurden Väter tatsächlich zunehmend abwesend. Ein Paradox: In der römischen Gesellschaft bedeutete "Emanzipation", daß die väterliche Erziehung abgeschlossen war, bedeutete die "Entlassung eines Sohnes aus der väterlichen Gewalt". Nun hieß Emanzipation schlicht: Entlassung des Vaters. Und die wurde nicht nur kulturell, sondern auch institutionell und rechtlich abgesichert, besonders mit dem neuen Scheidungsgesetz, das 1977 ausgerechnet auch von frauenbewegten Männern verabschiedet wurde. Nun sollte jede Frau jederzeit in der Lage sein, den Unterdrückermann zu verlassen, den Unterdrückervater der Kinder zu verstoßen und zwar unter Mitnahme der Kinder und der Hälfte seiner Einkünfte über Jahre hinaus.
Wie tief dieses einzelne Gesetz in das sozialethische Gefüge eingegriffen und wie sehr es den Vater zur auswechselbaren Zahlgröße gemacht hat, dokumentiert ein Düsseldorfer Richterspruch aus jüngster Zeit: Eine Frau hatte während ihrer Ehe eine Affäre mit einem anderen Mann und ein Kind mit diesem gezeugt. Kurze Zeit darauf hatte sie sich von ihrem Ehemann getrennt, ihn aber in dem Glauben gelassen, das Kind sei von ihm. Jahrelang nahm er das Kind für sein eigenes und zahlte, jahrelang wurde auch das Kind über die wahre Identität seines Vaters getäuscht. Bis der Betrug der Frau aufflog.
Als der betrogene Vater Sühne für dieses Unrecht verlangte und zumindest auf Rückerstattung des Unterhalts klagte, wurde er abgewiesen. Doch nicht das alleine ist der Skandal, sondern die Begründung des Richters. Er mochte eine "sittenwidrigschädigende Handlung" in dem Verhalten der Frau nicht erkennen.
Noch einmal: Eine Ehebrecherin hatte ihr Kind und zwei Männer jahrelang über die wahre Vateridentität getäuscht und Unterhalt vom falschen, offenbar finanzkräftigeren Partner erschlichen. Doch sie hat sich nach den neuen Spielregeln "nicht sittenwidrig" verhalten. Fazit: Väter sind buchstäblich austauschbar geworden.
Symbolisch wichtig nicht zuletzt der Ratschlag, den der Richter erteilte. Die Männer, beide auf ihre Art Opfer der weiblichen Fassadenschieberei, sollten sich untereinander auseinandersetzen die Frau sei von juristischen Konsequenzen ausgenommen.
Die Scheidungsindustrie produziert seither Vaterlosigkeit am Fließband. Mit rund 150 000 Scheidungen jährlich wächst das Riesenheer von Zahlvätern, die mit der Erziehung ihrer Kinder nichts mehr zu tun haben dürfen und mit Hilfe von Frauenverbänden, Jugendämtern und Justiz auf Distanz zu den Kindern gehalten werden.
Rechnet man die unehelichen Beziehungen dazu, sind es, nach Angaben von Frauenbüros, mittlerweile zu drei Viertel Frauen, die die Scheidung oder Trennung vollziehen, meist nach relativ kurzer Zeit, also wenn die Kinder noch klein sind.
Der neue Mann ist ein Vater auf Zeit, wie der Algerier Simone, der von seiner deutschen Frau den Laufpaß bekam, nachdem das Kind auf der Welt war. Er könne sein Kind monatlich einmal sehen, beschied ihm die Mutter so lange bis sie einen neuen Mann habe.
Tatsächlich erinnern die Konsequenzen der Scheidungsindustrie bisweilen an vorzivilisatorische, matrilineare Gesellschaftsformen, in denen wegen der allgemeinen Promiskuität die Väter nicht auszumachen waren und Genealogien über Mütter bestimmt wurden.
Je sorgloser Frauen von den Sonderangeboten der Scheidungsindustrie Gebrauch machten, desto größer wurden die Anstrengungen, von dem Skandal väterlicher Entrechtung mit dröhnenden Argumenten abzulenken.
Eigentlich weiß mittlerweile keiner mehr so genau, worin die Schuld der Männer eigentlich besteht. Sie wird jedoch ständig neu behauptet, um eine einmal etablierte, mächtige Frauenbürokratie zu legitimieren.
Auf einer "Gleichberechtigungskonferenz des Bundesfrauenministeriums" Anfang 1998 klagte Ministerin Nolte: Immer noch kümmern sich 75 Prozent der nicht berufstätigen Hausfrauen um den Haushalt, nur 25 Prozent der Männer springen ihnen zur Seite, wenn sie von der Arbeit kommen.
Selbst wenn beide berufstätig sind, rief Frau Nolte aus, wird die Hausarbeit nur in 72 Prozent der Fälle hälftig und gerecht verteilt. Bei den übrigen 28 Prozent kommt es zu Mogeleien. Um Gottes willen kein Wunder, daß die Scheidungszahlen explodieren.
Natürlich können sich die Frauenbürokratien mittlerweile all jene Vorzeigemänner leisten, die ihnen bescheinigen, daß Männer von ihnen "lernen müssen", wie es der Soziologe Hollstein formulierte. Er präsentierte den 160 Teilnehmerinnen des Gleichberechtigungs-Kongresses auch gleich den neuen Mann: Der hat "ein sozialwissenschaftliches Studium", ist weniger "gefühlsgehemmt" und stets zu Beziehungsgesprächen aufgelegt eben einer wie Hollstein.
Fazit des Kongresses: Statistisch sind es zwar überwiegend die Frauen, die sich mit Geld und Kind aus dem Staub machen, aber es sind nach wie vor die Männer, die schuld sind.
Gleichzeitig mit der vollzogenen Abschaffung des Vaters blüht ein absurder Kult um die Alleinerziehende. Ihr wendet sich das soziale Mitleid zu, als sei das Elend nicht meistens das ihrer eigenen Bindungsunfähigkeit und familiären Verantwortungslosigkeit, sondern die Schuld des zurückgelassenen Mannes.
Als Superstar aller Alleinerziehenden kann zweifellos Prinzessin Diana gelten. Sie schaffte es nach der lukrativen Trennung von Prinz Charles, selbst Liebesaffären, Jet-set-Rummel und peinliche Talkshow-Offenbarungen mit dem sozialen Sex-Appeal der Alleinerziehenden zu vergolden.
Auch wenn die beiden Söhne vorwiegend in Internaten aufwuchsen und der ältere in bedenklicher Weise als Tränenbank für den Liebesfrust der Mutter benutzt wurde, so blieb sie doch die tapfere, stolze, hübsche Alleinerziehende, die das Leben meistert. Seit sie ihre Kinder hatte, war sie, so Camille Paglia, "unverwundbar".
Der Kampf gegen die Väter einst eine politisch und psychodynamisch wichtige Aktion ist in begrifflichen Lächerlichkeiten gelandet. Es geht um Hausarbeit. Der Rest: reaktionäre feministische Besitzstandsliturgie und fröhliche Habgier.
Der Mann wird von radikalen Feministinnen geduldet als Zeuger, ansonsten ist er überflüssig. Seine Vaterschaft ist zur pur biologischen Funktion geworden, während seine Verantwortung, seine emotionalen und spirituellen "Zugriffe" aufs Kind als Einmischung empört zurückgewiesen werden. Die Ideologie ist im Kern atavistisches Mutterrecht nach dem Motto: Ich mache mit meinem Kind, was ich will. Das ist gewiß der bedenklichste Fall-Out der ansonsten notwendigen Kampagne zur Reform des "Abtreibungs"-Paragraphen 218 in den siebziger Jahren: Im biologischen Pleonasmus des Slogans "mein Bauch gehört mir" ist das werdende Leben, schließlich ein gemeinsames Mysterium, nur noch weibliche Körperfunktion und zur Gänze entzaubert. Mit dem biologischen wurde auch der ideologische mütterliche Alleinzugriff aufs Kind (oder Nicht-Kind) untermauert. Ein Trumpf, der immer sorgloser ausgespielt wird.
Daß in Berlin auf 1 000 Geburten 390 Abtreibungen kommen, ist natürlich eine erschreckende Zahl und alles andere als ein Beweis für emotionale und moralische Reife, ganz besonders in Zeiten, in denen Verhütungsmittel allgemein verfügbar sind. Es dürfte eigentlich kaum noch "ungewollte" Schwangerschaften geben. Die Abbruch-Indikationen Vergewaltigung und gesundheitliche Gefährdung für Mutter oder Kind fallen statistisch kaum ins Gewicht.
Daß dennoch so massenhaft abgetrieben wird, läßt darauf schließen, daß die Frage über das werdende Leben bisweilen auf das Entscheidungsniveau gesunken ist, auf dem Funktionsstörungen des Verdauungstraktes oder die Anschaffung eines Kühlschranks abgehandelt werden. Im berechtigten Kampf gegen die klerikale und juristische Fremdbestimmung der Frau in der Abtreibungsfrage ist nun das andere Extrem erreicht: Das Kind wird nur noch als biologische "Ausdehnung" der Mutter gesehen; die Ausgrenzung des Vaters dagegen ist total.
Wie schwer es Männern fällt, damit umzugehen, zeigt ein neuer Film von Abel Ferrara: Ein Filmregisseur erfährt von seiner Freundin, daß sie abgetrieben hat. Er hatte sich auf seine Vaterschaft gefreut, hat das werdende Leben als eines erlebt, das auch ihm zuwächst. Doch es ist nicht nur die Tatsache der Abtreibung alleine, die ihn erschüttert es ist die Sorglosigkeit, mit der sie von seiner Freundin vorgenommen wurde, ohne sich mit ihm darüber zu verständigen. Sie dachte, so sagt sie ihm, ihm passe ein Kind nicht in den Kram.
Väter sind eine disponible Größe geworden. Im besten Falle sind sie Väter auf Zeit. Die tip-Anzeige, in der eine "Lesbierin einen Samenspender sucht (darf auch gerne schwul sein)", markiert diese Position. Sicher, selbst für die Zeugung wäre ein schwuler Mann im feministischen Diskurs ein konvertierter, guter Mann wünschenswert. Doch eigentlich tut es jeder, solange er eines nicht beansprucht: Vater zu sein in der pädagogischen, spirituellen Bedeutung des Wortes.
Wie grimmig die Realitäten unter dem feministischen Familiendiskurs geworden sind, erfuhren die Autorinnen Anke Kuckuck und Heide Wohlers bei den Recherchen zum Buch "Vaters Tochter". Über Väter spricht man nicht mehr. Väter sind ausgegrenzt und tabu. Und wenn man nach ihnen fragte, "schwebte das Wort Verrat über den Gesprächen".
Vaterlosigkeit ist ein soziokultureller Virus, der stets neue Ableger produziert. Eine Alleinerziehende schafft neue Alleinerziehende, denn ihre Kinder wachsen mit dem Implantat heran: "Eine dauerhafte Beziehung kann es nicht geben."
So ist im Laufe der Jahre ein geisterhaftes "Patriarchat ohne Väter" (Helga Levend) entstanden, dessen Auswirkungen besonders jene "neuen Männer" spüren, die die vaterlose Gesellschaft einst erkämpfen halfen und jäh in Ungnade gefallen sind. Männer wie Lothar Reinhard, Gründungsmitglied der Grünen in Mülheim/Ruhr, Aktivist zur Abschaffung des Paragraphen 218, Entwicklungshelfer und Lehrer.
Mit seiner Frau, ebenfalls Grüne, ebenfalls Lehrerin, hatte er von sanfter Erziehung und antibürgerlichen Rollenverteilungen geträumt, als sein Sohn zur Welt kam. Er arbeitete halbtags, sie auch. Er wollte alles richtig machen als ausgebildeter Pädagoge mit Ideen über eine "freie Entwicklung der Persönlichkeit".
Der Traum war ausgeträumt, als sich seine Frau, die selber ohne ihren Vater aufwuchs, von ihm abwandte. Denn nun begann der ganz unfreiheitliche kinderverkrümmende Mechanismus der Scheidungsindustrie zu greifen, jener "bürgerlichen" Industrie, die sie nun rigoros nutzte.
Das Häuschen wurde auf ihr Verlangen durch eine Mauer geteilt. Reinhard zahlte Unterhalt, doch sein Kind durfte er nur nach wochenlangen telefonischen Voranmeldungen sehen. Dann wurde es von der Mutter in Anorak und Gummistiefel gepackt, als hätte es sich auf einen langen Weg zu machen. Dabei mußte es nur die Treppenstufen zum Tiefparterre nehmen.
Kinderverstörender Terror. Verbotene Kontaktaufnahmen, etwa im Garten, wurden mit Boykotten geahndet. "Die Spontaneität meines Sohnes ist mittlerweile gekillt", sagt Reinhard, "die absolute kleinbürgerliche Kacke." Allerdings wohl eine ganze Ecke verlogener und kaltblütiger, denn selbst dieser Wahnsinn wurde von seiner grünen Mitstreiterin mit progressiver Pädagogik begründet das Kind solle die Trennung der Eltern bewußt erleben.
Seine Frau ließ sich anwaltlich beraten von einem Grünenfunktionär, dem Lebensgefährten der Landessprecherin Steffen. Eskalierend beraten, nicht schlichtend. Reinhard schildert ihn als eines dieser typischen "neuen" Männchen, die für ihren buckelnden Opportunismus in der Frauenbewegung stets mit Belohnung rechnen dürfen. Er ist heute, ausgerechnet, Erziehungsdezernent.
Reinhard ist restlos ernüchtert. Über Reformen des Kindschaftsrechts dürfe man nicht reden bei den Grünen. "Eigentlich darf man über nichts reden, was das Machtmonopol der Frauen bedroht. Die haben alles fest im Griff. Mit dem Frauenvotum können sie jeden Antrag abbügeln, ansonsten hilft das quotierte Rederecht."
Den Vater, der ganz einfach und insgeheim wohl auch ganz bürgerlich Vater sein wollte, erinnert der politisch korrekte Unfug der Grünen besonders in Kinderrechtsfragen "mitunter stark an den Psychoterror von Sekten".
Rückblickend stellt er fest: "Wir haben Mist gebaut. Mit unserem Kampf gegen Väter haben wir genau die väterfeindlichen Gesetze geschaffen, die heute alles kaputtmachen." Er könne nur noch hoffen, daß aus seinem Sohn kein Eichmann gemacht werde oder ein Schläger.
"Wir wollten die patriarchalische Gesellschaft verändern statt dessen haben wir die Willkür schrankenloser Muttermacht bekommen. Wir wollten die bürgerliche Kleinfamilie auflösen und neue Lebensformen probieren statt dessen haben wir die intellektuelle und moralische Verantwortungslosigkeit bekommen."
Resigniert setzt er hinzu: "Familienpolitisch ist die Linke wohl restlos gescheitert." Und wenn sie es nicht schaffe, diesen Bereich mit ihren sonstigen Menschenrechtsforderungen in Einklang zu bringen, sehe "die Zukunft düster aus".
Matthias Matusseks neues Buch "Die vaterlose Gesellschaft" erscheint in diesen Tagen im Rowohlt Verlag.