Diskriminierung
Quelle: Jörgs Homepage zum Thema Angst
Das Wort Diskriminierung geht auf das lateinische discrimen zurück, was unter anderem "Unterschied" und "Unterscheidung" bedeutet. Heute verstehn wir unter Diskriminierung noch etwas mehr, nämlich die Beurteilung aufgrund eines meist äußeren Unterschiedes. So werden Menschen nach Hautfarbe unterschieden und dann danach bewertet, als ob die Gene, die auch für die Ausbildung der Hautfarbe verantwortlich sind, in selbem Maße den Charakter formen. Diese Diskriminierung ist in weiten Kreisen unserer Gesellschaft zu recht verpönt, etwas salonfähiger ist da schon die Beurteilung eines Menschen nach seinem Geschlecht.
Ich habe es mir nicht ausgesucht, als ein männlicher Mensch auf die Welt zu kommen. Ich bin in eine Familie hineingeboren, die, zumindest was die Erziehung der Kinder anbelangte, von den Frauen dominiert wurde. Und da habe ich schon frühzeitig vermittelt bekommen, dass Männer die unanständigeren Menschen sind. Auf teilweise rabiate, teilweise subtile Art, so dass ich es selber irgendwann geglaubt habe. Ich glaube es inzwischen von meinem Verstand nicht mehr so, aber habe immer noch ein großes gefühlsmäßiges Problem damit. Ich bekomme heute noch oft einen Panikanfall, wenn sich mir eine Frau nähert, aus Angst, sie könnte sich von mir abgestoßen fühlen, wenn sie mein wahres Inneres bemerkt. Im Innern bin ich natürlich ein Schwein, und das Gefühl sitzt tief.
Während ich zuhause das Gefühl hatte, ich bin weniger wert als meine Schwester, was mir in den unterschiedlichsten Varianten vorgehalten wurde, so traf ich dann im Kindergarten und dann in der Schule auf andere Jungen, die sich einen Spaß daraus machten mir die Hölle heiß zu machen. Im Grunde genommen bestätigten sie das Bild von dem schlechten Geschlecht. Ebenso wie die Mädchen, die zu mir hielten, und mich trösteten, wenn ich von den Jungen Keile bekommen habe, das Bild von dem guten Geschlecht bestätigten. Aber auf beiden Seiten gab es da auch Ausnahmen, Kinder, die wie ich in ihrem Verhalten aus der Rolle fielen.
Auf der einen Seite fühlte ich mich schlecht, weil ich ein Junge war, auf der andern Seite, weil ich kein richtiger Junge war, der dann dafür auch ausgiebig gemobbt wurde. Heute sagt man zu Jungen und Männern, sie seien ein Weichei, wenn sie weinen, früher gab es andere Schimpfwörter dafür. Und ich habe damals viel und oft geweint. Freilich hatte es wenig geholfen, weder zuhause noch in der Schule. Zuhause wurde mir dann der "Hosenboden versohlt", weil ich so "ungezogen" bin (halt typisch für einen Jungen), später wurde die körperliche Bestrafung durch verbales Mobbing ersetzt. Und für die kleinen Arschlöcher in der Schule war mein Weinen noch ein zusätzlicher Anreiz auf mich loszugehn.
Ich habe lange Zeit geglaubt, dass die Welt gerechter wird, wenn Frauen mehr zu sagen haben. Das wurde mir zuhause ja auch so vermittelt, und in der Schule gabs die Bestätigung durch die kleinen Machos, die sich gegenseitig anfeuerten wenn sie mich quälten. Man hätte mich in späteren Jahren getrost auch als Feminist bezeichnen können, von der Überzeugung her. Und wenn Frauen in ihrer Lästerei über Männer mal das "Angewesene natürlich ausgeschlossen" vergessen haben nachzuschieben, so habe ich da schüchtern lächelnd drüber hinweggesehen. Gelächelt habe ich auch noch - wenn auch gequält - wenn Witze gemacht wurden über impotente Männer oder gar die Kastration von Männern. Ich finde an so einer Verstümmelung nichts lustiges. Und wenn ich an die Nierenschmerzen denke, die ich als Kind hatte, weil mir - von einer Frau - zu bestimmten Zeiten untersagt wurde die Toilette zu benutzen, so empfinde ich Witze über männliche Probleme im urogenitalen Bereich einfach nur als zusätzliche Demütigung.
Ich war lange Zeit der liebe Kleine, der niemanden etwas zuleide tut, der gerne einer Frau zuhörte, wenn sie ihren Kummer über ihre verkorkste Beziehung loswerden wollte, um gleich anschließend mit dem Arsch wieder ins Bett zu hüpfen. Letztendlich waren es Frauen, die mir die Augen öffneten. Männer hielt ich da wohl auch für zu befangen, wenn sie mir erzählten, ich wäre viel zu lieb, das wäre mein Problem. Es war mein Problem, ich wurde da auch gerne augenutzt, allerdings nicht nur von Frauen. Stutzig gemacht hatte mich eine Frau, die bei vielen Männern als ausgesprochene Emanze galt, und die mir sagte, dass sie es bei mir verstehn würde, wenn ich Frauen hassen würde. Meine Ex-Freundin, die mir sagte, sie hätte das Gefühl, dass ich ein Mann bin, der zuviel liebt, als ich das Buch "Wenn Frauen zu sehr lieben" von Robin Norwood las. Die Beraterin vom Arbeitsamt, die mir in bezug auf mein Selbstwertgefühl sagte, ich hätte die typischen Probleme einer Frau, und ein Kurs, den sie selbst leitet, wäre da ideal für mich. Leider wäre der nur für Frauen.
Inzwischen bin ich so weit, dass ich sehe, dass Feminsmus und Machotum auf dieselbe Art und Weise menschenverachtend sind. Ich habe unter beiden gelitten. Was mich am Feminismus zusätzlich stört, ist dieser Heiligenschein, dass es darum ginge, unterdrückten Menschen zu helfen gegen die Unterdrücker. Ich glaube da inzwischen nicht mehr dran. Am meisten profitieren werden die Frauen, die eh schon ihre Ellenbogen einsetzen. Und das Gegenstück zu diesen Frauen, die männlichen Platzhirsche werden sich davon am wenigsten beeindrucken lassen. Verlierer auf beiden Seiten sind Männer und Frauen, die nicht so skrupellos sind. Menschen, deren Stimmen in dem Getöse der Machos und Feministinnen untergehn, wenn sie überhaupt ihre Stimme erheben.
Der grundlegende Fehler des Feminismus ist es, dass er auf einer simplen Diskriminierung beruht, wenn er benachteiligte oder schwache Menschen gleichsetzt mit Frauen, und bevorzugte bzw. starke mit Männern. Oder in einer übersteigerten Variante sind Täter typischerweise männlich, Opfer Frauen. Männliche Opfer schweigen oft aus Scham, zumal wenn der Täter noch eine Frau ist. Männliche Opfer dürfen kein Opfer sein, ansonsten sind sie kein richtiger Mann. Ich möchte keine Opferstatus für erlittenes Leid, aber ich würde es schon als großen Fortschritt ansehen, wenn ich nicht ständig mit Tätern, Vergewaltigern und Missbrauchern pauschal in einen Topf geworfen werde, nur weil ich das gleiche Geschlecht habe. Genauso wie ich mich bemühe, von dem verletzendn Verhalten einiger Frauen nicht auf den Rest der weiblichen Welt zu schließen. Und zum Glück gibt es auch schon nicht wenige Frauen - und auch Männer - die andere Menschen nicht so sehr nach Äußerlichkeiten wie der Geschlechtszugehörigkeit beurteilen. In diesem Sinne möchte ich meinen Beitrag auch verstanden wissen, nicht als pauschaler Angriff auf die Frauen, wie es leider bei vielen Männern der Fall ist, wenn sie sich gegen die Diskriminierung durch Frauen wehren. Auch in dieser Vorgehensweise ähneln sich Machos und Feminstinnen doch sehr. Aber Diskriminierung mit Diskriminierung zu bekämpfen, beseitigt keine Ungerechtigkeiten, es schafft nur neue.
© 2002 by Jörg. Eine Kopie dieses Textes befindet sich auf der Frauen und Männer Seite von Selbsthilfe-Missbrauch.de. Dort sind auch weitere Texte von (derzeit nur) männlichen Überlebenden zu lesen
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