Sonntag, 14. Oktober 2007

Der Aufstand gegen die Väter

Der Aufstand gegen die Väter
Überfällige Anmerkungen zum Geschlechterkampf
18.04.1998
Magazin - Seite M1
Matthias Matussek

Die "Vaterlose Gesellschaft" war ein Menetekel, nämlich die Warnung eines Linken vor dem utopistischen Taumel des gesellschaftlichen Umsturzes: Paul Federn, ein Freud-Schüler, gab den sozialistischen Genossen 1919 mit seinem Aufsatz "Zur Psychologie der Revolution: Die vaterlose Gesellschaft" den psychodynamischen Rückstoßeffekt radikaler Bewegungen zu bedenken. Ein Aufstand gegen die Vaterautoritäten könne unbewußte Schuldgefühle und Sühnebedürfnisse wekken und damit erneute Sehnsüchte nach einem starken Übervater die später prompt mit dem Großen Vorsitzenden, Stalin, und dem größten Feldherrn aller Zeiten, Hitler, befriedigt wurden.
Während Federn die "Vaterlosigkeit" trotz aller Einsprüche als politische Kampfparole nutzte der Kampf gegen die Vaterautorität des Staates als politischer Kampf , wurde der Begriff von Alexander Mitscherlich in einer gereinigten, unpolitischen Version für die Soziologie der Familie fruchtbar gemacht.
Bei ihm beschreibt die "vaterlose Gesellschaft" einen Zustand, in dem die Autorität des Ernährers durch zunehmend entfremdete Arbeit verfällt und er somit als Lehrer und Modell für die Söhne irrelevant wird. "Das Arbeitsbild des Vaters verschwindet, wird unbekannt. Gleichzeitig mit diesem von geschichtlichen Prozessen erzwungenen Verlust der Anschauung schlägt die Wertung um. "Dieser Prozeß", so Mitscherlich, habe "unaufhörlich zur Entleerung der auctoritas und zur Verringerung der innerfamiliären wie überfamiliären potestas des Vaters beigetragen".
Die studentische Linke in den sechziger Jahren übernahm die Diagnose der "Entwertung des Vaters" und galvanisierte den Begriff der "vaterlosen Gesellschaft" im Studentenprotest. Hier war die Haltung zum Zustand der "Vaterlosigkeit" eine Paradoxie, eine Art vorwurfsvolles Aufatmen. Es war schließlich die Vätergeneration, die entweder in Hitlers Krieg schuldhaft verstrickt und verblutet war oder im Wirtschaftswunder und Wiederaufbau verschwand.
Demnach war die vaterlose Gesellschaft zwar ein bedauernswerter Zustand, aber ein antiautoritärer, einer, der einer Gesellschaft mit Vätern vorzuziehen war. Schließlich waren es die Väter, die in erster Linie an ihre Karriere dachten, das falsche Bewußtsein hatten und abends mit der Sekretärin schliefen. Die Väter waren Gegner für die Generation der Söhne.
Doch erst mit der Frauenbewegung, die auch eine Revolte gegen die studentischen "Paschas" war, wurden Väter geschlechtsspezifisch diskreditiert. Mit der SDS-Gründung "Aktionsrat zur Befreiung der Frau" von 1968 war der neue Feind definiert: Männer, ein Ausbeuter-Geschlecht.
Der politische Diskurs über die Vaterrolle und dessen antiautoritäre Rebellionsperspektive wurde vom Sexistischen verschlungen, der Klassenkampf zum Geschlechterkampf und die antiautoritäre Theorie biologistisch zur quasi-rassistischen umformuliert. Was mit Horkheimer, Adorno und Mitscherlich begann, strandete irgendwann im Gekiekse eines "weiblichen" Bekennerjournalismus zwischen "Emma", "Stern" und "Brigitte". Die Antwort auf den "herrschaftsfreien Diskurs" hieß nun: Frauenanteil und quotiertes Rederecht.
Väter also waren nun Triebtäter mit phallischen Waffen, und in einer patriarchalischen Gesellschaft konnten sich Frauen nur noch als ausgebeutete Objekte wahrnehmen. In diesem Diskurs begann man jetzt, Matriarchatsmythen zu entwerfen und ansonsten auf Flokati-Teppich-Soirees die BH-freie Weiblichkeit als lila Weg in die sanfte Gesellschaft zu verkünden.
"Wir Frauen", hieß es nun, "werden dann erst unsere gesamte weibliche Kraft erlangen, wenn wir uns männlichen Wertvorstellungen entziehen, um damit die alten Götter vom Thron zu stoßen! Um dann in Einsamkeit und Stille visionär unser wahres Wesen zu erkennen." In der Folge sollte es zur vornehmsten Aufgabe der "patriarchalischen" Gesellschaft werden, diesen weiblichen Selbstfindungstrip zu finanzieren. Für Feministinnen ein Bußgeld der Gesellschaft.
Mit dem Feminismus war die Welt einfach und überschaubar geworden, so, wie sie es zuvor nur in kommunistischen Splittergruppen war. Der böse Zustand der Welt war Folge männlicher Verwüstung, Ausbeutung, Ausplünderung der Natur, Kriege, Hungerkatastrophen Männersache.
Der "Kampf um Gleichheit" war ein reiner Kulturkampf; denn die entscheidenden Frauenrechte waren längst erstritten worden, in der Französischen Revolution und der industriell-proletarischen sowie in zahlreichen Reformbewegungen. Ab 1919 war Geschlechtergleichheit in der bürgerlichen Gesellschaft etabliert. Zwar hatte der Nationalsozialismus die Frau wieder zur Nur-Gebärerin gemacht und entrechtet, aber im Grundgesetz von 1949 wurde die Gleichheit der Frau in allen gesellschaftlichen Bereichen garantiert.
Dennoch, unter dem Diskurs-Regime der wohlstandssatten Kleinrevolutionäre wurde der Schulddruck auf die "Männergesellschaft" zielstrebig verstärkt. Politik operiert ja nicht mehr im materiellen, sondern vorwiegend im symbolischen Raum mit grenzenlosen Freiheiten. Je mehr das Patriarchat verschwand, desto begeisterter wurde es gehaßt.
"Kein Projekt der Linken seit 1968", resümiert Susanne Gaschke in der "Zeit" vom 12.2.1998, "war so erfolgreich wie die neue Frauenbewegung zumindest, was die rhetorische und ideologische Wirkung angeht."
Vom Mann als ideellem Gesamtunterdrücker konnten in den siebziger Jahren besonders linke Männer nicht genug hören. Tatsächlich: Der Geschlechterkampf fand zunächst auf derselben Seite der Barrikade statt. Linke Männer und Frauen waren sich einig: Die Frau ist der bessere Mensch.
Und der Mann ist der schlechtere. Logisch. Alles, was sich damals als "typisch männliches" Rollenverhalten identifizieren ließ, etwa eine größere kämpferische Entschlossenheit, wurde nun verteufelt. Daß sie, wenn es sie denn gibt, durchaus positiv und lebenserhaltend sein kann, daß sie helfen kann, Familien zu schützen oder Revolutionen zum Erfolg zu führen, fiel in der "neuen" Anthropologie unter den Tisch. Selbst die enorme Aggressivität der Frauenbewegung machte niemanden stutzig. Sie war schließlich nur der Reflex auf die strukturelle der Männer.
Der politische Kampf war verloren vielleicht ließ sich die Revolte aber doch noch zum Sieg führen, nun von innen, im geschlechterspezifischen Umsturz: Der neue, sanfte Mann sozusagen als geschichtlicher Vollstrecker, der den alten Mann als Rest falschen Bewußtseins weggesprengt hatte, ja, nur dessen Niederlage als neuen Sieg buchen kann.
Bald gehörte es zum linken Salonton, von Grass "Butt" bis Walter Jens "Troerinnen", den naturvernichtenden Mann als Feind schlechthin zu demaskieren. Auch der Faschismus, klar, war eine "Männerphantasie" als hätte der österreichische Anstreicher als ideeller Gesamtbräutigam nicht auch Frauenaugen feucht werden lassen und die Verzückung von BDM-Mädels zur Raserei gesteigert. Daß der Widerstand gegen die braune Barbarei in erster Linie Frauensache gewesen wäre, hat nie einer ernsthaft behauptet und doch schwang diese Vorstellung als utopische stets mit , die "instinktnähere" und naturnähere Frau war Widerstand an sich.
Bald setzte sich ein erkenntnistheoretisches Grundmuster durch, das Adorno in seiner "Ästhetischen Theorie" die "Apologie des Unterdrückten" nannte, nämlich "des Tiers, der Landschaft, der Frau".
So entstand ein romantisches grünes Ideen-Reservat, in das sich die Frau als bedrohte Gattung eingemeindete. Albern? Sicher. Wirkungsvoll? Und wie. Nicht von ungefähr sind die Erfolgsstorys der Frauenbewegung und der Grünen ineinander verschränkt, einer Partei, zu deren vorrangigen Qualifikationskriterien für Spitzenjobs es gehört, Frau zu sein. Ein herrlicher Freibrief. Kein Wunder, daß etwa in Hessen eine grüne Ministerin nach der anderen wegen "Cousinenwirtschaft" und Korruptionsverdacht aus dem Amt entfernt werden muß.
Doch seit den frühen siebziger Jahren ist linke Politik in erster Linie Frauenpolitik. Feministinnen hatten einen Erweckungsauftrag, den Jutta Limbach, heute Verfassungsrichterin, so definiert: "Feministinnen helfen Frauen zu entdecken, daß ihr vermeintlich individuelles Schicksal Frauenschicksal ist." So entstanden Frauenverlage, Frauenzeitschriften, Frauenbuchläden, Frauencafés, Frauenkulturgruppen, Frauenferienhäuser, Frauentaxis, Frauengesundheitszentren, Frauenhäuser, Frauenparketagen und jede Menge Notrufdienste für mißhandelte und vergewaltigte Frauen und Mädchen, deren Zahl eskalierte, je mehr es schon davon gab.
Gleichzeitig etablierte sich in jedem Bundesland ein Netz von Frauenministerien und Gleichstellungsbeauftragtenbüros voller Frauen, die mit Argusaugen darüber wachten, daß genug Planstellen in weiteren Frauenbehörden geschaffen wurden. Allein für die Gleichstellungsstellen werden heute 150 Millionen an Personalkosten ausgegeben.
All diese Geschenke der "patriarchalischen Gesellschaft" werden heute als Siege der starken Frau gefeiert und für Zwecke einer biologistischen Machtpolitik eingespannt. Und der Nutzen? "Die angeblich alle Frauen umfassende Frauenbewegung", resümiert Cora Stephan in der "Zeit", "hat, den Grünen vergleichbar, nur ihren eigenen Funktionärinnen nennenswert genützt."
Jede Kleinstadt veranstaltet mittlerweile Symposien zur Ausbeutung der Frau, in denen Frauen (und Männer) Frauen bestätigen, daß sie sehr wundervoll und sehr ausgebeutet sind. Heute gehört es zur Arbeit einer Frauenbeauftragten, die Druckvorlage der lokalen Frauennetzwerkbroschüre zu redigieren und den Antrag des Frauengesundheits-Zentrums zu unterstützen, das eine Veranstaltungsreihe zum Thema "Körperlichkeit" sowie "Gruppenseminare zur korrekten Anwendung des Diaphragmas" plant und das alles mit üppigen, öffentlichen Mitteln zu fördern (Die Zeit, 12.2.1998).
Die Quotenregelungen sorgen dafür, daß die großen Parteien Spitzenämter mit Frauen besetzen, und das neue Scheidungsrecht dafür, daß diese von selbstbewußten, geschiedenen Frauen mit Doppelnamen eingenommen werden.
Auf der grammatikalischen Ebene werden erhebliche Anstrengungen unternommen, um auch den symbolischen Gleichheitsforderungen zu genügen. Mitbürgerinnen und Mitbürger, Ingenieurinnen und Ingenieure, Weihnachtsfrauen und Weihnachtsmänner, Frauenministeriumsangestelltinnen und Frauenministeriumsangestellte werden seither auf dem diplomatischen Parkett politischer Korrektheit begrüßt wie Würdenträger feindlicher Blöcke, Goethes Wort folgend: Die Frauen sind eine andere Nation.
Wer heute gegen diese neuen Sprachregeln verstößt, wer etwa bei Stellenausschreibungen an der Uni Hamburg die weibliche Endung ("Ingenieur/Innen") unterschlägt, macht sich des "Verschweigens der Frauenexistenz" schuldig und hat einen Tatbestand des "Belästigungskatalogs" der Frauenbeauftragten erfüllt, wie ein genervter Aussteiger, der Anglistik-Professor Dietrich Schwanitz, berichtet.
Fremde Nationen sollten einander mit Respekt behandeln. Doch die Höflichkeit ist einseitig geworden. Wo über Frauen geschrieben wird, gelten noch die altmodischen Regeln der Galanterie, gilt mit Recht das Verletzungstabu. Wo über "den Mann" verhandelt wird, gilt er seit Beginn der Frauenbewegung als auslaufendes Modell, als Versager besonders als Vater.
Tatsächlich: Besonders als Vater wurde der Mann seit den siebziger Jahren nur noch wie ein brauchbarer Depp, ein fürchterlicher Zwitter wahrgenommen, der seine angestammten Pflichten nicht mehr erfüllen wollte und sollte, und wenn es die war, seinen Kindern ein starker, bisweilen sogar strenger Normengeber zu sein, ein Vater, an dem sie sich messen, den sie auch bekämpfen können. Der antiautoritäre, sanfte Mann dagegen ist ein im Grunde gleichgültiger Vater: Er ist nicht nur geschlechts-, sondern auch verantwortungsneutral.
In der vaterlosen Gesellschaft wurden Väter tatsächlich zunehmend abwesend. Ein Paradox: In der römischen Gesellschaft bedeutete "Emanzipation", daß die väterliche Erziehung abgeschlossen war, bedeutete die "Entlassung eines Sohnes aus der väterlichen Gewalt". Nun hieß Emanzipation schlicht: Entlassung des Vaters. Und die wurde nicht nur kulturell, sondern auch institutionell und rechtlich abgesichert, besonders mit dem neuen Scheidungsgesetz, das 1977 ausgerechnet auch von frauenbewegten Männern verabschiedet wurde. Nun sollte jede Frau jederzeit in der Lage sein, den Unterdrückermann zu verlassen, den Unterdrückervater der Kinder zu verstoßen und zwar unter Mitnahme der Kinder und der Hälfte seiner Einkünfte über Jahre hinaus.
Wie tief dieses einzelne Gesetz in das sozialethische Gefüge eingegriffen und wie sehr es den Vater zur auswechselbaren Zahlgröße gemacht hat, dokumentiert ein Düsseldorfer Richterspruch aus jüngster Zeit: Eine Frau hatte während ihrer Ehe eine Affäre mit einem anderen Mann und ein Kind mit diesem gezeugt. Kurze Zeit darauf hatte sie sich von ihrem Ehemann getrennt, ihn aber in dem Glauben gelassen, das Kind sei von ihm. Jahrelang nahm er das Kind für sein eigenes und zahlte, jahrelang wurde auch das Kind über die wahre Identität seines Vaters getäuscht. Bis der Betrug der Frau aufflog.
Als der betrogene Vater Sühne für dieses Unrecht verlangte und zumindest auf Rückerstattung des Unterhalts klagte, wurde er abgewiesen. Doch nicht das alleine ist der Skandal, sondern die Begründung des Richters. Er mochte eine "sittenwidrigschädigende Handlung" in dem Verhalten der Frau nicht erkennen.
Noch einmal: Eine Ehebrecherin hatte ihr Kind und zwei Männer jahrelang über die wahre Vateridentität getäuscht und Unterhalt vom falschen, offenbar finanzkräftigeren Partner erschlichen. Doch sie hat sich nach den neuen Spielregeln "nicht sittenwidrig" verhalten. Fazit: Väter sind buchstäblich austauschbar geworden.
Symbolisch wichtig nicht zuletzt der Ratschlag, den der Richter erteilte. Die Männer, beide auf ihre Art Opfer der weiblichen Fassadenschieberei, sollten sich untereinander auseinandersetzen die Frau sei von juristischen Konsequenzen ausgenommen.
Die Scheidungsindustrie produziert seither Vaterlosigkeit am Fließband. Mit rund 150 000 Scheidungen jährlich wächst das Riesenheer von Zahlvätern, die mit der Erziehung ihrer Kinder nichts mehr zu tun haben dürfen und mit Hilfe von Frauenverbänden, Jugendämtern und Justiz auf Distanz zu den Kindern gehalten werden.
Rechnet man die unehelichen Beziehungen dazu, sind es, nach Angaben von Frauenbüros, mittlerweile zu drei Viertel Frauen, die die Scheidung oder Trennung vollziehen, meist nach relativ kurzer Zeit, also wenn die Kinder noch klein sind.
Der neue Mann ist ein Vater auf Zeit, wie der Algerier Simone, der von seiner deutschen Frau den Laufpaß bekam, nachdem das Kind auf der Welt war. Er könne sein Kind monatlich einmal sehen, beschied ihm die Mutter so lange bis sie einen neuen Mann habe.
Tatsächlich erinnern die Konsequenzen der Scheidungsindustrie bisweilen an vorzivilisatorische, matrilineare Gesellschaftsformen, in denen wegen der allgemeinen Promiskuität die Väter nicht auszumachen waren und Genealogien über Mütter bestimmt wurden.
Je sorgloser Frauen von den Sonderangeboten der Scheidungsindustrie Gebrauch machten, desto größer wurden die Anstrengungen, von dem Skandal väterlicher Entrechtung mit dröhnenden Argumenten abzulenken.
Eigentlich weiß mittlerweile keiner mehr so genau, worin die Schuld der Männer eigentlich besteht. Sie wird jedoch ständig neu behauptet, um eine einmal etablierte, mächtige Frauenbürokratie zu legitimieren.
Auf einer "Gleichberechtigungskonferenz des Bundesfrauenministeriums" Anfang 1998 klagte Ministerin Nolte: Immer noch kümmern sich 75 Prozent der nicht berufstätigen Hausfrauen um den Haushalt, nur 25 Prozent der Männer springen ihnen zur Seite, wenn sie von der Arbeit kommen.
Selbst wenn beide berufstätig sind, rief Frau Nolte aus, wird die Hausarbeit nur in 72 Prozent der Fälle hälftig und gerecht verteilt. Bei den übrigen 28 Prozent kommt es zu Mogeleien. Um Gottes willen kein Wunder, daß die Scheidungszahlen explodieren.
Natürlich können sich die Frauenbürokratien mittlerweile all jene Vorzeigemänner leisten, die ihnen bescheinigen, daß Männer von ihnen "lernen müssen", wie es der Soziologe Hollstein formulierte. Er präsentierte den 160 Teilnehmerinnen des Gleichberechtigungs-Kongresses auch gleich den neuen Mann: Der hat "ein sozialwissenschaftliches Studium", ist weniger "gefühlsgehemmt" und stets zu Beziehungsgesprächen aufgelegt eben einer wie Hollstein.
Fazit des Kongresses: Statistisch sind es zwar überwiegend die Frauen, die sich mit Geld und Kind aus dem Staub machen, aber es sind nach wie vor die Männer, die schuld sind.
Gleichzeitig mit der vollzogenen Abschaffung des Vaters blüht ein absurder Kult um die Alleinerziehende. Ihr wendet sich das soziale Mitleid zu, als sei das Elend nicht meistens das ihrer eigenen Bindungsunfähigkeit und familiären Verantwortungslosigkeit, sondern die Schuld des zurückgelassenen Mannes.
Als Superstar aller Alleinerziehenden kann zweifellos Prinzessin Diana gelten. Sie schaffte es nach der lukrativen Trennung von Prinz Charles, selbst Liebesaffären, Jet-set-Rummel und peinliche Talkshow-Offenbarungen mit dem sozialen Sex-Appeal der Alleinerziehenden zu vergolden.
Auch wenn die beiden Söhne vorwiegend in Internaten aufwuchsen und der ältere in bedenklicher Weise als Tränenbank für den Liebesfrust der Mutter benutzt wurde, so blieb sie doch die tapfere, stolze, hübsche Alleinerziehende, die das Leben meistert. Seit sie ihre Kinder hatte, war sie, so Camille Paglia, "unverwundbar".
Der Kampf gegen die Väter einst eine politisch und psychodynamisch wichtige Aktion ist in begrifflichen Lächerlichkeiten gelandet. Es geht um Hausarbeit. Der Rest: reaktionäre feministische Besitzstandsliturgie und fröhliche Habgier.
Der Mann wird von radikalen Feministinnen geduldet als Zeuger, ansonsten ist er überflüssig. Seine Vaterschaft ist zur pur biologischen Funktion geworden, während seine Verantwortung, seine emotionalen und spirituellen "Zugriffe" aufs Kind als Einmischung empört zurückgewiesen werden. Die Ideologie ist im Kern atavistisches Mutterrecht nach dem Motto: Ich mache mit meinem Kind, was ich will. Das ist gewiß der bedenklichste Fall-Out der ansonsten notwendigen Kampagne zur Reform des "Abtreibungs"-Paragraphen 218 in den siebziger Jahren: Im biologischen Pleonasmus des Slogans "mein Bauch gehört mir" ist das werdende Leben, schließlich ein gemeinsames Mysterium, nur noch weibliche Körperfunktion und zur Gänze entzaubert. Mit dem biologischen wurde auch der ideologische mütterliche Alleinzugriff aufs Kind (oder Nicht-Kind) untermauert. Ein Trumpf, der immer sorgloser ausgespielt wird.
Daß in Berlin auf 1 000 Geburten 390 Abtreibungen kommen, ist natürlich eine erschreckende Zahl und alles andere als ein Beweis für emotionale und moralische Reife, ganz besonders in Zeiten, in denen Verhütungsmittel allgemein verfügbar sind. Es dürfte eigentlich kaum noch "ungewollte" Schwangerschaften geben. Die Abbruch-Indikationen Vergewaltigung und gesundheitliche Gefährdung für Mutter oder Kind fallen statistisch kaum ins Gewicht.
Daß dennoch so massenhaft abgetrieben wird, läßt darauf schließen, daß die Frage über das werdende Leben bisweilen auf das Entscheidungsniveau gesunken ist, auf dem Funktionsstörungen des Verdauungstraktes oder die Anschaffung eines Kühlschranks abgehandelt werden. Im berechtigten Kampf gegen die klerikale und juristische Fremdbestimmung der Frau in der Abtreibungsfrage ist nun das andere Extrem erreicht: Das Kind wird nur noch als biologische "Ausdehnung" der Mutter gesehen; die Ausgrenzung des Vaters dagegen ist total.
Wie schwer es Männern fällt, damit umzugehen, zeigt ein neuer Film von Abel Ferrara: Ein Filmregisseur erfährt von seiner Freundin, daß sie abgetrieben hat. Er hatte sich auf seine Vaterschaft gefreut, hat das werdende Leben als eines erlebt, das auch ihm zuwächst. Doch es ist nicht nur die Tatsache der Abtreibung alleine, die ihn erschüttert es ist die Sorglosigkeit, mit der sie von seiner Freundin vorgenommen wurde, ohne sich mit ihm darüber zu verständigen. Sie dachte, so sagt sie ihm, ihm passe ein Kind nicht in den Kram.
Väter sind eine disponible Größe geworden. Im besten Falle sind sie Väter auf Zeit. Die tip-Anzeige, in der eine "Lesbierin einen Samenspender sucht (darf auch gerne schwul sein)", markiert diese Position. Sicher, selbst für die Zeugung wäre ein schwuler Mann im feministischen Diskurs ein konvertierter, guter Mann wünschenswert. Doch eigentlich tut es jeder, solange er eines nicht beansprucht: Vater zu sein in der pädagogischen, spirituellen Bedeutung des Wortes.
Wie grimmig die Realitäten unter dem feministischen Familiendiskurs geworden sind, erfuhren die Autorinnen Anke Kuckuck und Heide Wohlers bei den Recherchen zum Buch "Vaters Tochter". Über Väter spricht man nicht mehr. Väter sind ausgegrenzt und tabu. Und wenn man nach ihnen fragte, "schwebte das Wort Verrat über den Gesprächen".
Vaterlosigkeit ist ein soziokultureller Virus, der stets neue Ableger produziert. Eine Alleinerziehende schafft neue Alleinerziehende, denn ihre Kinder wachsen mit dem Implantat heran: "Eine dauerhafte Beziehung kann es nicht geben."
So ist im Laufe der Jahre ein geisterhaftes "Patriarchat ohne Väter" (Helga Levend) entstanden, dessen Auswirkungen besonders jene "neuen Männer" spüren, die die vaterlose Gesellschaft einst erkämpfen halfen und jäh in Ungnade gefallen sind. Männer wie Lothar Reinhard, Gründungsmitglied der Grünen in Mülheim/Ruhr, Aktivist zur Abschaffung des Paragraphen 218, Entwicklungshelfer und Lehrer.
Mit seiner Frau, ebenfalls Grüne, ebenfalls Lehrerin, hatte er von sanfter Erziehung und antibürgerlichen Rollenverteilungen geträumt, als sein Sohn zur Welt kam. Er arbeitete halbtags, sie auch. Er wollte alles richtig machen als ausgebildeter Pädagoge mit Ideen über eine "freie Entwicklung der Persönlichkeit".
Der Traum war ausgeträumt, als sich seine Frau, die selber ohne ihren Vater aufwuchs, von ihm abwandte. Denn nun begann der ganz unfreiheitliche kinderverkrümmende Mechanismus der Scheidungsindustrie zu greifen, jener "bürgerlichen" Industrie, die sie nun rigoros nutzte.
Das Häuschen wurde auf ihr Verlangen durch eine Mauer geteilt. Reinhard zahlte Unterhalt, doch sein Kind durfte er nur nach wochenlangen telefonischen Voranmeldungen sehen. Dann wurde es von der Mutter in Anorak und Gummistiefel gepackt, als hätte es sich auf einen langen Weg zu machen. Dabei mußte es nur die Treppenstufen zum Tiefparterre nehmen.
Kinderverstörender Terror. Verbotene Kontaktaufnahmen, etwa im Garten, wurden mit Boykotten geahndet. "Die Spontaneität meines Sohnes ist mittlerweile gekillt", sagt Reinhard, "die absolute kleinbürgerliche Kacke." Allerdings wohl eine ganze Ecke verlogener und kaltblütiger, denn selbst dieser Wahnsinn wurde von seiner grünen Mitstreiterin mit progressiver Pädagogik begründet das Kind solle die Trennung der Eltern bewußt erleben.
Seine Frau ließ sich anwaltlich beraten von einem Grünenfunktionär, dem Lebensgefährten der Landessprecherin Steffen. Eskalierend beraten, nicht schlichtend. Reinhard schildert ihn als eines dieser typischen "neuen" Männchen, die für ihren buckelnden Opportunismus in der Frauenbewegung stets mit Belohnung rechnen dürfen. Er ist heute, ausgerechnet, Erziehungsdezernent.
Reinhard ist restlos ernüchtert. Über Reformen des Kindschaftsrechts dürfe man nicht reden bei den Grünen. "Eigentlich darf man über nichts reden, was das Machtmonopol der Frauen bedroht. Die haben alles fest im Griff. Mit dem Frauenvotum können sie jeden Antrag abbügeln, ansonsten hilft das quotierte Rederecht."
Den Vater, der ganz einfach und insgeheim wohl auch ganz bürgerlich Vater sein wollte, erinnert der politisch korrekte Unfug der Grünen besonders in Kinderrechtsfragen "mitunter stark an den Psychoterror von Sekten".
Rückblickend stellt er fest: "Wir haben Mist gebaut. Mit unserem Kampf gegen Väter haben wir genau die väterfeindlichen Gesetze geschaffen, die heute alles kaputtmachen." Er könne nur noch hoffen, daß aus seinem Sohn kein Eichmann gemacht werde oder ein Schläger.
"Wir wollten die patriarchalische Gesellschaft verändern statt dessen haben wir die Willkür schrankenloser Muttermacht bekommen. Wir wollten die bürgerliche Kleinfamilie auflösen und neue Lebensformen probieren statt dessen haben wir die intellektuelle und moralische Verantwortungslosigkeit bekommen."
Resigniert setzt er hinzu: "Familienpolitisch ist die Linke wohl restlos gescheitert." Und wenn sie es nicht schaffe, diesen Bereich mit ihren sonstigen Menschenrechtsforderungen in Einklang zu bringen, sehe "die Zukunft düster aus".
Matthias Matusseks neues Buch "Die vaterlose Gesellschaft" erscheint in diesen Tagen im Rowohlt Verlag.

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