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Familie
Wir Rabenväter
Von Jasper von Altenbockum
Schon exotisch? Die „intakte” Familie13. April 2006
Mit Erstaunen sind Untersuchungen zur Kenntnis genommen worden, aus denen hervorgeht, daß der Kinderwunsch bei Männern weniger ausgeprägt ist als bei Frauen und daß sie sich diesem nicht selten sogar in den Weg stellen.
Aber was ist am „Zeugungsstreik“ der Männer so überraschend? Gelten für Väter und Nichtväter andere Maßstäbe als für Mütter und Nichtmütter? Müssen Männer, die sich auf die weibliche Domäne der „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ begeben, andere Konsequenzen ziehen als Frauen? Oder rührt die Überraschung aus der Überzeugung, daß Männer gegenüber Frauen privilegiert seien und ihre Kinderlosigkeit deshalb nicht Verzweiflungstat, sondern nur das letzte Mittel sei, die Rolle als einsamer Ernährer zu verteidigen?
Konkurrenz um die gleichen Rechte
Die Motive für das oft vergebliche Verlangen, Beruf und Familie jeweils ausleben zu können, beziehen sich stets auf die Teilnahme am Erwerbsleben, auf die dort üblichen Karrieremöglichkeiten und auf „Unabhängigkeit“ jenseits des Familienhaushalts. Die Möglichkeit dazu ist seit der Erfindung der „Antibaby“-Pille für Männer und Frauen gleich, eine individuelle „Familienplanung“ jenseits des Haushalts mit Kindern seitdem überhaupt erst möglich. Die Pille hat die „Frauenfrage“ auf ebenso revolutionäre wie unerwartete Weise beantwortet.
Das hieß in erster Linie - die Abtreibungsregelung hat das fortgeführt - Lossagung von Kind und Küche, in zweiter Linie „Emanzipation vom Mann“, der die Pille seinerseits als Möglichkeit begreifen konnte, nicht in lästige Rechtfertigungsnöte zu geraten. Denn wo erst einmal ein Kind ist (ganz zu schweigen vom zweiten oder dritten), muß der Mann der Frau womöglich erklären, warum nicht er, sondern sie sich um den Nachwuchs zu kümmern habe. Ja, warum eigentlich?
In einer Gesellschaft, in der es egal ist, wer sich um die Kinder kümmert, ob Mann, Frau oder Krippe, die also einen Unterschied zwischen Vätern, Müttern und außerhäuslicher Betreuung politisch - oder gar aus biologischen wie anthropologischen Gründen - nicht mehr anerkennen will, konkurrieren Männer mit Frauen um gleiche Rechte und Pflichten.
Kinderwunsch bei Frauen hartnäckiger
Beide Seiten flüchten aus ihrer jeweiligen Zwangslage in die gleiche kinderlose Antwort; Frauen, weil sie die Kinder zur Welt bringen müssen, Männer, weil sie sich schwertun, ihre angestammte Verantwortung als Familienversorger mit der des Kinderbetreuers zu tauschen. Selbst die größten Anreize für die Elternzeit können daran nichts grundlegend ändern.
Die Männer haben eben in der Regel schon, was Frauen wollen, nämlich gesellschaftliche Anerkennung durch einkommensbedingten Status. Wenn aber dasselbe Lebensmodell für Männer und Frauen Maßstab für Glück und Zufriedenheit ist, warum sollten sich Männer dann besser fühlen dürfen, die sich von Frauen den Verzicht wünschen, den sie selbst nicht leisten wollen? Wo immer von Rabenmüttern die Rede ist, sind die Rabenväter nicht weit.
Mit Biologie, die ansonsten weithin negiert wird, hat indessen durchaus zu tun, wer erklären will, warum Frauen im Kinderwunsch hartnäckiger sind als Männer. Das ist einer der Gründe, warum sich Politik und Wissenschaft vor allem den Frauen widmen. Mit Frauen und Strategien zur Durchsetzung einer „frauengerechten“ Lebensplanung beschäftigen sich Parteien, Stiftungen und ganze Ministerien, während die Väter unbekannte Wesen geblieben sind.
Tägliche Kompromisse
In Deutschland tauchten sie in den vergangenen Jahrzehnten vornehmlich als Schreckgespenster auf, die es vor sich selbst zu schützen galt: als patriarchalische Rohrstockfaschisten, als Pantoffelhelden eines spießigen Familienideals, als potentielle Vergewaltiger und Kinderschänder, zuletzt als die Opfer eines väterfeindlichen Scheidungs- und Sorgerechts, in dem sie (bis zur Novelle des Familienrechts) kaum Chancen hatten, der Rolle des zwar unterhaltspflichtigen, ihren Kindern aber nicht zumutbaren Taugenichts zu entgehen.
Wo aber Kinder sind, müssen und wollen die meisten Eltern täglich Kompromisse schließen. Die fangen beim Bügeln an und hören bei Teilzeitarbeit noch lange nicht auf. Väter geben dabei nach verbreiteter familienwissenschaftlicher Meinung als Maulhelden eine denkbar schlechte Figur ab. Sie sollen ihre Karriere einschränken oder ganz aufgeben, der Mutter zuliebe, die ihre Karriere fortsetzen oder überhaupt erst in Angriff nehmen will.
Sehnsucht nach Familie
Einschränkungen des Vaters bedeuten in der Regel aber materielle Einbußen für beide, die durchs teure Kinderglück nicht kompensiert werden. Also muß - mangels Angebot an attraktiver Teilzeitarbeit - draufgesattelt werden in Richtung doppelter Vollzeitbeschäftigung. Eines der beiden Einkommen, meist das der Frau, deckt dann die steigenden Betreuungskosten der Kinder - eine absurde Folge.
Bislang hat dieser Zustand nicht dazu geführt, daß die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der Rente als Anreiz zur Umkehr begriffen würde oder gar daß Hauswirtschaft (dieses Mal aber auch für Männer!) als anerkannter Beruf wiederbelebt worden wäre. Dazu kommt es auch deshalb nicht, weil Väter und Mütter zur Minderheit geworden sind, zumal solche, die nicht geschieden sind und nicht ins Bild einer Familiensoziologie passen, in dem die „intakte“ Familie bald so exotisch wirkt wie der Hausmann.
Der Rest, die Masse der Nichtmütter und Nochnichtväter, hat zwar eine tiefe Sehnsucht nach Familie. Die kann aber nicht mehr gestillt werden, weil der Keimzelle die Gesellschaft abhanden gekommen ist, die sie wachsen läßt. Wenn nicht die Rabenmütter daran etwas ändern können, dann auch nicht wir Rabenväter.Text: F.A.Z., 13.04.2006Bildmaterial: picture-alliance/ dpa
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