Montag, 12. Februar 2007

Das Dilemma

Wer meinen Blog mitliest, der hat sicher gemerkt, dass ich immer wieder auf Texte von August Bebel verweise. Nun hat die realsozialistische Praxis den Sozialismus/Kommunismus sehr in Mißkredit gebracht, nicht ohne Grund. Dennoch sind viele Texte der "Klassiker" wirklich lesenswert.
Ich glaube nicht, dass eine auf Gemeinschaftseigentum beruhende Massengesellschaft eine Zukunft hat. Der Grund ist, dass es keine letzte Wahrheit gibt und damit auch niemand, der sie kennen kann. Das bedeutet, wir müssen unseren Weg in die Zukunft blind tastend suchen. Über Produktivvermögen soll verfügen, wer bewiesen hat und täglich beweist, dass er in der Lage ist, damit sinnvoll umzugehen, d.h. die Bedürfnisse der Menschen unter möglichst geringem Resourceneinsatz zu befriedigen und das besser als andere. Wettbewerb ist das Zauberwort. So entwickelt sich Wirtschaft in einem evolutionären Prozess.
Nun bin ich kein Ultraliberaler sondern ein Freund der Bürgergesellschaft, des starken Staates und der demokratischen Kontrolle. Freies Unternehmertum kann sich nur in einem vorgegebenen Rahmen und durch Regeln eingebunden in eine staatliche Gemeinschaft vollziehen. Sonst haben wir Wildwestmethoden und Räubermanier.
Dabei darf nicht aus dem Blick verloren werden, dass alles Wirtschaften den Menschen dienen muss, nicht nur einer kleinen Clique sondern allen Menschen. Das ist ein hoher Anspruch, den aber sowohl Wirtschaft als auch die Obrigkeit nie aus dem Blick verlieren darf, soll das Gemeinwesen stabil bleiben. Und wer viel nimmt, der soll auch viel geben. Wer seinen Kunden plündert wirtschaftet nicht nachhaltig und Kunden sind auch die Arbeitnehmer, denn das Unternehmen vermietet quasi Arbeitsplätze an die Arbeitnehmer und die Arbeitnehmer sind letztlich die Abnehmer der Waren und Dienstleistungen der Unternehmen.
Der Sozialismus ist übrigens ein Kind des Kapitalismus. Erst das Herauslösen des Menschen aus alten Loyalitäten und Zwängen, z.B. Zünften und Ständen, lässt den individualisierten Arbeitnehmer, den Proletarier, entstehen. Sozialismus und Kapitalismus streben nach Freiheit, wenn auch nicht reinen Herzens. Der Sozialismus strebt nach dem befreiten Proletarier, der Arbeitet, wozu er Lust hat. Der Kapitalismus will den Arbeitnehmer als ungebundenen Vertragspartner. Beides kann nicht gut gehen. Die sozialistischen Denker haben meiner Ansicht nach einen klareren Blick auf den werktätigen Menschen, den die Volkswirtschaftslehre eigentlich nur als Produktionsfaktor oder anonyme Massennachfrage wahrnimmt. Was mir auch gut gefällt, gerade bei Bebel, dass er das Geschlechterverhältnis in den Zusammenhang mit den Lebens- und Produktionsverhältnissen bringt. Er verspricht sich von der Eingliederung der Frau in den Produktionsprozess, bei entsprechender Entlohnung, deren Befreiung und damit aber auch die Befreiung des Mannes. Denn man darf nicht vergessen, Hierarchien binden beide Parteien.
Das Problem, das sich auftut, sind die Kinder. Es gibt beim besten Willen keinen rationalen Grund FÜR DAS INDIVIDUUM Kinder zu bekommen, auch wenn Kinder für die Gemeinschaft ein extremer Nutzen und unverzichtbar für das Überleben DER GEMEINSCHAFT sind. Mag noch der Reiche Kinder bekommen, weil er sein Lebenswerk und seinen Reichtum nicht in fremde Hände geben mag. Für alle abhängig Beschäftigten gilt dies nicht. Warum sollten sie Kinder in die Welt setzen, die doch wie sie selber mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nur wieder Knechte, d.h. abhängig Beschäftigte sein werden. Warum soll ein Sklave die Sklaverei erhalten, indem er Sklaven zeugt? Im Nachdenkblog ist ein Gedicht, das dieses Dilemma gut beschreibt.
Also wird nur der Kinder zeugen, der Kinder als Liebhaberei, als Hobby sieht. Und solche Typen geben die Kinder eben dann nicht in die Tagesstätte, sondern wollen mit Kindern leben, diesen ganz nahe sein, zumindest in den ersten Jahren. Eine Frau, die Kinder als Lebensinhalt, als Liebhaberei sieht, wird sich einen Mann suchen, der ihr zumindest Teilzeitarbeit ermöglicht. Und damit entstehen zwischen den Partnern schon wieder Abhängigkeiten und mit der wechselseitigen Freiheit ist nichts. Auch wird eine Trennung schwer, wenn Kinder ins Spiel kommen. Und hier hat eben dann auch Bebel keine Antwort. Es ist verflixt.

DschinDschin

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