Montag, 6. August 2007

Nicolas Fargues

Der Überlebende der Ehehölle

Der Roman „Nicht so schlimm" erzählt vom Scheitern der Liebe. Das Schreiben war für den Autor eine Art Therapie, hatte er doch gerade selber eine Trennung zu verarbeiten. Nicolas Fargues im Gespräch über Partnerschaften, Gewalt und das Schattenreich der Ehe.
Nicolas Fargues' Roman "Nicht so schlimm" erzählt vom Zerbrechen der Liebe.
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In Frankreich war Nicolas Fargues’ Roman „J’etais derrière toi“ der Überraschungserfolg des vergangenen Jahres. Schnörkellos erzählt der 35-jährige Schriftsteller darin die Geschichte vom Scheitern seiner Ehe. Jetzt ist die deutsche Übersetzung des Buches als „Nicht so schlimm“ erschienen – ein grob verharmlosender Titel angesichts der beschriebenen Ehehölle. Beim Gespräch im Münchner Literaturhaus gab Fargues, der auch schon für Chanel modelte, offen Auskunft über sein Beziehungsverständnis und nahm gelassen den Vorwurf hin, ein Schwächling zu sein.
WELT ONLINE: Herr Fargues, zwischen Ihnen und dem Protagonisten von „Nicht so schlimm“ gibt es einige Parallelen: ein Franzose, Anfang dreißig, mit zwei Kindern, der lange in Afrika gelebt hat. Wie stark ist der autobiografische Anteil?
Nicolas Fargues: Der liegt bei hundert Prozent. Ich habe das Buch vor drei Jahren, direkt nach meiner Trennung, geschrieben, das war wie eine Art Therapie für mich. Inzwischen bin ich geschieden und lebe wieder in Paris.
WELT ONLINE: Ein Kritiker bezeichnete Ihren Roman als „Röntgenbild vom Kampf der Geschlechter“, ein anderer als „symptomatisch für die Generation der Mittdreißiger“.
Fargues: Zunächst einmal ist es eine individuelle Geschichte. Ich habe sehr früh geheiratet und Kinder bekommen. In meiner Generation gründen die Leute eigentlich nicht so früh eine Familie. Vielleicht aber ist die Beziehung, die ich zu Frauen habe, ein wenig repräsentativ für die Mittdreißiger.
WELT ONLINE: Sie entschuldigen, aber der Protagonist wirkt doch sehr schwach. Zum Teil erinnert seine Ehe mehr an ein Mutter-Kind-Verhältnis als an eine Partnerschaft. Dann wieder lässt er sich von ihr zusammenschlagen.
Fargues: Ich bin Anfang der 70er-Jahre geboren. Meine Mutter gehörte zu der ersten Generation, die von der Frauenbewegung profitierte. Mit Frauen verbinde ich vor allem Stärke. Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen dem Einfluss, den ein Mann oder eine Frau auf mich ausüben kann.
WELT ONLINE: Dann bedeutet Liebe also Krieg?
Fargues: Generell natürlich nicht, aber in diesem Fall: ja! Bis die beiden Charaktere sich aus der Situation befreien können, gehen sie an die Grenzen des Ertragbaren. Manchmal werde ich ganz wehmütig, wenn ich an die Zeit denke. Nicht, dass ich gern leide, aber wenn man so leidet, lebt man sehr intensiv. Das war eine Achterbahn der Gefühle. Eine große Sache.
WELT ONLINE: Ein weiteres Problem scheint darin zu liegen, dass der Protagonist und seine Frau unterschiedlichen Kulturkreisen entstammen.
Fargues: In erster Linie ist es ein Problem zwischen Mann und Frau, aber der kulturelle Unterschied spielt sicher eine Rolle. Alexandrine ist Afrikanerin, er Franzose. Anfangs hat die Zuneigung alle Differenzen verwischt. Nach zehn Jahren Ehealltag allerdings haben sich verschiedene Vorstellungen von Liebe herauskristallisiert. Alexandrine erwartet von ihrem Mann, ihr gegenüber Härte zu zeigen. Sie sagt ihm: „Du musst mit mir umgehen wie die Fußballmannschaft von Kamerun mit ihren Gegnern.“
WELT ONLINE: Sie zitiert eine afrikanische Redensart: „Die Kameruner haben die gegnerische Mannschaft zu ihren Frauen gemacht“, was bedeutet: Die Kameruner haben gesiegt.
Fargues: Genau. Alexandrine verlangt, dass er sich wie ein Macho verhält, und sie hat den Mut, ihm das so zu sagen. Eine Europäerin würde das nicht so aus tiefstem Herzen formulieren. Ich habe lange in Afrika gelebt, die Art wie Mann und Frau dort miteinander umgehen, ist anders als die hier. Eine Beziehung ähnelt dort mehr einer Art stolzem Kampf. Diese Idealisierung vom Paar-Sein und vom Kinderkriegen ist eher westeuropäisch.
WELT ONLINE: Hat ein Paar mit gemeinsamen Wurzeln bessere Chancen auf Glück?
Fargues: Nein, überhaupt nicht. Gut möglich, dass ich eines Tages wieder eine interkulturelle Beziehung eingehen werde.
WELT ONLINE: Was faszinierte die Leser in Frankreich so an Ihrer Geschichte?
Fargues: Ich habe Hunderte Leserbriefe bekommen, die meisten von Frauen. Der Grundtenor war: „Es ist das erste Mal, dass ich mitbekomme, wie ein Mann aufrichtig seine Gefühle in Worte fasst.“ In anderen Briefen hieß es: „Ich erlebe gerade genau das Gleiche.“ Es ist interessant, dass sich so viele Frauen mit dem Protagonisten identifizieren. Dann gab es auch ein paar Männer, die mir sagten, dass sie sich nie wagen würden, solche Dinge auszusprechen.
WELT ONLINE: Sie dagegen haben mutig Ihr Herz auf den Tisch gelegt.
Fargues: Ich glaube nicht, dass das mutig war, eher narzisstisch. Ich wollte beim Schreiben absolut ehrlich sein und nicht den Helden markieren. Denn letztlich bin ich kein Held, und es ist mir auch vollkommen egal, ob die Leute mich für ein Weichei halten, so ist die Geschichte nun mal gelaufen. Ich habe nicht das Gefühl, stolz sein zu müssen, reden ist wichtiger.
Nicolas Fargues „Nicht so schlimm“, Rowohlt, 16,90 Euro

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